Bei Kenntnis von einer fehlerhaften Leistungsbeschreibung kein Ersatz des Vertrauensschadens

An einer echten Chance im Sinne von § 126 GWB fehlt es, wenn die Leistungsbeschreibung fehlerhaft war und deshalb mangels Vergleichbarkeit die abgegebenen Angebote nicht gewertet werden können.

Ist dem Bieter bekannt, dass die Leistungsbeschreibung fehlerhaft ist, und gibt er gleichwohl ein Angebot ab, steht ihm wegen dieses Fehlers der Ausschreibung ein Anspruch aus culpa in contrahendo auf Ersatz des Vertrauensschadens nicht zu.

BGH,
Urteil vom 1. August 2006
Az.: X ZR 146/03

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Streitigkeiten über Vergabe öffentl. Aufträge unterhalb bestimmter Schwellenwerte vor Zivilgerichte

Streitigkeiten über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die unterhalb des "Schwellenwertes" des § 100 Abs. 1 GWB liegen und daher nicht vom Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 97 ff. GWB) erfasst werden, sind keine öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, sondern bürgerliche Rechtsstreitigkeiten im Sinne von § 13 GVG.

VGH Baden-Württemberg
Beschluss vom 30.10.2006
Az.: 6 S 1522/06 

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Seite des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg nachlesen.

Neues zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge

1. Eine Vereinbarung, nach der ein erster öffentlicher Auftraggeber einem zweiten öffentlichen Auftraggeber die Errichtung eines Bauwerks überträgt, stellt einen öffentlichen Bauauftrag im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge in der durch die Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 geänderten Fassung unabhängig davon dar, ob vorgesehen ist, dass der erste öffentliche Auftraggeber Eigentümer des gesamten Bauwerks oder eines Teils davon ist oder wird.

2. Zur Bestimmung des Wertes eines Bauauftrags im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 93/37 in der durch die Richtlinie 97/52 geänderten Fassung ist der Gesamtwert des Bauauftrags aus der Perspektive eines potenziellen Bieters zu berücksichtigen, was nicht nur alle Beträge einschließt, die der öffentliche Auftraggeber zu zahlen hat, sondern auch alle Zahlungen von Dritten.

3. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht davon befreit, die in der Richtlinie 93/37 in der durch die Richtlinie 97/52 geänderten Fassung vorgesehenen Verfahren zur Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen einzuhalten, auch wenn die in Rede stehende Vereinbarung nach nationalem Recht nur mit bestimmten juristischen Personen geschlossen werden kann, die selbst die Stellung eines öffentlichen Auftraggebers haben und ihrerseits gehalten sind, diese Verfahren für die Vergabe eventueller nachfolgender Aufträge durchzuführen.

EuGH
Urteil vom 18.01.2007
Rs. C-220/05

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Kurze Fristen im Vergaberecht – Rügefrist

VK Lüneburg, Beschluss vom 11.12.2006 – VgK-31/2006

1. Schreibt die Vergabestelle einen Auftrag gemäß § 3a VOB/A aus und gibt als zuständige Stelle für das Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung die VK Lüneburg an, so ist sie hieran gebunden, auch wenn die maßgeblichen Schwellenwerte nicht erreicht werden sollten.

2. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.

3. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen. Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

 

Volltext: 

 

Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium
für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
– Regierungsvertretung Lüneburg –

Az.: VgK-31/2006

Lüneburg, den 11.12.2006

B e s c h l u s s

GWB § 107 Abs. 3
1. Schreibt die Vergabestelle einen Auftrag gemäß § 3a VOB/A aus und gibt als zuständige Stelle für das Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung die VK Lüneburg an, so ist sie hieran gebunden, auch wenn die maßgeblichen Schwellenwerte nicht erreicht werden sollten.
2. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.
3. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen. Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.
VK Lüneburg, Beschluss vom 11.12.2006 – VgK-31/2006 (nicht bestandskräftig)

In dem Nachprüfungsverfahren

wegen
Vergabeverfahren Landschaftsgärtnerische Arbeiten im Baugebiet xxxxxxx

hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann beschlossen:

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

3. Die Kosten werden auf 2.500 € festgesetzt.

Begründung:

I.

Die Auftraggeberin hat den Auftrag für die landschaftsgärtnerischen Bauleistungen für Grünanlagen mit Datum vom 06.10.2006 europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben, nachdem sie mit Vorinformation vom 03.07.2006 bereits auf diese Ausschreibung hingewiesen hatte. Die Bekanntmachung wurde am 13.10.2006, also 7 Tage nach der Absendung im Amtsblatt veröffentlicht.

Als Kontaktstelle hatte die Auftraggeberin ihren Fachbereich Stadtgrün genannt. Als zuständige Stelle, die weitere Auskünfte erteilt, war der Fachbereich Tiefbau und Verkehr genannt worden. Bei dieser Stelle konnten nach der Veröffentlichung auch die Verdingungs-/Ausschreibungs- und ergänzenden Unterlagen angefordert werden. Als Ansprechpartner war in diesem Fachbereich Tiefbau und Verkehr unter Angabe der Adresse des Fachbereichs Herr xxxxxxx genannt. Von ihm waren auch die Telefon- und Faxnummer sowie seine E-Mail-Adresse veröffentlicht.

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit wurden die Bewerber darauf hingewiesen, dass Eignungsnachweise gemäß § 8 VOB/A vorzulegen seien. Einziges Zuschlagskriterium sollte der Preis sein.

Der Bekanntmachung ist zu entnehmen, dass Schlusstermin für die Anforderung von Unterlagen der 20.10.2006, 12.00 Uhr, war. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass die Verdingungsunterlagen nur versandt werden, wenn der Nachweis über die Einzahlung der Auftraggeberin vorliegt.

Schlusstermin für den Eingang der Angebote sollte der 14.11.2006, 11.00 Uhr, sein. Dieser Termin war auch als Termin für die Öffnung der Angebote genannt. Versehen hatte sich die Auftraggeberin offenbar mit ihrer Angabe: "Tag der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe 13.12.2006".

Mit Datum vom 18.10.2006, Eingang bei der von der Auftraggeberin genannten Kontaktstelle "Fachbereich Stadtgrün" am 26.10.2006, forderte die Antragstellerin die Verdingungsunterlagen an. Diesem Schreiben war ein schlecht lesbarer Überweisungsträger beigefügt, auf dem deutlich aufgedruckt "bezahlt 20.10.2006" stand.

Die von der Auftraggeberin genannte Stelle, bei der die Verdingungs-/Ausschreibungs- und ergänzenden Unterlagen angefordert werden konnten und die auch Auskünfte erteilt, hat lt. einem Vermerk vom 27.10.2006 die Antragstellerin angerufen und sie darauf hingewiesen, dass ihre Anforderung der Unterlagen erst nach dem Schlusstermin am 20.10.2006, 12.00 Uhr, bei ihr eingegangen sei. Eine Übersendung der Unterlagen könne nicht mehr erfolgen, da dies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße.

Ferner wurde festgehalten, dass die Antragstellerin erklärt habe, sie hätte am 20.10.2006 versucht, die Unterlagen von der Auftraggeberin per Fax unter der Nummer xxxxxxx anzufordern. Das Fax-Gerät unter dieser Nummer sei wohl defekt gewesen. Der Mitarbeiter des Fachbereichs Tiefbau und Verkehr habe der Antragstellerin erklärt, dass der Fax-Anschluss des zuständigen Fachbereichs unter der Nummer xxxxxxx auch an dem besagten Tag erreichbar gewesen sei. Ein Vermerk über eine Rüge der Antragstellerin befindet sich in der Vergabeakte der Auftraggeberin nicht.

Die Feststellungen aus dem dokumentierten Vermerk teilte der zuständige Mitarbeiter der Auftraggeberin auch der Antragstellerin mit Schreiben vom 27.10.2006 mit.

Mit Schreiben vom 03.11.2006 wandte sich die Antragstellerin an die "VOB-Vergabeprüfstelle des Landes Niedersachsen, 38023 Braunschweig" und erhob Beschwerde und Widerspruch gegen die Fristsetzung zur Abholung der Unterlagen bzw. den letzten Anforderungstag. Dieses Schreiben ging am 08.11.2006 bei der Nachprüfungsstelle gemäß § 31 VOB/A des Nds. Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in der Regierungsvertretung Braunschweig ein, die das Schreiben am 08.11.2006, Eingang im Behördenzentrum Lüneburg am 10.11.2006, an die Vergabekammer weiterleitete, da es sich um eine europaweite Ausschreibung handelt.

Da die Antragstellerin auf telefonische Nachfrage am 14.11.2006 gegenüber der Vergabekammer erklärte, dass sie den Sachverhalt vorher gegenüber der Auftraggeberin gerügt habe und um Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bat, stellte die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der Auftraggeberin zu.

Die Antragstellerin führt ohne nähere Angaben aus, dass eine Fristsetzung zur Abholung der Unterlagen oder Nennung eines letzten Anforderungstages unzulässig sei, was durch verschiedene Länderprüfstellen festgestellt worden sei. Diese Auffassung sei auch vom BGH bestätigt worden. Der BGH hätte festgelegt, dass die Ausschreibungsunterlagen bis einschließlich 1 – 2 Tage vor Submission zur Verfügung stehen müssten. Es komme lt. BGH dabei nicht darauf an, ob der Interessent die Unterlagen selbst abhole oder nicht bzw. diese noch versandt werden können. Zwei Tage seien somit das Limit.

Ferner führt die Antragstellerin aus, dass die von der Auftraggeberin veröffentlichte Fax-Nummer sich nicht als verwertbar dargestellt habe.

Die Antragstellerin beantragt,

ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten.

Die Auftraggeberin beantragt,

1. den Antrag der Antragstellerin auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens abzuweisen,

2. die Kosten dieses Verfahrens gem. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB der Antragstellerin aufzuerlegen.

Sie vertritt die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig und unbegründet sei.

Die Antragstellerin habe den im Vergabeverfahren erkannten Verstoß nicht unverzüglich gerügt. Weder der Inhaber der Antragstellerin persönlich noch ein sonstiger Vertreter ihrer Firma habe zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Einschaltung der Vergabekammer ihr, der Auftraggeberin, gegenüber den nunmehr geltend gemachten Sachverhalt gerügt. Es liege weder ein entsprechendes Schreiben vor noch habe eine mündliche Rüge stattgefunden.

Vielmehr habe sie selbst die Antragstellerin am 27.10.2006 angerufen, weil ihr aufgefallen sei, dass es der Antragstellerin bereits in zwei vorhergehenden Vergabeverfahren nicht gelungen war, sich so rechtzeitig mit der Vergabestelle in Verbindung zu setzen, um die Unterlagen anzufordern. Ihr sei bei den vorhergehenden Verfahren aufgefallen, dass die Antragstellerin versucht habe, Telefaxe an den Telefonanschluss eines städtischen Mitarbeiters zu senden, was zu zahlreichen Fehlerberichten beim Faxgerät der Antragstellerin geführt habe, die nicht auf einem fehlerhaften Faxanschluss der Auftraggeberin basierten.

Ferner sei der Nachprüfungsantrag auch unbegründet, da sie in der europaweiten Bekanntmachung unter Punkt IV.3.3. darauf hingewiesen habe, dass die Verdingungsunterlagen bis zum 20.10.2006, 12.00 Uhr, angefordert werden konnten. Voraussetzung sei gewesen, dass die Kosten für die Unterlagen auf ein entsprechendes Konto eingegangen seien oder aber die Bieter einen Nachweis über die Einzahlung vorlegten. Außerdem habe sie auch von dem zuständigen Mitarbeiter der zentralen Vergabestelle für diesen Bereich neben der Telefon- auch die Faxnummer und E-Mail-Adresse angegeben.

Da die Bitte der Antragstellerin um Übersendung der Verdingungsunterlagen erst am 26.10.2006 auf dem Postweg und damit eindeutig verspätet eingegangen sei, habe sie die Unterlagen aus Gründen der Gleichbehandlung der anderen Bieter nicht mehr versandt. Hintergrund der von ihr gewählten Frist für die Anforderung der Verdingungsunterlagen sei, allen Bietern gleichermaßen ausreichend Zeit zur Bearbeitung des Angebots zu bieten.

Im Zuge des weiteren Nachprüfungsverfahrens wurde die Antragstellerin zunächst telefonisch, dann mit Übersendung der Erwiderung der Auftraggeberin von der Vergabekammer am 21.11.2006 gebeten, mitzuteilen, wann sie die gesetzte Frist zur Anforderung der Angebotsunterlagen erstmalig bei dieser Ausschreibung gerügt habe. Diese Bitte wurde mit verfahrensbegleitendem Schreiben vom 27.11.2006 unter Fristsetzung wiederholt. Dieser Aufforderung der Vergabekammer kam die Antragstellerin jedoch nicht nach.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Die Antragstellerin hat es versäumt, die von ihr als Vergaberechtsverstoß beanstandete Festsetzung eines Schlusstermins für die Anforderung der Vergabeunterlagen vor Stellung des Nachprüfungsantrags rechtzeitig im laufenden Vergabeverfahren gem. § 107 Abs. 3 GWB gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Mangels eines zulässigen Nachprüfungsantrags ist es der Vergabekammer verwehrt, die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Fristsetzung und insbesondere ihre Vereinbarkeit mit § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. i VOB/A und § 17 a Nr. 5 VOB/A zu prüfen.

Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag i. S. d. § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. €. Der streitbefangene Auftrag ist nach Auskunft der Auftraggeberin Teil einer den Schwellenwert überschreitenden Gesamtbaumaßnahme Erschließung des Baugebiets xxxxxxx. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. € oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. € deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung erreicht der Wert der landschaftsgärtnerischen Arbeiten im Baugebiet xxxxxxx zwar weder den Schwellenwert von 5 Mio. € noch den Wert von 1 Mio. €. Gleichwohl hat die Auftraggeberin das hier streitbefangene Los EU-weit im offenen Verfahren gem. § 3 a VOB/A ausgeschrieben und die Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr – Regierungsvertretung Lüneburg – als zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung angegeben. Dadurch hat die Auftraggeberin den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung besteht in einer Selbstbindung der Auftraggeberin, dass sie das verfahrensgegenständliche Los nicht im 20%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss v. 20.08.2001, Az.: Verg 9/01; BGH NJW 1998, S. 3636 ff., 3638). Der Wert des streitbefangenen Auftrags steht daher einer Nachprüfung durch die Vergabekammer nicht entgegen.

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Fachunternehmen auf dem Gebiet des Garten- und Landschaftsbaus eine potenzielle Bieterin im streitbefangenen Vergabeverfahren ist, die ihr Interesse am Auftrag durch die Anforderung der Vergabeunterlagen bekundet hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht hat, indem sie unter Berufung auf – allerdings nicht näher bezeichnete – vergaberechtliche Rechtsprechung des BGH und verschiedener Landesvergabeprüfstellen vorträgt, die Auftraggeberin habe ihr zu Unrecht die Zusendung der Vergabeunterlagen unter Hinweis auf den bekannt gemachten Schlusstermin verweigert. Eine derartige Fristsetzung sei unzulässig. Vielmehr müssten die Ausschreibungsunterlagen bis einschließlich 1 – 2 Tage vor Submissionstermin zur Verfügung gestellt werden. Da § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. i VOB/A im Gegensatz zu früheren Fassungen der VOB/A keine Regelungen mehr hinsichtlich der Nennung eines Schlusstermins für die Anforderung von Vergabeunterlagen enthält (in der Fassung der VOB/A von 1992 hieß es in § 17 Nr. 1 Abs. 1 lit. i VOB/A ausdrücklich noch: "… sowie Termin, bis zu dem diese Unterlagen spätestens angefordert werden können") und § 17 a Nr. 5 VOB/A ausdrücklich regelt, dass rechtzeitig angeforderte Unterlagen den Bewerbern innerhalb von 6 Kalendertagen nach Eingang des Antrags zugesandt werden müssen, ist es möglich, dass die enge Fristsetzung der Auftraggeberin im vorliegenden Fall die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Da die Bekanntmachung im vorliegenden Fall am 13.10.2006 im Amtsblatt es Amtes für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften erfolgte und die Auftraggeberin den Schlusstermin für die Anforderung der Vergabeunterlagen auf den 20.10.2006 festgelegt hatte, blieb den potenziellen Bietern nur eine Woche Zeit, die Vergabeunterlagen anzufordern. Diese Frist dürfte auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Auftraggeberin bereits mit Vorab-Information vom 03.07.2006 auf die bevorstehende Ausschreibung hingewiesen hatte, zu kurz bemessen sein. Eine derartig enge Fristsetzung ist zumindest unüblich. So sieht etwa das Vergabehandbuch des Bundes für den Bereich des Straßenbaus (HVA B-StB) für die Bekanntmachung vor, dass unter IV.3.3 als Schlusstermin für die Anforderung von Unterlagen ein Termin 7 Kalendertage vor Ablauf der Frist für die Angebotsabgabe (24 Uhr) einzutragen ist. Nach diesem Termin eingehende Anforderungen sollen nach Möglichkeit dennoch erfüllt werden.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Die Antragstellerin hat mit ihrem Vortrag ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Zumindest die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ist vorliegend dargetan. Diesbezügliche Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107, Rdnr. 954). Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

Die Antragstellerin ist jedoch nicht ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im laufenden Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin überhaupt, geschweige denn rechtzeitig, zu rügen. Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB muss der Bieter vor Stellung des Nachprüfungsantrags im Vergabeverfahren positiv erkannte Vergaberechtsverstöße unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Diese Rügepflicht entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für diese positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003), Az.: 1 Verg 4/00; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin trotz mehrfacher Aufforderung seitens der Vergabekammer nicht belegt, dass sie den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß in Form der von ihr im Nachprüfungsverfahren beanstandeten Ausschlussfrist für die Anforderung von Vergabeunterlagen überhaupt gegenüber der Auftraggeberin gerügt hat. Da die Antragstellerin mit Schreiben vom 18.10.2006, eingegangen bei der Auftraggeberin am 26.10.2006 (Eingangsstempel), die Vergabeunterlagen angefordert hat, hatte sie spätestens seit diesem Zeitpunkt positive Kenntnis von dem unter Ziffer IV.3.3 der Bekanntmachung vom 13.10.2006 festgesetzten Schlusstermin für die Anforderung von oder Einsicht in die Unterlagen (20.10.2006 – 12.00 Uhr). Die Antragstellerin war daher gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gehalten und in der Lage, innerhalb weniger Tage den nunmehr beanstandeten Schlusstermin für die Unterlagenanforderung gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Eine entsprechende – telefonische oder schriftliche – Rüge, die die Auftraggeberin bestreitet, hat die Antragstellerin jedoch nicht belegt. Auch die vorliegende Vergabeakte enthält keine Hinweise auf eine derartige Rüge. Aus einem in der Vergabeakte enthaltenen Vermerk des Fachbereichs 66 der Auftraggeberin vom 27.10.2006 über ein Telefongespräch vom 27.10.2006, 10.15 Uhr, zwischen dem Mitarbeiter der Auftraggeberin, Herrn xxxxxxx, und dem Inhaber der Antragstellerin, Herrn xxxxxxx, geht vielmehr lediglich hervor, dass die Auftraggeberin selbst die Antragstellerin angerufen hat, weil sie im vorliegenden Vergabeverfahren wie auch schon bei anderen Vergabeverfahren die Verdingungsunterlagen erst nach Ablauf der festgesetzten Frist zur Anforderung der Verdingungsunterlagen angefordert hat. Ferner geht aus dem Vermerk hervor, dass Herr xxxxxxx gefragt habe, wie lange denn ein Schreiben auf dem Postwege zur Stadt xxxxxxx benötigen würde. Das Schreiben sei schließlich vom 18.10.2006, da müsse es doch wohl am 20.10.2006 bei der Stadt xxxxxxx eingegangen sein. Der Mitarbeiter der Auftraggeberin, Herr xxxxxxx, hat ausweislich des Vermerks daraufhin angemerkt, dass dem auf den 18.10.2006 datierten Schreiben ein Einzahlungsbeleg von 20.10.2006 beigefügt war. Daher müsse man annehmen, dass er das Schreiben nicht vor dem 20.10.2006 habe zur Post bringen können und es schon daher nicht mehr rechtzeitig bei der Stadt xxxxxxx habe eingehen können. Da der 20. Oktober ein Freitag war, lasse sich nachvollziehen, dass sein Anforderungsschreiben letztlich erst am 26.10.2006 beim Fachbereich Stadtgrün eingegangen sei, da dieser in einer Außenstelle außerhalb des Rathauses untergebracht sei. Herr xxxxxxx habe ferner erklärt, er habe das Schreiben am 20.10.2006 auch per Fax zusenden wollen an eine Fax-Nummer xxxxxxx und dann ginge die mit xxx weiter. Das empfangende Fax-Gerät sei jedoch wohl defekt gewesen. Dazu habe der Unterzeichner erklärt, die richtige Fax-Nummer sei xxxxxxx. Bereits bei der Anforderung der Vergabeunterlagen für die Maßnahmen "xxxxxxx" und "xxxxxxx" habe Herr xxxxxxx versucht, sein Fax an eine Telefon-Nummer im Fachbereich Stadtgrün zu faxen. Das Fax-Gerät der Vergabestelle mit der Nummer xxxxxxx, welche auch zu den Angaben zur Stelle, bei der die Vergabeunterlagen angefordert werden können, angegeben wurde, habe auch am 20.10.2006 störungsfrei funktioniert.

Auch aus diesem Telefonvermerk ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Antragstellerin wenigstens anlässlich dieses Telefongesprächs den von der Auftraggeberin gesetzten Schlusstermin für die Anforderung der Angebotsunterlagen in irgendeiner Weise gerügt hat.

Selbst wenn die Antragstellerin in diesem Zusammenhang bis zur Stellung des Nachprüfungsantrags keine positive Kenntnis von einem vermeintlichen Vergaberechtsverstoß gehabt hätte, greift im vorliegenden Fall die Präklusionsvorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB. Danach ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Erkennbarkeit des nunmehr beanstandeten Schlusstermins für die Anforderung der Vergabeunterlagen war für einen fachkundigen Bieter aus Ziffer IV.3.3 der Vergabebekanntmachung vom 13.10.2006 ohne weiteres gegeben. Eine Rüge gegenüber der Auftraggeberin innerhalb der Angebotsfrist (14.11.2006 – 11.00 Uhr) erfolgte jedoch nicht. Vielmehr wandte sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 03.11.2006 unmittelbar an die – unzuständige – Nachprüfungsstelle nach § 31 VOB/A in der Regierungsvertretung Braunschweig (dort eingegangen am 08.11.2006), die das Beschwerdeschreiben zuständigkeitshalber mit Schreiben vom gleichen Tage an die Vergabekammer weitergeleitet hat. Dort ist der als "Beschwerde und Widerspruch" bezeichnete Antrag der Antragstellerin am Freitag, den 10.11.2006 in der Poststelle des Behördenzentrums eingegangen und der Vergabekammer Montag, den 13.11.2006 zugeleitet worden. Auf telefonische Nachfrage des Vorsitzenden der Vergabekammer vom 14.11.2006 erklärte die Antragstellerin, sie habe vor Absetzung des Beschwerdeschreibens den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß gegenüber der Auftraggeberin gerügt. Einen Beleg für diese Rüge legte sie jedoch nicht vor, obwohl sie dazu mit Verfügung der Vergabekammer vom 21.11.2006 und noch einmal mit verfahrensbegleitendem Hinweis vom 27.11.2006 unter Fristsetzung bis zum 29.11.2006 aufgefordert wurde. Der Eingang der beiden verfahrensbegleitenden Verfügungen wurde auf telefonische Nachfrage der Vergabekammer vom 24.11. und vom 28.11. ausdrücklich von der Antragstellerin bestätigt.

Der Nachprüfungsantrag war daher mangels vorheriger Rüge gegenüber der Auftraggeberin gem. § 107 Abs. 3 GWB wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen. Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es daher gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GWB nicht.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-
Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 €, die Höchstgebühr 25.000 € bzw. in Ausnahmefällen 50.000 € beträgt.

Es wird eine Gebühr in Höhe der gesetzlichen Mindestgebühr von 2.500 € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von 2.500 € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxxxxxxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxxxxxxxxxx.

IV. Rechtsbehelf

….

Bieterschützende Wirkung aus § 25 Nr. 2 VOL/A?

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2006 – Verg 49/06

1. Das Vergaberecht schreibt dem Bieter nicht vor, bestimmte Kosten in seiner Kalkulation zu berücksichtigen, mit anderen Worten wie er zu kalkulieren hat.

2. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, ein auf erste Sicht ungewöhnlich / unangemessen niedrig erscheinendes Angebot zu überprüfen, entfaltet eine bieterschützende Wirkung nur zugunsten desjenigen Bieters, dessen Angebot wegen Unauskömmlichkeit des Preises von einem Ausschluss bedroht ist.

3. § 25 Nr. 2 VOL/A hat grundsätzlich keine dem Schutz des Mitbewerbers gegen den Billigbewerber dienende Wirkung.

4. Eine Vorlage nach § 124 Abs. 2 GWB an den Bundesgerichtshof ist mit dem Eilcharakter der im Verfahren über den Antrag nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu treffenden Entscheidung nicht zu vereinbaren.

 

Volltext: 

 

Oberlandesgericht Düsseldorf

Beschluss vom 28.09.2006

Az.: Verg 49/06

GWB § 97 Abs. 5, § 97 Abs. 7, § 124 Abs. 2; VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 2, § 25 Nr. 2 Abs. 3
1. Das Vergaberecht schreibt dem Bieter nicht vor, bestimmte Kosten in seiner Kalkulation zu berücksichtigen, mit anderen Worten wie er zu kalkulieren hat.
2. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, ein auf erste Sicht ungewöhnlich/unangemessen niedrig erscheinendes Angebot zu überprüfen, entfaltet eine bieterschützende Wirkung nur zugunsten desjenigen Bieters, dessen Angebot wegen Unauskömmlichkeit des Preises von einem Ausschluss bedroht ist.
3. § 25 Nr. 2 VOL/A hat grundsätzlich keine dem Schutz des Mitbewerbers gegen den Billigbewerber dienende Wirkung.
4. Eine Vorlage nach § 124 Abs. 2 GWB an den Bundesgerichtshof ist mit dem Eilcharakter der im Verfahren über den Antrag nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu treffenden Entscheidung nicht zu vereinbaren.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2006 – Verg 49/06

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

pp.

hat der Vergabesenat des Oberlandesgericht Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht D., die Richterin am Oberlandesgericht D.-B. und die Richterin am Oberlandesgericht F.

am 28. September 2006 beschlossen:

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Hauptsacheentscheidung vorbehalten.

Dem Antragsteller wird aufgegeben, bis zum 1. November 2006 mitzuteilen, ob und mit welchen Anträgen das Rechtsmittel aufrechterhalten bleibt.

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, eine Zuschlagserteilung gegebenenfalls durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.

Gründe:

I.
Die Antragsgegnerin führte eine öffentliche Ausschreibung zur Berufsausbildung in einer außerbetrieblichen Einrichtung, BAE- integratives Modell nach § 241 (2) SGB III, Vergabenummer 153-06-300062, im Bezirk des R. E. B. durch. In diesem Verfahren sollte der Antragsteller den Zuschlag auf sein Angebot zum Los 214 erhalten. Der Antragsteller hatte jedoch – wie die übrigen Bieter auch – den vorgeschriebenen Maßnahmeort N. nicht eingehalten. Die Vergabestelle hob die Ausschreibung deshalb nach § 26 Nr. 1 lit. a) VOL/A auf und leitete sodann ein freihändiges Vergabeverfahren ein. Sie forderte die vier Bieter, die sich am offenen Verfahren mit Angeboten beteiligt hatten, zur erneuten Angebotsabgabe auf. Der Antragsteller und der Beigeladene gaben innerhalb der Angebotsfrist jeweils Angebote ab. Das Los umfasst 31 Teilnehmerplätze. Als Maßnahmebeginn war der 4. September 2006 vorgesehen. Das Angebot des Antragstellers entsprach in preislicher Hinsicht dem zuvor eingereichten Angebot. Der Beigeladene kalkulierte seinen Angebotspreis neu. Nach der Angebotswertung teilte die Vergabestelle dem Antragsteller mit, dass das Angebot des Beigeladenen den Zuschlag erhalten solle, weil das Angebot des Antragstellers nicht das wirtschaftlichste sei.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2006 und 1. August 2006 rügte der Antragsteller die Entscheidung der Vergabestelle als fehlerhaft. Insbesondere wandte er ein, der Beigeladene habe im Vergleich zu seinem im offenen Verfahren unterbreiteten, wesentlich teureren Angebot nunmehr ein nicht auskömmliches Angebot abgegeben. Die Vergabestelle wies die Rügen zurück.

Mit seinem Nachprüfungsantrag begehrte der Antragsteller im wesentlichen die Untersagung der Erteilung des Zuschlags auf das Angebot des Beigeladenen und die Erteilung des Zuschlags auf sein Angebot. Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück.

Mit seiner sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein ursprüngliches Begehren weiter. Er macht geltend: Der vom Beigeladenen unterbreitete Angebotspreise sei unauskömmlich. Die Durchführung der streitgegenständlichen Maßnahme sei gefährdet. Eine Überprüfung der Auskömmlichkeit sei dann erforderlich, wenn eine Abweichung im Angebotspreis des Mindestbietenden von mehr als 10% vom nächsthöheren Bieter vorliege, wobei auch die eigene Kostenschätzung des Auftraggebers in die Betrachtung eingestellt werden müsse. Der Beigeladene habe zwar erklärt, das niedrige Preisniveau seines Angebots sei darauf zurückzuführen, dass er eine neu erworbene Immobilie nutzen könne. Bei einem Immobilienkauf seien aber Zins- und Tilgungsleistungen in der Kalkulation zu berücksichtigen. Zudem habe der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung erklärt, seine Mitarbeiter würden ein Gehalt von deutlich mehr als 1.600 € erhalten. Ferner seien die Fahrtkosten für die Teilnehmer zu den Schulungsorten in der Kalkulation zu berücksichtigen. Eine schriftliche Überprüfung durch die Vergabestelle sei unterblieben, obgleich das vom Beigeladenen ursprünglich abgegebene Angebot deutlich teurer gewesen sei als das nun vorliegende Angebot.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner sofortigen Beschwerde zu verlängern.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen beantragen,

den Antrag, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde zu verlängern, zurückzuweisen.

Sie machen geltend: Ein unauskömmliches Preisangebot des Beigeladenen liege nicht vor. Der Beigeladene habe bei der Kalkulation keine Kosten für die Anmietung von Räumlichkeiten kalkulieren müssen, weil er die zu Ausbildungszwecken anzumietende Immobilie käuflich erworben habe. Die streitgegenständliche Maßnahme müsse spätestens am 15. Oktober 2006 beginnen.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, die Vergabeakten und die Vergabekammerakten verwiesen.

II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers zu verlängern, ist abzulehnen, denn das zulässige Rechtsmittel hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Nachprüfungsantrag ist voraussichtlich unbegründet.

1. Das Angebot des Beigeladenen ist nicht schon in der ersten Wertungsphase von der Wertung auszunehmen. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) VOL/A sind solche Angebote von der Wertung auszuschliessen, die wesentliche Preisangaben nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VOL/A nicht vollständig und zutreffend enthalten. Es handelt sich um einen zwingenden Ausschlussgrund (vgl. BGH VergabeR 2004, 473, 476 ff.)
Das Erfordernis, jeden in der Leistungsbeschreibung vorgesehenen Preis, so wie gefordert, vollständig mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung verlangt wird, soll die Vergleichbarkeit der Angebote auf transparenter und alle Bieter gleich behandelnder Grundlage sicherstellen. Fehlen Preisangaben oder sind gemachte Preisangaben unzutreffend, hat der öffentliche Auftraggeber kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe, sondern ist gezwungen, das betreffende Angebot von der Wertung auszunehmen. Im Streitfall ist die Vergabestelle nicht verpflichtet, das Angebot des Beigeladenen von der Wertung auszunehmen.

Die Preisangabe des Beigeladenen im Preisblatt ist zutreffend. Es handelt sich hierbei um den tatsächlich anfallenden und vom Beigeladenen beanspruchten Preis. Aus der am 22. August 2008 der Vergabekammer vorgelegten Kalkulation ergibt sich, dass der Beigeladene für die Nutzung der Räume Kosten nicht angesetzt hat, weil Zins- und Tilgungsleistungen für den Erwerb der Räumlichkeiten nicht entstehen. Der Beigeladene hat angegeben, die von ihm genutzte Immobilie ohne Einsatz von Fremdmitteln erworben zu haben. Für die Nutzung beansprucht er deshalb kein Entgelt. Es ist Sache des Bieters zu entscheiden, welche Kostenpositionen in welcher Höhe er in seine Kalkulation einstellt. Das Vergaberecht schreibt dem Bieter nicht vor, bestimmte Kosten in seiner Kalkulation zu berücksichtigen, m.a.W. wie er zu kalkulieren hat.

Auch im Übrigen ist der vom Beigeladenen angegebene Preis zutreffend und vollständig. Er entspricht der offengelegten Kalkulation.

2. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Vergabestelle habe ihre Pflicht, die Auskömmlichkeit des Angebots der Beigeladenen zu überprüfen verletzt. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A sieht vor, dass der Auftraggeber die Einzelposten des Angebotes überprüft, wenn es im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheint. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, ein auf erste Sicht ungewöhnlich/unangemessen niedrig erscheinendes Angebot zu überprüfen, hat zwar bieterschützenden Charakter. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A entfaltet diese Wirkung aber nicht zugunsten des Antragstellers, sondern nur zugunsten desjenigen Bieters, dessen Angebot wegen Unauskömmlichkeit des Preises von einem Ausschluss bedroht ist. Unterlässt der Auftraggeber eine Prüfung, kann (nur) der vom Ausschluss seines Angebots betroffene Bieter im Nachprüfungsverfahren erzwingen, dass das Vergabeverfahren in den Stand zurückversetzt wird, in dem der Auftraggeber diese Prüfung nachholen kann. Aufgrund der Beschwerde des Antragstellers kann die Auskömmlichkeit der Kalkulation des Beigeladenen dagegen nicht zum Gegenstand einer Überprüfung werden.

Nach Lage der Dinge hat auch die Berufung des Antragstellers auf § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A keinen Erfolg. Dieser Norm misst der Senat grundsätzlich keine dem Schutz des Mitbewerbers gegen den Billigbewerber dienende Wirkung zu (vgl. Beschl. v. 19.12.2000, VergabeR 2001, 128 f.; Beschluss v. 17.6.2002, BZBau 2002, 627 f.). Die Vorschrift dient in erster Linie dem Schutz des öffentlichen Auftraggebers (vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 12.9.2000, VergabeR 2001, 65, 69). Dieser soll vor den Gefahren geschützt werden, die daraus erwachsen, dass der Preis und die zu erbringende Leistung nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, nämlich vor der Gefahr, dass die Leistung vom Bieter nicht ordnungsgemäß erbracht werden kann. Der Auftraggeber ist grundsätzlich aber nicht daran gehindert, einem niedrigen, nicht kostendeckenden Angebot den Zuschlag zu erteilen, denn es ist nicht seine Sache dafür zu sorgen, dass der Auftragnehmer auskömmliche, das heißt in jeder Hinsicht kostendeckende Aufträge erhält. Ausnahmsweise billigt der Senat der Vorschrift nur dann bieterschützende Wirkung zu, wenn es für den Auftraggeber aus seiner Verpflichtung gemäß § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A heraus, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu beschränken, geboten ist, das Angebot auszuschließen. Dazu hat der Senat Fälle von Angeboten unter Einstandspreisen gezählt, die in der zielgerichteten Absicht abgegeben werden oder die zumindest die Gefahr begründen, dass bestimmte Wettbewerber vom Markt – nicht aus dem konkreten Vergabeverfahren – verdrängt werden. Ferner gehören dazu solche Unterkostenangebote, bei deren Ausführung der Bieter voraussichtlich in solch große wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, dass er die Auftragsdurchführung abbrechen muss, und andere Bieter – z.B. infolge anderweiter Dispositionen – nicht mehr in der Lage sind den Auftrag weiter auszuführen.

Eine Absicht des Beigeladenen, den Antragsteller mittels (nicht feststellbarer) Unter-Kostenpreise gezielt vom einschlägigen Markt fernzuhalten, ist nicht festzustellen. Die objektive Gefahr einer Verdrängung hat der Antragsteller – persönlich gehört – in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer verneint. Der Antragsteller trägt ferner nicht vor, der Beigeladene sei wegen einer Unterkostenkalkulation voraussichtlich gezwungen, die Auftragsdurchführung abzubrechen, und er selbst oder andere Unternehmen würden nicht in der Lage sein, in die Auftragsausführung einzutreten. Dies ist nach den stichhaltigen Feststellungen der Vergabekammer zur Kostendeckung der Kalkulation des Angebotspreises des Beigeladenen weder wahrscheinlich noch anzunehmen.

Der Fall, dass ein Zuschlag auf das Angebot des Beigeladenen nicht ergehen darf, ist deswegen nicht gegeben.

Deshalb liegen auch schon die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A nicht vor.

Allerdings bejahten einige Oberlandesgerichte (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 30.4.1999, NZBau 2000, 105; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.10.2003, NZBau 2004, 117,118 und Thüringer OLG, Beschl. v. 22.12.1999, NZBau 2000, 349, 352) uneingeschränkt einen bieterschützenden Charakter von § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A (und/oder der entsprechenden Vorschrift in § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A). Inzwischen haben das OLG Celle (VergabeR 2004, 397, 405), das BayObLG (VergabeR 2004, 743, 745) und das OLG Koblenz (VergabeR 2006, 392, 401 f.) – mit allenfalls geringen Abweichungen – jedoch genauso entschieden wie der Senat, was auf eine Durchsetzung seiner zwischen den entgegengesetzten Ansichten (bieterschützende Wirkung der Normen oder deren Verneinung) vermittelnden Auffassung hindeutet. Eine Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof ist deshalb nicht geboten (vgl. § 124 Abs. 2 GWB). Sie scheidet auch schon deswegen aus, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A nicht gegeben sind, die Rechtsfrage infolgedessen nicht entscheidungserheblich ist und eine Vorlage mit dem Eilcharakter der – wie hier – im Verfahren über den Antrag nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu treffenden Entscheidung nicht zu vereinbaren ist (vgl. auch Jaeger in Byok/Jaeger, § 124 GWB Rn. 1246).

Keine Zuschlagserteilung bei offensichtlichem Missverhältnis

VK Nordbayern, Beschluss vom 04.12.2006 – 21.VK-3194-39/06

1. Nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A darf auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden. Die Regelung dient dem Schutz des Auftraggebers vor Eingehung eines nicht hinzunehmenden Risikos. Maßgeblich für die Entscheidung ist daher, ob der Auftraggeber nach Überprüfung der eingeholten Auskünfte so erhebliche Zweifel an einer ordnungsgemäßen Vertragerfüllung haben darf, dass ihm bei objektiver Betrachtung ein Zuschlag wegen der damit verbundenen Risiken nicht zugemutet werden kann.*)

2. Zur Feststellung eines unangemessen niedrigen Angebots sind konkrete Anhaltspunkte dafür zu verlangen, dass der niedrige Preis keinen Wettbewerbspreis darstellt, der Ausdruck der konkreten, betriebsindividuellen Verhältnisse und zugleich Reaktion des Unternehmens auf das wettbewerbliche Umfeld ist. Ein niedriger Preis kann bei einer arbeitsintensiven Tätigkeit auf ein niedrigeres Gehaltsniveau zurückzuführen sein. Hierbei handelt es sich um einen legitimen Preisvorteil des Anbieters.*)

3. Nach § 24 Nr. 1 VOL/A darf mit Bietern verhandelt werden, um Zweifel über die Angebote zu beheben. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Aufklärungsverlangen zulässig und die Aufklärungsfrist zumutbar ist.*)

 

Volltext: 

Vergabekammer Nordbayern
Regierung von Mittelfranken

Az.: 21.VK-3194-39/06

Beschluss

vom 04.12.2006

VOL/A § 24 Nr. 1, § 25 Nr. 2 Abs. 3
1. Nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A darf auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden. Die Regelung dient dem Schutz des Auftraggebers vor Eingehung eines nicht hinzunehmenden Risikos. Maßgeblich für die Entscheidung ist daher, ob der Auftraggeber nach Überprüfung der eingeholten Auskünfte so erhebliche Zweifel an einer ordnungsgemäßen Vertragerfüllung haben darf, dass ihm bei objektiver Betrachtung ein Zuschlag wegen der damit verbundenen Risiken nicht zugemutet werden kann.*)
2. Zur Feststellung eines unangemessen niedrigen Angebots sind konkrete Anhaltspunkte dafür zu verlangen, dass der niedrige Preis keinen Wettbewerbspreis darstellt, der Ausdruck der konkreten, betriebsindividuellen Verhältnisse und zugleich Reaktion des Unternehmens auf das wettbewerbliche Umfeld ist. Ein niedriger Preis kann bei einer arbeitsintensiven Tätigkeit auf ein niedrigeres Gehaltsniveau zurückzuführen sein. Hierbei handelt es sich um einen legitimen Preisvorteil des Anbieters.*)
3. Nach § 24 Nr. 1 VOL/A darf mit Bietern verhandelt werden, um Zweifel über die Angebote zu beheben. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Aufklärungsverlangen zulässig und die Aufklärungsfrist zumutbar ist.*)
VK Nordbayern, Beschluss vom 04.12.2006 – 21.VK-3194-39/06 (bestandskräftig)

Nachprüfungsantrag:

Die Vergabekammer Nordbayern bei der Regierung von Mittelfranken erlässt auf die mündliche Verhandlung vom 04.12.2006 durch die Vorsitzende …, den hauptamtlichen Beisitzer … und den ehrenamtlichen Beisitzer …folgenden

B e s c h l u s s :

1. Es wird festgestellt, dass die Durchführung des Vergabeverfahrens die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt.
Das Angebot der Antragstellerin darf nicht als Unterangebot von der Wertung ausgeschlossen werden.
Die Wertung ist unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen.

2. Die Vergabestelle trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der
Antragstellerin.

3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin
war notwendig.

4. Die Gebühr wird auf x.xxx,– € festgesetzt.
Die Vergabestelle ist von der Zahlung der Gebühr befreit.

5. Die Beigeladene trägt ihre Aufwendungen selbst.

S a c h v e r h a l t :

1.
Die VSt schrieb die reprographischen Dienstleistungen ( Reprostelle Rahmenvertrag; Einrichtung eines Document Service Center in …) im Offenen Verfahren nach der VOL/A aus.
Das Verfahren wurde im Amtsblatt der EU am xx.xx.xxxx veröffentlicht.
Die Ausschreibung umfasst das
– Los 1: Einrichtung eines zentralen Document Service Center,
– Los 2: Bereitstellung von Etagen- und Abteilungskopierern,
– Los 3: Mikroverfilmung.
Als Laufzeit des Auftrags ist der Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2008 vorgesehen.

Die Grundlagen für den Betrieb des Service Center sind in einem vorgegebenen Vertragsentwurf festgelegt. Dort werden in Ziffer 10 folgende Mindestanforderungen für das Personal gestellt:
* Deutsch in Wort und Schrift
* umfassende Schulung für den Umgang mit Kopier-, Scann-, Plotgeräten und in der Endverarbeitung
* sehr gute Kenntnisse im Umgang mit Windows XP, Outlook, Word, Excel, Power Point und anderen Anwendungen aus dem Microsoft Office Paket 2003
Zudem muss das Personal Störungen an den eingesetzten Geräten selbst beheben können.
Das Document Service Center ist über die gesamte Öffnungszeit mit 2 Personen gleichzeitig zu besetzen. Der Betreiber darf im Document Service Center keine geringfügig Beschäftigten gem. § 8 SGB einsetzen.

Die Angebotseröffnung erfolgte am xx.xx.2006.
Fristgerecht haben 4 Bieter, darunter die ASt und die BGl, ein Angebot unterbreitet.
Nach rechnerischer Prüfung lag das Angebot der ASt mit xxx.xxx,xx € brutto an erster Stelle, gefolgt von der BGl mit xxx.xxx,xx € brutto, einem 3. Bieter mit xxx.xxx,xx € brutto und einem
4. Bieter mit xxx.xxx,xx € brutto an letzter Stelle.

Im Vergabevermerk hat die VSt den voraussichtlichen Auftragswert mit xxx.xxx,- € brutto angegeben.

Die VSt teilte mit Schreiben vom 11.10.2006 der ASt mit, dass in ihrem Angebot einige Preisangaben im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung als ungewöhnlich niedrig erscheinen würden. Es wurde deshalb um schriftliche Aufklärung und ggf. um Vorlage von Belegen gebeten, die die niedrigen Einheitspreise und auch den niedrigen Gesamtpreis belegen.
Als aufklärungswürdig sah die VSt insbesondere die Positionen:
Los 1: 01.01.01, 01.01.02, 01.01.05, 01.01.23 – 01.01.39, 01.02.07 – 01.02.11
sowie den daraus resultierenden Gesamtpreis
Los 2: 001.01.01, 01.02.01, 01.02.02
Der ASt wurde eine Frist zur Stellungnahme bis zum 20.10.2006 eingeräumt.

Mit E-Mail vom 13.10.2006 bat die ASt um Information, in welcher Form die Preise dargelegt werden sollen bzw. welche Belege für die Preiserklärung ausreichend seien.
Die VSt antwortete mit E-Mail am 16.10.2006, dass eine Offenlegung der Kalkulation erforderlich sei, aus der sich die Auskömmlichkeit der Preise ergeben würde.

Mit Schreiben vom 18.10.2006 legte die ASt verschiedene Unterlagen vor.
Es handelte sich um den Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichtes 2005, sowie die Kostenstellen – Abrechnung von Januar – August 2006.
Zu den angeforderten Einzelpositionen legte die ASt ihre Kalkulation vor. Darin ist der jeweilige Einheitspreis nach den Teilansätzen Zeit, Lohn, Gerät, Material, Betriebsrisiko, Konzernumlage und Gewinn aufgeschlüsselt.
Zudem hat die ASt angeboten, bei Bedarf ihre Lieferantenrechnungen zur Einsichtnahme der Einkaufspreise vorzulegen.

Mit per Telefax vom 26.10.2006 11.31 Uhr übermittelten Schreiben forderte die VSt bis 14.00 Uhr des gleichen Tages die Beantwortung weiterer Fragen:
1. Aus der Kalkulation seien Lohnkosten von xx,xx € ( Personalvollkosten ) ersichtlich. Von unter diesen Bedingungen Beschäftigten könnten die Vorgaben aus Ziffer 10 des Vertrages nicht erfüllt werden. Deshalb seien die Stundensätze detailliert aufzuklären und aufzuschlüsseln.
2. Angabe des Großkopierers bei Pos. 01.01.01 Los 1, sowie dessen Gerätepreis ( mit Nachweis ) und Aufschlüsselung der Abschreibung.
3. Zu Pos. 01.01.25 – 01.01.29 Los 1: Einkaufspreis der Laminierfolien ( mit Nachweis ) und Aufklärung des angesetzten Materialpreises.
4. Aufklärung, wie sich der Stundensatz von xx,xx € für Regiestunden errechnet im Verhältnis zu den xx,xx € Personalvollkosten.

Die ASt antwortete mit Fax um 13.04 Uhr:
Zu 1. Die ASt versichert, dass 95 % ihrer Mitarbeiter eine Ausbildung besitzen würden.
Zum Nachweis der Lohnhöhe ihrer Mitarbeiter legt die ASt 3 anonymisierte Gehaltsabrechnungen von in … und … tätigen Mitarbeiten vor.
Zu 2. Zum Einsatz komme voraussichtlich die …, für die eine 5 jährige Abschreibung angesetzt sei.
Die Leistungsmerkmale des Gerätes werden in einem beigefügten Datenblatt aufgeführt.
Zum Nachweis des Gerätepreises ist ein Angebot der Firma D beigelegt.
Zu 3. Preisliste der Firma R.
Zu 4. Verweis auf Ausführungen zu Punkt 1.

2.
Die VSt teilte im Schreiben vom 25.10.2006 – eingegangen bei der ASt per Fax am 26.10.2006 16.34 Uhr – mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag der BGl zu erteilen.
Auf das Angebot der ASt könne der Zuschlag nicht erteilt werden, weil der Preis in offenbarem Missverhältnis zur Leistung steht und die Aufklärung zu keinem anderen Ergebnis geführt hat.

3.
Am 30.10.2006 rügte die ASt die Zuschlagsversagung auf der Grundlage des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A. Sie habe kein Unterangebot abgegeben, vergleichbare Preise würde sie auch diversen Großkunden unterbreiten.
Im Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 31.10.2006 ließ die ASt nochmals ihre Rüge vortragen und vertiefen.

Die VSt ist mit Schreiben vom 31.10.2006 der Rüge entgegengetreten.
Durch die Angaben der ASt könnten die Bedenken wegen Unterangebotes nicht ausgeräumt werden. Wegen ungenügender Beantwortung der Fragen hätte die Preisbildung nicht aufgeklärt werden können. Dem Angebot der ASt könne der Zuschlag nicht erteilt werden, weil es um mehr als 25 % sowohl unter dem Durchschnittspreis ( gebildet ohne das niedrigste und das höchste Angebot ) als auch unter dem Preis des Zweitplazierten liegen würde.

4.
Mit Schreiben vom 07.11.2006 beantragt die ASt
1. ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten und der VSt aufzugeben, das Vergabeverfahren in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen,
2. der ASt Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,
3. der VSt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Gebühren und Auslagen aufzuerlegen,
4. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigen der ASt notwendig war.

Als wirtschaftlichste Bieterin i.S.d. § 25 Nr. 3 VOL/A sei der ASt der Zuschlag zu erteilen. Ihre Nichtberücksichtigung verletze sie in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB.
Der Tatbestand des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A sei nicht gegeben. Mit einem Preisabstand von etwas mehr als 25 % zum nächstliegenden Bieter könne ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung nicht begründet werden. Die Rechtsprechung würde ein offenbares Missverhältnis mit der Berechtigung zum Angebotsausschluss nur bei ganz extremen preislichen Abweichungen – offensichtlichen Fehlkalkulationen – sehen. Vorliegend sei ein solcher Fall nicht gegeben. Die ASt hätte im Rahmen der Aufklärung nachgewiesen, dass sie die ausgeschriebene Leistung zu den offerierten Preisen in auskömmlicher Weise erbringen könne.

5.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag am 07.11.2006 der VSt zugestellt und um Zusendung der Vergabeakte und Äußerung gebeten.

6.
In ihrer Antragserwiderung vom 14.11.2006, hier eingegangen am 17.11.2006, beantragt die VSt:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der VSt.

Der Antrag sei unbegründet.
Das Angebot der ASt sei zu Recht als Unterangebot bei der Wertung unberücksichtigt geblieben.

Wegen des Preisabstandes von rd. 25 % zum nächstliegenden Bieter und zur eigenen Kostenschätzung musste die VSt ein Unterangebot der ASt vermuten.
Diese Vermutung hätte die ASt nicht widerlegt.
Nach Aufforderung hätte die ASt lediglich Unterlagen vorgelegt, die verbal nicht erläutert gewesen seien. Derartige Erläuterungen wären jedoch erforderlich gewesen, um den niedrigen Angebotspreis zu erklären.
Wegen dem Niedrigpreis sei eine negative Auswirkung auf die Leistungserbringung durch die ASt zu befürchten.
Die Kalkulation der Personalvollkosten und die vorgelegten Lohnabrechnungen hätten Bruttostundensätze von xx,xx € ergeben. Dieser Stundensatz sei nicht marktüblich. Man müsse also davon ausgehen, dass die von der ASt Beschäftigten der in der Ausschreibung geforderten Fachkunde und Qualifikation nicht gerecht werden würden, wodurch Störungen im Betriebsablauf des Service Centers zu erwarten seien. Zudem sei bei dieser Bezahlung eine starke Fluktuation des Personals zu befürchten, wodurch ebenfalls Schlecht- und Falschleistungen auftreten würden.
Die Personalvollkosten stünden auch in Widerspruch zu den im Leistungsverzeichnis angebotenen Regiearbeiten mit xx,- €/Std.
Aufgrund der Erklärung der ASt müsse davon ausgegangen werden, dass für die Position 01.01.29 Heißlaminierfolien verwendet würden. Heißlaminierfolien wären zwar wesentlich kostengünstiger als Kaltlaminatfolien, seien allerdings für Vorlagen ungeeignet, die mit Tintenstrahldrucker erstellt worden sind.

7.
Soweit nach § 111 Abs. 2 GWB kein Geheimnisschutz geboten war, wurden der ASt am
20.11.2006 Auszüge der Vergabeakte zugesandt.

Darin befindet sich als Anlage ein Vermerk vom 31.10.2006, worin die VSt als Ergebnis der Aufklärung folgendes feststellt:

Personalkosten:
Die Kalkulation der Personalkosten hätte Bruttostundensätze ( inkl. Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung und zusätzliche Personalkosten für Betreuung der Arbeitnehmer und Lohnabrechnung der ASt ) von xx,xx €/Std. ergeben. In den vorgelegten Lohnabrechnungen anderer bei der ASt Beschäftigter seien in zwei von drei Fällen Bruttosätze zwischen xx,xx € und xx,xx € dargestellt.
Wegen dieser niedrigen Stundensätze sei zu erwarten, dass das von der ASt bereitgestellte Personal die erforderliche Fachkunde und Qualifikation nicht aufweisen würde, die zur ordnungsgemäßen Erbringung der geforderte Leistung notwendig sei. Zudem sei mit einer erhöhten Fluktuation des Personals zu rechnen, was zu Störungen im Service Center führen würde.

Verhältnis Lohnkosten zu Regiestundensätzen
Trotz Anfrage hätte die ASt den Unterschied zwischen dem geringen Bruttoarbeitsentgelt und dem für Regiestunden angegebenen Betrag von xx,- € nicht beantwortet.

Kosten von Laminaten:
Die Nachfrage hätte ergeben, dass die ASt für alle Laminate Heißlaminierfolien verwenden würde. Heißlaminierfolien seien jedoch für Vorlagen, die mit Tintenstrahldruckern erstellt wurden, nicht geeignet, weil sie zu einem Verschwimmen der Farbe führen können. Da im Hause alle großformatigen Pläne mit Tintenstrahldruckern erstellt würden, könne eine Heißlaminierung nicht zum Einsatz kommen.

8.
Die Firma … wurde am 20.11.2006 zum Verfahren beigeladen.

In ihrer Stellungnahme vom 24.11.2006 führt die BGl zu den Lohnkosten aus. Lohnstunden zu xx,xx € könnten nicht erklärt werden. Sie hätte per Jahresschnitt die Löhne der mit der ausgeschriebenen Leistung derzeit Beschäftigten mit xx,xx €/Std. ermittelt. Dazu müssten noch die administrativen Kosten für Verwaltung hinzuaddiert werden.
Zudem legt die BGl ihre Kalkulation zu einzelnen Hauptpositionen offen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Stellungnahme wird verwiesen.

9.
In ihrer Replik vom 26.11.2006 auf den Inhalt der Vergabeakte und die Stellungnahme der VSt führt die ASt im wesentlichen aus:
Wegen der preislichen Abweichung um 25 % sei der Ausschluss ihres Angebots nicht begründbar. Die Stellungnahme der VSt lasse nicht erkennen, was konkret zur Nichtberücksichtigung ihres Angebots geführt hat.
Es würde nicht zutreffen, dass Personalvollkosten von xx,xx € eine vertragsgemäße Erfüllung der übertragenen Arbeiten nicht erlauben würden. Umgerechnet auf den Monat mit 160 Arbeitsstunden würde sich ein Bruttoarbeitslohn von ca. x.xxx,- € errechnen. Dieser Schnitt, der für gelernte Arbeitskräfte normal wäre, sei von der ASt mit den drei anonymisierten Gehaltsabrechnungen nachgewiesen worden. Damit könnten jedenfalls Bedenken im Hinblick auf eine Unangemessenheit bzw. Unauskömmlichkeit der Kalkulation und der Fachkunde und Qualifikation des eingesetzten Personals nicht begründet werden.
Die Personalregiekosten seien für die Kalkulation nicht relevant und würden daher eine sachfremde Erwägung in Bezug auf die preisliche Angemessenheitsprüfung darstellen.
Das Angebot könne auch wegen der Kalkulation bezüglich der verwendeten Laminate nicht als Unterangebot gewertet werden. Heiß- und Kaltlaminate unterscheiden sich preislich keineswegs so stark, wie die VSt es darstellt.

10.
Im Schriftsatz vom 30.11.2006 wiederholt und vertieft die VSt im Wesentlichen ihre bereits vorgetragen Ausschlussgründe:
Das Angebot der ASt sei auszuscheiden, weil sie in den Positionen 01.01.25 – 01.01.29 entgegen der Vorgabe Heiß- statt Kaltlaminate angeboten hätte.
Zudem sei das Angebot auszuschließen, weil die von der ASt im Zuge der Aufklärung vorgebrachten Erklärungen sowie die vorgelegten Unterlagen nicht geeignet wären, die Vermutung für das Bestehen eines Unterangebotes zu widerlegen.

11.
Auf die Replik der ASt vom 30.11.2006 zur Stellungnahme der BGl und dem Schreiben der VSt vom 30.11.2006 wird verwiesen.

12.
In der mündlichen Verhandlung am 04.12.2006 hatten die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit, sich zum streitgegenständlichen Vergabeverfahren zu äußern. Auf das diesbezügliche Protokoll wird verwiesen.

Die ASt bleibt bei ihren mit Schriftsatz vom 07.11.2006 gestellten Anträgen.
Die VSt beantragt, den Nachprüfungsantrag abzulehnen.
Die BGl stellt keine Anträge.

B e g r ü n d u n g:

1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.

b) Bei dem ausgeschriebenen Vertrag handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 99 GWB.

c) Die VSt ist den Auftraggebern zuzuordnen, welche gemäß § 98 Nr. 1 GWB in Verbindung mit § 4 VgV den 2. Abschnitt der VOL/A anzuwenden haben.

d) Der Schwellenwert von 200.000,- € ist überschritten (§ 100 Abs. 1 GWB).

e) Der Zuschlag an die BGl wurde noch nicht erteilt ( § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB ).

f) Die ASt ist antragsbefugt. Sie hat als beteiligte Bieterin ein Interesse am Auftrag und schlüssig dargetan, dass ihr durch die behauptete Rechtsverletzung ein Schaden entsteht bzw. zu entstehen droht ( § 107 Abs. 2 GWB ).

g) Die ASt hat am 30.10.2006 unverzüglich gerügt, nachdem ihr am 26.10.2006 die Mitteilung über die Nichtberücksichtigung ihres Angebots zugegangen war.

2.
Der Antrag ist begründet.
Die ASt wird in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt.
Das Angebot der ASt darf nicht als Unterangebot von der Wertung ausgeschlossen werden.
Die VSt ist deshalb zu verpflichten, die Wertung der Angebote erneut durchzuführen und nach § 13 VgV das Ergebnis den Bietern mitzuteilen.

Das Angebot der ASt kann nicht nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A unberücksichtigt bleiben.
Ein offenbares Missverhältnis zwischen Angebotspreis und Leistung liegt nicht deswegen vor, weil die ASt Stundenverrechnungssätze mit xx,xx € kalkuliert hat.

a) Nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A darf auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden.
Die Regelung dient dem Schutz des Auftraggebers vor Eingehung eines nicht hinzunehmenden Risikos. Maßgeblich für die Entscheidung ist daher, ob der Auftraggeber nach Überprüfung der eingeholten Auskünfte so erhebliche Zweifel an einer ordnungsgemäßen Vertragerfüllung haben darf, dass ihm bei objektiver Betrachtung ein Zuschlag wegen der damit verbundenen Risiken nicht zugemutet werden kann.

Zur Beurteilung der Angemessenheit eines Preises dient in der Regel ein Vergleich mit der Kostenschätzung des Auftraggebers.
Vorliegend führt eine solche Gegenüberstellung nicht weiter. Zwar hat die VSt im Vergabevermerk als voraussichtlichen Auftragswert xxx.000,- € brutto angegeben. Diese Zahlenangabe ist jedoch nicht überprüfbar. In der Vergabeakte findet sich keine Kostenschätzung, mit der der genannte Auftragswert belegt ist. In der mündlichen Verhandlung hat die VSt dazu ausgeführt, dass sie ihre Kostenschätzung auf die Preise des bisherigen Vertrages mit der BGl gestützt habe. Deswegen ist die Kostenschätzung der VSt als Vergleichsmaßstab nicht geeignet.

Der VÜA des Bundes hat in seinem Beschluss v. 14.04.1998 ( Vergaberechtsreport 8/98 ) den Standpunkt vertreten, dass auch ein noch so beträchtlicher Preisabstand zwischen dem günstigsten und den nachfolgenden Angeboten für sich genommen noch kein hinreichendes Merkmal für ein unangemessen niedriges Angebot darstellt. Ein Niedrigangebot kann auch wettbewerblich begründet sein. Auf den Gesichtspunkt der Angemessenheit oder gar Auskömmlichkeit kommt es bei der Ermittlung des zulässigen Wettbewerbspreises nicht an. Für die öffentliche Hand besteht kein Hindernis, auch Unterkostenpreise zu akzeptieren, sofern der Anbieter zu diesen Preisen zuverlässig leisten kann ( BGH v. 11.07.2001 1 StR 576/00 ).
Die Kalkulation obliegt ausschließlich dem Aufgabenbereich des Bieters. Eine Angebotskalkulation berührt den Kernbereich unternehmerischen Handelns im Wettbewerb um öffentliche Aufträge und damit die Freiheit des Wettbewerbs im Marktgeschehen schlechthin. Vorschriften, auf welche Weise der Unternehmer zu kalkulieren hat, kann es in einer freien Wirtschaftsordnung nicht geben ( Kammergericht Berlin v. 26.02.2004 – Verg 16/03 ). Der Bieter ist mangels verbindlicher Kalkulationsregeln in seiner Preisgestaltung frei ( BGH v. 18.05.2004 – X ZB 7/04 ).
Zur Feststellung eines unangemessen niedrigen Angebots sind konkrete Anhaltspunkte dafür zu verlangen, dass der niedrige Preis keinen Wettbewerbspreis darstellt, der Ausdruck der konkreten, betriebsindividuellen Verhältnisse und zugleich Reaktion des Unternehmens auf das wettbewerbliche Umfeld ist ( Brinkler/Ohler in Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck´scher VOB-Kommentar, Rdn. 66 zu § 25. ). Ein niedriger Preis kann bei einer arbeitsintensiven Tätigkeit auf ein niedrigeres Gehaltsniveau zurückzuführen sein. Hierbei handelt es sich um einen legitimen Preisvorteil des Anbieters.

Vor diesem Hintergrund kann die ASt nicht deswegen ausgeschlossen werden, weil sie in ihrem Angebot die Personalvollkosten mit xx,xx €/Std. kalkuliert hat.
Unstrittig besteht für die ausgeschriebenen reprographischen Dienstleistungen kein allgemein verbindlicher Tarifvertrag, in dem die zu zahlenden Lohntarife festgelegt sind. Die in den Vergabeunterlagen geforderte Erklärung nach dem Formblatt Erg Ang VOB EG geht schon deshalb ins Leere, weil dort eine Tariftreueerklärung nach dem Bayer. Bauaufträge – Vergabegesetz verlangt ist. Bei der streitgegenständlichen Leistung handelt es sich nicht um die Entlohnung von auf einer Baustelle beschäftigten Arbeitnehmern.

Die VSt kann mit ihrer Befürchtung nicht durchdringen, dass den Beschäftigten der ASt wegen der Entlohnung die geforderte Fachkunde und Qualifikation fehlen würde und durch starke Personalfluktuation Störungen im Betriebsablauf des Service Centers zu erwarten seien.
Die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendige Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit ist nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A zu prüfen und war nicht Gegenstand dieses Nachprüfungsverfahrens.
Die VSt hat ihren Einwand bezüglich der Eignung nicht durch Fakten belegt. Die Berücksichtigung von Umständen, die nicht auf einer gesicherten Erkenntnis des Ausschreibenden beruhen, ist bei der Bewertung der Eignung eines Bieters ausgeschlossen ( BGH v. 26.10.1999 – X ZR 30/98 ). Stattdessen versicherte die ASt in ihrem Vortrag und in der mündlichen Verhandlung glaubhaft, dass 95 % ihrer Mitarbeiter die erforderlichen Kenntnisse für eine fachgerechte Ausführung der streitgegenständlichen Leistung aufweisen würden.

b) Die ASt ist auch der Aufklärungsaufforderung nachgekommen, soweit es ihr zumutbar war.

Nach § 24 Nr. 1 VOL/A darf mit Bietern verhandelt werden, um Zweifel über die Angebote zu beheben. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Aufklärungsverlangen zulässig und die Aufklärungsfrist zumutbar ist.

aa) Die VSt hat am 11.10.2006 Aufklärung zu verschiedenen Positionen mit niedrigen Einheitspreisen verlangt. Die ASt ist dieser Forderung innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen und hat die fraglichen Positionen in die einzelnen Preisbestandteile Zeit, Lohn, Gerät, Material etc. aufgeschlüsselt. Daraus ist ersichtlich, wie und aus welchen Faktoren sich der verlangte Einheitspreis zusammensetzt. Eine anders zu gestaltende Auskunft war für die ASt aus der allgemein gehaltenen Aufklärungsforderung der VSt nicht erkennbar.
Ein weitergehender Einblick in die Kalkulation ist bei objektiver Betrachtung für die Überprüfung der Plausibilität nicht notwendig und auch nicht zulässig. Bieter können nicht dazu verpflichtet werden, interne Kalkulationsunterlagen offen zu legen ( BVerfG v. 14.03.2006 – BvR 2087/03 u. 2111/03 ).

bb) Auch kann die ASt nicht deswegen ausgeschlossen werden, weil sie dem zweiten Aufklärungsverlangen nur unvollständig nachgekommen ist.
Mit Fax vom 26.10.2006, 11.32 Uhr, hat die VSt weitere Aufklärung gefordert. Für die Beantwortung wurden der ASt rd. 2 1/2 Stunden eingeräumt.
Diese Frist war zu kurz bemessen und damit eine vollständige Beantwortung unzumutbar, zumal eine Aufklärung zum Teil zu neuen Positionen verlangt wurde.
In der Regel ist eine Antwortfrist von weniger als eine Woche als unzumutbar anzusehen ( Franke/Grünhagen in Franke Kemper Zanner Grünhagen, VOB-Kommentar, 2. Auflage, Rdn. 520 zu § 25 ).

Aus den dennoch vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine Widersprüche zum Angebot der ASt.

Die von der ASt vorgelegten Lohn-/Gehaltsabrechnungen von Mitarbeitern stehen nicht in Widerspruch zu ihrem Personalvollkostenansatz. Beispielhaft hat die ASt für den Monat September die Gehaltsabrechnung eines Bediensteten in … vorgelegt. Mit der dort angegebenen Bruttolohnhöhe ist nach Zuschlag der Lohnzusatzkosten in Höhe von xx % ein Personalkostenansatz von xx,xx € darstellbar.
Die ASt hat in ihrem Angebot die Lohnzusatzkosten mit xx % angegeben ( Formblatt Erg Ang VOB EG ).

Auch berechtigt das vorgelegte Preisblatt zu den Heißlaminatfolien nicht, das Angebot gemäß § 25 Nr.1 Abs. 1 Buchst. d VOL/A auszuschließen.
Nach § 25 Nr.1 Abs. 1 Buchst. d VOL/A werden Angebote ausgeschlossen, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen worden sind.
Eine solche Änderung oder Ergänzung ist im Angebot der ASt nicht gegeben.
Grundlage für die formale und inhaltliche Prüfung sind die zur Eröffnung vorgelegten Angebote. Das von der ASt zu diesem Termin eingereichte Angebot enthält die verlangten Erklärungen und Preise. Zusätzliche Eintragungen, aus denen ein Abweichen von der geforderten Leistung erkennbar sein könnte, finden sich im Angebot der ASt nicht.
Mit Schreiben vom 26.10.2006 wurde die ASt aufgefordert, sich zum Einkaufs- und Materialpreis der Laminierfolien der Pos. 1.1.25 – 1.1.29 zu erklären. In diesen Positionen sind die Preise für das Laminieren von Vorlagen der Größe DIN A4 bis DIN A0 anzugeben. Unstrittig ist in den Verdingungsunterlagen ein Laminierungsverfahren nicht vorgegeben. Der in der Leistungsbeschreibung auf Seite 5 unter Ziffer 1.5 geforderte Kaltlaminator ist nur als Backup Kapazität für DIN A0 Formate zur Verfügung zu stellen. Für den Normalbetrieb konnte die Heißlamination für alle Formate angeboten werden.
Der ASt könnte deshalb allenfalls der Vorwurf gemacht werden, dass sie bei der zweiten Aufklärung nicht die Preise aller Laminierfolien ( heiß und kalt ) vorgelegt habe. Dies kann aber der ASt wegen der kurzen Frist nicht als Aufklärungsverweigerung im Sinne von § 24 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A angelastet werden.

Die VSt konnte ihre Behauptung nicht belegen, dass Heißlaminate für mit Tintenstrahldruckern gefertigte Vorlagen ungeeignet seien.
In der mündlichen Verhandlung hat die ASt Heißlaminate vorgelegt, aus denen ein Verschwimmen der Tinte nicht ersichtlich war. Auch konnten keine anderen Qualitätsunterschiede zu den ebenfalls vorgelegten Kaltlaminaten festgestellt werden.

3.
Wegen des im GWB festgelegten Amtsermittlungsgrundsatzes ( § 110 Abs. 1 Satz 1 und
§ 114 Abs. 1 GWB ) sieht sich die Vergabekammer zu folgendem Hinweis veranlasst:

Eine Überprüfung des Angebots der BGl hat ergeben, dass es unvollständig ist.
Auf dem Formblatt EFB U EG 317 erklärt die BGl, dass sie die Mikroverfilmung weitervergeben wird. Sie benennt zwar konkret welches Unternehmen sie mit der Leistung beauftragen wolle, die geforderte Verpflichtungserklärung des Nachunternehmers liegt dem Angebot der BGl jedoch nicht bei.
Des Weiteren fehlen im Angebot der BGl die Besonderen Vertragsbedingungen, Zusätzlichen Vertragsbedingungen und das Einheitliche Verdingungsmuster Abfall. Alle diese Anlagen waren im Angebot als Vertragsbestandteile ausgewiesen.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 GWB.

a) Die VSt hat die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der ASt zu tragen, weil sie unterlegen ist ( § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB ).
Im Hinblick auf die streitgegenständliche Auftragssumme von xxx.xxx,xx € brutto und bei Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich nach der entsprechend angewandten Gebührentabelle des Bundeskartellamts eine Gebühr in Höhe von x.xxx,- €.
Die VSt ist nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG von der Zahlung der Gebühr befreit.
Der geleistete Kostenvorschuss in Höhe von 2.500,- € wird nach Bestandskraft dieses Beschlusses an die ASt zurücküberwiesen.

b) Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die ASt notwendig gem. § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entspr. Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es der ASt nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

…..

Ausschreibung bestimmter Produkte nur ausnahmsweise zulässig

VK Hessen, Beschluss vom 11.12.2006 – 69d-VK-60/2006

1. Eine Ausschreibung bestimmter Produkte ist nur ausnahmsweise zulässig.

2. Eine Ausschreibung eines bestimmten Produkts als Substitut für allgemeine Beschreibungen darf nicht ohne den Zusatz „oder gleichwertiger Art“ erfolgen.

3. Die Begründung für die Ausschreibung eines bestimmten Produktes muss in der Vergabeakte dokumentiert werden.

 

Volltext: 

 

2. VERGABEKAMMER des Landes Hessen

bei dem Regierungspräsidium Darmstadt

Beschluss

69 d VK – 60/2006

11.12.2006

 

VOB/A § 9 Nr. 5, § 30
1. Eine Ausschreibung bestimmter Produkte ist nur ausnahmsweise zulässig.
2. Eine Ausschreibung eines bestimmten Produkts als Substitut für allgemeine Beschreibungen darf nicht ohne den Zusatz „oder gleichwertiger Art“ erfolgen.
3. Die Begründung für die Ausschreibung eines bestimmten Produktes muss in der Vergabeakte dokumentiert werden.
VK Hessen, Beschluss vom 11.12.2006 – 69d-VK-60/2006

In dem Nachprüfungsverfahren

Wegen Vergabe von Bauleistungen nach VOB/A, Erweiterung der #####

hat die 2. Vergabekammer des Landes Hessen bei dem Regierungspräsidium in Darmstadt nach mündlicher Verhandlung am 28.11.2006 durch die Vorsitzende ##### den hauptamtlichen Beisitzer ##### sowie den ehrenamtlichen Beisitzer ##### am 11.12.2006 beschlossen:

I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die am 12.07.2006 im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Gemeinschaften (2006-138940-DE) veröffentlichte Ausschreibung über den Einbau von Holzinnentüren im Neubau des Verwaltungsgebäudes aufzuheben und die Bauleistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu auszuschreiben.

II. Im Übrigen wird das Nachprüfungsverfahren eingestellt.

III. Für das Verfahren vor der Vergabekammer wird eine Gebühr von ##### € festgesetzt, hiervon tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner jeweils ##### €.

IV. Von den der Antragstellerin und dem Antragsgegner außerhalb des Verfahrens entstandenen Kosten trägt die Antragstellerin 1/3, der Antragsgegner trägt 2/3; im Übrigen tragen die Beteiligten ihre Kosten selbst.

V. Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.

Sachverhalt

Der Antragsgegner veröffentlichte am 14.07.2006 die Ausschreibungen für 12 Gewerke für den Neubau eines Verwaltungsgebäudes beim Kreishaus in Darmstadt, darunter u.a. die Fassadenarbeiten, Metall- und Holztüren.

Das Leistungsverzeichnis für die Ausschreibung der Holzinnentüren enthielt für mehrere Positionen die Angabe bestimmter Fabrikate und Typbezeichnungen, so u.a. für

– Türdrückergarnituren: (Positionen 02.01.0010, 02.02.0007, 02.02.0008, 02.03.0005; insgesamt 312 St.) Fabrikat "FSB Typ 1005, Objektbeschlag 7205 13 bzw. 7205.15 und 7605 13";

– Türpuffer: (Positionen 02.01.0011 bis 2.01.0013, 02.02.0013; insgesamt 195 St.) "Erzeugnis KWS Türpuffer 2008.82 bzw. 2573.82 und 2001.82 und 2008.82";

– Drückergarnitur, halb: (Position 02.02.0009; 15 St.): "Fabrikat F513 Typ 1005, Objektbeschlag 7205.13";

– Griffstange: (Position 02.02.0010; 6 St.): "Fabrikat FSB 667a38";

– Obentürschließer: (Positionen 02.02.0011 und 02.03.0006; insgesamt 44 St.). "Fabrikat DORMA TS 91 RF bzw. DORMA TS 93 N";

– Drehflügelantrieb (Position 02.02.0012) "Fabrikat DORMA CD 80".

In der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten war unter Zif. 5. 2 die Abgabe von Nebenangeboten nicht zugelassen. Als Zuschlagskriterien waren in Zif. 5.3 das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf den Preis, die Qualität (Referenz), die technische Leistungsfähigkeit sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit genannt, wobei die Kriterien in der Reihenfolge ihrer Bedeutung benannt seien.

Auf Anforderung der Antragstellerin vom 25.07.2006 wurden ihr Anfang August die Ausschreibungsunterlagen übersandt. Mit Schreiben an das mit der Planung beauftragte Architekturbüro vom 08.08.2006 rügte die Antragstellerin die Vorgabe bestimmter Produkte im Leistungsverzeichnis ohne den Zusatz "oder gleichwertiger Art" hinsichtlich der Drückergarnituren, der Türpuffer und der Obentürschließer. Es würden keine gleichwertigen Produkte zugelassen, obwohl diese Produkte mit geringfügigen Abweichungen in der Technik und in den Maßen gleichwertig oder besser durch andere Hersteller lieferbar seien.

Das Planungsbüro antwortete hierauf mit Schreiben vom 10.08.2006, die Ausschreibung sei " VOB konform". Die gemachten Vorgaben dienten der " Vermeidung von Schnittstellenproblematiken zu anderen Gewerken (Elt., Fassaden, Metalltüren) und dem Bestand sowie der Vereinfachung von Wartungsverträgen. Bei dem Projekt handelt es sich um eine Erweiterung (technisch und funktional) der bestehenden Kreisverwaltung)".

Weitere, per Telefax an das Planungsbüro gerichtete Nachfragen der Antragstellerin vom 10.08.2006 und vom 11.08.2006 bezogen sich auf die gewünschte -Unterkonstruktion der Türzargen und die ausgeschriebene Farbwahl und wurden jeweils mit Schreiben des Planungsbüros vom selben Tag beantwortet. in den Akten befinden sich keine Hinweise darauf, dass diese Antworten und Erläuterungen auch anderen Bietern zugänglich gemacht wurden.

Die Antragstellerin übersandte am 16.08.2006 ein Angebot zu einem Gesamtnettopreis von ##### €. In dem Anschreiben wies sie ausdrücklich auf die zuvor erhobenen Rügen hin. Daneben gab sie drei Nebenangebote mit Änderungen bezüglich der Türdrücker, der Türpuffer und der Griffstangen ab.

Neben der Antragstellerin beteiligten sich noch die Beigeladene und sechs weitere Bieter mit Angeboten an der Ausschreibung. Die Submission fand am 22.08.2006 statt.

Mit Schreiben vom 18.10.2006 teilte das vom Antragsgegner beauftragte Architekturbüro der Antragstellerin mit, ihr Angebot habe aus wirtschaftlichen Gründen nicht berücksichtigt werden können. Die Antragstellerin antwortete hierauf mit Schreiben vom 19.10.2006, auf telefonische Nachfrage habe sie erfahren, dass die Beigeladene den Zuschlag erhalten solle, und legte unter Bezugnahme auf die erhobenen Rügen "Einspruch" ein. Sie setzte dem Antragsgegner eine Frist für eine entsprechende Stellungnahme bis zum 23.10.2006.

Nachdem seitens des Antragsgegners keine Reaktion erfolgte, stellte die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 31.10.2006 bei der Vergabekammer den vorliegenden Nachprüfungsantrag.

Zur Begründung vertieft sie im Wesentlichen das Vorbringen der Rügeschreiben und führt weiter aus, die Vorgabe bestimmter Fabrikate durch den Antragsgegner verstoße gegen § 9 Nr. 5 VOB/A. Der Antragsgegner habe gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung noch zusätzlich dadurch verstoßen, dass er bestimmte Bezeichnungen (Leitfabrikate) ohne den zwingenden Zusatz "oder gleichwertiger Art" verwendet habe. Die von der Antragstellerin in ihren Nebenangeboten angebotenen Fabrikate seien gleichwertig zu den von dem Antragsgegner vorgegebenen. Schließlich stelle es einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Antragstellerin dar, dass nur sie detaillierte Angaben über die Unterkonstruktion der Zargen erhalten habe. Das Gleiche gelte für die Vorgabe, die teureren Metallic- Töne zu verwenden. Vermutlich habe nur die Antragstellerin hinsichtlich der werkseitigen Pulverbeschichtung mit den teureren Farbtönen kalkuliert, wodurch wiederum ein Wettbewerbsnachteil entstanden sei.

Nach Übermittlung von Teilen der Vergabeakte durch die Vergabekammer ergänzte die Antragstellerin ihren Vortrag dahin, der Antragsgegner habe die Gründe für eine produktbezogene Ausschreibung nicht im Rahmen eines Vergabevermerks dokumentiert. Gestalterische Gründe seien offensichtlich vorgeschoben. Das Angebot der Beigeladenen sei wegen Unvollständigkeit der Angebotsunterlagen auszuschließen. Schließlich habe der Antragsgegner offensichtlich auch nur den Preis als Wertungskriterium herangezogen, obwohl nach der Ausschreibung vier Kriterien wertungsrelevant sein sollten.

Die Antragstellerin beantragte schriftsätzlich u.a.:

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist;

2. Dem Antragsgegner wird untersagt, den Zuschlag an die Beigeladene zu erteilen;

3. Der Antragsgegner wird angewiesen, den Zuschlag an die Antragstellerin zu erteilen;

4. Hilfsweise: Das Ausschreibungsverfahren wird aufgehoben und die verfahrensgegenständlichen Bauleistungen werden neu ausgeschrieben.

Der Antragsgegner beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Er nahm mit Schreiben vom 09.11.2006 zu dem Antrag Stellung und führte aus, die Fabrikatvorgaben seien zwingend erforderlich, da bei dem Neubau des Verwaltungsgebäudes Türbeschläge bei Holztüren, Stahltüren und in der Fassade (Fenster und Fenstertüren) vorkämen. Sowohl aus gestalterischen Gründen als auch aus Gründen der Vereinfachung von späteren Wartungen, Reparaturen, der Vorhaltung von Verschlussteilen usw. sei eine Produktlinie zwingend notwendig. In einem Flur bzw. einem Raum würden Holztüren, Brandschutztüren aus Stahl und mit Griffen und Beschlägen ausgestattete Elemente der Fassade aufeinander treffen. Es sei daher der Wunsch des Bauherrn bzw. die gestalterische Freiheit des in seinem Auftrag planenden Architekten, ein einheitliches Design einzubauen. Es liege daher ein zwingender Grund vor, in den drei genannten Ausschreibungen Fabrikatvorgaben zur Grundlage einer Wertung der Angebote zu machen.

Die ausgeschriebene Zarge sei eindeutig beschrieben worden. Auf Nachfrage der Antragstellerin sei ihr beispielhaft ein Zargendetail eines Herstellers zugesandt worden, dieses gebe es exakt auch bei anderen Herstellern. Hinsichtlich der Farbtöne seien solche nach NCS (Natural Collour System) und RAL einschließlich der Metallic- Töne RAL 9006 und 9007 ausgeschrieben worden, die Bestandteil der RAL-Karte seien.

Am 28.11.2006 fand die mündliche Verhandlung vor der Vergabekammer mit ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage statt. Auf Bitte der Kammer hatten die Antragstellerin und der Antragsgegner Muster der ausgeschriebenen bzw. im Nebenangebot angebotenen Türdrücker mitgebracht; diese waren Gegenstand der Erörterung.

Die Antragstellerin nahm die Anträge Zif. 1 bis 3 des Nachprüfungsantrages zurück und beantragte, den Antragsgegner zur Aufhebung und Neuausschreibung der streitgegenständlichen Bauleistungen zu verpflichten. Die Beigeladene stellte keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten das Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakte der Kammer sowie auf die Vergabeakte verwiesen.

Gründe:

Der Antrag, den Antragsgegner zur Aufhebung der Ausschreibung der Holzinnentüren für die Erweiterung der ##### und zur erneuten Ausschreibung zu verpflichten, ist zulässig und begründet. Hinsichtlich der übrigen zunächst gestellten Anträge ist das Verfahren nach deren Rücknahme einzustellen und über die Kosten zu entscheiden.

A.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer sowie die formalen und inhaltlichen Voraussetzungen eines Nachprüfungsantrags (§§ 100 Abs. 1, 107, 108 GWB) sind gegeben. Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt (§ 107 Abs. 2 GWB), denn sie hat ein Interesse am Auftrag, wie sie durch die Abgabe eines Angebots deutlich gemacht hat. Sie macht eine Verletzung von Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB geltend, indem sie vorträgt, die Ausschreibung verstoße gegen § 9 Nr. 5 VOB/A. Ihr Sachvortrag lässt damit eine Rechtsverletzung zu Lasten ihrer Zuschlagschancen und damit einen wirtschaftlichen Schaden zumindest als möglich erscheinen. Sie ist auch ihrer Pflicht zur unverzüglichen Rüge mit ihren Schreiben vom 08.08.2006, 10.08.2006 und 19.10.2006 nachgekommen.

B.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Das streitgegenständliche Vergabeverfahren leidet an schwerwiegenden Vergaberechtsverstößen, die die Rechte der Antragstellerin verletzen, und ist daher aufzuheben.

I. Der Antragsgegner hat mit der Ausschreibung "Holzinnentüren" gegen § 9 Nr. 5 VOB/A verstoßen.

1. Nach Abs. 1 der Vorschrift dürfen bestimmte Erzeugnisse, wie hier, für Türdrücker, Türpuffer etc., nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden, wenn dies durch die Art der geforderten Leistung gerechtfertigt ist. Ausschlaggebendes Merkmal hierfür sind die jeweils maßgeblichen technischen und gestalterischen Anforderungen, z. B. sind bei Sanierungen, Um- und Erweiterungsbauten bestimmte gestalterische Anforderungen hinsichtlich eines einheitlichen Erscheinungsbildes oder dergl. denkbar (vgl. Ingenstau/Korbion, Kommentar zur VOB, § 9 VOB/A Rdnr. 81 ff.; VK Hessen, Beschl. vom 05.10.2005; 69d VK 69/2005).

a) Derartige gestalterische Gesichtspunkte sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Zwar hatte das mit der Planung des Neubaus beauftragte Architekturbüro der Antragstellerin auf ihre Rüge mit Schreiben vom 10.08.2006 mitgeteilt, bei dem Projekt handele es sich um eine Erweiterung (technisch und funktional) der bestehenden Kreisverwaltung. Da der Neubau jedoch, wie den Plänen zu entnehmen ist, einen eigenständigen und vom Bestandsgebäude deutlich entfernt liegenden Baukörper bilden wird, sprechen diese Gesichtspunkte nicht für besondere gestalterische Anforderungen an Türdrückergarnituren und andere Teile.

b) Auch die einheitliche Gestaltung der Beschläge an Holztüren, Feuerschutztüren und Fenstern und Türfenstern der Metallfassade machen die Vorgabe eines bestimmten Fabrikats vorliegend nicht erforderlich. Zwar steht dem Auftraggeber hier ein Beurteilungsspielraum zu, in den die Vergabekammer nicht ohne weiteres eingreifen darf. Vorliegend hat der Antragsgegner eine solche Beurteilung in Hinblick auf die Gestaltung aber offensichtlich nicht vorgenommen. Zudem haben der Antragsgegner und das von ihm beauftragte Architekturbüro in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, die von der Antragstellerin angebotenen und die ausgeschriebenen Beschläge seien gestalterisch durchaus kompatibel. Der optische Gesamteindruck werde auch bei gleichzeitiger Verwendung der ausgeschriebenen und der von der Antragstellerin angebotenen Produktlinien nicht gestört.

c) Auch andere technische oder wirtschaftliche Gründe für die Ausschreibung nur eines bestimmten Produktes sind vorliegend nicht gegeben. Die ebenfalls in dem Schreiben vom 10.08.2006 genannten Ziele der "Vereinfachung von Wartungsverträgen" betreffen zwar durchaus berechtigte Interessen des Auftraggebers. Auch diese Kriterien reichen jedoch nicht als Rechtfertigung für die ausnahmsweise Zulassung eines bestimmten Erzeugnisses aus: Die Vergabestelle hat diesbezüglich die Möglichkeit, die eingehenden Angebote (bei Aufnahme entsprechender Wertungskriterien in den Ausschreibungsbedingungen) auch nach der Wartungsfreundlichkeit, der Erforderlichkeit von Schulungen der Hausmeister etc. zu bewerten. Entsprechende Zuschlagskriterien sind beispielsweise Folgekosten, Bedienungsfreundlichkeit, etc..

2. 9 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A sieht darüber hinaus vor, dass Bezeichnungen für bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren ausnahmsweise, jedoch nur mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" verwendet werden dürfen, wenn eine Beschreibung durch hinreichend genaue, allgemein verständliche Bezeichnungen nicht möglich ist. Sinn dieser Vorschrift ist es, den Wettbewerb sicherzustellen. Es soll vermieden werden, dass die Vergabestelle von sich aus Erzeugnisse oder Verfahren bestimmter Hersteller bevorzugt. Vielmehr ist es Sache der Bieter, aufgrund ihrer Sach- und Fachkunde die für die Ausführung der Leistung notwendigen Erzeugnisse oder Verfahren auszuwählen. Eine Ausschreibung für bestimmte Produkte hat, wie sich aus dem Wortlaut "dürfen nur dann" ergibt, die Ausnahme zu sein. Es kann vorliegend offen bleiben, ob die ausgeschriebenen Leistungen hinreichend genau beschreibbar sind oder waren. Denn jedenfalls durfte der Antragsgegner ein bestimmtes Fabrikat als Substitut für allgemeine Beschreibungen der Beschläge etc. nicht ohne den Zusatz "oder gleichwertiger Art" verwenden. Die Bieter hatten also entgegen der Vorschrift des § 9 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A nicht die Möglichkeit, Produkte anzubieten, die hinsichtlich Material, Aussehen, Ausmaßen etc. den ausgeschriebenen Produkten gleichwertig sind. Hierdurch wurden sie in ihren Rechten auf Durchführung eines transparenten und wettbewerbsorientierten Verfahrens und auf Gleichbehandlung der Bieter gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB verletzt.

II. Daneben genügen die in der Vergabeakte enthaltenen Aufzeichnungen des Planungsbüros, der Schriftverkehr zwischen den Parteien und die Beschlussvorlage mit Begründung an den Kreisausschuss nicht den Anforderungen an einen Vergabevermerk. Nach § 30 Nr. 1 VOB/A muss dieser Vermerk die einzelnen Stufen des Verfahrens, die maßgebenden Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthalten. Nach der hierzu entwickelten Rechtsprechung (vgl. z.B. OLG Jena – Vergabesenat – Beschluss vom 26.06.2006 -"Anna- Amalia- Bibliothek"; 9 Verg 2/06; Vergabekammer Niedersachsen, Beschluss vom 22.03.2006; VgK-05/2006) wird diesen Anforderungen nur ein hinsichtlich Planung, Vorbereitung, Entscheidungsphasen und Durchführung des Ausschreibungsverfahrens fortlaufend und chronologisch geführter Vergabevermerk gerecht. Hierzu gehören insbesondere auch Unterlagen, die die Prüfungs- und Willensbildungsprozesse der zuständigen Organe der Vergabestelle dokumentieren.

Im Falle der hier streitigen Ausschreibung muss eine solche Dokumentation insbesondere die zur Ausschöpfung des in § 9 Nr. 5 VOB/A erforderlichen Entscheidungen, also auch Begründungen für die beanstandete produktbezogene Ausschreibung, die Auswahl der einzelnen Produkte, die Nichtzulassung von Nebenangeboten und das angestrebte Zusammenwirken mit den anderen ausgeschriebenen Gewerken enthalten. Darüber hinaus ist auch die Wertung der einzelnen Angebote anhand der in der Bekanntmachung genannten Wertungskriterien unerlässlicher Bestandteil eines Vergabevermerks.

Im vorliegenden Fall besteht der "Vergabevermerk" jedoch lediglich aus der Verdingungsverhandlung, dem Preisspiegel, dem Vergabevorschlag des Architekturbüros und der Beschlussvorlage an den Kreisausschuss. Abgesehen von der für die Produktauswahl fehlenden Begründung ist auch in keiner Weise dokumentiert, ob und in welcher Weise und gegebenenfalls mit welchem Ergebnis die übrigen bekannt gemachten Zuschlagskriterien (Qualität/Referenz, technische Leistungsfähigkeit, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit) bei der Angebotswertung berücksichtigt wurden. Sowohl die dargestellte mangelhafte Dokumentation als auch die möglicherweise entgegen den genannten Kriterien erfolgte Wertung der Angebote bedeutet einen weiteren schwerwiegenden Verstoß gegen die auch die anderen Bieter schützenden Gebote der Transparenz (§ 97 Abs. 1 GWB) und Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) im Vergaberecht (VK Saarland, Beschl. vom 23.01.2006; 1 VK 06/2005).

III. Als Maßnahme zur Behebung der dargestellten Mängel – unzulässige fabrikatsbezogene Ausschreibung und fehlerhafte Dokumentation des Verfahrens – kommt im Nachprüfungsverfahren gem. § 114 Abs. 1 GWB lediglich die Verpflichtung der Vergabestelle zur Aufhebung der Ausschreibung in Betracht (vgl. VK Sachsen; Beschluss vom 07.02.2003; 1/SVK/007-03; VK Berlin, Beschluss vom 15.02.2006; B 1 – 63/05).

Die Vergabestelle ist gehalten, bei der erforderlich Neuausschreibung der Holzinnentüren die Verpflichtung zur produktneutralen Leistungsbeschreibung nach § 9 Nr. 5 VOB/ A und zur Dokumentation des Vergabeverfahrens und der Wertungsentscheidung zu beachten. Als zusätzliche Wertungskriterien können auch Gesichtspunkte der Gestaltung und, wie bereits erwähnt, der Wartung der einzelnen Bauteile als Zuschlagskriterien benannt werden. Dies muss jedoch im Einzelfall auch in der tatsächlichen und zu dokumentierenden Wertung den entsprechenden Niederschlag finden. In Hinblick auf die zurückgenommenen Anträge war das Verfahren einzustellen und lediglich über die Kosten zu entscheiden.

C.

Die Kostenentscheidung wird wie folgt begründet:

I. Gemäß § 128 Abs.1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammer Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben. Die Festsetzung der Gebühr bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens, §128 Abs. 2 Satz 1 GWB. Im vorliegenden Verfahren ist hinsichtlich der Streitwertberechnung zu berücksichtigen, dass zunächst drei Hauptanträge und ein Hilfsantrag gestellt worden waren. Für jeden dieser Anträge ist entsprechend dem Angebot der Antragstellerin von einem Streitwert von ##### € auszugehen. Hinsichtlich der unter Zif. 1 (Feststellung der Rechtsverletzung) und Zif. 3 (Verpflichtung zur Zuschlagserteilung an die Antragstellerin) sind die Streitwerte gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen. Dagegen löst der der unter Zif. 2 gestellte Antrag (Verbot der Zuschlagserteilung an die Beigeladene) keinen eigenen Streitwert aus, da dieses Verbot bereits Folge der Zustellung des Nachprüfungsantrages an den Antragsgegner ist (§ 115 Ab.1 GWB). Der Streitwert für die ursprünglichen Hauptanträge beträgt also insgesamt ##### €. Die zunächst hilfsweise beantragte Aufhebung der Ausschreibung ist entsprechend dem Angebotspreis ebenfalls mit ##### € zu bewerten, jedoch gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nicht gesondert zu berechnen. Unter Berücksichtigung der von der Vergabekammer des Bundes erarbeiteten Gebührentabelle ist für den Streitwert von ##### eine Gebühr von ##### € anzusetzen.

II. Hinsichtlich des auf die auf die Rücknahme der Anträge entfallenden Gebührenanteils ist die Antragstellerin kostenpflichtig, weil sie durch Stellung des Nachprüfungsantrages das Verfahren in Gang gesetzt hat, § 128 Abs.1 S. 2 GWB in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG. Dieser Anteil beträgt 2/3 (##### €/ ##### €) der Gebühr, also #####. Wegen der Rücknahme des Antrages ist diese Gebühr gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 GWB auf die Hälfte, also auf ##### € zu ermäßigen. Dagegen findet eine Erstattung von notwendigen Aufwendungen anderer Verfahrensbeteiligter (die im vorliegenden Verfahren auch nicht beantragt wurde) nicht statt, weil das Verfahren in Bezug auf die Anträge Zif. 1 bis 3 nicht durch eine Entscheidung der Vergabekammer über den Nachprüfungsantrag sondern durch die Rücknahme des Nachprüfungsantrages und die Einstellung des Verfahrens geendet hat (BGH, Beschluss vom 25.10.2005 – X ZB 22/05). Den auf den Antrag auf Aufhebung der Ausschreibung in Höhe von 1/3 entfallenden Gebührenanteil in Höhe von ; ##### € hat der Antragsgegner als unterlegne Partei zu zahlen, § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB.

III. Der Antragsgegner hat, entsprechend den genannten Anteilen zwischen den zurückgenommenen Anträgen und dem erfolgreichem Antrag, die außerhalb des Verfahrens entstandenen Kosten der Antragstellerin zu 1/3 zu tragen (§ 128 Abs. 4 GWB).

IV. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin war angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Falles notwendig, § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB in Verbindung mit § 80 HVwVfG).

Beginn der Rügefrist

 
Die Rügefrist beginnt bereits mit Ausarbeiten des eigenen Angebots – die Kenntnis des Vergabeverstoßes ist ab diesem Zeitpunkt möglich.
 

amtlicher Leitsatz:

1. Für die Beanstandung eines Bieters, ihm würden mit den Vergabeunterlagen Angaben abverlangt, die objektiv nicht möglich und deshalb vergaberechtswidrig seien, beginnt die Rügefrist des § 107 Abs. 3 GWB spätestens mit dem Beginn der Ausarbeitung des eigenen Angebots, weil der Bieter jedenfalls zu diesem Zeitpunkt den aus seiner Sicht rügebedürftigen Inhalt der Ausschreibung festgestellt hat und ihn dann gegenüber dem Auftraggeber nicht mehr unbeanstandet lassen darf.

2. In der Abgabe eines vom Ausschreibungsinhalt abweichenden Angebots liegt nicht ohne weiteres eine durch schlüssiges Verhalten erhobene Rüge, dass die anderslautenden Vorgaben des Auftraggebers vergaberechtswidrig seien.

 
OLG Dresden
Beschluss vom 11.09.2006
WVerg 0013/06

Wertungsausschluss wegen fehlender notwendiger Bietererklärungen

 
Nachunternehmereinsatz – ein nicht enden wollendenes Thema: ungenaue Angaben können zum Auschluss des Angebotes führen.
 

amtlicher Leitsatz:

1. Ein Angebot unterliegt dem Wertungsausschluss wegen fehlender notwendiger Bietererklärungen (§§ 25 Nr. 1 Abs. 1 b, 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A), wenn die Vergabeunterlagen die namentliche Benennung der in Aussicht genommenen Nachunternehmer und die Bezeichnung der insoweit zu erbringenden Teilleistung mit dem Angebot verlangen und die Angaben des Bieters es nicht erlauben, dem einzelnen Nachunternehmer konkrete Leistungsbestandteile anhand des Leistungsverzeichnisses eindeutig zuzuordnen.

2. An einer solchen Zuordnung fehlt es – ungeachtet etwa fehlender oder ungenauer Angaben des Bieters zu Ordnungsziffern des Leistungsverzeichnisses oder zu verbalen Umschreibungen der für einen Nachunternehmereinsatz vorgesehenen Teilleistung – jedenfalls dann, wenn auch eine Gesamtschau der Bietererklärungen nicht zweifelsfrei Aufschluss darüber gibt, wofür genau der Nachunternehmer in der Bauausführng verwendet werden soll.

 
OLG Dresden
Beschluss vom 11.04.2006
WVerg 0006/06