Eigenverantwortliche Entscheidung der Vergabestelle notwendig

Die Verantwortung der Vergabestelle kann nicht zu 100 % auf externe Berater abgewälzt werden. Sie muss vielmehr die wesentlichen Entscheidungen des Vergabeverfahrens selbst treffen.

Entscheidung im Volltext: 

2. Vergabekammer des Landes Brandenburg

beim Ministerium für Wirtschaft

GWB § 97 Abs. 1, 2, 5; VOB/A § 7 Nr. 1, § 9 Nr. 3 Abs. 1, § 21 Nr. 1, 2, § 22 Nr. 3 Abs. 2, § 25 Nr. 1

1. Die Auftraggeberin kann im Vergabeverfahren eine Beratung durch Sachverständige in Anspruch nehmen. Sie darf aber nicht alle Entscheidungen in dem Verfahren an den Berater delegieren und ihre Mitwirkung an dem Verfahren auf das "Abnicken" beschränken. Sie muss die Angebote prüfen und über eigenverantwortlich mögliche Ausschlussgründe und den Zuschlag entscheiden.*)

2. Der Auftraggeberin obliegen auch Sorgfaltspflichten einerseits den Bietern gegenüber, andererseits der öffentlichen Hand oder denen, die auf seine Dienstleistung angewiesen sind, keine Alternative haben und deshalb die geforderten Preise zahlen müssen. Ihr obliegt die Durchführung eines ordentlichen Vergabeverfahrens, das vor allem sichern soll, dass die geforderte Leistung zu einem möglichst günstigen Preis erbracht wird.*)

3. Die Forderung der Wiederholung der Produktbezeichnung eines vorgegebenen Leitproduktes, wenn dieses angeboten wird, hat keinen Informationswert und sollte deshalb auch den Ausschluss eines solchen Angebotes nicht rechtfertigen. Der Grundsatz der Klarheit des Angebotes kann konterkariert werden, wenn die Auftraggeberin Erklärungen fordert, die überflüssig und für die Wertung des Angebotes nicht erforderlich sind.*)

4. Müssen zehn von elf Bietern aufgrund der an der BGH-Rechtsprechung orientierten, hohen formalen Anforderungen des Auftraggebers ausgeschlossen werden, so muss dem Auftraggeber ein Ermessen offen bleiben, den Auftrag an den letzten verbleibenden, bei Angebotseröffnung an achter Stelle liegenden Bieter zu vergeben oder im Hinblick auf die Anforderungen des § 97 Abs. 5 GWB und des Haushaltsrechts die Ausschreibung aufzuheben.*)

In dem Nachprüfungsverfahren betreffend das Vergabeverfahren "Sanierung der Aufbereitung im Wasserwerk …

Verfahrensbeteiligte: 

….

hat die 2. Vergabekammer auf die mündliche Verhandlung am 7. April 2006 durch den Vorsitzenden Ministerialrat Wolf, die hauptamtliche Beisitzerin Ministerialrätin Herrmann und den stellvertretenden ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Meyer beschlossen:

1. Die Antragstellerin ist in ihren Rechten verletzt worden. Die Entscheidung der Auftraggeberin über den Zuschlag an die Beigeladene wird aufgehoben.

2. Der Auftraggeberin wird aufgegeben, das Angebot der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu werten.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin.

4. Die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes war aufseiten der Antragstellerin erforderlich.

5. Der von der Antragstellerin eingezahlte Kostenvorschuss in Höhe von 2.500,00 EUR wird an sie zurückgezahlt.

 

Gründe

I.

Die Auftraggeberin hat u.a. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom … 2005 die Ausschreibung der "Sanierung der Aufbereitung im Wasserwerk … – aufgeteilt in vier Lose – im Wege eines Offenen Verfahrens bekannt gemacht. Der geschätzte Auftragswert des Bauvorhabens lag bei ca. X Mio. EUR. Von mehreren Unternehmen wurden die Verdingungsunterlagen abgefordert.

Die Ausschreibungsunterlagen einschließlich eines Bauablaufplanes mit den vorgesehenen Arbeitszeiten insgesamt und bezüglich der Teillose, waren von dem von der Auftraggeberin beauftragten Beratungsbüro C… erarbeitet und laut Schreiben der Auftraggeberin vom 26.10.2005 wegen Zeitmangels nur "stichprobenartig" durchgesehen und geprüft worden. Das Formular EVM (B) BwB/E 212 "Bewerbungsbedingungen" war den Verdingungsunterlagen beigefügt. Für die Lose waren neben den allgemeinen Teilnahmebedingungen – persönliche Lage des Wirtschaftsteilnehmers, wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit – jeweils als besondere Teilnahmebedingungen insbesondere zur technischen Leistungsfähigkeit unter III.2.3) gefordert.

"Los 2: Anlagentechnik: Lebenslauf Bauleiter (Ingenieur), Lebenslauf Montageleiter (Ingenieur), Lebenslauf Polier, Lebenslauf Obermonteur, Großer Eignungsnachweis (Schweißtechnik)/Schweißerzeugnisse, Führungspersonal spricht Projektsprache (Deutsch), Zulassung als Fachbetrieb gem. § 19 l WHG, Nachweise zur technischen Leitung oder Qualitätskontrolle, Nachweis Mitgliedschaften BG, Regionale Erfahrung in Brandenburg/Berlin, Spezifische Erfahrungen im Anlagenbau Trinkwasser unter laufenden Betriebsbedingungen, Spezifische Erfahrungen im Rohrleitungsbau Lüftungstechnik, Spezifische Erfahrungen mit Arbeiten in der Wasserschutzzone II, Anzahl der Kunden ähnlicher Projekte, Anzahl der vergleichbaren Projekte, Referenzschreiben von Kunden, DVGW-Bescheinigung W1, DVGW-Bescheinigung G1, Fachbetrieb nach § 19 (2) 2 WHG."

Im Leistungsverzeichnis (LV) zu Los 2 wurde in der Position 1.1.130 – Leitendes Ingenieur-Personal – eine Zeitangabe und ein Geldbetrag zu folgender Beschreibung gefordert:

"… Dabei darf sich seine Anwesenheit vor Ort nicht nur auf Stichproben beschränken, sondern er hat die Pflicht, die wichtigen Bauabschnitte von denen das Gelingen des Anlagenbaus abhängt, persönlich unmittelbar zu überwachen und sich während, sowie nach der Ausführung der Arbeiten von deren Ordnungsmäßigkeit zu überzeugen.

Der Ingenieur hat an mindestens drei Tagen der Kalenderwoche auf der Baustelle ganztägig anwesend zu sein. …"

In Position 1.1.140 – Leitender Obermonteur – wurde die Forderung eines Geldbetrages wie folgt umschrieben:

"ist ganztätig während der Baumaßnahmen vor Ort anwesend."

Im Übrigen waren im LV für eine große Zahl einzelner Positionen Produkte gefordert, für die ein Leitprodukt angegeben war, es aber den Bietern freigestellt wurde, gleichwertige Produkte anzubieten. Sowohl bei der Wahl des Leitproduktes wie bei dem Angebot eines gleichwertigen Produktes waren diese mit Hersteller- und Typ-Angabe zu bezeichnen. Neben dem in Preisen ausgedrückten Angebot forderte der Auftraggeber mit Formschreiben EVM(B) A EG 211 EG vom 21.11.2005 die Qualifikation durch entsprechende Nachweise zu belegen. Sie verlangte weiter ergänzende Erklärungen überwiegend auf Formblättern, u.a. zu den beteiligten Nachunternehmern, deren Qualifikation und für jeden eine Tariftreuevereinbarung. Im Formblatt 317 b war dazu gefordert, die eingeplanten Nachunternehmer bereits bei der Angebotsabgabe anzugeben. Den Verdingungsunterlagen lag auch ein Formular für einen Gewährleistungsvertrag bei, das nur für den Bieter Raum für eine Unterschrift vorsah und der mit der Auftragserteilung wirksam werden sollte. Außerdem war den Verdingungsunterlagen ein "Merkblatt zur Angebotsgestaltung und zum Verfahren" der Auftraggeberin beigefügt, in dem es heißt:

" 1. Es gelten die gesetzlichen zwingenden Ausschlussgründe … Danach sind Angebote auszuschließen, die nicht die geforderten Preisangaben und Erklärungen enthalten. Beispielhaft sind vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs … folgende Gründe zu nennen:

– …

– Fehlen von geforderten Angaben zu Parametern, die zur Kennzeichnung der angebotenen Leistung erforderlich sind, etwa geforderte Angaben zu Fabrikat, Hersteller und/oder Produkttyp.

2. Fehlen Nachweise, die nicht unter Zif. 1 fallen, also namentlich Eignungsnachweise …, ist die Eignung nicht nachgewiesen, sodass die Angebote unvollständig sind und, sofern sie nicht nach einer kurzen Nachforderungsfrist immer noch fehlen, ausgeschlossen werden. Satz 1 gilt nicht für solche Eignungsnachweise, deren Vorlage gemäß der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes zwingend innerhalb der Angebotsfrist gefordert war. …"

Fristgerecht reichten 23 Bieter ihre Angebote ein, die zum Submissionstermin am 20.12.2005 eröffnet wurden. Vertreter der Antragstellerin und der Beigeladenen waren dabei anwesend. Auf das Los 2 entfielen elf Angebote. Die Angebote weisen keine Kennzeichnungen auf, die nach der Öffnung erfolgen soll.

Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben jeweils ein Angebot nur auf das Los 2 – Anlagentechnik – ab. Danach lag das Angebot der Beigeladenen im Preis mit X.XXX.XXX,XX EUR an 5. Stelle, das der Antragstellerin mit X.XXX.XXX,XX EUR an 8. Stelle.

Die Angebote wurden von der C… ausgewertet. Dabei kam diese zu dem Ergebnis, dass nur zwei Angebote den Anforderungen der Verdingungsunterlagen entsprachen. Auch die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen waren danach bei der Abgabe unvollständig, jedoch in Bezug auf Angaben, die nachgefordert werden konnten und wurden.

Nachgefordert wurde von der Beigeladenen mit Schreiben vom 27.01.2006 die Erläuterung der Kalkulation wegen des Verdachts der Mischkalkulation zu diversen Positionen des LV sowie folgende Nachweise:

o eine DVGW-Bescheinigung W1, die auch von einem einzusetzenden Nachunternehmer erbracht werden konnte,

o die Erklärung, dass kein Insolvenzverfahren gegen den Bieter läuft und

o die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes.

Die Antragstellerin erläuterte ihre Kalkulation in den nachgefragten Positionen, u.a. zu Position 1.1.140 und reichte die nachgeforderten Informationen mit Schreiben vom 30.01.2006 fristgerecht nach. Die Beigeladene benannte einen zusätzlichen Nachunternehmer, die Firma T…, weil sie nach eigenen Angaben nicht über eine DVGW-Bescheinigung W 1 verfügte.

Bei der Antragstellerin wurde ebenfalls die Erläuterung diverser Angebotspositionen und die Übergabe von folgenden Nachweisen gefordert:

o die Zulassung als Fachbetrieb gem. § 19 l WHG,

o den Nachweis zur technischen Leitung oder Qualitätskontrolle,

o den Nachweis zur Mitgliedschaft in einer Berufsgenossenschaft,

o die DVGW-Bescheinigung W1 sowie

o einen Auszug aus dem Berufsregister.

In ihrem Schreiben vom 1.02.2006 erläuterte die Antragstellerin ihren Zeitansatz in der Position 1.1.140, erklärte, dass die geforderten Nachweise einschließlich einer DVGW-Bescheingung W 3 für einen ihrer Mitarbeiter bereits im Angebot vorlägen und fügte diese nochmals in Kopie bei. Die DVGW-Bescheinigung W 1 von den Firmen B… und L…, die jedoch nicht als Nachunternehmer im Angebot benannt waren, reichte sie nach.

Nur die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen wurden von der C… in den folgenden Stufen bewertet. In der 2. Wertungsstufe wurden die verbliebenen Bieter, die Beigeladene und die Antragstellerin, in Bezug auf Fachkunde und Leistungsfähigkeit verglichen und die Ergebnisse in einem undatierten Vermerk erläutert. In dieser Wertung wurden vor allem die Referenzprojekte insgesamt und zu den einzelnen Gewerken, die Erfahrungen in der Hauptstadtregion, die Umsätze, die Zahl der Mitarbeiter und die technische Ausrüstung des Betriebes berücksichtigt. Dabei erhielt die Beigeladene 311, die Antragstellerin u.a. wegen der fehlenden Referenzprojekte in der Hauptstadtregion, der fehlenden spezifischen Erfahrungen in den unterschiedlichen Gewerken, und der schlechteren Ausstattung mit Fachpersonal 250 von 410 möglichen Punkten. Das Bewertungsraster war den Bietern weder in der Vergabebekanntmachung noch in den Verdingungsunterlagen bekannt gemacht worden.

In der Position 1.1.130 unterscheiden sich die Angebote der Beigeladenen und der Antragstellerin erheblich. Das Angebot der Beigeladenen geht angesichts der klaren Zeitvorgaben im Leistungsverzeichnis von einer Anwesenheit des leitenden Ingenieur-Personals auf der Baustelle von 400 Stunden aus und nennt XX.XXX,XX EUR als Angebot, während die Antragstellerin von 1.248 Stunden ausgeht und die Position mit XX.XXX,XX EUR anbietet. Ähnlich ist der Unterschied bei der Position 1.1.140, die von der Beigeladenen mit XX.XXX,XX EUR auf der Basis von 600 Stunden Anwesenheit während der vorgegebenen Bauzeit für die Anlagentechnik vom 5.02.2007 – 25.05.2007 (16 Wochen) ausweislich ihres Schreibens vom 30.01.2006 angeboten wird, während die Antragstellerin, wie sie im Schreiben vom 1.02.2006 darlegt, von einer anderen Berechnung, nämlich einer Bauzeit von 14 Monaten bei 165 Arbeitsstunden/M, d.h. insgesamt von 2.310 Stunden Anwesenheit ausgeht und entsprechend die Position mit XXX.XXX,XX EUR anbietet. Die Antragstellerin benannte auf dem Formblatt 317 b nur einen Nachunternehmer und überreichte für diesen eine von beiden unterzeichnete Tariftreuevereinbarung, während die Beigeladene fünf Nachunternehmer benannte, jedoch nur für vier eine Tariftreuevereinbarung in Kopie beifügte. Für den Nachunternehmer S… lag die Tariftreuevereinbarung nicht vor. Außerdem war im Angebot der Antragstellerin das Formular für den Gewährleistungsvertrag rechtsverbindlich unterzeichnet, während die Beigeladene das Blankoformular zurück reichte. Daneben fehlten im Angebot der Beigeladenen die geforderte DVGW-Bescheinigung W 1 und im LV an verschiedenen Stellen die geforderten Hersteller-/Typ-Angaben.

Nach der Prüfung der angebotenen Preise ergab sich, dass das Angebot der Beigeladenen auch unter Berücksichtigung des von der Antragstellerin angebotenen 6%igen Abschlages deutlich – ca. 10 % – billiger war.

Unter dem Datum "Februar 2006" wurde ein "Bericht zur Angebotsprüfung und Vergabeempfehlung" von der C… erarbeitet und vorgelegt. In dem Bericht werden die Angebote mit Angebotssumme, Datum und Nebenangeboten genannt und jeweils pauschal das Ergebnis der Wertungsstufen 1 bis 4 dargestellt. Als Anlagen waren dem Bericht eine Tabelle "Ungeprüfte Angebotssummen", Positionsweiser Preisspiegel, die Tabelle "Geprüfte Angebotssummen" und die Tabelle "Übersicht geprüfte Angebotssummen" und Übersichten und Nachforderungsschreiben zu den Wertungsstufen 1 und 2 beigefügt. Weitere Verfahrensschritte oder Aufklärungsgespräche enthält der Bericht nicht. Im Ergebnis wird empfohlen, die Angebote von neun Bietern auf der ersten Wertungsstufe – überwiegend, aber nicht im Einzelnen erläutert, wegen fehlender Hersteller- oder Typenangaben – auszuschließen und dem preisgünstigsten Bieter, d. h. für das Los 2 dem Angebot der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen.

Nach einer Besprechung mit C… am 7.02.2006 bestätigte die Auftraggeberin mit Schreiben vom 8.02.2006 "…nach Prüfung der von Ihnen dargelegten Gründe …" den Ausschluss von neun der elf Bieter auf der 1. Wertungsstufe. Am 14.02.2006 wurde die Auswertung der weiter geprüften Angebote zu Losen 1 und 2 der Auftraggeberin gegenüber erläutert. Mit Schreiben vom 15.02.2006 wurde der C… mitgeteilt, dass die Auftraggeberin den Empfehlungen des Beraters folgen und die verbleibenden Bieter zu Los 2 – Beigeladene und Antragstellerin – zu einem Klärungsgespräch einladen werde. Die Einladung dazu wurde am gleichen Tag an die Bieter versandt. Darin wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Gespräch allein der Klärung des Angebotes, nicht aber für Nachverhandlungen dienen sollte.

Bei dem Gespräch der Auftraggeberin und der C… mit der Beigeladenen am 23.02.2006 wurden laut Protokoll der Beratungsfirma die Auskömmlichkeit der Preise, die Fähigkeit, den Bauablaufplan einzuhalten, der Ausschluss von Nachforderungen, die Hinterlegung der Urkalkulation, Rolle und Anwesenheit des verantwortlichen Bauleiters und Poliers, das grundsätzliche Verbot und die Vermeidung von Unregelmäßigkeiten, die Verbindlichkeit von Entscheidungen der Bauüberwachung durch die C…, die Koordinierung auf der Baustelle etc. erörtert und von der Beigeladenen bestätigt. Die Beigeladene legte darüber hinaus die Kalkulation und Durchführung einiger Positionen wie die Abrede eines Gewährleistungsvertrages bis zur Bauablaufberatung, die "saubere" Verarbeitung des Edelstahls, die Anerkennung der geprüften Angebotssumme als Auftragswert und dessen Auskömmlichkeit sowie einer größeren Zahl von Einzelpositionen dar und erklärte sie zur Zufriedenheit der Auftraggeberin.

Im Klärungsgespräch mit der Antragstellerin am gleichen Tage wurden laut Protokoll der C… im Wesentlichen die gleichen Punkte von der Auftraggeberin angesprochen. Weiter wurden auch von der Antragstellerin einzelne Positionen des LV dargelegt und zur Zufriedenheit der Auftraggeberin erklärt: die Ausführung der Edelstahlarbeiten, die Prüfung der Zulieferteile, Umfang und Auskömmlichkeit der Baustelleneinrichtung und der Werkstatt und Montageplanung etc.

Am 27.02.2006 wurde die Vergabekommission bei der Auftraggeberin, die mit deren Mitarbeitern besetzt war, über das Vergabeverfahren informiert. Die Empfehlungen der C… wurden ausweislich eines kurzen Protokolls beraten und es wurde entschieden, der Beigeladenen den Zuschlag beim Los 2 zum nachgerechneten Gesamtpreis von X.XXX.XXX,XX EUR brutto zu erteilen.

Am 27.02.2006 wurde von der Auftraggeberin zunächst ein unrichtiges, am 28.02.2006 dann das richtige Informationsschreiben nach § 13 VgV versandt und der Antragstellerin mitgeteilt, dass der Zuschlag nicht auf ihr Angebot, sondern das preislich günstigere der Beigeladenen erfolgen werde. Ihre Nebenangebote seien nicht gewertet worden, weil diese ausweislich der Vergabebekanntmachung nicht zugelassen worden seien.

Diese Entscheidung hat die Antragstellerin zunächst mit Fax vom 7.03.2006 gerügt und anschließend die Nachprüfung beantragt, nachdem die Verfahrensbevollmächtigte der Auftraggeberin die Rüge zurückgewiesen hatte.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Beigeladene zwingend auszuschließen sei, weil sie nicht über die für die ausgeschriebenen Arbeiten erforderliche und geforderte fachliche und technische Leistungsfähigkeit und Erfahrungen mit vergleichbaren Projekten, insbesondere nicht bei Trinkwasseranlagenbau verfüge. Ihr fehlten Erfahrungen bei der Montage von Edelstahlrohrleitungen und Edelstahltrinkwasserbauteilen, die bei dem ausgeschriebenen Vorhaben den großen Teil der Leistung ausmachten. Der von der Beigeladenen vorgesehene Bauleiter sei, gemessen an den Anforderungen, nicht hinreichend qualifiziert. Außerdem fehlten unter dem Gewährleistungsvertrag die für die Wirksamkeit notwendigen Unterschriften, sodass das Angebot unvollständig sei. Die Beigeladene habe auch nicht die Verfügbarkeit der von ihr vorgesehenen Nachunternehmer nachgewiesen. Auch die Angebote in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 – Entgelt für Bauleiter und Obermonteur – entsprächen nicht den Anforderungen, weil die Geldforderungen nicht der objektiv erforderlichen Arbeitszeit entsprächen, sondern von einem sehr viel geringeren zeitlichen Einsatz ausgingen. In Bezug auf die Facharbeiter würden trotz der geforderten Tariftreue-Erklärung unter dem regionalen Tariflohn liegende Löhne angeboten. Sollte die Tariftreue-Erklärung selbst nicht abgegeben worden sein, müsse das Angebot der Beigeladenen auch aus diesem Grunde ausgeschlossen werden. Wären die Löhne und Zeiten den Anforderungen entsprechend berechnet, müsste das Angebot der Beigeladenen teurer sein als das der Antragstellerin und mithin der Zuschlag auf ihr Angebot erfolgen, weil der Preis ausweislich der Vergabebekanntmachung das einzige Zuschlagskriterium sei. Ihre Rüge sei unverzüglich nach dem Einholen von Informationen über die Beigeladene an die Auftraggeberin gerichtet worden.

Nach der Akteneinsicht hat die Antragstellerin ihren Vortrag dadurch ergänzt, dass die Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht eigenverantwortlich geführt, sondern die Entscheidungen über Ausschlüsse der anderen Bieter und den Zuschlag allein der C… überlassen und diese nur "abgenickt" habe. 

Die Antragstellerin beantragt nunmehr in der mündlichen Verhandlung,

1. die Auftraggeberin anzuweisen, die Wertung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,

2. hilfsweise, die Auftraggeberin anzuweisen, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen,

3. weiter hilfsweise, die Aufhebung des Vergabeverfahrens anzuordnen,

4. der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen,

5. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war. 

Die Auftraggeberin beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

2. die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen,

3. die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes auch durch die Auftraggeberin für notwendig zu erklären. 

Der Nachprüfungsantrag sei nicht zulässig, weil die Vergabeentscheidung nicht unverzüglich gerügt worden sei. Die Antragstellerin habe eine Woche verstreichen lassen, obwohl ihr die Beigeladene bekannt gewesen sei.

Der Antrag sei aber auch unbegründet, weil die Beigeladene die in der Ausschreibung definierten Anforderungen an die fachliche und technische Leistungsfähigkeit nach einer strengen Prüfung ihres Angebotes erfülle. Dabei sei wesentlich, ob und inwieweit die vorgelegten Nachweise die Prognose erlaubten, dass der Bieter auf der Grundlage der definierten Mindestanforderungen die ausgeschriebenen Leistungen vertragsgerecht erbringen könne. Sowohl für das Unternehmen wie für den Fachbauleiter sei die Qualifikation hinreichend dargetan worden. Die Unterschrift unter den Gewährleistungsvertrag sei nicht mit dem Angebot erforderlich gewesen. Das Vertragsformular müsse erst nach Auftragserteilung unterschrieben werden. Den Nachweis der Verfügbarkeit der Nachunternehmer habe die Beigeladene im erforderlichen Umfang durch entsprechende Leistungsnachweise und Erklärungen der ausgewählten Nachunternehmer erbracht. Auch in einer von den Modellrechnungen der Antragstellerin abweichenden Kalkulation des Angebotes in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 liege kein Verstoß gegen die Vorgabe des LV, soweit die Vorgaben daraus eingehalten werden könnten. Allenfalls stelle sich die Frage des angemessenen Preises. Dieser sei allerdings nicht an den Einzelpositionen, sondern nur anhand des Gesamtpreises zu bewerten. Nachdem ursprünglich drei billigere Angebote vorgelegen hätten, habe es keinen Anlass zur Prüfung der Angemessenheit des Angebotes der Beigeladenen gegeben.

Auf Nachfrage der Vergabekammer hat die Auftraggeberin ergänzend darauf hingewiesen, dass die Auftraggeberin auch Herrin des Vergabeverfahrens gewesen sei und die Schritte des Verfahrens eigenverantwortlich im ständigen Dialog mit dem Beratungsbüro gesteuert und dessen Empfehlungen sorgfältig geprüft und beschieden habe. Schließlich habe eine Vergabekommission über den Zuschlag entschieden. Auch seien die Anforderungen in den Pos. 1.1.130 und 1.1.140 eindeutig gewesen. Ausweislich des Bauplanes fänden für die Arbeiten vor Ort bei Los 2 nicht an 324, sondern nur an 147 Tagen statt, davon seien 31 der Lieferphase zuzuordnen. Einen Beurteilungsspielraum für die Bieter habe es insoweit nicht gegeben. Etwaige Unklarheiten, die offensichtlich nur die Antragstellerin gehabt habe, hätten durch eine Bieteranfrage geklärt werden müssen. Im Klärungsgespräch sei nur die Beigeladene zu ihrer Kalkulation zu diesen Positionen befragt worden. Auch das Angebot einer geringeren Anwesenheit wäre kein Verstoß gegen das Leistungsverzeichnis, wenn die geforderten Zeiten in anderen Positionen verrechnet worden seien. Fehlende Hersteller- bzw. Typangaben im Angebot der Beigeladenen seien unbeachtlich, weil die angebotenen Produkte insbesondere durch die im Angebot an anderer Stelle befindlichen Nachweise zur Gleichwertigkeit identifizierbar gewesen seien. Im Angebot der Beigeladenen fehlten auch keine Unterschriften, weil die rechtsverbindliche Unterzeichnung nur auf dem Formblatt EVM 213 mit Wirkung für alle Erklärungen im Angebot erforderlich gewesen und rechtsverbindlich für die Beigeladene geleistet worden sei. Schließlich sei auch der nachgereichte Nachweis der DVGW-Bescheinigung W 1 durch die Benennung eines Nachunternehmers, der die Arbeiten verantwortlich beaufsichtigen solle, unbedenklich. Dabei handele es sich auch nicht um einen Nachunternehmer, der auf dem Formblatt 317 b hätte benannt werden müssen, weil dieser keine spezifizierbaren Arbeiten durchführen, sondern nur beaufsichtigen solle. Im Übrigen sei die Vorlage einer DVGW-Bescheinigung W 1 aus technischen Gründen von vornherein nicht erforderlich gewesen. Schließlich habe auch die Antragstellerin nicht die W1-Bescheinigung im Angebot vorgelegt, sodass auch deren Angebot hätte ausgeschlossen werden müssen.

Durch Beschluss vom 16.03.2006 ist das von der Auftraggeberin begünstigte Unternehmen zum Nachprüfungsverfahren beigeladen worden. Die Beigeladene hat sich in der Sache nicht geäußert und an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen. Mit Schreiben vom 3.04.2006 hat sie ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Die Antragstellerin hat Einsicht in die Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer übergeben worden sind jedoch mit Ausnahme der Angebote der Mitbieter, erhalten.

In der mündlichen Verhandlung hat das Mitglied des Vorstandes der Antragstellerin, Herr …, auf Befragen der Vergabekammer erklärt, die im Rügeschreiben und der Antragsschrift bezeichneten detaillierten Angaben über das Angebot der Beigeladenen habe er aus Andeutungen der Auftraggeberseite beim Klärungsgespräch am 23.02.2006 entnommen. Angebote anderer Bieter des Vergabeverfahrens seien ihm unbekannt.

Auf die Vergabeakten sowie die Schriftsätze der Beteiligten wird Bezug genommen.

II.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

1.1. Die Auftraggeberin ist zwar eine privatrechtliche Gesellschaft, aber als Wasserversorgungsunternehmen öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 4 GWB. Der geschätzte Auftragswert für die Sanierung des Wasserwerkes … liegt über den Schwellenwerten des § 2 VgV.

1.2. Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt, denn sie macht eine Verletzung ihrer Rechte als Bieter im Vergabeverfahren zur öffentlichen Ausschreibung der Sanierung des Wasserwerkes … geltend, nachdem der Zuschlag, um den sie sich beworben hatte, nicht an sie, sondern auf ein nach ihrer Auffassung zwingend auszuschließendes Angebot der Beigeladenen erfolgen soll. Ihr droht durch die Vergabeentscheidung der Auftraggeberin ein Schaden im Umfang des Auftragswertes.

1.3. Der angenommene Verstoß gegen das Vergaberecht wurde von der Antragstellerin nach Einholung von Informationen über die Beigeladene unverzüglich, wenn auch erst eine Woche nach dem Eingang des Informationsschreibens über die Absichten der Auftraggeberin gerügt.

Das Gesetz für die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens verlangt eine unverzügliche Rüge, um nicht die Vergabe öffentlicher Aufträge willkürlich aufzuhalten. Die Rechtsprechung anerkennt Rügen bis zu 14 Tagen nach der Informationsmitteilung unter besonderen Umständen noch als unverzüglich, selbst wenn in der Regel der Begriff enger ausgelegt wird und bei einfachen Sachverhalten dafür sogar nur ein bis drei Tage zugebilligt werden (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2005 – Verg W 11/04). Diese kurze Frist beginnt aber erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der Bieter über alle Informationen verfügt, die für die Entscheidung über den Nachprüfungsantrag aus dessen Sicht objektiv erforderlich sind. Eine kurze Frist kann dann angemessen sein, wenn die Rüge auf Umstände gestützt wird, die in der Person des Antragstellers liegen, etwa der Rüge wegen eines ungerechtfertigten Ausschlusses, oder wenn die erforderlichen Informationen jedermann, etwa über das Internet verfügbar sind (vgl. VK Berlin, Beschluss vom 9.02.2006 – VK-B1-02/06). Anders liegt der Fall jedoch, wenn die Rüge auf Umstände gestützt werden muss, die dem Antragsteller nicht eindeutig bekannt sind. Hier muss ihm Zeit bleiben, erforderliche Informationen ggf. zu ermitteln und Chancen und Risiken einer Nachprüfung zu bewerten.

Im vorliegenden Fall stützt die Antragstellerin ihren Antrag auf Umstände der technischen und fachlichen Leistungsfähigkeit der Beigeladenen. Zunächst ergab sich aus dem Informationsschreiben kein Hinweis auf die Angreifbarkeit der Vergabeentscheidung. Dass das Angebot der Beigeladenen unter dem der Antragstellerin lag, konnte ihr zwar seit der Angebotseröffnung bekannt sein; dass das Angebot der Beigeladenen und keines der niedrigeren Angebote aber bis zur letzten Wertungsstufe und für den Zuschlag berücksichtigt wurde, war ihr vermutlich nicht bekannt. Erst als sie dies erfuhr, gab es Veranlassung die Vergabeentscheidung infrage zu stellen mit Argumenten, die nur in der Person der Beigeladenen liegen konnten. Denn der Verlauf des Vergabeverfahrens war der Antragstellerin nicht bekannt. Zur Klärung der Gründe und der Erfolgsaussichten einer Rüge bzw. eines Nachprüfungsverfahrens muss ihr aber eine gewisse Zeit eingeräumt werden, selbst wenn die Antragstellerin in früheren Jahren mit der Beigeladenen unter anderem Namen und in anderem Zusammenhang Verbindung hatte. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie von der Vergabeentscheidung bereits am 28.02. oder erst am 1.03.2006 Kenntnis erlangte. – Wenig überzeugend ist allerdings ihr Vorgehen bei der Ermittlung der Beigeladenen über eine Internet-Recherche bei Google. Hier hätte eine richtige Frage, worauf die Auftraggeberin zurecht hinweist, schnell einen Hinweis auf die Beigeladene erbracht. Allein damit hätte die Antragstellerin aber keine Basis für ihre Entscheidung über eine Rüge gehabt.

Richtig ist dagegen der Hinweis der Auftraggeberin, dass die Rüge eher vage war und pauschale Behauptungen enthielt. Diese Unsicherheit auch gegen Ende der legitimen Rügefrist – auch im Hinblick auf den Ablauf der Zuschlagsfrist des § 13 VgV – macht eher deutlich, wie schwach die Stellung eines Bieters ist, wenn er sich nicht auf Umstände berufen kann, die sein eigenes Angebot betreffen, wie etwa im Falle eines Ausschlusses. Diese strukturell schwache Ausgangsposition darf nicht zu einer Einschränkung seiner Rechte führen.

2. Der Antrag ist auch insoweit begründet, als die Voraussetzung dafür, nämlich die Rechtswidrigkeit der getroffenen Vergabeentscheidung festgestellt und diese aufgehoben wird.

Denn die Auftraggeberin hat den Grundsatz der Transparenz des Vergabeverfahrens und der Gleichbehandlung der Bieter verletzt, § 97 Abs. 1 und 2 GWB. Auch das Angebot der Beigeladenen hätte zwingend ausgeschlossen werden müssen.

2.1. Die Vergabeentscheidung der Auftraggeberin kann keinen Bestand haben, weil das Vergabeverfahren nicht mit der erforderlichen Transparenz und Sorgfalt durchgeführt worden ist.

2.1.1. Die Auftraggeberin verstößt gegen ihre Sorgfaltspflichten gegenüber den Bietern, wenn sie es de facto dem Berater überlässt zu entscheiden, wem der Zuschlag erteilt werden soll, § 7 Nr.1 letzter Halbsatz VOB/A.

Zwar kann sich die Auftraggeberin auch im Vergabeverfahren eine Beratung durch Sachverständige in Anspruch nehmen. Sie darf aber nicht alle Entscheidungen in dem Verfahren an den Berater delegieren und ihre Mitwirkung an dem Verfahren auf das "Abnicken" beschränken. Sie muss eigenverantwortlich das Vergabeverfahren durchführen, also auch die Angebote prüfen und eigenverantwortlich über mögliche Ausschlussgründe und den Zuschlag entscheiden.

Die – möglicherweise unvollständig übergebene, jedenfalls zu der eigenverantwortlichen Verfahrensführung der Auftraggeberin wenig aussagekräftige – Vergabeakte lässt nicht erkennen, dass sich die Auftraggeberin mit der gebotenen Sorgfalt mit den Angeboten beschäftigt, sie bewertet und aufgrund dieser Kenntnis eine Entscheidung über den Zuschlag getroffen hat. So hat ausweislich der Vergabeakte allein die C… über den Ausschluss von neun der elf Bieter entschieden und die Wertung nur noch mit der Antragstellerin und der Beigeladenen fortgeführt. Denn diese Entscheidung war schon getroffen und wurde am 27.01.2006 durch die Nachfrage bei nur zwei Bietern umgesetzt bevor sie die Auftraggeberin über ihr Ergebnis der ersten Wertungsstufe am 7.02.2006 informierte. Die Auftraggeberin hat auch nach der Unterrichtung über das Gesamtergebnis der Wertung der sehr umfangreichen Angebote zu den Losen 1 und 2 den Empfehlungen C… zugestimmt ohne sich die Angebote im Einzelnen anzusehen. Denn auch sie hätte, wie die Vergabekammer, die fehlenden Angaben und Unterlagen im Angebot der Beigeladenen feststellen können und müssen, um sich dann eine Meinung über den Umgang damit zu bilden und dies zu dokumentieren.

Soweit die Auftraggeberin auf Nachfrage der Vergabekammer nachträglich diverse Protokolle und Notizen überreicht hat, die sich auf die Planung der Durchführung der auszuschreibenden Arbeiten beziehen, können diese nicht als Beweis für die führende Beschäftigung mit dem Vergabeverfahren angesehen werden, sondern als notwendige technische Abstimmungen zur Durchführung des Bauvorhabens. – Interessant und als Hinweis auf ihren guten Willen kann allein das Schreiben der Auftraggeberin vom 26.10.2005 angesehen werden, in dem sie mitteilt, dass sie anstelle der vorgesehenen 14 Tage wegen des Zeitablaufs die Verdingungsunterlagen nur "stichprobenartig durchsehen bzw. prüfen" kann. Geht man von diesem geplanten Zeitaufwand für die Prüfung der Verdingungsunterlagen aus, so erscheint es naheliegend, dass die Auftraggeberin nicht an einem Tag elf umfangreiche Angebote mit der gebotenen Sorgfalt prüfen und (nach-)bewerten konnte, um eine fundierte Entscheidung über Ausschlussgründe und den Zuschlag zu treffen.

2.1.2. Der Auftraggeberin obliegen auch Sorgfaltspflichten einerseits den Bietern gegenüber, andererseits dem Zahler der Rechnungen, sei es der öffentlichen Hand oder denen, die auf seine Dienstleistung angewiesen sind, keine Alternative haben und deshalb die geforderten Preise zahlen müssen, bzw. den Fördermittelgebern gegenüber. Ihr obliegt die Durchführung eines ordentlichen Vergabeverfahrens, das sichern soll, dass die geforderte Leistung zu einem möglichst günstigen Preis erbracht wird.

Dazu kann es erforderlich sein, eingehend zu prüfen, ob die Empfehlung, neun von elf Angeboten auszuschließen und dem zunächst an fünfter Stelle liegenden Bieter den Zuschlag zu erteilen, wirklich sachgerecht ist. Ebenso kann es geboten sein, mit Bietern ein Aufklärungsgespräch gem. § 24 VOB/A zu führen, wenn erkennbar ist, dass der Bieter bei der Kalkulation seines Angebotes von einem falschen Verständnis der Anforderungen ausgegangen ist.

Die Auftraggeberin verkennt ihre Mitwirkungspflicht an einem transparenten Vergabeverfahren, wenn sie vor diesem Submissionsergebnis ihre Untätigkeit damit rechtfertigt, dass im Falle einer Unklarheit die Bieter hätten nachfragen müssen, was gemeint war. Das konnten die Bieter nicht, solange jeder Bieter von einem aufgrund der Unterlagen plausiblen, scheinbar klaren Verständnis der Anforderungen ausgegangen ist. Nur die Auftraggeberin konnte erkennen, dass die Positionen ganz unterschiedlich interpretiert worden sind. Die Auftraggeberin durfte sich auch nicht darauf beschränken, nur bei der Beigeladenen den Kalkulationsansatz zur Position 1.1.140 nachzufragen, den im Lichte seiner nachträglichen Erklärung aber völlig überzogenen Ansatz der Antragstellerin in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 des LV einfach akzeptieren. Sie hätte vielmehr nachfragen müssen, warum in dieser Position das Angebot der Antragstellerin weit aus dem Rahmen der übrigen Angebote fällt. Denn Grundlage der Angebotssumme konnte im Gegensatz zur Auffassung des Auftraggebers nicht allein eine in der Disposition des Bieters stehende Kalkulation sein – diese beschränkte sich zumindest in der Position 1.1.140 auf den Lohn-Faktor -, sondern das richtige Verständnis des Angebotes.

2.1.3. Die Auftraggeberin hat auch mit der unzulänglichen Dokumentation des Vergabeverfahrens die Rechte der Antragstellerin beschnitten. Zu einem transparenten Vergabeverfahren gehört auch die umfassende Dokumentation des Verfahrens.

Dazu zählen laut den vom BMI veröffentlichten "Unterlagen für die Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen" – UfAB – beispielweise folgende Informationen:

– Festlegung der Vergabeart,

– Verdingungsunterlagen ggf. Bewertungsmatrix für die Leistungen,

– Namen und Anschriften der Bieter,

– Jeglicher Kontakt zu den Bewerbern,

– Niederschrift der Angebotseröffnung,

– Ergebnis der Angebotsprüfung,

– Begründung der Zuschlagserteilung,

– Dokumentation der Prüfung und Wertung der Angebote,

– Erstellen eines Vergabevermerks nach Zuschlagserteilung.

Diese hier genannten auch im Grundsatz für andere Ausschreibungen erforderlichen Informationen und Dokumente sind in der Vergabekammer übergebenen Vergabeakte nicht umfassend enthalten.

Die Angebote der Bieter waren auch nicht besonders gekennzeichnet oder zusammengeheftet, um nachträgliche Änderungen der Angebote zu verhindern, § 22 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A. Es fehlen trotz mehrfacher Nachfrage der Vergabekammer die Dokumentation der eigenverantwortlichen Prüfung und Wertung der Angebote, die Begründung der Zuschlagserteilung und der Vergabevermerk § 30 VOB/A, der das gesamte Vergabeverfahren nachvollziehbar dokumentieren soll.

Diesen Anforderungen wird der auf den Februar 2006 datierte, von der C… erarbeitete "Bericht über die Wertung der Angebote" nicht gerecht. Zwar werden darin die Angebote summarisch beschrieben und zu den unterschiedlichen Wertungsstufen bewertet. Es werden aber nur Ergebnisse vermerkt und die Angebote nicht so aufbereitet, dass sich die Auftraggeberin ein eigenes Bild davon machen und die genauen Gründe der Entscheidungen nachvollziehen konnte. Nur selten sind Entscheidungen eindeutig. Aus der Vergabeakte müssen auch die Erwägungen der Auftraggeberin nachvollziehbar werden.

2.2. Die gebotene Transparenz und Gleichbehandlung der Bieter kann nur gewährleistet werden, wenn die Leistungsverzeichnisse den Anforderungen der §§ 9 ff. VOB/A gerecht werden und daher nicht zu unklaren Angeboten führen, die nach den immer formaleren Kriterien der Rechtsprechung ausgeschlossen werden müssen.

Um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, sind alle sie beeinflussenden Umstände festzustellen, § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A. In mindestens zwei Positionen ist der Auftraggeberin bzw. das von ihr beauftragte Beratungsbüro C… diesen Anforderungen nicht gerecht geworden.

2.2.1. Bei der Position 1.1.130 wird gefordert, dass der leitende Ingenieur "an mindestens drei Tagen der Kalenderwoche auf der Baustelle ganztätig anwesend ist". Die Bieter sollten den "geschätzten Zeitaufwand auf der Baustelle (über die gesamte Bauzeit)" angeben. In Position 1.1.140 sollte ein Geldbetrag für die durchgängige Anwesenheit des Obermonteurs geboten werden.

Beide Positionen setzen eine Vorstellung des Auftraggebers über die entsprechende Bauzeit voraus, die aber nicht direkt, sondern nur mittelbar in einem an die Bieter verteilten Bauplan festgelegt worden ist. Als Beginn und Ende der Auftragsausführung war in der Vergabebekanntmachung unter II.3 LOS-Nr. 2 Zif. 4) der Zeitraum vom 14.02.2006 bis zum 14.09.2007 angegeben, d.h. 19 Monate. Ausweislich des den Bietern überlassenen Bauzeitenplanes, Zeile 122 war für das Los 2 eine Bauzeit von 324 Tagen in der Zeit vom 1.03.2006 bis zum 28.05.2007 vorgesehen. Die Bauphase wird dann unterteilt in vier Blöcke – Lieferung der Anlagentechnik (31 Tage), Stahlbau (feuerverzinkt) (60Tage), Edelstahlverrohrung Filter 1 – 6 (40 Tage) und sonstige anlagentechnische Arbeiten (16 Tage). Welche genaue Zeit aber für die Kalkulation der Positionen 1.1.130 und 1.1.140 zugrunde zu legen war, bleibt unklar. Während die Beigeladene von der reinen Bauzeit auf der Baustelle ausgegangen ist, die von der Auftraggeberin mit 147 Tagen benannt worden ist, hat die Antragstellerin offenbar die gesamte in Zeile 122 genannte 324 zugrunde gelegt. Beides ist von der Auftraggeberin akzeptiert worden.

Obwohl bei der Auswertung der Angebote offenbar erkannt wurde, dass es in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 Unstimmigkeiten gab, zu denen die nicht ausgeschlossenen Bieter von dem Beratungsbüro mit Schreiben vom 27.01.2006 befragt wurden und wozu diese dann Stellung genommen haben, war auch das für die beratende C… oder die Auftraggeberin kein Anlass für ein klärendes Gespräch mit den Bietern, wie es § 24 Nr. 1 VOB/A nahegelegen hätte, über die zeitlichen Anforderungen zur Anwesenheit der leitenden Mitarbeiter auf der Baustelle, um mindestens die Vergleichbarkeit der Angebote herzustellen.

2.2.2. Vergleichbar unklar sind die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses formuliert, bei denen ein Leitprodukt vorgeschlagen und den Bietern die Option eröffnet wird, ein gleichartiges Produkt anzubieten. Offenbar wurden neun von elf Bietern zu Los 2 ausgeschlossen, weil sie in einzelnen Positionen die Angaben nicht gemacht, möglicherweise auch die Bezeichnung des Leitproduktes nicht vollständig wiederholt hatten. – Die Gründe für die Ausschlüsse können allerdings dahinstehen, weil von den Bietern keine Rügen geltend gemacht bzw. Nachprüfungsverfahren eingeleitet worden sind.

Anstatt auf die Wiederholung des Leitproduktes zu verzichten und – wie im Klärungsgespräch – davon auszugehen, dass fehlende Produktangaben als Angebot des Leitproduktes zu verstehen sind, also nur beim Angebot eines gleichwertigen Produktes die Nennung von Hersteller oder Fabrikat und Typ zu verlangen, sollten scheinbar in das Leistungsverzeichnis, wo immer gefordert, Hersteller oder Fabrikat und Typ eingetragen werden, auch wenn nur die im Leistungsverzeichnis als Leitprodukt genannten Produkte angeboten werden sollen. Hier hat die Forderung der Wiederholung der Produktbezeichnung keinen Informationswert und sollte deshalb auch den Ausschluss eines solchen Angebotes nicht rechtfertigen. Der Grundsatz der Klarheit des Angebotes kann konterkariert werden, wenn die Auftraggeberin Erklärungen fordert, die überflüssig und für die Wertung des Angebotes nicht erforderlich sind. So verhält es sich, wenn lediglich Angaben wiederholt werden sollen, obwohl die Absicht des Bieters eigentlich klar ist und ausweislich des Merkblattes der Auftraggeberin nachdrücklich der zwingende Ausschluss beim Fehlen dieser Angaben angedroht wird.

2.3. Das Angebot der Beigeladenen hätte zudem zwingend ausgeschlossen werden müssen, weil es auch aus anderen Gründen unvollständig war und trotz der Nachforderungen der C… geblieben ist.

Ein Zwang zum Ausschluss eines Angebotes besteht nach §§ 25 Nr. 1 i.V.m. 21 Nr. 1 und 2 VOB/A immer dann, wenn das Angebot nicht die geforderten Erklärungen enthält, jedenfalls nicht die Erklärungen, die für die inhaltliche Wertung des Angebotes von Bedeutung sind (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 10.03.2006 – 1(6)Verg 13/05). Damit wird der Auftraggeberin ein großer Spielraum eingeräumt zu definieren, welche Erklärungen der Bieter fordern will. Maßstab dafür sollte sein, welche Erklärungen erforderlich sind, um eindeutige vergleichbare Angebote zu erhalten. Die Auftraggeberin entscheidet darüber, was angeboten werden soll und in welchem Umfang sie Alternativen zu ihren Vorstellungen akzeptiert.

2.3.1. Das Angebot der Beigeladenen war unvollständig, weil der von der Auftraggeberin geforderte Gewährleistungsvertrag nicht rechtsverbindlich unterschrieben war.

Zwar hat die Auftraggeberin erklärt, dass diese Unterschrift nicht erforderlich war, weil die Beigeladene sich durch Ihre Unterschrift auf dem Angebotsschreiben Formblatt 213 für alle später abgegebenen Erklärungen, so auch zur Bereitschaft zum Abschluss des Gewährleistungsvertrages im Auftragsfall, verpflichtet hatte.

Das mag so sein, entbindet den Bieter aber nicht davon, auch an anderer Stelle, wenn dies in den Verdingungsunterlagen vorgesehen ist, rechtsverbindlich besondere Erklärungen zu unterschreiben. Dass im Falle des Gewährleistungsvertrages vom Bieter eine rechtsverbindliche Unterschrift gefordert wurde, ergibt sich auch aus dem Umstand, worauf die Antragstellerin zu Recht hinweist, dass nur die Unterschrift des Bieters unter dem Vertragstext vorgesehen war, weil dieses Papier als verpflichtendes Angebot zum Abschluss des Gewährleistungsvertrages anzusehen war, der unmittelbar mit der Auftragserteilung und ohne weitere Verhandlungen in Kraft treten sollte.

2.3.2. Das Angebot der Beigeladenen war auch unvollständig, weil die von der Auftraggeberin geforderten Vereinbarungen mit den Nachunternehmern zur Tariftreue – Anlage EVM Erg Ang Tarif NU 251.2 – nicht von allen Nachunternehmern unterschrieben vorgelegt wurden.

Die Auftraggeberin hat aus besonderem Grund von den Bietern verlangt, die Nachunternehmen, die er zur Erfüllung des Auftrages einsetzen wollte und ihre Arbeiten zu benennen. Er hat von den Bietern auch verlangt, sich der Tariftreue der Nachunternehmer durch eine entsprechende Vereinbarung zu versichern. Die Vereinbarung der Tariftreue zwischen Bieter und Nachunternehmer stellt eine wesentliche Voraussetzung dafür dar, den Bieter mit seinen Nachunternehmern für den Zuschlag auszuwählen. Es wäre im Interesse der Auftraggeberin wenig förderlich, wenn er den Zuschlag einem Bieter erteilen würde, dem es nicht gelingt, die Tariftreue seiner Nachunternehmer im Nachhinein sicherzustellen, und dem daraufhin der Zuschlag wieder entzogen werden müsste.

Mit der von der Beigeladenen als Nachunternehmer benannten Firma S… liegt eine solche Erklärung in den Vergabeakten nicht vor und ist auch nicht nachgeliefert worden.

2.3.3. Im Blankett fehlen an verschiedenen Stellen die – vielleicht unnötig – geforderten Hersteller- oder Typangaben – vgl. Positionen 2.1.150, 2.1.190, 3.1.350, 3.3.180, 3.7.20, 3.7.40, 4.4.10, 4.4.70, 4.5.10, 4.5.20.

Nach ihrem Merkblatt, das die Auftraggeberin unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH entwickelt hat, waren Angebote dann zwingend auszuschließen, wenn Hersteller- oder Typ-Angaben fehlten. Zwar kann die Vergabekammer dieser sehr formalistischen Auslegung der Rechtsprechung nicht folgen, weil die Anwendung der §§ 21 Nr. 1, 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A sich nicht in einer schematischen "Vollständigkeitskontrolle" der Angebote erschöpfen kann (vgl. OLG Schleswig, a.a.O.), sondern auf die Erheblichkeit der fehlenden Angaben für das Verständnis des Gesamtangebotes achten und ggf. Unklarheiten im Interesse des wirtschaftlichen Ergebnisses der Ausschreibung gem. § 97 Abs. 5 GWB achten sollte. Die Auftraggeberin kann nicht ohne Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einmal beim Fehlen von Hersteller- und/oder Typ-Angabe Angebote ausschließen, bei anderen Angeboten aber die fehlenden Erklärungen durch die eigene – wahrscheinlich sogar richtige – Deutung ersetzen. Sie darf aber nicht "mit zweierlei Maß" die unbestritten auch im Angebot der Beigeladenen fehlenden Hersteller- und Typ-Angaben werten. Erläuterungen zu dem Umgang mit fehlenden Hersteller- und Typ-Angaben waren der Vergabeakte nicht zu entnehmen.

Dazu hat die Auftraggeberin allerdings nunmehr erklärt, dass an diesen Stellen die geforderten Angaben nicht wirklich erforderlich gewesen seien, um das Angebot richtig zu verstehen. Sie hat dafür an sich plausible, wenn auch nicht zwingende Erklärungen abgegeben. Diese für die einzelnen Positionen im Detail unterschiedliche Stellungnahme kann aber die unbestritten gegenüber den formalen Anforderungen fehlenden Angaben nicht heilen, sondern belegt nur die Unklarheit des LV.

Die Vergabekammer hat nicht im Einzelnen geprüft, ob nicht auch die Angebote der ausgeschlossenen Bieter bei Anwendung dieses Maßstabes hätte richtig verstanden werden können. Dies ist auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung von der Auftraggeberin verneint worden. Die Vergabekammer ist aber insbesondere wegen des den Verdingungsunterlagen beigefügten Merkblattes der Auffassung und dem Gebot der Gleichbehandlung der Bieter folgend, dass von der Auftraggeberin geforderte Hersteller- und Typ-Angaben von den Bietern gemacht werden müssen, auch wenn sie für das Verständnis des Angebotes überflüssig sind.

Die Auftraggeberin hätte im Übrigen zumindest beim Bieter im Rahmen des § 24 Nr. 1 VOB/A rückfragen müssen, was dieser anbieten wollte. Sie kann nicht ihre Interpretation der Angaben an die Stelle des unklaren Angebotes setzen, selbst wenn diese dem Willen des Bieters entsprechen sollte.

Die Auftraggeberin kann nicht ohne Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einmal beim Fehlen von Hersteller- und/oder Typ-Angabe Angebote ausschließen, bei anderen Angeboten aber die fehlenden Erklärungen durch die eigene – wahrscheinlich sogar richtige – Deutung ersetzen. Sie darf aber nicht "mit zweierlei Maß" die unbestritten auch im Angebot der Beigeladenen fehlenden Hersteller- und Typ-Angaben werten. Erläuterungen zu dem Umgang mit fehlenden Hersteller- und Typ-Angaben waren der Vergabeakte nicht zu entnehmen.

2.3.4. In Pos. 4.1.30 fehlt eine geforderte Angabe zum Druckverlust.

Auch insoweit gilt der – zwar sehr formale – Grundsatz, dass eine geforderte Erklärung abgegeben werden muss, selbst wenn sie nicht erforderlich ist. Eine solche fehlende Erklärung wird aber nicht ausreichen, um einen zwingenden Ausschluss zu rechtfertigen, wenn das Angebot im Übrigen klar ist.

2.3.5. Die Beigeladene hat bei Abgabe des Angebotes auch nicht die bereits in der Vergabebekanntmachung geforderte DVGW-Bescheinigung W 1 vorlegen können, weil sie nach eigener Erklärung im Schreiben vom 30.01.2006 nicht in deren Besitz war. Erst auf Nachfrage der C… hat sie mit der Benennung eines zusätzlichen Nachunternehmers, der Fa. T…, die im Besitz dieser Bescheinigung ist und damit die geforderte Qualifikation nachweisen wollen.

Nachdem in dem Schreiben der Auftraggeberin Formblatt EVM (B) EG 211 EG vom 21.11.2005 gefordert war, dass alle einzusetzenden Nachunternehmen auf dem Formblatt 317 b zu benennen sind, war eine Nachmeldung von Subunternehmern wohl ausgeschlossen.

Die von der Auftraggeberin nunmehr vorgetragenen Erwägungen, dass diese Nachbenennung zulässig sei, weil der neue Subunternehmer selber keine Arbeiten verrichten und deshalb nicht auf dem Formblatt 317 b zu benennen war, sondern nur die Durchführung der Arbeiten beaufsichtigen sollte, und dass die Auftraggeberin den Verweis auf das Drittunternehmen nicht als Nachunternehmer-Nachbenennung angesehen habe, kann die Vergabekammer nicht überzeugen. Gerade ein Unternehmen, das die Aufsicht über bestimmte Arbeiten bei einem so sensiblen Bauvorhaben wie einem Trinkwasserwerk führen muss, hätte im Angebot vor der Submission benannt werden müssen.

Zu berücksichtigen ist aber, dass die DVGW-Bescheinigung W 1 sich auf Arbeiten bezieht, die im Rahmen dieses Bauvorhabens praktisch nicht anfallen. Insoweit wäre vermutlich allein aufgrund der fehlenden Bescheinigung ein Ausschluss des Angebotes kaum zu rechtfertigen.

2.3.6. Diese Abweichungen des Angebotes der Beigeladenen von den Anforderungen der Auftraggeberin – zumindest in Bezug auf die fehlende Unterzeichnung des Gewährleistungsvertrages und die fehlende Nachunternehmer-Tariftreue-Vereinbarung – führen zwingend zum Ausschluss des Angebotes, §§ 25 Nr. 1 i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A. Aufgrund der angeführten Mängel hätte das Angebot der Beigeladenen bereits in der 1. Wertungsstufe ausgeschlossen werden müssen. Eine weitere Berücksichtigung des Angebotes war unzulässig und verletzte die Rechte der Bieter, die ein vollständiges Angebot abgegeben hatten, weil deren Chancen für einen Zuschlag dadurch beeinträchtigt wurden.

3. Unbegründet ist dagegen das Vorbringen der Antragstellerin im Übrigen.

3.1. Zwar ist es richtig, dass Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige Unternehmen vergeben werden sollen, § 97 Abs. 4 GWB. So umfassend, wie von der Antragstellerin behauptet, kann die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen jedoch nicht infrage gestellt werden. Sie hat die geforderten Nachweise, Referenzen etc. erbracht und offensichtlich die Anforderungen der Auftraggeberin erfüllt.

Die Antragstellerin hat in ihrem Vortrag die Anforderungen der Auftraggeberin zum Leistungsverzeichnis des Unternehmens zudem überzogen. Die Auftraggeberin hat den Erfahrungsnachweis für unterschiedliche Kompetenzen gefordert und nicht – wie die Antragstellerin zu meinen scheint – den kumulativen Nachweis aller geforderten Kompetenzen an einem Referenzobjekt. Wenn ein Unternehmen grundsätzlich qualifiziert ist, besondere Arbeiten – hier die Edelstahlarbeiten – durchzuführen, so muss sie diese Erfahrungen nicht bei vergleichbar großen Projekten gewonnen haben. Auch in der Vergabebekanntmachung Zif. III.2.3) zu Los 2 sind nur Angaben über die Anzahl der Kunden ähnlicher Projekte gefordert worden.

Die Vergabekammer ist auch nicht hinreichend sachkundig, um diese Wertung der Auftraggeberin und ihrer fachkundigen Berater nachzuprüfen. Zwar ist auch ihr bekannt, welche hohen Anforderungen an die Unternehmen gestellt werden müssen, die an Trinkwasseraufbereitungsanlagen arbeiten. Die Kompetenz und Erfahrung der Beigeladenen zu prüfen anhand der genannten zahlreichen Bauvorhaben im Wasser und auch Trinkwasser-Bereich, muss der Auftraggeberin überlassen bleiben.

Allerdings ist aus der Vergabeakte nicht nachvollziehbar, inwieweit die Auftraggeberin den benannten Kompetenznachweisen wirklich nachgegangen ist, um sich ein eigenes Urteil über die Beigeladene zu bilden.

3.2. Ähnliches gilt für den Qualifikationsnachweis des von der Beigeladenen vorgesehenen Bauleiters. Auch hier sind die geforderten Nachweise geliefert und von der Auftraggeberin bzw. der C… gewertet worden.

Die Antragstellerin überzieht ihre Rechte insoweit als sie aus ihrer Kenntnis der Beigeladenen ableitet, dass der von ihr benannte Bauleiter die geforderten Qualifikationen nicht haben könne, weil das Unternehmen über diese Erfahrungen nicht verfüge. Diesem unsubstantiierten, von der Person des vorgesehenen Bauleiters unabhängigen Schluss kann die Vergabekammer nicht folgen.

3.3. Die Beurteilung der Verfügbarkeit der im Angebot gemeldeten Nachunternehmer der Beigeladenen durch die Antragstellerin war der Vergabekammer nicht nachvollziehbar. Die Beigeladene hat die Nachunternehmer im Angebot auf dem Formblatt 317 b einzeln benannt und deren Beitrag beschrieben. – Die "Nachmeldung" der Fa. T… ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.

3.4. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sieht die Vergabekammer auch in den niedrigen Zeitansätzen der Beigeladenen in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 keine Veränderung der Verdingungsunterlagen im Sinne des § 21 Nr. 1 VOB/A.

Zwar ist sie, wie oben ausgeführt, der Auffassung, dass die Anforderung zu diesen Positionen nicht hinreichend eindeutig waren. Dass die Beigeladene diese Anforderung anders als die Antragstellerin – und im Sinne der Auftraggeberin möglicherweise richtig – verstanden hat, rechtfertigt nicht den Schluss, dass die Beigeladene die Anforderungen des LV durch eigene Vorstellungen ersetzen wollte.

3.5. Angesichts der wiederholten und detaillierten Bezugnahme auf das Angebot der Beigeladenen hat sich der Vergabekammer die Frage gestellt, woher die Antragstellerin ihre detaillierten Kenntnisse über das Angebot der Beigeladenen nimmt, um ihre Behauptungen zu belegen. Sollte nämlich die Antragstellerin nachweislich Kenntnis vom Angebot der Beigeladenen erlangt haben, würde das ihr Rechtsschutzinteresse erheblich infrage stellen, weil sie damit gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbes verstoßen hätte (vgl. 1 VK Brandenburg, Beschluss vom 25.04.2005 – VK 13/05; OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.08.2005 – Verg W 7/05).

Auf Befragen der Vergabekammer hat die Antragstellerin dazu nachvollziehbar erklärt, dass ihre Informationen über das Angebot der Beigeladenen aus Andeutungen der Auftraggeberin im Klärungsgespräch einerseits und aus ihren Recherchen über die Beigeladene nach dem Eingang des Informationsschreibens stammen. Sie hat ausdrücklich versichert, dass ihr das Angebot der Beigeladenen nicht bekannt war.

4. Obwohl nach den Feststellungen der Vergabekammer auch der zehnte von elf Bietern auszuschließen war, ist sie nicht dem Hauptantrag der Antragstellerin in vollem Umfang gefolgt und hat nicht den Zuschlag auf ihr ursprünglich an achter Stelle liegendes Angebot angeordnet. Die Vergabekammer konnte auch den hilfsweise gestellten Anträgen nicht folgen, weil einerseits nach dem Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen kein Raum für eine erneute Wertung von deren Angebot bestand, andererseits angesichts auch nur eines verbleibenden Angebotes eine Aufhebung der Ausschreibung nicht zwingend geboten ist. Es obliegt der Auftraggeberin, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer das Angebot der Antragstellerin erneut zu prüfen und über den Zuschlag darauf oder eine Aufhebung der Ausschreibung gem. § 26 Nr.1 VOB/A zu entscheiden.

Anders als in der Entscheidung des BayObLG (Beschluss vom 5.11.2002 – Verg 22/02) ist die Auftraggeberin – und damit die Vergabekammer – im vorliegenden Fall nicht in seiner Ermessensausübung gebunden, weil bisher die Antragstellerin nicht die begünstigte war. Ein Zuschlag an sie wird erst durch die Aufhebung der im Schreiben vom 28.02.2006 bekannt gemachten Vergabeentscheidung möglich. Der Zuschlag an die Antragstellerin wird auch deshalb nicht erforderlich, weil sie nicht das preisgünstigste Angebot abgegeben hat (so VK Brandenburg, Beschluss vom 1.03.2005 – VK 8/05). Vielmehr lag das Angebot der Antragstellerin nur an 8. Stelle.

Sollte die Auftraggeberin die Ausschreibung gem. § 26 Nr. 1 VOB/A aufheben, sollte sie bei der Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens die Bieter in diesem Verfahren zur Abgabe eines neuen Angebotes auffordern. Dabei sollte sie verstärkt auf die unmissverständliche Gestaltung des Leistungsverzeichnisses achten, um unklare Forderungen auszuschließen und damit die Interpretationsmöglichkeiten der Bieter, die zum Ausschluss ihrer Angebote führen könnten, einzuschränken. Für die Preiskalkulation müssen alle Bieter die gleichen Grundlagen haben, um vergleichbare Angebote abzugeben.

 

III.

Die Kosten des Verfahrens werden der Auftraggeberin auferlegt; sie ist aber von der Zahlung der Gebühr gem. § 8 VwKG befreit. Die Kosten des Verfahrens umfassen daher vor allem die Kosten für die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin.

Die Vertretung durch einen Rechtsbeistand war aufseiten der Antragstellerin notwendig. Aufseiten der Auftraggeberin war diese nicht erforderlich, weil eine sorgfältige Begleitung des Vergabeverfahrens den Rechtstreit wahrscheinlich gar nicht erforderlich gemacht hätte und die Auftraggeberin offenbar bereits vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens anwaltlich vertreten war, wie sich aus der Erwiderung auf die Rüge der Antragstellerin ergibt.


IV.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht, Gertrud-Piter-Platz 11, 14770 Brandenburg, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 117 Abs. 3 GWB).

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4 GWB).

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern (§ 118 Abs. 1 GWB).

Gemäß § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Vergabekammern des Landes Brandenburg vom 30. Juni 1999, AAnz. S. 898 ist die Unterzeichnung des Beschlusses durch den ehrenamtlichen Beisitzer nicht erforderlich.

VK Brandenburg
Beschluss vom 07.04.2006
Az.: 2 VK 10/06