Entbehrlichkeit einer separaten Rüge

Eine separate und nochmalige Rüge nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB ist entbehrlich, wenn der Auftraggeber seine Auswahlentscheidung über den im Vorinformationsschreiben schon genannten Grund hinaus auf weitere, neue Gesichtspunkte stützt, der Antragsteller bei nochmaliger Rüge dieser nachgeschobenen Begründungen aber befürchten müsste, dass die vierzehntägige Schutzfrist des § 13 VgV ohne sofortige Einschaltung der Vergabekammer abzulaufen droht.

VK Sachsen
Beschluß vom 09.05.2003

 

Zuschlagsverbot während des Nachprüfungsverfahrens

1. Wird gegen eine ablehnende Entscheidung der Vergabekammer sofortige Beschwerde erhoben, so endet das Zuschlagsverbot erst mit Ablauf der weiteren 14-Tage-Frist des § 118 Abs. 1 GWB, soweit die Frist nicht durch Entscheidung des Beschwerdegerichts noch einmal verlängert wird. Das Zuschlagsverbot besteht unabhängig davon, ob die Vergabestelle bereits Kenntnis von der sofortigen Beschwerde hat.

2. Der Senat schließt sich nicht der Auffassung des OLG Naumburg an, wonach ein Zuschlag, der nach Ablauf der Frist des § 115 Abs. 1 GWB erteilt wird, wirksam ist, wenn der Beschwerdeführer seiner Pflicht nach § 117 Abs. 4 GWB nicht nachkommt und die Vergabestelle auch nicht in anderer Weise Kenntnis von der Einlegung der sofortigen Beschwerde erlangt hat. Der Senat wird deshalb gem. § 124 Abs. 2 GWB die Sache dem BGH vorlegen.

 

OLG Frankfurt
Beschluss vom 20.02.2003
Az.: 11 Verg 1/02

Zuschlag auf wirtschaftlichstes Angebot nach Sachverständigen-Gutachten

Wirtschaftlich günstigstes Angebot bei niedrigsten Endkosten

Richtlinie 71/305 EWG Art. 29 I, II

EuGH
Urteil vom 18.10.2001
Rs. C-19/00 ( SIAC Construction Ltd ./. County Council of the Country of Mayo)

Leitsatz:

Art. 29 I und II Richtlinie 71/305 EWG des Rates vom 26.07.1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge in der durch die Richtlinie 89/440/EWG des Rates vom 18.07.1989 geänderten Fassung erlaubt es einem öffentlichen Auftrageber, der sich dafür entschieden hat, den Zuschlag für einen Auftrag dem wirtschaftlich günstigsten Angebot zu erteilen, den Auftrag dem Bieter zu erteilen, der das Angebot abgegeben hat, dessen Endkosten nach dem Gutachten eines Sachverständigen vermutlich die niedrigsten sind, sofern die Gleichbehandlung der Bieter gewahrt ist, was voraussetzt, dass die Transparenz und die Objektivität des Verfahrens gewährleistet sind, und insbesondere, dass dieses Zuschlagskriterium in der Bekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen klar benannt ist und das Sachverständigengutachten in allen wesentlichen Punkten auf objektive Faktoren gestützt ist, die in der fachlichen Praxis als für die vorgenommene Beurteilung maßgeblich und geeignet betrachtet werden.

Kostenfestsetzung im Vergabeprüfverfahren

Leitsätze:

1. Der Kostenfestsetzungsbescheid der Vergabekammer ist als selbstständiger Verwaltungsakt selbstständig anfechtbar.

2. Die fehlende dritte Unterschrift unter einem Kostenfestsetzungsbescheid kann nachgeholt werden.

3. Auftragssumme nach § 12 a Abs. 2 GKG ist regelmäßig der Bruttobetrag des Angebots, das der Antragsteller des Vergabenachprüfungsverfahren abgegeben hat.

OLG Dresden
Beschluss vom 05.04.2001
Az.: WVerg 8/00

 

Auszug aus den Gründen:

Die Beschwerdeführerin ist in einem Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer unterlegen; nach dem bestandskräftigen Beschluss der Vergabekammer vom 03.07.2000 hat sie die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (einschließlich der Kosten des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, dessen Hinzuziehung die Vergabekammer als notwendig angesehen hat) zu tragen. Mit dem nunmehr angegriffenen Kostenfestsetzungsbescheid hat die Vergabekammer die von der Beschwerdeführerin zu erstattenden Kosten mit DM 3.995,00 berechnet. Die Beschwerdeführerin hält den Beschluss schon deshalb für unwirksam, weil er (ursprünglich) nur von zwei Mitgliedern der Vergabekammer unterzeichnet war, während die Unterschrift der hauptamtlichen Beisitzerin der Kammer fehlte. In der Sache rügt die Beschwerdeführerin, die Vergabekammer sei bei ihrer Berechnung von einem zu hohen Gegenstandswert des Nachprüfungsverfahrens ausgegangen; überdies seien Reisekosten des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zu Unrecht als erstattungsfähig einbezogen worden.

1. Abweichung VOB/B-Klauseln führt zur Unwirksamkeit der Einbeziehung der VOB/B als Ganzes

Jede vertragliche Abweichung von der VOB/B führt dazu, dass jede Klausel der VOB/B der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz a. F. bzw. §§ 305 ff. BGB unterliegt.

Die VOB/B ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. des AGB-Gesetzes bzw. nunmehr der §§ 305 ff. BGB. Jedoch ist die VOB/B nach § 23 AGBG a. F. privilegiert, d. h. unterfällt prinzipiell nicht der Inhaltskontrolle. Nach der früheren Rechtsmeinung des BGH soll nur eine Abweichung von der VOB/B ?als Ganzes? die Inhaltskontrolle nach dem AGBG eröffnen, wenn gewichtige oder erhebliche Eingriffe in die VOB/B vorliegen. In der Praxis ist oft kaum abzuschätzen, wann ein Eingriff von erheblichem oder geringem Gewicht vorliegt. Die Rechtssprechung gibt der BGH auf und sieht jeden Eingriff in die VOB/B ?als Ganzes? als schädlich an, mit der Folge, dass jede Klausel der VOB/B dazu führt, dass sie den Maßstäben der Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG genügen muss. Demnach führen auch geringfügige inhaltliche Abweichungen von der VOB/B zur Inhaltskontrolle.

Im Fall des BGH ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers § 13 Nr. 7 1, II VOB/B abgeändert worden. Nach der Klausel des Auftraggebers schuldet der Auftragnehmer Schadensersatz unabhängig von der Erheblichkeit des Mangels und unabhängig von den einschränkenden Voraussetzungen des § 13 Nr. 7 II VOB/B . Obwohl damit die Klausel dem gesetzlichen Werkvertragsrecht entspricht, weicht sie dennoch von der VOB/B ab, so dass alle Klauseln der VOB/B einer Inhaltskontrolle zu unterziehen sind. Die Schlusszahlungseinrede nach § 16 Nr. 3 II VOB/B benachteiligt aber den Auftragnehmer unangemessen und verstößt somit gegen § 9 AGBG a. F. Der Auftraggeber kann sich daher nicht auf diese? für ihn günstige? Bestimmung der VOB/B berufen.

Praxishinweis: Mit dem Urteil werden weitgehend Rechtsunsicherheiten vermieden. Ungeklärt ist jedoch, ob auch geringfügige Abweichungen von der VOB/B solche sind, die die VOB/B selbst zulässt, da sie auf mögliche vorrangige vertragliche Regelungen verweist, wie z. B. in § 13 Nr. 4 VOB/B; letzteres ist zu bejahen, da auch hiermit das Gesamtgefüge der VOB/B gestört wird. Hingegen sind Vereinbarungen unschädlich, die die Normen der VOB/B voraussetzen, wie z. B. die Vereinbarungen einer Vertragsstrafe für die Anwendung des § 11 VOB/B oder die Vereinbarung der Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungssicherheit für die Anwendung des § 17 VOB/B. Der BGH weist aber darauf hin, dass diese Entscheidung nur für das alte Recht, als für das AGB-Gesetz und für Schulverhältnisse vor dem 01.01.2002 gilt. Ob dem unter Geltung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetztes gefolgt wird, ist noch offen. Möglicherweise, will sich der BGH die Überlegung offen halten, ob er diese Privilegierung nur noch für die in § 308 Nr. 5 BGB und § 309 Nr. 8b ff. BGB genannten VOB/B-Bestimmungen anwendet und daher auch ohne Abweichung von der VOB/B die anderen Klauseln der VOB/B der Inhaltskontrolle unterwirft.

BGH, Urteil vom 22.01.2004, Az.: VII ZR 419/02 = NZBau 2004, Heft 5[/]

2. Sicherheitsverlangen bei Erfüllungsforderung nach Abnahme

§ 648 a I BGB gibt dem Unternehmer auch nach der Abnahme das Recht, eine Sicherheit zu verlangen, wenn der Besteller noch Erfüllung des Vertrags (Mängelbeseitigung) fordert.

Leistet der Besteller auf ein berechtigtes Sicherungsverlangen nach der Abnahme die Sicherheit nicht, ist der Unternehmer berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verweigern.

Der Unternehmer kann dem Besteller in sinngemäßer Anwendung des § 648 a V 1 i. V. mit § 643 S. 1 BGB eine Nachfrist zur Sicherheitsleistung mit der Erklärung setzen, dass er die Mängelbeseitigung ablehne, wenn die Sicherheit nicht fristgerecht geleistet werde. Nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist wird er von der Pflicht zur Mängelbeseitigung frei. Ihm steht in weiterer sinngemäßer Anwendung des § 645 I 1 und § 648 a V 2 BGB der Anspruch auf die um den mängelbedingten Minderwert gekürzte Vergütung und der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens zu.

Macht der Unternehmer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, kann der Besteller dem Verlangen auf Zahlung des vollen Werk-Lohns das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht auch dann entgegenhalten, wenn er die Sicherheit nicht gestellt hat.

BGH
Urteil vom 22.01.2004
Az.: VII ZR 183/02 (OLG Rostock)

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Seite des Bundesgerichtshofs nachlesen.

3. Prüffähigkeit von Rechnungen

Der Auftraggeber kann sich nicht auf die fehlende Prüffähigkeit berufen, wenn die Rechnung auch ohne die objektiv unverzichtbaren Angaben seinen Kontroll- und Informationsinteressen genügt.

Eine prüffähige Rechnung muss diejenigen Angaben enthalten, die nach dem geschlossenen Vertrag und objektiv unverzichtbar sind, um die sachliche und rechnerische Überprüfung des Honorars zu ermöglichen.

In dem Fall, dass die Rechnung nur in Teilen prüffähig ist, kann der Architekt die Zahlung eines Guthabens verlangen, das unter Berücksichtigung eventueller Voraus- und Abschlagszahlungen bereits feststeht.

Wenn der Auftraggeber nicht spätestens innerhalb einer Frist von 2 Monaten nach Zugang der Rechnung Einwendungen vorgebracht hat, ist er gegen die Prüffähigkeit der Schlussrechnung ausgeschlossen.

Die Verjährung der Honorarforderung beginnt grundsätzlich mit der Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung.

Kann der Auftraggeber sich nicht auf die fehlende Prüffähigkeit berufen, weil die Rechnung seinen Kontroll- und Informationsinteressen genügt, beginnt die Verjährung, wenn dieser Umstand für den Architekten erkennbar nach außen zutage tritt.

Die Verjährung einer auf eine nicht prüffähige Honorarschlussrechnung gestützten Forderung beginnt spätestens, wenn die Frist von 2 Monaten abgelaufen ist, ohne dass der Auftraggeber substantiierte Einwendungen gegen die Prüffähigkeit vorgebracht hat. Ist die Rechnung nur teilweise prüffähig, beginnt die Verjährung der Honorarschlussforderung grundsätzlich erst mit der Erteilung einer insgesamt prüffähigen Schlussrechnung.

BGH
Urteil vom 27. November 2003
VII ZR 288/02

 

4. Kündigung eines Bauvertrags richtet sich nach Inhalt der Kündigungserklärung

1. Eine Kündigung, die ausschließlich für den Fall erklärt wird, dass ein außerordentlicher Kündigungsgrund nach § 8 Nr. 2 bis 4 VOB/B vorliegt, ist unwirksam, wenn ein solcher Grund nicht gegeben ist.

2. Ob eine außerordentliche Kündigung eines Bauvertrages auch als freie Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB oder nach § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B verstanden werden kann, richtet sich nach dem Inhalt der Kündigungserklärung.

3. Im Regelfall ist die Kündigung eines Bauvertrages dahin zu verstehen, dass auch eine freie Kündigung gewollt ist. Will der Auftraggeber seine Kündigung nicht so verstanden wissen, muss sich das aus der Erklärung oder den Umständen ergeben.

Bundesgerichtshof
Urteil vom 24. Juli 2003
Az.: VII ZR 218/02

Die vollständige Entscheidung können Sie auf den Seiten des Bundesgerichtshofs nachlesen.

 

5. Ordnungsgemäß gegengezeichnete Stunden hat der Auftraggeber gegen sich gelten zu lassen

Der Auftraggeber ist an die Mengen von ordnungsgemäß gegengezeichneten Stunden gebunden, es sei denn, er kann beweisen, dass der berechnete und gegengezeichnete Aufwand in einem groben Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen steht und dass er diese Unrichtigkeiten bei Unterzeichnung nicht kannte und mit ihnen auch nicht rechnen musste.

Oberlandesgericht Celle
Beschluß vom 22. 4. 2003