Artikel 7 – Vertragsdurchführung

Welche Auswirkungen können Insolvenzverfahren über das Unternehmen des Auftragnehmers bzw. Wettbewerbsabreden bei der Ausschreibung auf die Vertragsdurchführung haben?

Ein Insolvenzverfahren über das Unternehmen des Auftragnehmers bedeutet nicht, daß automatisch die Verträge mit dem öffentlichen Auftraggeber beendet sind. Vielmehr hat sowohl das Unternehmen als auch der Auftraggeber ein Interesse daran, daß der Vertrag erfüllt wird und Zahlungen an das Unternehmen fließen.

Jedoch kann es aufgrund der dem Insolvenzverfahren zugrundeliegenden Zahlungsschwierigkeiten des Unternehmens z. B. zu Engpässen in der Lieferung benötigter Materialien oder in der Beschäftigung der zur Vertragsdurchführung erforderlichen Arbeitskräfte kommen. In solchen Fällen ist es dem Auftraggeber nach § 8 Nr. 1 VOL/B gestattet, entweder vom Vertrag zurückzutreten oder ihn zu kündigen. Dieses Recht besteht, sobald die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt ist. Es kann aber eben auch nur dann geltend gemacht werden, wenn durch die Insolvenz die Vertragserfüllung gefährdet ist.

Ein ebensolches Recht sich vom Vertrag zu lösen hat der Auftraggeber, wenn der Auftragnehmer sich bei der Vergabe an einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des „Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ beteiligt hat. Eine solche Beteiligung liegt z. B. vor, wenn durch Preisabsprachen unter Bietern ein echter Preiswettbewerb behindert wurde oder Preise abredegemäß zu hoch angeboten worden sind.

Wenn der Auftraggeber sich dafür entscheidet, den Vertrag aufzulösen, kann er dies entweder durch die Erklärung eines Rücktrittes oder die Kündigung des Vertrages tun. Bei einem Rücktritt sind die gegenseitig gewährten Leistungen zurückzugewähren. Das ist auf Seiten des Auftraggebers regelmäßig bereits geleistetes Geld in Form von Abschlagszahlungen. Insoweit besteht eine Rückzahlungspflicht des Auftragnehmers. Es kann sich aber auch um überlassene Materialien zum Einbau und zum Verbrauch handeln. Der Rücktritt wird daher nur dann gewählt werden, wenn entweder der Auftragnehmer noch keine Leistungen erbracht oder der Auftraggeber an den erbrachten kein Interesse hat. Bei einer Kündigung sind dagegen die bisherigen Leistungen nach ihrem Verhältnis zur Gesamtleistung abzurechnen. Dies gilt wiederum nur für Leistungen, für welche der Auftraggeber Verwendung hat, nicht verwendbare Leistungen sind zurückzugewähren. Zusätzlich kann der Auftraggeber für die Nichterfüllung der noch offenen Leistungen Schadensersatz verlangen. Der dabei zu ersetzende Schaden kann z. B. in den Mehrkosten liegen, welche durch die Beauftragung eines anderen Unternehmens mit der Fertigstellung entstehen. Bei diesem Schadensersatzanspruch gibt es keine Begrenzung, so daß er auch entgangenen Gewinn umfaßt.

Das Beispiel aus der Praxis:
Eine städtische Ausschreibung war auf die Vergabe von Einsammeln, Sortieren und Verwerten von Haushaltsmüll für zwei Jahre gerichtet. Über das den Zuschlag erhaltende Unternehmen wurde nach eineinhalb Jahren Vertragslaufzeit das Insolvenzverfahren eröffnet. Zwar konnte das Unternehmen nach ca. einem Jahr saniert werden, jedoch kam es durch Zahlungsschwierigkeiten zwischenzeitlich dazu, daß zur Einsammlung des Mülls notwendige Fahrzeuge nicht mehr repariert werden konnten. Diese fielen daraufhin aus. Ebenfalls konnten die an den Sortierbändern stehenden Arbeiter nicht mehr bezahlt werden. Die Folge war, daß der Müll nicht mehr im vorgesehenen regelmäßigen Turnus abgeholt wurde.

Die Stadt, welche gegenüber ihren Einwohnern zur Abholung verpflichtet war, mußte nunmehr eine Lösung des Problems suchen. Sie kündigte daher den Vertrag mit dem Unternehmen und setzte kurzfristig den in der Ausschreibung Zweitplatzierten für die Entsorgung ein.

Durch diesen schnellen Einsatz mußte das nunmehr müllentsorgende Unternehmen Investitionen tätigen und Kredite aufnehmen, welche weit über die im normalen Verfahren entstehende Kosten hervorriefen. Diese Kosten legte das Unternehmen in seinen Preisen auf die Stadt um. Die Stadt wiederum konnte die ihr im Gegensatz zum ursprünglichen Vertrag entstandenen Mehrausgaben von dem in Insolvenz gefallenen Unternehmen zurückverlangen. Da die Sanierung des insolventen Unternehmens auch gelang, war der Anspruch der Stadt durchsetzbar, sie konnte ihre Mehrkosten geltend machen.

Artikel 6 – Leistungsstörungen

Was passiert, wenn der Auftragnehmer verspätet oder gar nicht leistet?

Wenn der Auftragnehmer durch eigenes Verschulden verspätet leistet (Verzug), finden nach dem Wortlaut des § 7 Nr. 1 VOL/B „die gesetzlichen Regelungen Anwendung“. Diese haben durch die Schuldrechtsreform, welche Anfangs des Jahres 2002 in Kraft getreten ist, Änderungen erfahren. Nachfolgend sind die neuen Regelungen eingearbeitet.

Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber jeglichen, bei diesem eintretenden, Verzugsschaden zu ersetzen. Ein solcher kann u. a. durch die Zerstörung der Sache, welche der Auftragnehmer zu leisten verpflichtet ist, entstehen. Die Schadensersatzverpflichtung ist auch bei einer durch Zufall eingetretenen Zerstörung, wenn sie nach dem Verzugszeitpunkt liegt, denkbar. Wenn als Schaden entgangener Gewinn geltend gemacht wird, ist jedoch durch die VOL/B die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz begrenzt. Das gilt ebenfalls für den Gewinn, der durch die Nichterfüllung (die Leistung kann oder will nicht mehr durch den Auftragnehmer erbracht werden) dem Auftraggeber entgeht. Die Schadensersatzpflicht kann auch durch Vertrag weiter begrenzt werden.

Wenn der Auftragnehmer seine Leistung nicht mehr erfüllen kann oder will, muß der Auftraggeber ihm eine angemessene Frist zur Erfüllung der Leistung setzen (Nachfrist). Ist diese nun erfolglos verstrichen, kann er sich vom Vertrag lösen und Schadensersatz verlangen. Eine solche Fristsetzung ist jedoch entbehrlich, wenn der Auftragnehmer sich bereits ernsthaft und endgültig geweigert hat, die Leistung zu erfüllen.

Wird nun Schadensersatz gleich welcher Art gefordert, muß der Auftragnehmer die ihm zur Ausführung überlassenen Unterlagen (z. B. Zeichnungen und Berechnungen) unverzüglich zurückgeben. Im Gegenzug ist der Auftraggeber verpflichtet, dem Auftragnehmer ebenfalls unverzüglich eine Aufstellung über die Art seiner Ersatzansprüche zu übermitteln. Stellt ein anderer Unternehmer das Werk fertig oder liefert die Leistung, sind die dafür aufgewendeten Mehrkosten durch den Auftragnehmer zu ersetzen. Der Auftraggeber hat diese innerhalb von drei Monaten nach Abrechnung mit dem neuen Vertragspartner dem ursprünglichen Auftragnehmer mitzuteilen.

Nach den neuen Regelungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes kann nunmehr der Auftraggeber bei Verzug oder Nichterfüllung der Leistung durch den Auftragnehmer zusätzlich zu dem bereits genannten Schadensersatz vom Vertrag zurücktreten. Rücktritt heißt, daß die bereits empfangenen Leistungen rückabgewickelt werden. So müssen z. B. Zwischenzahlungen zurückgeleistet, ebenfalls aber auch bereits erbrachte Lieferungen oder Leistungen zurückgegeben werden. Das alles jedoch nur, wenn dies nach der Natur der Sache möglich ist. So wäre es z. B. bei Dienstleistungen größtenteils ausgeschlossen.

Das Beispiel aus der Praxis:
Im Rahmen einer Ausschreibung hatte sich ein Unternehmen dazu verpflichtet, dem Auftraggeber bis zu einem festgelegten Termin Tische und Stühle zur Ausstattung von Schulungsräumen zu liefern. Das Unternehmen konnte nun diesen Termin wegen fehlerhafter Ablaufplanung im eigenen Betrieb nicht einhalten. Der Auftraggeber mußte deshalb für schon festgelegte Schulungstermine Ausweichräume anmieten. Bei der Anlieferung kam es zu einem unverschuldeten Verkehrsunfall, bei welchem die zu liefernden Tische und Stühle zerstört wurden. Der Auftragnehmer war trotzdem weiter verpflichtet, die vertraglich vereinbarten Leistungen vorzunehmen. Die bis zur neuen Herstellung und Anlieferung der Tische und Stühle beim Auftraggeber durch die Anmietung von Ersatzräumen entstandenen Kosten hatte der Auftragnehmer zu tragen.

Nun konnte er aufgrund des Austausches von Maschinen in seinem Unternehmen zwar noch die vereinbarten Stühle, jedoch nicht mehr die Tische liefern. Das teilte er dem Auftraggeber mit, welcher sich daraufhin vom Vertrag löste und die Tische in einem anderen Unternehmen teurer herstellen lassen mußte. Der Auftragnehmer war nunmehr verpflichtet, die ihm übergebenen Zeichnungen wieder herauszugeben, damit das neu beauftragte Unternehmen die Tische maßgerecht herstellen konnte. Ebenfalls mußte der Auftragnehmer die dem Auftraggeber durch die Beauftragung des neuen Unternehmens entstehenden Mehrkosten ersetzen. Im Gegenzug dazu war es die Pflicht des Auftraggebers, einerseits unmittelbar nach Beauftragung des neuen Unternehmens dem Auftragnehmer mitzuteilen, daß er die Mehrkosten der Herstellung zu tragen habe. Andererseits mußten diese Mehrkosten innerhalb von drei Monate nach Fertigstellung und Abrechnung mit dem neuen Unternehmen dem Auftragnehmer in Rechnung gestellt werden.

Artikel 5 – Rechte des Auftragnehmers

Rechte des Auftragnehmers bei unverschuldeter Verzögerung der Leistungsausführung

Im letzten Teil der Serie wurde darauf hingewiesen, welche Pflichten sich für den Auftragnehmer ergeben, wenn die Leistungsausführung behindert wird und dies überwiegend in seinem Verantwortungsbereich liegt. Dagegen soll nunmehr dargestellt werden welche Rechte er hat, wenn die Behinderung ihm nicht zugerechnet wird.

Die Verzögerungen sind dem Auftragnehmer u. a. bei „höherer Gewalt“ nicht zuzurechnen. Sie ist gegeben, wenn ein von außen auf den Betrieb einwirkendes außergewöhnliches Ereignis stattfindet, welches unvorhersehbar ist und selbst bei Anwendung äußerster Sorgfalt ohne Gefährdung des wirtschaftlichen Erfolgs des Unternehmens nicht abgewendet werden kann. Beispielhaft sind z. B. Erdbeben, Blitzschlag, Brandstiftung oder Explosionen zu nennen.

Ebenfalls sind z. B. Streik und rechtlich zulässige Aussperrungen Gründe, die eine Unterbrechung rechtfertigen und nicht dem Auftragnehmer zuzurechnen sind. Dabei muß die Aussperrung jedoch nach Arbeitsrecht zulässig gewesen sein. Das gleiche gilt, wenn solche Behinderungen bei Unterauftragnehmern und Zulieferern auftreten und der Auftragnehmer, egal aus welchem Grund, gehindert ist, Ersatzbeschaffungen vorzunehmen.

Es sind zwei mögliche Folgen der Behinderung zu unterscheiden: Einerseits ist durch die Behinderung noch keine Unterbrechung der Leistungsausführung von länger als drei Monaten eingetreten. In diesen Fällen ist die Frist, wie sie sich aus dem Vertrag ergibt, „angemessen“ zu verlängern (§ 5 Absatz 2 Nr. 1 VOL/B). Eine angemessene Verlängerung ist dabei auf jeden Fall die Zeit der Unterbrechung. Um diese Zeit ist also die ursprüngliche Ausführungsfrist hinauszuschieben. Ein Verzug des Auftragnehmers mit seiner Leistung tritt somit bis zum Ablauf dieser neuen Ausführungsfrist nicht ein.

Andererseits kann bei einer Behinderung von länger als drei Monaten sowohl der Auftragnehmer als auch der Auftraggeber kündigen oder ganz bzw. teilweise vom Vertrag zurückzutreten. Es wird bei einer so langen Dauer der Unterbrechung davon ausgegangen, daß der herbeigeführte Zustand für die Parteien nicht länger hinzunehmen ist. Man muß bedenken, daß die Parteien trotz der Nichtausführbarkeit zu den gegenseitigen Leistungen noch verpflichtet sind. Der Auftragnehmer muß die vertraglich vereinbarte Leistung weiterhin erfüllen, der Auftraggeber eventuell die Möglichkeiten und Örtlichkeiten zur Verfügung stellen und die volle Vergütung zahlen. Diese Pflichten sind für die Zeit der Behinderung zwar aufgeschoben, die Parteien sind dieser jedoch nicht enthoben. Sie müssen sich von der Leistungspflicht also durch Kündigung oder Rücktritt befreien. Wenn eine Abgrenzung zwischen in sich geschlossenen Teilen der Leistung getroffen werden kann und die Hinderungsgründe nur auf einen Teil der Leistung bezogen sind, kann auch eine Teilkündigung oder ein Teilrücktritt in Betracht kommen. Die Erklärungen haben schriftlich zu erfolgen und müssen binnen 30 Tagen nach Ablauf der genannten Dreimonatsfrist dem Vertragspartner zugehen.

Das Beispiel aus der Praxis:
Durch ein Unternehmen sollten medizinische Geräte hergestellt und an ein kommunales Krankenhaus bis zum 15.03.2001 geliefert werden. Dabei waren mehrere verschiedene komplexe Diagnosegeräte, unter anderem ein Kernspintomograph und ein fest zu installierendes Röntgengerät zu liefern. Teile der Geräte des Kernspintomographen bezog das Unternehmen von Unterauftragnehmern, welche sich auf deren Herstellung spezialisiert hatten. Nun kam es bei einem der Unterauftragnehmer am 10.03.2001 zu einem Streik mit der Folge, daß dort die Produktion der benötigten Teile stillstand. Dieser Streik zog sich bis zum 10.04.2001 hin, in welcher Zeit der Unternehmer den Kernspintomographen nicht fertigstellen und liefern konnte. Ein Bezug der Teile bei einem anderen Unternehmen war nicht möglich, da nur die eine Firma sie herstellte. Ebenfalls brannte am 12.03.2001 durch einen Blitzschlag die Werkhalle ab, in welcher die Röntgengeräte beim Auftragnehmer hergestellt wurden. Deren Wiederaufbau zog sich bis zum 30.07.2001 hin, so daß er nicht in der Lage war, die Röntgengeräte rechtzeitig zu liefern. Diesen Teil des Vertrages kündigte er am 15.06.2001 schriftlich.

Eine Abtrennung einzelner vertraglicher Leistungen ist hier aufgrund der Abgeschlossenheit der einzelnen Teile, bezogen nur auf Kernspintomograph und Röntgengerät, möglich. Da die Lieferung des Kernspintomographen nicht länger als drei Monate verzögert war, konnte weder durch den Auftraggeber noch den Auftragnehmer gekündigt werden. Vielmehr durfte die Lieferung noch bis zum 15.04.2001 erfolgen ohne daß der Auftragnehmer in Verzug geriet. Den Teil des Vertrages, welcher das Röntgengerät betraf, kündigte er fristgemäß innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf der drei Monate in der ordnungsgemäßen Form mit der Folge, daß er von der Verpflichtung zu dieser Leistung frei wurde.

Artikel 4 – Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Rechte und Pflichten von Auftragnehmer und Auftraggeber bei Behinderung und Unterbrechung der Leistungsausführung

Die VOL/B regelt im § 5 , wie mit Hilfe einer dem Auftragnehmer auferlegten Anzeigepflicht dieser von der grundsätzlichen Risikotragung und Haftung bei Behinderung seiner Tätigkeit befreit wird, obwohl die Ursachen für den nicht normalen Ablauf der Leistungsausführung überwiegend in seinem Verantwortungsbereich liegen. Durch diese, nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben im Rechtsverkehr entwickelte Regelung, soll das Vertragsverhältnis für beide Seiten partnerschaftlich betrachtet werden. Danach muß der Auftraggeber von der Behinderung der Leistungsausführung rechtzeitig Kenntnis erlangen, um darauf frühzeitig reagieren zu können. Zugunsten des Auftragnehmers werden die Ausführungsfristen in bestimmten Fällen verlängert.

Voraussetzung für die genannten Rechtsfolgen ist eine rechtzeitige schriftliche Anzeige von Behinderungen oder Unterbrechungen. Behinderungen sind alle Umstände, die den vorgesehenen Leistungsablauf hemmen oder verzögern. Es reicht schon aus, daß die Arbeiten in einem beachtlichen Maß langsamer als geplant vor sich gehen. Zum Stillstand der Arbeiten muß es nicht kommen. So können z. B. Lieferschwierigkeiten oder notwendige Reparaturen einzelner eingesetzter Geräte und Maschinen zu einer Ausführung der Leistung „nur mit halber Kraft“ führen. Zusätzliche Aufträge durch den Auftraggeber können auf seiten des Auftragnehmers zur Folge haben, daß die ursprüngliche Leistung zeitweise unterbrochen wird.

Wenn der Auftragnehmer sich daher in der ordnungsgemäßen Leistungsausführung behindert sieht, hat er dies dem Auftraggeber unverzüglich anzuzeigen. Eine solche Anzeige ist nur dann nicht notwendig, wenn die „Tatsachen und deren hindernde Wirkung offenkundig sind“. Damit ist jedoch sehr vorsichtig zu verfahren. Einerseits müssen die Tatsachen dem Auftraggeber „offenkundig“ sein. Dies bedeutet, daß er von den behindernden Umständen Kenntnis haben muß und es durch sein Verhalten, seine Äußerungen oder Anordnungen klar zum Ausdruck bringt. Das ist ebenfalls der Fall, wenn die Umstände auf der Hand liegen, aber ignoriert oder aus völliger eigener Nachlässigkeit durch den Auftraggeber nicht wahrgenommen werden.

Andererseits muß der Auftraggeber wissen, daß diese Umstände zu einer Behinderung der Leistungsausführung führen. Somit müssen die ihm bekannten Tatsachen und Vorgänge auch für ihn die Verzögerung oder Unterbrechung der vereinbarten Leistungsausführung deutlich werden lassen. Da jedoch dieser Nachweis sehr schwer geführt werden kann, sollte auf die erwähnte Anzeige nicht verzichtet werden.

Das Beispiel aus der Praxis:

Durch die öffentliche Hand wurde die umfangreiche Einrichtung einer Universitätsbibliothek ausgeschrieben. Danach sollten die Einrichtungsgegenstände nach Maß angefertigt werden, wobei die von der Vergabestelle vorgegebenen Pläne Grundlage der Erstellung sein sollten. An den Ausführungszeitraum war die Eröffnung der Bibliothek gebunden.

Durch Änderungen der Bauausführung bei der Errichtung des Bibliotheksgebäudes kam es zu abweichenden Zuschnitten der Lesesäle und angrenzenden Räume. Dies hatte zur Folge, daß die Planungsunterlagen und Fertigungszeichnungen für die Einrichtung vom Auftraggeber neu überarbeitet werden mußten. Der Auftragnehmer konnte jedoch nur auf Grundlage dieser, nunmehr geänderten Pläne, die von ihm angebotene Einrichtung herstellen. Die verzögerte Lieferung der Einrichtung beruhte damit auf der späten Planerstellung und Übergabe.

Nach einer Neuerstellung einer Vielzahl der Pläne versäumte es der Auftraggeber jedoch, einen einzelnen Plan für einen ebenfalls geänderten Raum anzupassen und zu übergeben.

Für den Auftraggeber war es bei der Änderung der Pläne für die gesamte Bibliothekseinrichtung aufgrund der geänderten Zuschnitte der Räume offenkundig, daß die nunmehr verspätete Lieferung derselben zu einer Behinderung der Ausführung der Leistung führen würde. Insoweit mußte der Auftragnehmer dies ihm gegenüber nicht anzeigen.

Dagegen war das Fehlen eines einzelnen Planes für den Auftraggeber nicht ohne weiteres offenkundig behindernd. Hier durfte sich der Auftragnehmer somit nicht darauf verlassen, daß die Behinderungswirkung für den Auftraggeber klar zutage trat. Um einen späteren Rechtsstreit zu vermeiden war es daher angeraten, die Behinderungsanzeige abzusenden.

Artikel 3 – Leistungsausführung Teil 2

Welche Regeln, Vorschriften und Bestimmungen sind bei der Leistungsausführung zu beachten?

In der letzten Ausgabe des Wirtschaftsdienstes wurde darauf hingewiesen, dass neben dem Regelwerk der VOL/B noch eine weitere Anzahl von Vorschriften zu beachten sind.

Dazu zählen ebenfalls die anerkannten Regeln der Technik sowie die behördlichen Bestimmungen und Vorschriften bei der Leistungsausführung, die durch den Auftragnehmer zu berücksichtigen sind. Bei den anerkannten Regeln der Technik kann man z. B. die DIN-Normen, VDE (Verbandes Deutscher Elektrotechniker)- und VDI (Vereins Deutscher Ingenieure)- Bestimmungen sowie die DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches)- Bestimmungen als Maßstab heranziehen.

Allerdings können diese auch aufgrund fehlender rechtzeitiger Fixierung durch Zeitablauf punktuell nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Das kann z. B. bei Entwicklung neuer, in ein Werk einzubauender und als technisch einwandfrei anerkannter Stoffe eine Bedeutung haben. Man denke dabei nur an die Gesichtspunkte des Umweltschutzes und der Qualitätssicherung, bei denen die schriftliche Formulierung mit der technischen Entwicklung nicht immer Schritt gehalten hat und daher teilweise überholt ist.

Wenn der Auftragnehmer bei der Leistungsausführung daher z. B. trotz gehobener Anforderungen an den Umweltschutz noch alte, den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werdende Lösungsmittel verwendet, weil sie aufgrund fehlender Änderung der einschlägigen DIN-Vorschrift noch „DIN-gerecht“ sind, kann es sich trotz allem um einen Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik handeln. Er darf daher nicht auf die DIN-Normierung vertrauen, sondern muß sich bei deren Einsatz am aktuellen Stand der Technik z. B. anhand von Fachzeitschriften orientieren.

Auch bei den einzuhaltenden gesetzlichen Vorschriften und Bestimmungen, die zum Schutz seiner Arbeitnehmer gelten, muß sich der Auftragnehmer Kenntnis von denselben beschaffen, da hier ebenfalls der Grundsatz gilt „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“.

Das Beispiel aus der Praxis:

In einer Ausschreibung zu Reinigungsarbeiten war es notwendig, eine geforderte Leistung unter Benutzung von in der Gefahrstoffverordnung benannten Lösungsmitteln, welche gesundheitsschädlich waren, auszuführen. Mit diesen Leistungen beauftragte der Unternehmer u. a. Lehrlinge aus seinem Betrieb. Die Jugendlichen führten die Leistungen ohne Aufsicht aus und verletzten sich durch unsachgemäßen Umgang mit den Stoffen.

Die dabei entstandenen Gesundheitsschäden hatte der Unternehmer zu tragen. Er hatte nicht beachtet, das Jugendliche zwischen dem 16. und dem 18. Lebensjahr nach § 22 Jugendarbeitsschutzgesetz nur unter Aufsicht eines Fachkundigen und wenn es zur Erreichung des Ausbildungszieles erforderlich ist, mit gefährlichen Stoffen beschäftigt werden dürfen.

Für die Einhaltung der gesetzlichen, behördlichen und berufsgenossenschaftlichen Verpflichtungen gegenüber seinen Arbeitnehmern ist der Auftragnehmer regelmäßig allein verantwortlich.

Es kann jedoch auch im Vertrag eine Überbürdung der dem Auftragnehmer obliegenden Verantwortlichkeit auf den Auftraggeber festgelegt werden. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn er zu inhaltlichen Anordnungen hinsichtlich der Art und Weise der Leistungsausführung befugt ist. Das Anordnungsrecht zur Leistungsausführung auf den Auftraggeber kann auch zur Folge haben, dass die Verantwortlichkeit zur Einhaltung der einschlägigen Vorschriften „stillschweigend“ auf ihn übertragen ist, da der Auftragnehmer nicht mehr eigenverantwortlich entscheiden kann.

Zwar ist dann im Schadensfall der Auftragnehmer nicht von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer frei, er kann jedoch gegenüber dem Auftraggeber Rückgriff nehmen, so dass er am Ende ohne einen, materiellen, Verlust dasteht.

Artikel 2 – Leistungsausführung Teil 1

Welche Regeln, Vorschriften und Bestimmungen, sind bei der Leistungsausführung zu beachten?

Grundlegend ist vom Regelwerk der VOL/B auszugehen. Daneben jedoch gibt es noch eine Vielzahl von Vorschriften, welche der Auftragnehmer bei der Ausführung seiner Leistung beachten muß.

Das beginnt bei den Handelsbräuchen, geht über die Arbeitsschutzvorschriften bis zu den Verordnungen und behördlichen Anordnungen z. B. im Umgang mit Gefahrgütern. Da der Bogen aufgrund der Vielfalt der Leistungsanforderungen im öffentlichen Auftragswesen sehr weit gespannt ist, würde es den Rahmen sprengen, wenn die zu beachtenden Vorschriften alle aufgezählt werden sollten. Daher im Folgenden sowie in der nächsten Ausgabe ein paar exemplarische Regelungen und deren Erläuterung an Beispielen aus der Praxis:

Der Auftragnehmer hat u. a. nach VOL/B § 4 Nr. 1 Abs. 1 „Handelsbräuche“ zu beachten.

Handelsbräuche sind die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche oder auch die Verkehrssitte im Handel. Sie gelten nach § 346 HGB unter Kaufleuten, und zwar für ihr Handelsgewerbe. Herausgebildet haben sie sich durch tatsächliche Anwendung der konkreten Gebräuche auf den einzelnen Geschäftszweig über eine längere Dauer. Die Pflicht zur Anwendung des Handelsbrauchs gilt dabei unabhängig von der Kenntnis des Betroffenen.
So gibt es z. B. Handelsbräuche im Handelsverkehr zwischen Käufern und Verkäufern in Gestalt eingebürgerter kurzer Formeln, welche den vertraglichen Abmachungen und Ausführungspflichten einen besonderen Inhalt geben.

Am bekanntesten sind dabei wohl die sogenannten Incoterms (International Commercial Terms), welche für den internationalen Handels- und Güterverkehr gelten. Sie stellen Kurzbezeichnungen dar, welche z. B. für die Art der Ausführung der Lieferung der Waren, des Transportrisikos oder der Kostentragung stehen.

Jedoch auch bei Kauf- und -Lieferverträgen im Inland sind übliche Kurzklauseln zu beachten. Z. B. Formulierungen wie „cash“, „Kasse gegen Dokumente“ oder „Selbstbelieferung vorbehalten“ haben auch dann Maßgeblichkeit bei Inlandsverträgen, wenn ein Beteiligter diesen Handelsbrauch nicht kennt, jedoch im Verkehrskreis, in welchem dieser angewendet wird, tätig ist. Diese Regeln, welchen bei der Beschaffung Aufmerksamkeit zu schenken ist, nehmen auch im Rahmen öffentlicher Aufträge auf die Ausführung der Leistung Einfluß, da gebräuchliche Kurzklauseln und ähnliche Handelsbräuche nach VOL/B § 4 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 durch den Auftragnehmer beachtet werden müssen. Beachten heißt dabei, daß der Auftragnehmer nicht zuungunsten des öffentlichen Auftraggebers davon abweichen darf, wenn er sie auch in seinem sonstigen Geschäftsverkehr anwendet.

In einem praktischen Fall hatte der Auftragnehmer Computertechnik zu beschaffen, zu deren Lieferung er einen Unterauftragnehmer mit Zustimmung des Auftraggebers heranziehen konnte. Gegenüber diesem Unterauftragnehmer hätte er aufgrund Handelsbrauchs günstige Versand- und Zahlungsbedingungen fordern können. So wäre z. B. durch Vereinbarung der Klausel „Kasse nach Empfang“ ausgeschlossen gewesen, daß der Verkäufer die Ware bis zur Zahlung des Kaufpreises zurückhielt. Weil er dies jedoch unterlassen hatte, entstand dem Auftraggeber, welcher zu einer sofortigen Zahlung bei Lieferung und zur Übernahme der Versandkosten verpflichtet war, ein Schaden. Den hatte der Auftragnehmer zu ersetzen.

Hätte er sich vor Vertragsschluß mit dem Unterauftragnehmer über die Handelsbräuche in dem von ihm neu betretenen Geschäftsfeld informiert, wäre er darauf gestoßen, daß er aufgrund Handelsbrauchs vorteilhaftere Bedingungen hätte aushandeln können.

Finanzielle Nachteile, welche ihm aufgrund der Nichtbeachtung der Handelsbräuche entstehen, kann er nicht auf den öffentlichen Auftraggeber abwälzen. Vielmehr hat er diesem gegenüber gerade die weiteren Schäden zu ersetzen.

Ausschluss eines Angebots wegen unzulässiger Mischkalkulation

 
Eine "Richtlinie" des OLG Dresden, wann eine unzulässige Mischkalkulation vorliegt:

amtlicher Leitsatz:

1. Der Ausschluss eines Angebots gem. den §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 l), 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A wegen unzulässiger Mischkalkulation setzt die Feststellung voraus, dass der betroffene Bieter in seinem Angebot Preisverlagerungen, d.h. in einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses Abpreisungen und an anderer Stelle kompensatorische Aufpreisungen mit dem Ergebnis vorgenommen hat, dass die in den jeweiligen Positionen angegebenen Preise von den ohne Berücksichtigung der Preisverschiebung tatsächlich geforderten Preisen abweichen.

2. Zur Darlegungs- und Beweislast, wenn die Vergabestelle dem durch die Angebotsgestaltung ausgelösten Verdacht einer unzulässigen Mischkalkulation durch Nachfrage bei dem betroffenen Bieter nachgeht.

 
OLG Dresden
Beschluss vom 01.07.2005
WVerg 7/05

Artikel 1 – Leistungsänderung

Machen Sie bei Verträgen immer alles richtig?

Im Bereich der öffentlichen Ausschreibungen bestehen sowohl bei den Behörden als auch bei den beteiligten Unternehmen zahlreiche Unsicherheiten hinsichtlich der korrekten Vertragsabwicklung. Die Erfahrungen aus der Rechtsberatung bestätigen dies. Angesichts der ständig wachsenden Regelungsdichte und einer sich ständig erweiternden Rechtsprechung ist es auch schwierig, in Einzelfragen immer die richtige Lösung zu finden.

Hierzu will die Artikelserie, die in diesem „Wirtschaftsdienst“ beginnt, einen unterstützenden Beitrag leisten. Es werden einzelne Probleme aufgegriffen und mögliche Lösungen aufgezeigt. Dabei kann das jeweils dargestellte Thema selbstverständlich nicht den anwaltlichen Rat oder eine individuelle Weiterbildung ersetzen, welche zum Beispiel durch die Auftragsberatungsstelle Sachsen e. V. mit Seminaren zu Fragen der VOL/B – im ersten Halbjahr 2002 am 24.April und am 12.Juni – angeboten wird.

 

Das erste Thema:

Nicht zu jeder vom Auftraggeber nachträglich geforderten Änderung der Leistungserbringung ist der Auftragnehmer verpflichtet!

Das Beispiel aus der Praxis:

Was ist zu beachten, wenn ein Auftraggeber ein Unternehmen abweichend von der Ausschreibung und dem daraufhin geschlossenen Vertrag auffordert, seine Leistung zu ändern? So wurde in einer öffentlichen Ausschreibung u. a. die Lieferung von 1.000 Meter Kupferdraht und die Lieferung von 1.000 Holzstäben von je 1,00 m Länge gefordert und auf ein entsprechendes Angebot der Zuschlag und damit der Auftrag erteilt. Nunmehr verlangt aber der Auftraggeber vom Auftragnehmer, die Lieferung auf 1.500 m Aluminiumdraht und 1.000 Holzstäbe von je 1,05 m Länge abzuändern.

Der Auftragnehmer muss in einem solchen Fall prüfen, ob es sich bei den weiteren geforderten Leistungen um eine Änderung im Umfang (Quantität) oder der Beschaffenheit (Qualität) handelt. Aus dem abgeschlossenen Vertrag heraus ist er nur verpflichtet, eine neue Art der Qualität zu erbringen. Er kann – muss aber nicht – die 1.500 m, sondern lediglich wie vereinbart die 1.000 m des Drahtes liefern. Zu mehr ist er nicht verpflichtet.

Dass dabei Aluminium- statt Kupferdraht gefordert wird, stellt eine zu erbringende Änderung der Beschaffenheit dar. Der Unternehmer muss jedoch die 1.000 Holzstäbe von je 1,05 m Länge liefern, da die Länge die Beschaffenheit der Leistung betrifft.

Das Recht des Auftraggebers, eine neue Qualität zu fordern darf jedoch nicht dazu führen, dass eine vollständige Leistungsänderung eintritt. So kann er beispielsweise nicht verlangen, dass statt vereinbarter Schreibmaschinen Kleincomputer zu liefern sind.

Wenn der Auftragnehmer letztlich festgestellt hat, dass die neu geforderte Leistung eine Qualitätsänderung darstellt, muss diese auch im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit liegen. Kann er zwar Holzstäbe von je 1,00 m Länge liefern, sind jedoch seine Produktionsanlagen für weitere Längen nicht ausgelegt, ist er nicht zur Erbringung verpflichtet. Kommt er jedoch der Verpflichtung trotz gegebener Leistungsfähigkeit nicht nach, liegt eine Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung des geschlossenen Vertrages vor und er macht sich schadensersatzpflichtig.

Selbstverständlich können die bei der Auftragsrealisierung durch die geänderte Leistung angefallene Mehrkosten gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber abgerechnet werden.

Der Auftragnehmer hat in diesem Zusammenhang zu beachten, dass es für ihn eine ungeschriebene Prüfungspflicht hinsichtlich der geforderten Materialien, Werkstoffe, technischen Regeln, der Vereinbarkeit und Verträglichkeit mit der vereinbarten Leistung gibt. Erkennt er daher solche Fehler oder könnte er sich aufgrund seiner Fachkunde erkennen, erfolgt eine Bedenkenanzeige jedoch nicht, haftet er für die daraus entstehenden Mängel. Stellt er zum Beispiel fest, dass die Leitfähigkeit des Aluminiumdrahtes für die ausgeschriebene Leistung nicht den technischen Vorschriften entspricht, hat er diese Bedenken unverzüglich dem Auftraggeber mitzuteilen. Besteht dieser trotz Bedenken auf der geforderten Leistung, dann muss der Auftraggeber sie ausführen, wird jedoch von darauf gründenden Schadensersatzforderungen frei.

Beendigung des Verhandlungsverfahrens nach VOF

 
Das Verhandlungsverfahren nach VOF ist erst nach Vertragsschluss beendet:

amtlicher Leitsatz:

1. Ein Nachprüfungsbegehren, welches darauf gestützt wird, dass der Antragsteller den streitbefangenen Auftrag bereits inne habe und deshalb eine (anderweitige) Vergabe nicht mehr stattfinden dürfe, ist unzulässig (in Anschluss an OLG Brandenburg, VergR 2005, 138).

2. Der Ablauf der in § 13 S. 2 VgV geregelten Frist führt auch dann, wenn kein von einer Absage betroffener Bieter die Vergabenachprüfungsorgane angerufen hat, weder zu einer Beendigung des Vergabeverfahrens noch zum Ausscheiden eines Bieters, solange der Auftraggeber seine abschließende Vergabeentscheidung nicht getroffen hat.

3. Ein Verhandlungsverfahren nach VOF ist erst beendet, wenn die interne Auswahlentscheidung der Vergabestelle zugunsten eines Teilnehmers nach außen durch Abschluss eines zivilrechtlich wirksamen Vertrags (vgl. § 16 VOF) umgesetzt ist.

4. Gegenstand eines Verhandlungsverfahrens können auch Änderungen des Inhalts der ausgeschriebenen Leistung sein, solange die Identität des Beschaffungsvorhabens selbst gewahrt bleibt.

 
OLG Dresden
Urteil vom 11.04.2005
WVerg 5/05

Eine Person des privaten Rechts kann mittelbare Stellvertreterin der öffentlichen Hand sein

Entscheidung im Volltext

BUNDESKARTELLAMT

2.Vergabekammer des Bundes

VK 2-114/05

Beschluss

 

GWB § 98
Eine Person des privaten Rechts, die einen Beschaffungsvorgang ausschreibt, kann mittelbare Stellvertreterin der öffentlichen Hand sein, wenn der Zweck der Beschaffung im öffentlichen Interesse liegt und die Person für Rechnung des Staates handelt. Die Beschaffung ist dem Staat als öffentlichem Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB zuzurechnen. Die Normen des vierten Teils des GWB sind einzuhalten.
VK Bund, Beschluss vom 08.06.2006 – VK 2-114/05

In dem Nachprüfungsverfahren

….

wegen der Vergabe "Lieferung je eines Tiefsee- und Mittelwasser-Fächerecholots für das Forschungsschiff METEOR" hat die 2. Vergabekammer des Bundes durch den Vorsitzenden Direktor beim Bundeskartellamt Burchardi, die hauptamtliche Beisitzerin Regierungsdirektorin Brauer und den ehrenamtlichen Beisitzer Stockhorst auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2006 am 8. Juni 2006 beschlossen:

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in dem Vergabeverfahren "Lieferung je eines Tiefsee- und Mittelwasser-Fächerecholots für das Forschungsschiff METEOR" in ihren Rechten verletzt wurde.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsstellerin.

3. Die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes durch die Antragsstellerin war notwendig.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin (Ag) schrieb im Rahmen eines nichtoffenen Verfahrens Ende 2004 europaweit die Lieferung je eines Tiefsee- und Mittelwasser-Fächerecholots für das Forschungsschiff METEOR aus. Die Ag erteilt nach den "Zusätzlichen Vertragsbedingungen" (Anlage 1 zum Vertrag Fächerecholot FS METEOR) Ziffer 3.2 den Auftrag "im Namen und für Rechnung der R GmbH". Im Ausschreibungstext wurde als zuständige Nachprüfungseinrichtung die Vergabekammer Bremen benannt.

Die Ag ist eine 100 % ige Tochter der L GmbH & Co. KG, …. Deren Gesellschaftsanteile werden von Privatpersonen gehalten. Die Ag ist im Reedereigeschäft sowohl als Charterbetrieb (mit den eigenen Schiffen "…" und "…") als auch als Dienstleister für fremde Schiffsinhaber (z.B. Forschungsschiffe "…" und "METEOR") tätig.

Das Forschungsschiff METEOR steht im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Die Mittel für die Anschaffung des Echolots werden nach Angaben der Ag durch diese bereitgestellt. Die Leitung des Schiffsbetriebs obliegt der Leitstelle FS METEOR im Institut für Meereskunde der Universität H. Nach § 4 Nr. 1 des zugrundeliegenden Bereederungsvertrages (aus dem Jahr 1986) mit der Universität H obliegen dem Vertragsreeder neben der Durchführung des Schiffsbetriebs die Gewährleistung der Ausrüstung und alle nautischen und technischen Aufgaben, die für die Betriebsbereitschaft des Schiffes im weltweiten Einsatz nötig sind, einschließlich der nautischen und technischen Inspektion und der damit verbundenen organisatorischen und administrativen Aufgaben, insbesondere (lit c) die Planung, Veranlassung und Kontrolle von Reparaturen, Instandhaltung und Ausrüstung des Schiffes zum Zweck der ständigen Bereitschaft und Seefähigkeit. Ferner umfasst dieser Auftrag nach § 4 Nr. 1 die Unterstützung des Forschungsbetriebes auf dem Schiff gem. § 7 Ziffer 1. Danach zählen zu den Aufgaben der Besatzung u.a. die Gerätebetreuung und Durchführung von kleineren Reparaturen der Geräte der wissenschaftlichen Arbeitsgruppen, der Einsatz von Mess- und anderen Geräten und die Hilfestellung bei For- schungsarbeiten an Bord. Nach § 4 Ziffer 5.2 der Vertrages hat der Reeder in Abstimmung mit dem Auftraggeber die für den Betrieb und die Bewirtschaftung des Schiffes von der Bauwerft gelieferte Erstausrüstung dem aktuellen Bedarf anzupassen, auf ausreichendem Stand zu halten und zu ergänzen. Nach § 4 Ziffer 5.3 hat der Reeder das Schiff zu proviantieren und gem. § 4 Ziffer 5.4 das Schiff mit Betriebs- und Hilfsstoffen zu versorgen. In Anlage 4.3 des Bereederungsvertrages ("Schiffsinspektion") ist weiter ausgeführt, dass im Rahmen der zur Verfügung gestellten Geldmittel die Ag alle Maßnahmen zur Instandhaltung und Versorgung der METEOR und ihrer technischen Einrichtungen zu veranlassen und kontrollieren hat, um die Seetüchtigkeit, einen sicheren Schiffsbetrieb und die Verfügbarkeit des Schiffes sicherzustellen. Dazu gehören u.a.:

– die Planung und Kontrolle des Umfanges der Schiffsausrüstung,

– die Ausrüstung des Schiffes mit Ersatzteilen, Gebrauchs- und Verbrauchsgütern sowie Proviant und Kantinenwaren und

– die Beratung und Durchführung von baulichen Änderungen, Einbauten und Installation von Geräten für wissenschaftliche Zwecke.

Nach § 4 Nr. 2 des Bereederungsvertrages handelt der Vertragsreeder im Auftrag des Auftraggebers. Er schließt sämtliche Verträge im Rahmen der Bereederung im eigenen Namen. Die Vergabe von Leistungen an Dritte (Fremdleistungen), die 50.000 DM übersteigen, sind nach Anlagen 1 und 3 zustimmungspflichtig und nach VOL auszuschreiben. Zum Ende des Jahres 2005 wurde der Reedereivertrag mit der Ag aufgelöst.

In den Ausschreibungsunterlagen ("Leitfaden") waren als Zuschlagskriterien wissenschaftliche Kriterien (50 %) und der Preis, inkl. Einbauberatung und -begleitung, Inbetriebnahme, Schulungen und Abnahme (50 %) genannt. Die wissenschaftlichen Kriterien waren in "Muss"- und "Kann"-Kriterien gegliedert. Ein nicht vorhandenes Muss-Kriterium führte zum Ausschluss. Kann-Kriterien waren in einer Punkteskala von 1 bis 10 zu bewerten Der Bieter mit der höchsten Gesamtpunktzahl (wissenschaftliche Kriterien und Preis) sollte den Zuschlag erhalten. Beigefügt war als Anlage 3 die Wertungsmatrix für beide Fächerecholote. Einige Kriterien waren als reine "Muss"-Kriterien (ja/nein) definiert. Andere Kriterien waren "Muss"-Kriterien, wurden aber einer weiteren Bewertung im Punktesystem (1 – 10 Punkte) unterworfen. Daneben gab es Kriterien, die einer Bewertung von 1 – 10 Punkten unterzogen wurden, ohne dass sie "Muss"-Kriterien waren.

Neben der Antragstellerin (ASt) bewarben sich drei weitere Unternehmen um die Teilnahme und gaben innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot ab.

Nach der Durchführung der Wertung lag die ASt auf dem dritten Rang. Mit Schreiben vom 27. Mai 2005 informierte die Ag die ASt, dass sie beabsichtige, der K GmbH den Zuschlag zu erteilen, da sie aufgrund der Wertungskriterien die höchste Punktzahl erhalten habe. Die ASt teilte der Ag am 30. Mai 2005 telefonisch mit, dass die Entscheidung für sie nicht nachvollziehbar sei. Mit Fax vom 6. Juni erbat sie, ihr die Bewertungen zukommen zu lassen. Dies erfolgte am 7. Juni 2005. Am 10. Juni 2005 fand ein Gespräch bei der Ag mit Vertretern der ASt statt, in dem Kritik am Vergabeverfahren geübt wurde. Die ASt erklärte, dass sie die Anrufung der Vergabekammer erwäge. Mit Fax vom 10. Juni 2005 stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Bremen, der mit Schriftsatz vom 14. Juni 2005 begründet wurde. Am 14. Juni 2005 erteilte die Ag der K GmbH mit Fax-Schreiben, das um 17.16 Uhr gesendet wurde, den Zuschlag. Die Vergabekammer Bremen stellte den Nachprüfungsantrag mit Begründung erst am 15. Juni 2006 um 11.00 Uhr zu.

Zur Begründung trägt die ASt vor, dass das Vergabeverfahren Anlass zu mehreren sachlichen Rügen gebe. Sie führt diese schriftsätzlich näher aus.

Zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags trägt sie im Einzelnen vor, dass die von ihr vorgebrachte Rüge den gesetzlichen Anforderungen genüge. De facto habe die ASt erst nach Zusendung der Bewertung am 7. Juni 2005 den hier angegriffenen Vergabefehler rügen können. Es habe dann mehrere Gespräche gegeben. In der Besprechung am 10. Juni 2005 habe die ASt den zuständigen Prokurist der Ag, …, spezifisch auf den Wertungsfehler hingewiesen und der Ag somit die Möglichkeit gegeben, eine fehlerfreie Angebotswertung nachzuholen. Eine mündliche Rüge genüge den gesetzlichen Anforderungen nach § 107 GWB. Eine Rüge sei aber jedenfalls entbehrlich gewesen, weil sie wegen des drohenden Ablaufs der Frist nach § 13 VgV zu einer Rechtsschutzverkürzung geführt hätte. Im Übrigen habe die Ag in der Besprechung am 10. Juni 2005 eindeutig erklärt, keine erneute und fehlerfreie Angebotswertung vornehmen zu wollen. Jedenfalls habe die ASt aber die Rüge mit dem Schriftsatz vom 14. Juni 2005 nachgeholt.

Nach Auffassung der ASt ist die Ag öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 GWB. Die Ag gehöre zwar einem Privatunternehmen, der L, B. Sie erfülle indes im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art. Tätigkeitsbereich der Ag sei ausschließlich der Betrieb von Forschungseinrichtungen im öffentlichen Interesse und unter Finanzierung der öffentlichen Hand. Hierzu gehörten neben der FS Meteor auch das … sowie die …. Der Annahme einer nichtgewerblichen Tätigkeit stehe nicht entgegen, dass der Auftraggeber in erheblichem oder sogar überwiegendem Maße gewerbliche Zwecke verfolge und insgesamt mit Gewinnerzielungsabsicht arbeite. Die Ag werde überwiegend durch öffentliche Auftraggeber finanziert. Sowohl der streitige Auftrag selbst als auch der Betrieb der FS Meteor werde von der öffentlichen Hand finanziert und diene der universitären und damit der öffentlichen Forschung. Geldgeber seien das Bundesministerium … und die G e.V. (…). Den Mittelzuweisungen von BM und G stehe überwiegend keine Gegenleistung durch die Ag gegenüber. Nur ein geringer Teil der Zuweisungen an die Ag sei nämlich Entgelt für den Betrieb der o.g. Forschungseinrichtungen, also die Bereederung. Überwiegend gehe die öffentliche Finanzierung in den Erhalt der dem Bund gehörenden Forschungs-Infrastruktur (z.B. die Lieferung von Echoloten) und in den Forschungsbetrieb (Finanzierung von Forschungsreisen). Aus dem Auftrag zur Bereederung des FS Meteor ergebe sich, dass die von der Universität H gezahlte Vergütung auch eine Kostenerstattung enthalte. Daraus sei zu folgern, dass die mit der Bereederung verbundenen Kosten wie z.B. die Anschaffung eines Echolotsystems nur ein durchlaufender Posten für die Ag seien und letztlich von der Universität H getragen würden. Jedenfalls aber sei die Bundesrepublik Deutschland ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 1 GWB. Es sei nicht hinnehmbar, dass sich die Bundesrepublik Deutschland, die den Kauf finanziere, dadurch ihrer vergaberechtlichen Bindung entledige, dass sie ein Privatunternehmen als "Strohmann" einschalte, um das Vergabeverfahren durchzuführen. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Entscheidung über den Beschaffungsvorgang, die Festlegung der Auswahlkriterien und die Wertung und Auswahl – mithin materiell die Zuschlagsentscheidung – inhaltlich nicht von der Ag vorgenommen worden sei, sondern in der Hand der in der "Arbeitsgruppe Beschaffung" vertretenen Wissenschaftler gelegen habe. Hilfsweise komme in Betracht, das Land (L) als öffentlichen Auftraggeber i.S.v. § 98 Nr. 1 GWB anzusehen. Die Ag handele im Rahmen der Vergabe von Leistungen an Dritte "im Auftrag der" L. Sie handele dabei stellvertretend für und unter engster Aufsicht der L, denn sie müsse schon bei der Vergabe von Fremdlieferungen im Wert von 50.000 DM die schriftliche Zustimmung der L als Auftraggeber einholen. Die Vergabekammer dürfe der Ast angesichts der vorgelegten Indizien nicht de facto die Beweislast für das Vorliegen eines "öffentlichen Auftraggebers" aufbürden. Die Ag müsse begründen, weshalb sie entgegen der öffentlichen Ausschreibung nicht öffentlicher Auftraggeber sei. Im Übrigen habe sich Ag selbst als öffentliche Auftraggeberin ausgegeben und damit an das Vergaberecht gebunden. Wenn eine Selbstbindung sogar im Falle einer freiwilligen Ausschreibung gelte, dann müsse dies auch für den Fall gelten, dass ein ausschreibungspflichtiger Lieferauftrag unzweifelhaft vorliege. Die ASt habe während des Vergabeverfahrens auf die Angaben der Ag und damit auf die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer vertraut. Das vorvertragliche Vertrauensverhältnis zu den Bietern müsse im Sinne der EG-Rechtsmittel-Richtlinie zu einer "wirksamen" Nachprüfung von Vergabeentscheidungen führen. Jedenfalls habe sich die Ag einer Aufklärung der Auftraggebereigenschaft bisher verweigert, so dass sie sich grob rechtsmissbräuchlich verhalte. Auch umfasse nicht schon der Bereederungsvertrag zwischen der Uni H und der Ag die Beschaffung der Echolote. Die Ag habe den Auftrag für die Bereederung ohne ordentliches Vergabeverfahren erhalten. Vor 2005 habe es keine EG-weite Ausschreibung für die Bereederung der FS METEOR gegeben. Die vorangehende (Erst-)Vergabe eines größeren Pakets von Leistungen könne der Nachprüfung einer anschließenden (Zweit-)Vergabe von Teilleistungen nur entgegenstehen, wenn die vorgeschaltete (Erst-)Vergabe dem Vergaberecht unterlag und vergaberechtskonform erfolgt sei. Der Bereederungsvertrag decke jedoch auch inhaltlich die streitige Beschaffung nicht ab. § 4 Ziffer 2 des Vertrages i.V.m. Anlage 1 (und Anlage 3), der die Vergabe von Leistungen an Dritte regele, erfasse nicht die Anschaffung von Echoloten. Anlage 1 regele (nur) den Ersatz der bei der Beschaffung entstandenen Kosten. Auch die Abstimmungspflicht mit der Universität H sei ein Beleg dafür, dass es sich hierbei um originäre Beschaffungen der Universität handele. § 4 Ziffer 1 lit. c des Vertrages erstrecke sich nur auf Planung, Veranlassung und Kontrolle von Reparaturen, Instandhaltung und Ausrüstung des Schiffes zum Zwecke der ständigen Bereitschaft und Seefähigkeit. Die Anschaffung der Fächerecholote falle nicht hierunter, weil Fächerecholote nicht der "ständigen Bereitschaft und Seefähigkeit" des Schiffes dienten. Auch die Bereitstellung einer geeigneten, einsatzfähigen Schiffsbesatzung für den laufenden Schiffsbetrieb und die Unterstützung des Forschungsbetriebs umfasse keine Beschaffungsmaßnahmen, sondern lediglich die Bereitstellung einer entsprechenden Schiffsbesatzung. Die Beschaffung sei der Universität H zurechenbar. Die Ag sei als weisungsabhängiges Ausführungsorgan tätig geworden. Die Ag könne schon deshalb kein Auftraggeber sein, weil sie nicht selbst über die Beschaffung entschieden habe, sondern sich ihre Aufgabe auf die Beratung der Wissenschaftler der Universität H über die Einbindung der Echolote in die Schiffstechnik und die Durchführung des Vergabeverfahrens beschränkt habe. Vergaben durch einen "Strohmann" seien der dahinter stehenden Körperschaft zuzurechnen. Ansonsten bestünde die Möglichkeit einer "Flucht aus dem Vergaberecht". Erforderlich wäre dazu lediglich eine Generalvergabe von Beschaffungsvorgängen bzw. Unterhaltungs- und/oder Infrastrukturleistungen, die nachgelagerte Beschaffungsvorgänge mit sich bringen.

Die Ag habe mehrere Verstöße gegen das Vergaberecht begangen. So sei sie bei der Wertung der Angebote zu Lasten der ASt von den zuvor bekannt gemachten Zuschlagskriterien abgewichen. Die "Kann"-Kriterien seien in einer Punkteskala von 1 bis 10 zu bewerten gewesen. Die Wertung sei deshalb in allen Bereichen, in denen ein "Kann"-Kriterium auf ein "Muss"-Kriterium aufsetzte, dann falsch, wenn dort lediglich 0 Punkte vergeben wurden. Jedenfalls dürfe aber im Bereich der "Kann"-Kriterien keine Bewertung mit 0 Punkten vorgenommen werden. Zum anderen habe die Ag bei "aufsetzenden" Kann-Kriterien nicht vorab bekannt gemacht, dass bei Erfüllung nur der Mindestanforderungen lediglich 0 Punkte vergeben würden. Da die ASt in der Kategorie "Tiefwasserecholot" nur 56 erreicht habe, müsse die Ag in Abweichung der bekannt gemachten Punkteskala eine solche von "0 bis 10" zugrunde gelegt haben. Ebenso sei nicht nachvollziehbar, weshalb die ASt beim Mittelwasserecholot 335 Punkte erhalten habe. Tief- und Mittelwasserecholote der ASt seien nicht im Grundsatz, sondern nur in einzelnen Modulen unterschiedlich. Dementsprechend seien die Merkmals-Beschreibungen der ASt für beide Lote sehr ähnlich. Die Ag habe eine gleichartige Performance beider Lote aber vielfach unterschiedlich bewertet. Die ASt vermutet, dass die niedrige Bewertung beim Tiefwasserecholot daraus resultiert, dass die auf Seiten der Ag beteiligten Wissenschaftlicher das System bevorzugen wollten, das sie schon kennen, nämlich das System der Firma Kongsberg.

Im Hinblick auf den deutlich niedrigeren Preis der ASt habe man die wissenschaftliche Bewertung des Tiefwasserecholots so gedrückt, dass am Ende das gewünschte Gesamtergebnis herausgekommen sei.

Zur Wertung trägt die ASt im Einzelnen vor: In Ziffer 1.10 (Beam Steuerung umschaltbar) erfüllten beide Lote das "Kann"-Kriterium, dass die Beam Steuerung zwischen equidistant und equiangle umschaltbar sei sollte. Die ASt habe keine veraltete, sondern eine ausgereifte und geprüfte Schwingertechnologie verwandt. Die Bodendetektion erfolge sowohl über die Amplitude als auch über die Phase. Beim Tiefwasserecholot habe die Ag 0 Punkte vergeben, beim Mittelwasserlot indes 9 Punkte. In Ziffer 1.14 (back scatter-Funktion) habe die ASt die Anforderungen bejaht. Sie habe beim Tiefwasserecholot 0 Punkte, beim Mittelwasserlot 10 Punkte erhalten. Im Bereich der angebotenen Software habe die ASt bei beiden Loten durchgehend nur 0 Punkte erhalten, obwohl die ASt die Anforderungen der Ag jeweils bejaht habe. Sie weist insbesondere auf die Bewertung in Ziffer 2.3 (Windows 2000) hin, die eindeutig mit 10 Punkten habe bewertet werde müssen. Bei Ziffer 1.4 (Abdeckung "Swath width") stellt die ASt dar, dass die Mindestanforderung von 120 Grad Abdeckung bei beiden Loten übererfüllt worden sei (bis zu 140 beim Tiefwasserlot und bis zu 127 beim Mittelwasserlot). Soweit eine geringere Streifenbreite als bei den Wettbewerbern vorläge, werde diese deutlich durch Vorteile der höheren Frequenz für andere Funktionalitäten innerhalb des Lot-Systems kompensiert. In Ziffer 1.5 (mindestens 120 hard beams) habe die ASt jeweils 141 hard beams angeboten. Während sie beim Tiefwasserlot 0 Punkten erhalten habe, habe sie beim Mittelwasserlot 1,2 Punkte bekommen. In Ziffer 1.7 (Interpolationsverfahren für soft beams) habe die ASt ein patentiertes neues Verfahren angeboten, das die Leistungsfähigkeit der Angebote der übrigen Bieter deutlich übersteige. Die ASt habe eine Referenzliste für beide angebotenen Anlagen beigefügt. Die Referenzliste beschreibe die kontinuierliche Weiterentwicklung innerhalb der verschiedenen Generationen von Loten der ASt unter Verwendung gleicher Systemkomponenten. Damit habe die ASt eindeutig Funktionsnachweise für die Anlagen erbracht. Gleichwohl habe sie bei beiden Loten lediglich 0 Punkte erhalten. In Ziffer 1.9 (Angabe zu Pingraten) habe sie maximal 25 Hz beim Tiefseelot und maximal 30 Hz beim Mittelwasserlot angeboten. Auch hier habe sie nur 0 Punkte erhalten. In der Ausschreibung sei nicht zwischen maximalen Pingraten im Flachwasser und – von der Wasserschallgeschwindigkeit abhängigen – Pingraten in größeren Wassertiefen unterschieden worden. Dass die Ag offenbar nunmehr an ein ganz anderes Verfahren denke – nämlich an ein Verfahren, bei dem parallel mehrere Pings (sog. Multi-Ping) in der Wassersäule realisiert werden -, sei den Ausschreibungsunterlagen nicht zu entnehmen gewesen und könne daher vorliegend auch nicht relevant sein. Bei Ziffer 1.12 (Genauigkeit der Tiefenbestimmung – IHO – S44 Standard erfüllt?) habe man nur Ja oder Nein angeben können. Sie habe zutreffend mit Ja geantwortet, aber nur 0 Punkte erhalten. Auch erfülle die ASt das Wertungskriterium 1.17 uneingeschränkt, so dass eine Bewertung mit 0 Punkten rechtswidrig sei. Bei Ziffer 2.3 (Angaben zur Speicherung von Rohdaten) sei mehr als eine vollständige Speicherung der von den Sensoren kommenden Daten technisch nicht möglich. Man könne nur Ja oder Nein angeben. Auch hier habe sie entgegen ihrer Zusicherung der Leistung nur 0 Punkte erhalten. Ferner habe die Ag der Wertung einen Preis von … Euro zugrunde gelegt. Die ASt habe jedoch einen Gesamtpreis von … Euro angeboten. Selbst bei Zugrundelegung der ergänzend angebotenen "alternativ verfügbaren Softwarepakete" und deren Einzelpreise sei nicht nachvollziehbar, wie die Ag auf den Gesamtpreis gekommen sei. Die Annahme eines höheren Preises führe schon zu einem Nachteil von 5 Punkten in der Gesamtbewertung. Die Ag gebe zu, dass sie nicht auf den tatsächlich von der ASt angebotenen Preis, sondern auf einen von ihr selbst fiktiv ermittelten Preis abgestellt habe. Schon diese Änderung des angebotenen Preises durch die Ag sei rechtswidrig.

Ferner habe die Ag rechtswidrig die Wertungsergebnisse der ASt an alle Bieter versandt. Erst nachdem bereits ein Wettbewerber die komplette Wertung erhalten habe, habe die ASt die Wertungsmatrix auch für sich selbst angefordert.

Zudem habe die Ag das § 13 VgV-Schreiben nur mit einer nichtssagenden Blankoformulierung versehen, die es unmöglich mache, die Wertung nachzuvollziehen.

Die ASt hatte mit Schriftsatz vom 14. Juni 2005 ursprünglich beantragt,

1. ein Nachprüfungsverfahren gem. § 107 GWB zur Ausschreibung der Ag, Projekt "Lieferung Tief- und Mittelwasserlot FS METEOR", einzuleiten,

2. die Zustellung des Nachprüfungsantrages der ASt vom 10.6.2005 sowie der vorliegenden Begründung dieses Nachprüfungsantrags an die Ag nach § 110 Abs. 2 sofort vorzunehmen,

3. festzustellen, dass die ASt durch das Vergabeverfahren in ihren Rechten verletzt ist

4. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten der ASt für notwendig zu erklären und

5. der Ag die Kosten dieses Verfahrens, die Kosten für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG, einschließlich der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten, aufzuerlegen.

Ferner hatte sie Akteneinsicht gem. § 111 Abs. 1 GWB beantragt.

Für den Fall, dass der Zuschlag am 14. Juni 2005 erteilt worden ist, hat die ASt hilfsweise gem. § 114 Abs. 2 S. 2 GWB Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt. Soweit die Kammer den Nachprüfungsantrag für unzulässig erachte, weil die Ag kein öffentlicher Auftraggeber sei oder weil der Zuschlag wirksam erteilt sei, hat sie gem. § 128 Abs. 3 S. 4, Abs. 4 S. 3 GWB beantragt, die Kosten des Verfahrens der Ag aufzuerlegen.

Sie führt dazu näher aus, dass es unter den gegebenen Umständen unbillig sei, die ASt mit den Verfahrenskosten zu belasten. Die Ag habe die ASt mehrfach getäuscht. Sie habe sich im Vergabeverfahren durchweg als öffentlicher Auftraggeber dargestellt und im Hinblick auf Rechtsmittel auf die Einreichung eines Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer Bremen hingewiesen. Sie habe der ASt noch am 13. Juni 2004 zugesichert, den Zuschlag nicht sofort zu erteilen, sondern zunächst die Zustellung des Nachprüfungsantrages und die Entscheidung der Vergabekammer abzuwarten. Die Verfahrenskosten wären i.S.v. § 21 GKG analog bei richtiger Behandlung der Sache durch die Ag nicht entstanden.

Die Ag beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag der ASt als unzulässig zu verwerfen.

2. Hilfsweise, den Nachprüfungsantrag der ASt zurückzuweisen.

3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten der Ag für notwendig zu erklären und der ASt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Ag aufzuerlegen.

Der Nachprüfungsantrag sei offensichtlich unzulässig. Die ASt habe ihre Rügepflicht nicht erfüllt. Mit Schreiben vom 6. Juni 2005 habe die ASt eine nähere Erläuterung der Bewertung erbeten, die sie am 7. Juni erhalten habe. Am 10. Juni 2005 habe sodann ein Gespräch mit Vertretern der ASt stattgefunden. In diesem Gespräch habe die ASt allgemein Kritik an dem Vergabeverfahren geübt. Sie habe auch erklärt, dass sie die Anrufung der Vergabekammer erwäge. Es seien jedoch nicht bestimmte Verstöße beanstandet worden und damit auch nicht vor der Anrufung der Vergabekammer die Möglichkeit der Selbstkorrektur gegeben worden.

Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2005 trägt sie erstmals vor, dass nach ihrer Auffassung eine Zuständigkeit der Vergabekammer nicht gegeben sei. Die Ag sei zunächst davon ausgegangen, dass es sich um einen öffentlichen Auftrag handele, da der Auftrag über öffentliche Mittel finanziert werde. Die Bundesrepublik Deutschland stelle die Mittel für die Anschaffung des Echolots zur Verfügung. Dies sei jedoch für die Auftraggebereigenschaft nach § 98 Nr. 2 GWB nicht entscheidend. Die Ag sei kein öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB. Die Ag sei nicht zu dem besonderen Zweck gegründet worden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen. Die Ag sei ein auf Gewinnerzielung gerichtetes privates Unternehmen. Sie stehe vollständig im Eigentum privater Eigentümer. Die Ag sei im Reedereigeschäft sowohl als Charterbetrieb als auch als Dienstleister für fremde Schiffsinhaber tätig. Sie sei aufgrund eines schlichten Dienstleistungsvertrages mit der Bereederung der FS Meteor beauftragt. Auftraggeber sei die L, vertreten durch die Universität H. Die Ag sei ausschließlich privat finanziert, sie erhalte keine Mittel des Bundes oder anderer Stellen der öffentlichen Hand. Die Aufsicht über die Leitung werde allein durch die privaten Gesellschafter ausgeübt. Auch ein Fall des § 98 Nr. 5 GWB liege nicht vor, da der Auftrag für die Echolote nicht dem (abschließenden) Katalog dieser Bestimmung unterfalle. Vielmehr sei die Vergabe der Echolote auf der 2. Stufe des Reedereivertrages erfolgt und falle nicht mehr unter den Begriff des öffentlichen Auftrages. Ebenso wenig wie der Generalunternehmer auf der Baustelle sei der Reeder verpflichtet, seine Lieferanten im Wege der öffentlichen Ausschreibung zu ermitteln. Durch die Vereinbarung von Selbstkostenerstattungspreisen werde lediglich sichergestellt, dass die Vergütung für diese zusätzlichen Fremdlieferungen und Leistungen marktgerecht und angemessen ermittelt werde.

Auf die behaupteten materiellen Vergabeverstöße komme es deshalb nicht an. Die Ag nimmt dazu ergänzend Stellung. Bei der Wertung der Angebote seien die wissenschaftlichen Kriterien in "Muss"- und "Kann"-Kriterien gegliedert worden, wobei das Fehlen eines "Muss"-Kriteriums zum Ausschluss des Angebots geführt habe. Zur Wertung nimmt sie wie folgt Stellung: Die Ag habe eine Mindestqualität mit Muss-Kriterien festgelegt. Darüber hinaus sollten zusätzliche Punkte von 1 – 10 dafür vergeben werden, dass einzelne Qualitätsmerkmale über der Basis lagen. Für die überobligatorische Kriterienerfüllung habe es das Punktespektrum von 1 – 10 gegeben. Hätten alle Anlagen die gleiche Qualitätsbasis, erfüllten also die Muss-Kriterien, so entscheide allein der Preis. Erst zusätzliche Kriterien rechtfertigten es, Unterschiede in der Qualität in die Bewertung mit einzubeziehen. Die unterschiedliche Bewertung gleicher Produktmerkmale beim Mittel- und beim Tiefsee-Echolot rührten daher, dass die Qualität immer nur relativ beurteilbar sei. Gerade im Tiefseewasser-Echolotbereich habe es bei der ASt große qualitative Unterschiede zu den anderen Anbietern gegeben. Das Wertungskriterium 1.10 (Beamsteuerung umschaltbar) sei von der ASt nicht erfüllt worden, weil sie eine alte Schwingertechnologie angeboten habe. Die Bottom-Detection erfolge nur über Amplitude. Dies führe dazu, dass bei der Umschaltung auf "Equidistant" erhebliche Qualitätsverluste aufträten, da nicht alle Strahlen erhalten blieben. Die volle Umschaltbarkeit des Systems könne nicht als erfüllt betrachtet werden. Bei dem Wertungskriterium 1.17 habe das Angebot der ASt mit Abstand den geringsten Kompensationsbereich gehabt. die Bewertungsgruppe habe deshalb entschieden, das Angebot mit 0 Punkten zu bewerten. Damit könne das Wertungskriterium nicht als erfüllt angesehen werden. Zur Systemsoftware (2.3) stellt die Ag fest, dass hier zusätzliche Punkte nicht erreicht werden konnten. Es sei Muss-Voraussetzung gewesen, dass die Systemsoftware auf Windows basiere. In Ziffer 1.4 sei nicht entscheidend, ob das Kriterium der Muss-Abdeckung um einige Grade überschritten werde, sondern wie die Qualität der Vermessungsbreite im Vergleich zu anderen Anlagen gewesen sei. Die von der ASt angebotene niedrige Streifenbreite biete wegen der Schiffskosten keine wirtschaftliche Lösung. Die in Ziffer 1.5 bewerteten Hardbeams seien das schlechteste Ergebnis im gesamten Angebotsspektrum. Es hätten daher keine zusätzlichen Wertungspunkte vergeben werden können. In Ziffer 1.7 sei ein Prototyp angeboten worden, dessen Funktionsweise nicht nachgewiesen worden sei. In Ziffer 1.9 sei eine zusätzliche Qualität über Verfahren, die mehrere Pings unabhängig von der Wassertiefe realisieren, bewertet worden. Derartiges sei durch die ASt aber nicht angeboten worden. Bezüglich Ziffer 1.12 sei festzustellen, dass die ASt nur beschrieben habe, dass sie das Kriterium erfülle. Sie habe jedoch keine Qualität dargelegt, die die Vergabe zusätzlicher Punkte rechtfertige. Dies gelte entsprechend auch für die Ziffer 2.3. Zusätzliche Punkte seien nur bei zusätzlichen Funktionen, die den Nutzwert erhöhten, zu vergeben gewesen. Das sei bei der Anlage der ASt aber nicht der Fall gewesen. Eine Schlechterbehandlung gegenüber anderen Anbietern habe es aber nicht gegeben.

Bei der Wertung der Preise sei für alle Anbieter das wahrscheinlichste Leistungspaket definiert und auf dieser Basis der Gesamtpreis ermittelt worden.

Die Offenlegung der Wertungsmatrix könne nicht beanstandet werden. Die ASt habe diese selbst gefordert. Im Wege der Gleichbehandlung sei gegenüber anderen Bietern entsprechend verfahren worden.

Mit Auflagen- und Hinweisbeschluss vom 5. Juli 2005 wies die Vergabekammer Bremen darauf hin, dass "bisher nicht erkennbar sei, dass die Vorschriften des 4. Teils des GWB zur Anwendung kommen". Mit bestandskräftigem Beschluss vom 15. Juli 2005 hat die Vergabekammer Bremen (VK 07/05) das Nachprüfungsverfahren an die Vergabekammer des Bundes verwiesen. In der Begründung führte sie aus, dass die Finanzierung des Forschungsschiffes METEOR, das im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland steht, überwiegend mit Mitteln des Bundes erfolge. Die Vergabekammer hat dahingestellt sein lassen, ob die Ag überhaupt die richtige Antragsgegnerin sei oder ob dies nicht die Bundesrepublik Deutschland sein müsste. Zur Zulässigkeit des Antrags stellte sie fest, dass die Rügeobliegenheit nicht verletzt sei. Die ASt habe positive Kenntnis der von ihr gerügten Vergabeverstöße erst nach Erhalt der Bewertung mit Schreiben vom 7. Juni 2005 gehabt. Das Nachprüfungsverfahren ist nach Feststellung der Vergabekammer Bremen hinsichtlich des Hauptantrags erledigt, da die Ag den Zuschlag erteilt hat. Der Zuschlag sei nach Beginn des Nachprüfungsverfahrens, das mit dem Tätigwerden der Vergabekammer am 13. Juni 2005 – nämlich der Entscheidung, den Antrag mangels Begründung als offensichtlich unzulässig nicht zuzustellen – anzusetzen sei, wirksam erteilt worden. Ein Zuschlagsverbot gem. § 115 Abs. 1 GWB sei nicht eingetreten, weil die Frist des § 13 VgV abgelaufen war. Anhängig geblieben ist nach dem Beschluss der Vergabekammer Bremen der hilfsweise gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag der ASt.

Auf ein Auskunftsersuchen der Vergabekammer der Bundes hin hat die Universität H mitgeteilt, dass die beschafften Echolote in erster Linie wissenschaftlichen Zwecken (Kartierung des Meeresbodens bei der Erfassung der Morphologie) dienen. Im Gegensatz zu den an Bord von Forschungsschiffen ebenfalls vorhandenen Navigationsecholoten, die Tiefeninformationen bis 100 m lieferten, wiesen Fächerecholote einen Arbeitsbereich von 100 – 10.000 m Wassertiefe auf. Nach Auffassung der Uni H erfasst der Bereederungsvertrag für die FS METEOR die Beschaffung von wissenschaftlichen Geräten durch die Ag. Sie verweist insoweit auf die Anlage 4.3 zum Bereederungsvertrag (6. Spiegelstrich). Die Durchführung der Beschaffungen nach VOL sei in Anlage 3 festgelegt. Beschaffungen – auch wissenschaftlicher Geräte -, die aufgrund des Bereederungsvertrages vorgenommen worden seien, seien auf den Schiffsbetrieb bezogen, da sie speziell für das Schiff METEOR angeschafft würden. Das wissenschaftlich-technische Anforderungsprofil für das hier zu beschaffende Fächerecholot sei in einer Arbeitsgruppe erarbeitet worden, der mehrere Wissenschaftler aus verschiedenen Instituten und Vertreter der Ag angehörten. Da die Ausführung der Leistung erhebliches schiffsbetriebstechnisches Wissen erfordert habe, sei die Beschaffung durch die Ag durchgeführt worden. Bei Geräten, die unabhängig von der Schiffstechnik genutzt würden, werde hingegen die Beschaffung von der zuständigen wissenschaftlichen Einrichtung selbst vorgenommen, die auch für die Finanzierung des Gerätes verantwortlich sei.

Die Kammer hat der ASt antragsgemäß Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren.

Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer, auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen haben, sowie den Verweisungsbeschluss der Vergabekammer Bremen und deren Verfahrensakte wird ergänzend Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung wurde festgestellt, dass die von der Ag überreichten Vergabeakten nur einen Teil des Angebots der ASt enthielten. Die Kammer hat zur Überprüfung der Angebotswertung eine von der ASt übergebene Kopie des Angebotsformulars (datiert am 24. März 2005) zugrunde gelegt.

II.

Der gegen die Ag gerichtete Feststellungsantrag ist zulässig. Die Ag hat im Rahmen ihres Dienstleistungsvertrages die Beschaffung der Fächerecholote stellvertretend für die öffentliche Hand ausgeführt. Der Nachprüfungsantrag ist begründet, weil die ASt bei der Durchführung der Wertung in ihren Bieterrechten verletzt worden ist.

A. Das Nachprüfungsverfahren ist nach dem 4. Teil des GWB statthaft.

1. Ein Nachprüfungsverfahren ist jedoch nicht schon deshalb eröffnet, weil die Ausschreibung den Hinweis darauf enthielt, dass die Vergabekammer Bremen zur Überprüfung der Entscheidung über die Vergabekammer zuständig sein solle. Eine (falsche) Rechtsmittelbelehrung eröffnet keinen Rechtsmittelzug (OLG Celle, Beschluss v. 5. September 2002, 13 Verg 9/02). Zwar hat die europaweite Ausschreibung der Ag im nichtoffenen Verfahren nach VOL/A eine Selbstbindung der Ag im Hinblick auf die Einhaltung dieser Vorschriften bewirkt. Die Ag muss sich folglich bei ihrer Vergabeentscheidung an den Verfahrensregeln der VOL/A festhalten lassen (so OLG Dresden, Urteil v. 9. März 2004, 20 U 1544/03). Das Auftreten als öffentlicher Auftraggeber und die Rechtsmittelbelehrung bewirken aber nicht, dass der 4. Teil des GWB anwendbar wird. Die Anwendbarkeit des GWB bestimmt sich rein objektiv nach dem Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsmerkmale zur Auftraggebereigenschaft und zum öffentlichen Auftrag.

2. Im zu prüfenden Fall liegt allerdings eine Vergabe durch einen öffentlichen Auftraggeber gem. § 97 Abs. 1 i.V.m. § 98 GWB vor. Nach § 97 Abs. 1 GWB beschaffen öffentliche Auftraggeber Waren, Bau- und Dienstleistungen nach Maßgabe der Vorschriften des 4. Teils des GWB. Der Begriff des öffentlichen Auftraggebers ergibt sich aus § 98 GWB. Der Begriff ist nach der Rechtsprechung des EuGH funktionell auszulegen (EuGH, Urteil v. 13.01.2005, Rs. C-84/03; Urteil v. 15.5.2003, Rs. C-214/00). Danach liegt eine Einrichtung des öffentlichen Rechts vor, wenn sie die drei in Art. 1 lit. b Unterabsatz 2 der Richtlinie 93/37 (bzw. Richtlinien 92/50 und 93/36) enthaltenen Tatbestandsmerkmale aufweist, nämlich ihre Gründung zu dem besonderen Zweck, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, Rechtspersönlichkeit und eine enge Verbindung mit dem Staat, Gebietskörperschaften oder anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts vorliegt. § 98 GWB setzt diesen Begriff der öffentlichen Einrichtung in den Auftraggeberbegriff des deutschen Rechts um.

a. Die Ag ist jedoch selbst kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB. Öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB sind juristische Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, wenn Stellen, die unter § 98 Nr. 1 oder 3 GWB fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder wenn sie durch staatliche Stellen beherrscht werden. Im Sinne der Rechtsprechung des EuGH müssen diese Merkmale kumulativ vorliegen (EuGH, Urteil v. 15.5.2003, Rs. C-214/00).

i. Die Ag ist nicht zur Erfüllung einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe nichtgewerblicher Art gegründet worden. Ausreichend ist allerdings, wenn die im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nichtgewerblicher Art später übernommen wurden. Es ist nicht erforderlich, dass die juristische Person von Anfang zu diesem Zweck gegründet wurde (EuGH, Urteil v. 12. Dezember 2002, Rs. C -470/99; Werner in Byok/Jaeger, 2. Aufl., § 98 Rz. 328). Die Ag hat jedoch weder ursprünglich im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art wahrgenommen, noch hat sie dies während der Bereederung der FS METEOR getan. Die Ag war und ist vielmehr ein auf Gewinnerzielung ausgerichtetes Reederei-Unternehmen, das an öffentlichen Aufträgen im Sektor Forschungsschiffe bzw. Forschungsplattformen in Form von Dienstleistungsverträgen partizipiert. Zweifelhaft ist schon, ob die Ag nichtgewerblich tätig ist. Die Ag steht bei ihrer Aufgabe nämlich im Wettbewerb mit anderen gewerblich tätigen Reedern. Jedenfalls stellt aber der Geschäftszweck der Ag keine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe dar. Die Ag beschäftigt sich mit Bau, Erwerb, Charterung, Vercharterung und Bereederung von Forschungsschiffen sowie anderen Einheiten zur Meeresforschung und hiermit in Zusammenhang stehender Consultingtätigkeit sowie mit der Betreuung von Forschungseinrichtungen in Küstennähe und im offenen Meer, ferner mit Handel und Vermietung von Geräten für Meeresforschung und Meerestechnik (so § 2 des Gesellschaftsvertrages der Ag). Die öffentliche Aufgabe "Forschung" (vgl. insoweit Anhang III der Vergabekoordinierungsrichtlinie, Abdruck in Byok/Jaeger, § 98 Rz. 311) ist hingegen nicht Bestandteil des Aufgabenfeldes der Ag. Dementsprechend hat auch nicht die Ag den Forschungsbetrieb des Schiffes METEOR geleitet. Vielmehr obliegt die Leitung des Forschungsbetriebes dem Institut für Meereskunde der Universität H (sog. Leitstelle FS METEOR).

ii. Ferner fehlt es auch an dem Merkmal der "auf sonstige Weise" überwiegenden Finanzierung der Ag. Eine überwiegende Finanzierung wird beispielsweise für den Fall angenommen, dass ein Unternehmen sowohl Personal als auch Liegenschaften nebst Betriebs- und Geschäftsausstattung unentgeltlich von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt bekommt (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30. April 2003, Verg 67/02). Die Ag finanziert jedoch ihr Personal und ihren Geschäftsbetrieb selbst. Die Ag erhält allerdings für die Dienstleistung "Bereederung" von den verschiedenen Auftraggebern jeweils ein Entgelt. Es handelt sich hierbei – soweit die Auftraggeber öffentliche Einrichtungen sind – zwar um öffentliche Gelder, diese werden aber in einem Vertragsverhältnis als Gegenleistung gezahlt. Die Ag erhält somit – selbst wenn man unterstellte, die Ag hätte zu 100 % Vertragspartner der öffentlichen Hand – keine Finanzierung im Sinne einer Bereitstellung von Geldern oder Sachleistungen (vgl. Werner in Byok/Jaeger, § 98 Rz. 351). Es liegen der Vergabekammer darüber hinaus keine Anhaltspunkte vor, dass die Ag neben den vertraglichen Entgelten Zuschüsse und Unterstützungen durch die öffentliche Hand erhält. Auch für den Fall der Erstattung von Kosten für die Beschaffung von Inventar und sonstiger Ausrüstung aufgrund des mit der L abgeschlossenen Vertrages über die Bereederung ergibt sich keine überwiegende Finanzierung der GmbH im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Die Kostenerstattung für die Anschaffung des Echolots bewirkt lediglich ein Durchreichen der bei der Ag bereits entstandenen Kosten für im eigenen Namen angeschafftes Inventar.

iii. Auch wird die Ag nicht durch staatliche Stellen beherrscht. Die Ag steht unstreitig im Eigentum privater Gesellschafter, die keinem Einfluss durch staatliche Stellen ausgesetzt sind. Die Ag ist eine 100 %ige Tochter einer Kommanditgesellschaft, deren Anteile von Privatpersonen gehalten werden.

b. Ferner ist die Ag auch nicht öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 5 GWB. Nach dieser Bestimmung fallen auch solche natürlichen oder juristischen Personen des privaten Rechts unter den Begriff des öffentlichen Auftraggebers, die bestimmte Bauvorhaben durchführen und dabei von Stellen nach § 98 Nr. 1 – 3 GWB öffentliche Mittel erhalten, mit denen die genannten Vorhaben zu mehr als 50 % finanziert werden. Die Vorschrift findet bei sog. Drittvergaben im Falle der abschließend aufgezählten Bauvorhaben, also bei Tiefbaumaßnahmen, Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden Anwendung. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es zu verhindern, dass sich der Staat seinen vergaberechtlichen Verpflichtungen durch Zwischenschaltung von durch ihn subventionierten Auftraggebern entzieht (Werner in Byok/Jaeger, § 98 Rz. 386). Die Finanzierung des Echolots durch die Bundesrepublik Deutschland erfolgt jedoch nicht im Rahmen einer Bau- Vergabe. Sie ist vielmehr eine Beschaffung im Anwendungsbereich der VOL. Die abschließend für bestimmte Bauvorhaben geregelte Auftraggebereigenschaft nach § 98 Nr. 5 GWB ist daher für den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Angesichts des abschließenden Regelungsgehalts scheidet eine analoge Anwendung der Norm zur Begründung der Auftraggebereigenschaft der Ag aus. Voraussetzung für eine analoge Anwendung wäre das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke in § 98 GWB. Der Gesetzgeber hat in der Vorschrift eine Umsetzung des von den EG-Vergaberichtlinien vorgesehenen Auftraggeberbegriffes in deutsches Recht vorgenommen (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 13/9340, zu § 107 GWB-E [§ 98]). Die vom Gesetzgeber vorgenommene Einteilung des Auftraggeberbegriffs in sechs Kategorien ist abschließend (Werner in Byok/Jaeger, § 98 Rn. 296; Eschenbruch in Kulartz/ Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, 2006, § 98, Rn. 42). Gegen das Vorliegen einer Regelungslücke spricht insbesondere, dass der Gesetzgeber den Fall der Finanzierung von Vorhaben bereits besonders erfasst hat (s. § 98 Nr. 5 GWB). Die vorgenommene Einschränkung auf spezielle Bauvorhaben, die zu über 50 % finanziert werden, stellt eine bewusste Eingrenzung des Auftraggeberbegriffs dar. Auch aus der am 30.04.2004 in Kraft getretenen Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (ABl. EG 2004, Nr. L 134/14) lässt sich nichts anderes ableiten.

c. Die Ag ist allerdings stellvertretend für einen öffentlichen Auftraggeber aufgetreten. Die Ag erteilte zwar den Auftrag nach Ziffer 3.2 des der Ausschreibung zu Grunde liegenden Vertragsentwurfes (Anlage 9 der Ausschreibung) im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Damit liegt zwar kein Fall der unmittelbaren Stellvertretung gemäß § 164 BGB vor (hierbei handelt der Vertreter im Namen des Vertretenen). Die Ag hat jedoch die öffentliche Hand mittelbar vertreten. Eine mittelbare Stellvertretung liegt vor, wenn jemand ein Rechtsgeschäft im eigenen Namen, aber im Interesse und für Rechnung eines anderen, des Geschäftsherrn, vornimmt (Heinrichs in Palandt, 65. Aufl. 2006, Einf v § 164 BGB). Die Ag führte die Ausschreibung aufgrund des Beschlusses und der Vorgaben einer mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Instituten sowie einem eigenen Vertreter (Herr …) besetzten Arbeitsgruppe ("…") durch. Die von der Arbeitsgruppe entwickelten Vorstellungen mündeten nach Auskunft der Universität H in eine wissenschaftlich- technische Beschreibung der Echolote als Basis der Beschaffung. Die Fächerecholote wurden auf der FS METEOR allein für den wissenschaftlichen Einsatz benötigt. Sie dienen der Kartierung des Meeresbodens bei der Erfassung der Morphologie. Für nautische Zwecke werden sie nicht eingesetzt, weil auf der FS METEOR für diese Zwecke ein eigenes Echolot vorhanden ist. Nach Auskunft der Universität H hat man die Beschaffung durch die Ag durchführen lassen, weil sie schiffsbetriebstechnisches Wissen erforderte. Die Beschaffung der Fächerecholote lag somit erkennbar nicht im eigenen Interesse der Ag, sondern im Interesse des Schiffseigners (Bundesrepublik Deutschland) bzw. des Betreibers des Forschungsschiffes (der Universität H). Da die Ag ferner die für die Beschaffung der Echolote erforderlichen Mittel nach dem Bereederungsvertrag zum Selbstkostenpreis ersetzt bekam, handelte sie für Rechnung eines Anderen. Die Voraussetzungen für eine mittelbare Stellvertretung liegen demnach vor. Die Ag ist damit zwar im Außenverhältnis alleiniger Auftraggeber, im Innenverhältnis ist die Beschaffung jedoch der Bundesrepublik Deutschland (bzw. dem Bundesland L als Vertragspartner des Bereederungsvertrages) als öffentlichem Auftraggeber gem. § 98 Nr. 1 GWB zuzurechnen (vgl. auch OLG Schleswig, Beschluss v. 13. April 2006, 1 (6) Verg 10/05: materiell-rechtliche Zurechnung der Vergabe zu dem eigentlichen öffentlichen Auftraggeber). Bei der Beschaffung der Echolote waren deshalb die Vergabevorschriften des 4. Teils des GWB einzuhalten. Die Vergabe unterliegt daher grundsätzlich dem Nachprüfungsverfahren.

d. Die Anwendbarkeit der Vergabevorschriften des 4. Teils des GWB scheidet im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise aus, weil die Neubeschaffung der Fächerecholote bereits durch die Beschaffung der Reedereidienstleistung miterfasst worden wäre ("Sperrwirkung der Erstvergabe"). Vergaberechtlich unbedenklich ist allerdings, dass der Reedereivertrag aus dem Jahr 1986 stammt und nicht seinerseits im Rahmen einer förmlichen Vergabe abgeschlossen wurde. Da zu diesem Zeitpunkt das europäische Vergaberecht noch nicht galt, musste der Vertrag nicht europaweit ausgeschrieben werden. Der Vertrag war unbefristet abgeschlossen. Es bestand deshalb keine Verpflichtung, den Vertrag 1999 mit Einführung des europäischen Vergaberechts zu kündigen. Jedoch sperrt der Reedereivertrag inhaltlich nicht die Anwendbarkeit der Vergabevorschriften auf die vorliegende Beschaffung des Echolote. Grundsätzlich kann ein öffentlicher Auftraggeber Gesamtleistungen ausschreiben (z.B. bei dem Bau einer Autobahn, eines Schiffes). Durch die Verlagerung von "Unterbeschaffungen" bzw. Nachunternehmerleistungen auf den Auftragnehmer der Gesamtleistung kann er weitere Ausschreibungen einzelner Gewerke vermeiden (zur Beschaffung eines Echolots im Rahmen des Neubaus eines Forschungsschiffes: OLG Rostock, Beschluss v. 5. Februar 2003, 17 Verg 14/02; vgl. auch OLG Celle, Beschluss v. 5. September 2002, 13 Verg 9/02). In der hier zu beurteilenden Sachverhaltskonstellation liegt allerdings nicht die Beschaffung von Teilleistungen im Rahmen einer Gesamtleistung vor. Der zugrundeliegende Reedereivertrag ermächtigt die Ag zwar zur Beschaffung von Proviant, Betriebs- und Hilfsstoffen (§ 4 Ziffer 5.3 und 5.4). Eine Ergänzung der Ausrüstung des Schiffes ist aber gem. § 4 Ziffer 5.2 nur in Abstimmung mit dem Auftraggeber des Bereederungsvertrages vorzunehmen. Insoweit ist die Ag nicht eigenständig zur Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen ermächtigt, sondern auf eine gesonderte Vergabeentscheidung der Universität H angewiesen. Bestätigt wird dies dadurch, dass die Universität im Reedervertrag ab einem Auftragswert von 50.000 DM eine Vergabe im Wettbewerb durch Einhaltung der Vorgaben der VOL vorschreibt und gleichzeitig ein Zustimmungserfordernis vor Auftragserteilung begründet (s. Anlage 1 lit. I. B des Reedereivertrages). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Reedereivertrag Ersatz- oder Neubeschaffungen von Ausrüstungsgegenständen "sperrt" und der öffentliche Auftraggeber diese nicht mehr in einem förmlichen Verfahren nach den Vergabevorschriften des 4. Teils des GWB auszuschreiben hätte. Anders hingegen sieht es bei der Beschaffung von Proviant oder Betriebs- und Hilfsstoffen aus. Hier deckt der Reedereivertrag die laufende Beschaffung durch den Reeder ab. Diese Beschaffungen sind Bestandteil der typischen Tätigkeit eines Reeders beim Betrieb eines Schiffes. Die Fächerecholote waren im vorliegenden Fall deshalb öffentlich auszuschreiben. Die Kammer merkt in diesem Zusammenhang an, dass selbst bei einer ausdrücklichen vertraglichen Verlagerung der Beschaffung von wissenschaftlicher Ausrüstung auf den Reeder Zweifel bestehen, ob dies die Ausschreibungspflicht der öffentlichen Hand entfallen ließe. Solange die Leitung des Forschungsbetriebs bei einem öffentlichen Auftraggeber verbleibt, dürfte die pauschale Ermächtigung zur Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen zu Forschungszwecken, die nicht im Zusammenhang mit dem laufenden – vom Reeder zu gewährleistenden – Schiffsbetrieb stehen, vergaberechtlich zu weitgehend sein. Eine generelle Verlagerung der Einkaufstätigkeit der Universität H auf den Reeder würde zu einer Umgehung des Vergaberechts durch die öffentliche Hand führen.

B. Der Feststellungsantrag ist statthaft und im Übrigen zulässig.

1. Nachdem sich das Vergabeverfahren nach seiner Einleitung am 10. Juni 2005 durch die Erteilung des Zuschlags vor Zustellung des Antrags erledigt hat, ist der Antrag auf Feststellung einer Rechtsverletzung gemäß § 114 Abs. 2 S. 2 GWB statthaft. Da eine solche Feststellung wegen der Bindungswirkung nach § 124 Abs. 1 GWB der Vorbereitung eines möglichen Schadensersatzprozesses dient, hat die Antragstellerin grundsätzlich ein Feststellungsinteresse. Sie hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass sie zur weiteren "Schadensbegrenzung" insbesondere ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens im Hinblick auf zukünftige Vergabeentscheidungen anderer Auftraggeber habe.

2. Die ASt war im Hinblick auf den zunächst eingereichten Nachprüfungsantrag gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie hat geltend gemacht, durch einen Vergaberechtsverstoß in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt zu sein. Durch die Abgabe eines Angebots war das Interesse der ASt am Auftrag hinreichend dokumentiert, so dass ihr durch die Nichtberücksichtigung ihres Angebots auch ein wirtschaftlicher Schaden drohte.

3. Die ASt hat die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße auch rechtzeitig gemäß § 107 Abs. 3 GWB, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, gerügt. Die Rüge gem. § 107 Abs. 2 GWB ist formlos möglich. Sie ist deshalb auch mündlich oder fernmündlich zulässig (Wiese in Kulartz/ Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 107 Rn. 92). Die ASt hatte der Ag bereits telefonisch am 30. Mai 2005 mitgeteilt, dass die mit Schreiben vom 27. Mai mitgeteilte Zuschlagsentscheidung nicht nachvollziehbar sei. Eine inhaltlich aufbereitete Rüge war der ASt allerdings erst mit Erhalt der Bewertung, die zuvor bereits an einen dritten Bewerber verschickt worden war, am 7. Juni 2005 möglich. In der Besprechung am 10. Juni 2005 habe sie sich – so ihr Vortrag in der mündlichen Verhandlung – von der Ag die Vergabeentscheidung im Hinblick auf die Vergabe der Wertungspunkte (1 – 10 Punkte bzw. 0 – 10 Punkte), die ungeschwärzte Veröffentlichung der Bewertung und die Berücksichtigung der Preise erläutern lassen und mitgeteilt, dass sie die Anrufung der Vergabekammer erwäge. Die Ag räumt ein, dass die ASt die Anrufung der Vergabekammer erwogen habe, bestreitet aber den Inhalt der Rügen. Es erscheint der Kammer allerdings lebensfremd, dass die ASt im Gespräch die Anrufung der Vergabekammer erwähnt habe, ohne dass über Inhalte eines solchen Vorgehens gesprochen worden sein soll. Die Kammer ist von der Richtigkeit des Vortrags der ASt überzeugt. Jene hat damit die Beseitigung der aufgezeigten Vergaberechtsfehler geltend gemacht und ist somit ihrer Rügeverpflichtung nachgekommen.

4. Die Vergabekammer des Bundes ist nach dem Verweis des Feststellungsverfahrens durch die Vergabekammer Bremen zur Entscheidung zuständig. Es kann dabei letztlich dahin stehen, ob dieser Auftrag dem Bund (wegen der Finanzierung der Echolote aus Bundesmitteln) oder dem Bundesland L zuzurechnen ist; denn die Kammer sieht sich durch den Verweisungsbeschluss der Vergabekammer Bremen zur Entscheidung über dieses Nachprüfungsverfahren berufen.

C. Der Feststellungsantrag ist begründet. Die ASt ist bei der Durchführung der Wertung durch die Ag in ihren Bieterrechten verletzt worden.

1. Die durchgehende Verwendung einer Punkteskala von 0 – 10 Punkten ist angesichts der von der Ag veröffentlichten Bewertungsskala von 1 – 10 Punkten für "Kann"-Kriterien nicht plausibel. Die Ag hatte in den Verdingungsunterlagen die wissenschaftlichen Kriterien in "Muss"- und "Kann"-Kriterien gegliedert. Ferner war vorgegeben, dass "Kann"- Kriterien in einer Punkteskala von 1 bis 10 bewertet würden. Nicht vorhandene "Muss"- Kriterien sollten zum Ausschluss führen. In der den Bietern mitgeteilten Wertungsmatrix finden sich mehrere "Muss"-Kriterien, die mit "Kann"-Kriterien kombiniert sind. Der Matrix kann jedoch nicht in der notwendigen Klarheit entnommen werden, dass für den Fall, dass ein Bieter, der lediglich ein "Muss"-Kriterium erfüllt, für die Nicht-Erfüllung des weitergehenden "Kann"-Kriteriums keine Punkte, also 0 Punkte, erhält. Die "Kann"-Kriterien bewerten zwar teilweise eine Übererfüllung, d.h. eine Leistung, die über die reine "Muss"- Leistung hinausgeht (Ziffern 1.4, 1.5). Eine Bewertung mit 0 Punkten wäre in diesen Fällen denkbar. Nicht schlüssig ist hingegen eine Vergabe von 0 Punkten, wenn dem "Kann"- Kriterium keine Übererfüllung entnommen werden kann (siehe Ziffern 1.10, 1.13, 1.14, 1.15, 1.17, 1.20, 1.23, 2.2, 2.4, 2.7). Letztendlich kann die Differenzierung im Einzelnen aber dahinstehen, da sich die Ag durch die Veröffentlichung der Bewertungsskala von 1 – 10 Punkten selbst gebunden und dabei die Bewertung mit 0 Punkten im Einzelfall nicht vorgesehen hat.

2. Die Vergabe der Wertungspunkte ist in einer Reihe von Ziffern der Matrix als auch in dem zugrunde gelegten Angebotspreis der ASt nicht nachvollziehbar. Grundsätzlich ist die Ermessensentscheidung des Auftraggebers bei der Bewertung von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar. Sie kommt – von Rechtsverstößen abgesehen – nur in den Fällen einer Ermessensunterschreitung, -überschreitung oder eines Ermessensfehlgebrauchs in Betracht (OLG Düsseldorf, 12. Oktober 2005, Verg 37/05). Es bestehen vorliegend Anhaltpunkte für eine Überschreitung des der Ag zustehenden Entscheidungsermessens. Die Vergabe von 0 Wertungspunkten in den Ziffern 1.4 und 1.5 ist nicht nachvollziehbar, weil die ASt hier gemäß ihren Angaben in den Technischen Datenblättern ihres Angebots, eine Erfüllung über das "Muss"-Kriterium hinaus gewährleistet. Die Ag hätte dies gemäß ihrer Vorgabe in den Verdingungsunterlagen mit mindestens 1 Punkt bewerten müssen. Bei den Ziffern 1.10, 1.14, 1.15, 1.17, 1.23, 2.2, 2.4, 2.7 ist eine Bewertung mit 0 Punkten nicht nachvollziehbar, weil dem "Kann"-Kriterium keine Übererfüllung im Hinblick auf die Mindestanforderung ("Muss"-Kriterium) entnommen werden kann (s. unter C.1.). Nicht plausibel ist ferner die z.T. sehr unterschiedliche Bewertung derselben Funktionalität beim Tiefsee- und beim Mittelwasserlot. So hat die Ag beispielsweise in Ziffer 1.6 (zusätzliche Softbeams) einmal 10 Punkte, einmal 5 Punkte vergeben. Sie hat die Abweichung mit den unterschiedlichen Qualitäten der jeweils für sich zu bewertenden Vergleichsprodukte der Wettbewerber begründet. Eine derart starke Abweichung ist für die Vergabekammer aber ohne weitere Nachweise oder Begründung seitens der Vergabestelle nicht nachvollziehbar. Dies gilt ebenfalls für die Wertung der Ziffer 1.10 (Beamsteuerung umschaltbar). Hier erhielt die ASt einmal 9 Punkte, einmal 0 Punkte. Die Bewertung mit "nicht erfüllt" des Tiefseelots ist schon aus dem vorgenannten Grund mit mindestens 1 Punkt vorzunehmen. Die Vergabe von 9 Punkten beim Mittelwasserlot bedeutet aber eine fast vollständige Leistungserfüllung. Der Verweis auf die Qualität der übrigen Angebote kann den eklatanten Unterschied in der Bewertung derselben Funktion nicht zufriedenstellend erklären. Ähnliches gilt für Ziffer 1.13 (Side-Scan-Funktion). Hier wurde das Tiefseelot mit 1 Punkt, das Mittelwasserlot hingegen mit 8 Punkten bewertet. In Ziffer 1.14 (Backscatter-Funktion) wurde das Tiefseelot unzulässigerweise mit 0 Punkten, das Mittelwasserlot mit 10 Punkten bewertet. Die großen Unterschiede in der Bewertung sind für die Vergabekammer nicht nachvollziehbar, so dass sie Anhaltpunkte einer Überschreitung des der Ag zustehenden Entscheidungsermessens sieht. Die unzulässige Bewertung mit 0 Punkten führt zu einer Verzerrung des Wertungsergebnisses, da aufgrund der Multiplikation mit einem Gewichtungsfaktor die entsprechenden Wertungspunkte vollständig ausfallen.

Ferner hat die Ag die Ziffer 2. (Software) bei allen Bietern nicht bewertet, so dass ein mit 35 % angesetzter Teilbereich gar nicht berücksichtigt wurde. Dies kann ebenfalls zu Verzerrungen in der Endwertung führen, da der mit 65 % zu berücksichtigende Wert mit 100 % in das Verhältnis zum Preis gesetzt wurde. Zumindest hat die Ag aber ihr Ermessen entgegen der bekannt gemachten Wertungskriterien in fehlerhafter Weise überhaupt nicht ausgeübt, obwohl Ziffer 2. nicht nur "Muss"-Kriterien, sondern auch aufgesetzte und reine "Kann"-Kriterien enthielt.

Zudem ist der von der Ag zugrunde gelegte Angebotspreis der ASt aufgrund der eingereichten Unterlagen nicht nachvollziehbar. Die Ag hat vorgetragen, dass sie bei allen Bietern gleichermaßen eine von ihr als sinnvoll unterstellte Konfiguration der Echolote zugrunde gelegt hat. Die Rechenmethode ist jedoch der Vergabeakte nicht zu entnehmen. Eine Kontrollrechnung der Vergabekammer hat zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Festlegung des zu wertenden Angebotspreises von ASt und der Bieterin K GmbH geführt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Ag der Wertung einen ca. 80.000 Euro höheren Preis als in den Angebotsunterlagen enthalten zugrunde gelegt hat. Damit verzerrt sich aber die Punktewertung um 5 Punkte zu Lasten der ASt.

3. Es ist nicht auszuschließen, dass sich bei einer Neubewertung durch die Ag unter Zugrundelegung des korrekt ermittelten Preises die Punktebewertung zugunsten der ASt verschoben und sich hierdurch ihre Chance auf den Erhalt des Zuschlags verbessert hätte, obwohl bei der Neuwertung auch andere Bieter bei einzelnen Kriterien eine andere Punktzahl als 0 bekommen müssten. Die Neuwertung wäre allerdings grundsätzlich wieder dem Beurteilungsspielraum der Vergabestelle unterlegen. Aufgrund des rechtswirksam erteilten Zuschlags an einen Dritten bleibt der Kammer nur noch die Feststellung, dass die ASt durch die vorliegende Wertung ihres Angebots in ihren Rechten gem. § 97 Abs. 7 GWB verletzt worden ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 GWB.

Die Ag hat als Unterliegende die Kosten des Verfahrens gem. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB zu tragen. Die Ag hat ferner gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten der ASt zu tragen.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die ASt war wegen der im Nachprüfungsverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen notwendig.

IV.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Oberlandesgericht Düsseldorf – Vergabesenat -, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.

Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.