Fehlende Nachweise zur Bieterzuverlässigkeit können bis zur Ausschlusspflicht führen

1. Gemäß § 7 Nr. 4 VOL/A zulässigerweise geforderte, aber mit dem Angebot nicht abgegebene Nachweise zur Zuverlässigkeit eines Bieters führen dazu, dass dieses Angebot von der Wertung zwingend auszuschliessen ist, ohne dass es darauf ankommt, ob der Auftraggeber sich insoweit ein Ausschlussermessen vorbehalten oder sich, gleich in welchem Stadium der Wertung, auf diesen Ausschlussgrund berufen hat.

2. Ein dem Auftraggeber nach dem Wortlaut von § 25 Nr. 1 Abs. 2a VOL/A zustehendes Ausschlussermessen wird jedenfalls dann regelmäßig auf Null reduziert sein, wenn Erklärungsdefizite eines Angebots für die Position eines Bieters im Wettbewerb von Belang sind.

3. Die Rechtskraft einer Vergabenachprüfungsentscheidung, die als Vorfrage das Angebot des damaligen Antragstellers als vollständig behandelt hat, steht der nachträglichen Feststellung der Unvollständigkeit dieses Angebots nicht entgegen.

 
OLG Dresden
Beschluss vom 17.10.2006
WVerg 0015/06

Bieterschützende Wirkung aus § 25 Nr. 2 VOL/A?

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2006 – Verg 49/06

1. Das Vergaberecht schreibt dem Bieter nicht vor, bestimmte Kosten in seiner Kalkulation zu berücksichtigen, mit anderen Worten wie er zu kalkulieren hat.

2. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, ein auf erste Sicht ungewöhnlich / unangemessen niedrig erscheinendes Angebot zu überprüfen, entfaltet eine bieterschützende Wirkung nur zugunsten desjenigen Bieters, dessen Angebot wegen Unauskömmlichkeit des Preises von einem Ausschluss bedroht ist.

3. § 25 Nr. 2 VOL/A hat grundsätzlich keine dem Schutz des Mitbewerbers gegen den Billigbewerber dienende Wirkung.

4. Eine Vorlage nach § 124 Abs. 2 GWB an den Bundesgerichtshof ist mit dem Eilcharakter der im Verfahren über den Antrag nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu treffenden Entscheidung nicht zu vereinbaren.

 

Volltext: 

 

Oberlandesgericht Düsseldorf

Beschluss vom 28.09.2006

Az.: Verg 49/06

GWB § 97 Abs. 5, § 97 Abs. 7, § 124 Abs. 2; VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 2, § 25 Nr. 2 Abs. 3
1. Das Vergaberecht schreibt dem Bieter nicht vor, bestimmte Kosten in seiner Kalkulation zu berücksichtigen, mit anderen Worten wie er zu kalkulieren hat.
2. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, ein auf erste Sicht ungewöhnlich/unangemessen niedrig erscheinendes Angebot zu überprüfen, entfaltet eine bieterschützende Wirkung nur zugunsten desjenigen Bieters, dessen Angebot wegen Unauskömmlichkeit des Preises von einem Ausschluss bedroht ist.
3. § 25 Nr. 2 VOL/A hat grundsätzlich keine dem Schutz des Mitbewerbers gegen den Billigbewerber dienende Wirkung.
4. Eine Vorlage nach § 124 Abs. 2 GWB an den Bundesgerichtshof ist mit dem Eilcharakter der im Verfahren über den Antrag nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu treffenden Entscheidung nicht zu vereinbaren.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2006 – Verg 49/06

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

pp.

hat der Vergabesenat des Oberlandesgericht Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht D., die Richterin am Oberlandesgericht D.-B. und die Richterin am Oberlandesgericht F.

am 28. September 2006 beschlossen:

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Hauptsacheentscheidung vorbehalten.

Dem Antragsteller wird aufgegeben, bis zum 1. November 2006 mitzuteilen, ob und mit welchen Anträgen das Rechtsmittel aufrechterhalten bleibt.

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, eine Zuschlagserteilung gegebenenfalls durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.

Gründe:

I.
Die Antragsgegnerin führte eine öffentliche Ausschreibung zur Berufsausbildung in einer außerbetrieblichen Einrichtung, BAE- integratives Modell nach § 241 (2) SGB III, Vergabenummer 153-06-300062, im Bezirk des R. E. B. durch. In diesem Verfahren sollte der Antragsteller den Zuschlag auf sein Angebot zum Los 214 erhalten. Der Antragsteller hatte jedoch – wie die übrigen Bieter auch – den vorgeschriebenen Maßnahmeort N. nicht eingehalten. Die Vergabestelle hob die Ausschreibung deshalb nach § 26 Nr. 1 lit. a) VOL/A auf und leitete sodann ein freihändiges Vergabeverfahren ein. Sie forderte die vier Bieter, die sich am offenen Verfahren mit Angeboten beteiligt hatten, zur erneuten Angebotsabgabe auf. Der Antragsteller und der Beigeladene gaben innerhalb der Angebotsfrist jeweils Angebote ab. Das Los umfasst 31 Teilnehmerplätze. Als Maßnahmebeginn war der 4. September 2006 vorgesehen. Das Angebot des Antragstellers entsprach in preislicher Hinsicht dem zuvor eingereichten Angebot. Der Beigeladene kalkulierte seinen Angebotspreis neu. Nach der Angebotswertung teilte die Vergabestelle dem Antragsteller mit, dass das Angebot des Beigeladenen den Zuschlag erhalten solle, weil das Angebot des Antragstellers nicht das wirtschaftlichste sei.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2006 und 1. August 2006 rügte der Antragsteller die Entscheidung der Vergabestelle als fehlerhaft. Insbesondere wandte er ein, der Beigeladene habe im Vergleich zu seinem im offenen Verfahren unterbreiteten, wesentlich teureren Angebot nunmehr ein nicht auskömmliches Angebot abgegeben. Die Vergabestelle wies die Rügen zurück.

Mit seinem Nachprüfungsantrag begehrte der Antragsteller im wesentlichen die Untersagung der Erteilung des Zuschlags auf das Angebot des Beigeladenen und die Erteilung des Zuschlags auf sein Angebot. Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück.

Mit seiner sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein ursprüngliches Begehren weiter. Er macht geltend: Der vom Beigeladenen unterbreitete Angebotspreise sei unauskömmlich. Die Durchführung der streitgegenständlichen Maßnahme sei gefährdet. Eine Überprüfung der Auskömmlichkeit sei dann erforderlich, wenn eine Abweichung im Angebotspreis des Mindestbietenden von mehr als 10% vom nächsthöheren Bieter vorliege, wobei auch die eigene Kostenschätzung des Auftraggebers in die Betrachtung eingestellt werden müsse. Der Beigeladene habe zwar erklärt, das niedrige Preisniveau seines Angebots sei darauf zurückzuführen, dass er eine neu erworbene Immobilie nutzen könne. Bei einem Immobilienkauf seien aber Zins- und Tilgungsleistungen in der Kalkulation zu berücksichtigen. Zudem habe der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung erklärt, seine Mitarbeiter würden ein Gehalt von deutlich mehr als 1.600 € erhalten. Ferner seien die Fahrtkosten für die Teilnehmer zu den Schulungsorten in der Kalkulation zu berücksichtigen. Eine schriftliche Überprüfung durch die Vergabestelle sei unterblieben, obgleich das vom Beigeladenen ursprünglich abgegebene Angebot deutlich teurer gewesen sei als das nun vorliegende Angebot.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner sofortigen Beschwerde zu verlängern.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen beantragen,

den Antrag, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde zu verlängern, zurückzuweisen.

Sie machen geltend: Ein unauskömmliches Preisangebot des Beigeladenen liege nicht vor. Der Beigeladene habe bei der Kalkulation keine Kosten für die Anmietung von Räumlichkeiten kalkulieren müssen, weil er die zu Ausbildungszwecken anzumietende Immobilie käuflich erworben habe. Die streitgegenständliche Maßnahme müsse spätestens am 15. Oktober 2006 beginnen.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, die Vergabeakten und die Vergabekammerakten verwiesen.

II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers zu verlängern, ist abzulehnen, denn das zulässige Rechtsmittel hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Nachprüfungsantrag ist voraussichtlich unbegründet.

1. Das Angebot des Beigeladenen ist nicht schon in der ersten Wertungsphase von der Wertung auszunehmen. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) VOL/A sind solche Angebote von der Wertung auszuschliessen, die wesentliche Preisangaben nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VOL/A nicht vollständig und zutreffend enthalten. Es handelt sich um einen zwingenden Ausschlussgrund (vgl. BGH VergabeR 2004, 473, 476 ff.)
Das Erfordernis, jeden in der Leistungsbeschreibung vorgesehenen Preis, so wie gefordert, vollständig mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung verlangt wird, soll die Vergleichbarkeit der Angebote auf transparenter und alle Bieter gleich behandelnder Grundlage sicherstellen. Fehlen Preisangaben oder sind gemachte Preisangaben unzutreffend, hat der öffentliche Auftraggeber kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe, sondern ist gezwungen, das betreffende Angebot von der Wertung auszunehmen. Im Streitfall ist die Vergabestelle nicht verpflichtet, das Angebot des Beigeladenen von der Wertung auszunehmen.

Die Preisangabe des Beigeladenen im Preisblatt ist zutreffend. Es handelt sich hierbei um den tatsächlich anfallenden und vom Beigeladenen beanspruchten Preis. Aus der am 22. August 2008 der Vergabekammer vorgelegten Kalkulation ergibt sich, dass der Beigeladene für die Nutzung der Räume Kosten nicht angesetzt hat, weil Zins- und Tilgungsleistungen für den Erwerb der Räumlichkeiten nicht entstehen. Der Beigeladene hat angegeben, die von ihm genutzte Immobilie ohne Einsatz von Fremdmitteln erworben zu haben. Für die Nutzung beansprucht er deshalb kein Entgelt. Es ist Sache des Bieters zu entscheiden, welche Kostenpositionen in welcher Höhe er in seine Kalkulation einstellt. Das Vergaberecht schreibt dem Bieter nicht vor, bestimmte Kosten in seiner Kalkulation zu berücksichtigen, m.a.W. wie er zu kalkulieren hat.

Auch im Übrigen ist der vom Beigeladenen angegebene Preis zutreffend und vollständig. Er entspricht der offengelegten Kalkulation.

2. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Vergabestelle habe ihre Pflicht, die Auskömmlichkeit des Angebots der Beigeladenen zu überprüfen verletzt. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A sieht vor, dass der Auftraggeber die Einzelposten des Angebotes überprüft, wenn es im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheint. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, ein auf erste Sicht ungewöhnlich/unangemessen niedrig erscheinendes Angebot zu überprüfen, hat zwar bieterschützenden Charakter. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A entfaltet diese Wirkung aber nicht zugunsten des Antragstellers, sondern nur zugunsten desjenigen Bieters, dessen Angebot wegen Unauskömmlichkeit des Preises von einem Ausschluss bedroht ist. Unterlässt der Auftraggeber eine Prüfung, kann (nur) der vom Ausschluss seines Angebots betroffene Bieter im Nachprüfungsverfahren erzwingen, dass das Vergabeverfahren in den Stand zurückversetzt wird, in dem der Auftraggeber diese Prüfung nachholen kann. Aufgrund der Beschwerde des Antragstellers kann die Auskömmlichkeit der Kalkulation des Beigeladenen dagegen nicht zum Gegenstand einer Überprüfung werden.

Nach Lage der Dinge hat auch die Berufung des Antragstellers auf § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A keinen Erfolg. Dieser Norm misst der Senat grundsätzlich keine dem Schutz des Mitbewerbers gegen den Billigbewerber dienende Wirkung zu (vgl. Beschl. v. 19.12.2000, VergabeR 2001, 128 f.; Beschluss v. 17.6.2002, BZBau 2002, 627 f.). Die Vorschrift dient in erster Linie dem Schutz des öffentlichen Auftraggebers (vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 12.9.2000, VergabeR 2001, 65, 69). Dieser soll vor den Gefahren geschützt werden, die daraus erwachsen, dass der Preis und die zu erbringende Leistung nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, nämlich vor der Gefahr, dass die Leistung vom Bieter nicht ordnungsgemäß erbracht werden kann. Der Auftraggeber ist grundsätzlich aber nicht daran gehindert, einem niedrigen, nicht kostendeckenden Angebot den Zuschlag zu erteilen, denn es ist nicht seine Sache dafür zu sorgen, dass der Auftragnehmer auskömmliche, das heißt in jeder Hinsicht kostendeckende Aufträge erhält. Ausnahmsweise billigt der Senat der Vorschrift nur dann bieterschützende Wirkung zu, wenn es für den Auftraggeber aus seiner Verpflichtung gemäß § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A heraus, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu beschränken, geboten ist, das Angebot auszuschließen. Dazu hat der Senat Fälle von Angeboten unter Einstandspreisen gezählt, die in der zielgerichteten Absicht abgegeben werden oder die zumindest die Gefahr begründen, dass bestimmte Wettbewerber vom Markt – nicht aus dem konkreten Vergabeverfahren – verdrängt werden. Ferner gehören dazu solche Unterkostenangebote, bei deren Ausführung der Bieter voraussichtlich in solch große wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, dass er die Auftragsdurchführung abbrechen muss, und andere Bieter – z.B. infolge anderweiter Dispositionen – nicht mehr in der Lage sind den Auftrag weiter auszuführen.

Eine Absicht des Beigeladenen, den Antragsteller mittels (nicht feststellbarer) Unter-Kostenpreise gezielt vom einschlägigen Markt fernzuhalten, ist nicht festzustellen. Die objektive Gefahr einer Verdrängung hat der Antragsteller – persönlich gehört – in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer verneint. Der Antragsteller trägt ferner nicht vor, der Beigeladene sei wegen einer Unterkostenkalkulation voraussichtlich gezwungen, die Auftragsdurchführung abzubrechen, und er selbst oder andere Unternehmen würden nicht in der Lage sein, in die Auftragsausführung einzutreten. Dies ist nach den stichhaltigen Feststellungen der Vergabekammer zur Kostendeckung der Kalkulation des Angebotspreises des Beigeladenen weder wahrscheinlich noch anzunehmen.

Der Fall, dass ein Zuschlag auf das Angebot des Beigeladenen nicht ergehen darf, ist deswegen nicht gegeben.

Deshalb liegen auch schon die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A nicht vor.

Allerdings bejahten einige Oberlandesgerichte (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 30.4.1999, NZBau 2000, 105; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.10.2003, NZBau 2004, 117,118 und Thüringer OLG, Beschl. v. 22.12.1999, NZBau 2000, 349, 352) uneingeschränkt einen bieterschützenden Charakter von § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A (und/oder der entsprechenden Vorschrift in § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A). Inzwischen haben das OLG Celle (VergabeR 2004, 397, 405), das BayObLG (VergabeR 2004, 743, 745) und das OLG Koblenz (VergabeR 2006, 392, 401 f.) – mit allenfalls geringen Abweichungen – jedoch genauso entschieden wie der Senat, was auf eine Durchsetzung seiner zwischen den entgegengesetzten Ansichten (bieterschützende Wirkung der Normen oder deren Verneinung) vermittelnden Auffassung hindeutet. Eine Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof ist deshalb nicht geboten (vgl. § 124 Abs. 2 GWB). Sie scheidet auch schon deswegen aus, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A nicht gegeben sind, die Rechtsfrage infolgedessen nicht entscheidungserheblich ist und eine Vorlage mit dem Eilcharakter der – wie hier – im Verfahren über den Antrag nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu treffenden Entscheidung nicht zu vereinbaren ist (vgl. auch Jaeger in Byok/Jaeger, § 124 GWB Rn. 1246).

Beginn der Rügefrist

 
Die Rügefrist beginnt bereits mit Ausarbeiten des eigenen Angebots – die Kenntnis des Vergabeverstoßes ist ab diesem Zeitpunkt möglich.
 

amtlicher Leitsatz:

1. Für die Beanstandung eines Bieters, ihm würden mit den Vergabeunterlagen Angaben abverlangt, die objektiv nicht möglich und deshalb vergaberechtswidrig seien, beginnt die Rügefrist des § 107 Abs. 3 GWB spätestens mit dem Beginn der Ausarbeitung des eigenen Angebots, weil der Bieter jedenfalls zu diesem Zeitpunkt den aus seiner Sicht rügebedürftigen Inhalt der Ausschreibung festgestellt hat und ihn dann gegenüber dem Auftraggeber nicht mehr unbeanstandet lassen darf.

2. In der Abgabe eines vom Ausschreibungsinhalt abweichenden Angebots liegt nicht ohne weiteres eine durch schlüssiges Verhalten erhobene Rüge, dass die anderslautenden Vorgaben des Auftraggebers vergaberechtswidrig seien.

 
OLG Dresden
Beschluss vom 11.09.2006
WVerg 0013/06

Ausschluss eines Angebots wegen unzulässiger Mischkalkulation

 
Eine "Richtlinie" des OLG Dresden, wann eine unzulässige Mischkalkulation vorliegt:

amtlicher Leitsatz:

1. Der Ausschluss eines Angebots gem. den §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 l), 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A wegen unzulässiger Mischkalkulation setzt die Feststellung voraus, dass der betroffene Bieter in seinem Angebot Preisverlagerungen, d.h. in einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses Abpreisungen und an anderer Stelle kompensatorische Aufpreisungen mit dem Ergebnis vorgenommen hat, dass die in den jeweiligen Positionen angegebenen Preise von den ohne Berücksichtigung der Preisverschiebung tatsächlich geforderten Preisen abweichen.

2. Zur Darlegungs- und Beweislast, wenn die Vergabestelle dem durch die Angebotsgestaltung ausgelösten Verdacht einer unzulässigen Mischkalkulation durch Nachfrage bei dem betroffenen Bieter nachgeht.

 
OLG Dresden
Beschluss vom 01.07.2005
WVerg 7/05

Bei Doppelangeboten ist der Bieter auszuschließen

Hat die Vergabestelle eindeutig aufgefordert, ein Angebot entweder für ein Misch- oder Gesamtlos oder für ein Einzellos getrennt abzugeben, muss der Bieter ausgeschlossen werden, wenn er für beides Angebote abgibt. Bei Doppelangeboten ist dann ein eindeutiger Wille des Anbietenden nicht mehr sicher ermittelbar, wenn der Angebotsinhalt grundsätzlich differieren kann.

VK Arnsberg, Beschluss vom 23.06.2005 – VK 05/05

 

Volltext:

Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg

Beschluss

VK 05/05

GWB § 107 Abs. 2; VOB/A § 21 Nr. 2
Da bei Doppelangeboten der Wille des Anbieters nicht mehr eindeutig für die Vergabestelle ermittelbar ist, sind diese Angebote zwingend auszuschliessen.*)
VK Arnsberg, Beschluss vom 23.06.2005 – VK 05/05

In dem Nachprüfungsverfahren

….

wegen

fehlerhafter Wertung von Nebenangeboten im Rahmen des Verfahrens zum Ausbau der A 1 im Bereich Hagen/Schwerte von Station 62,4 bis 64,32 (Autobahnkreuz Westhofen), Baulos A 1.9 b III, Fachlos A Strecke sowie Fachlos B Lärmschutz

hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg durch die Vorsitzende Frau Regierungsdirektorin Hugenroth, das hauptamtliche Mitglied Herrn Dipl.-Ing. Wiegard und das ehrenamtliche Mitglied Herrn Assessor Meinolf Niemand, Handwerkskammer Arnsberg, Brückenplatz 1, 59821 Arnsberg, aufgrund der Aktenlage am 23.06.2005 beschlossen:

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens und die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin.

3. Die Gebühr der Vergabekammer wird aufxxxx€ festgesetzt. Sie ist mit Bestandskraft dieser Entscheidung fällig und unter Angabe des
…. einzuzahlen.

I.
Sachverhalt::

Die Antragsgegnerin hat die Leistung des Ausbaus im o.g. Steckenabschnitt in zwei Fachlosen (Fachlos A: "Streckenbau" und Fachlos B: "Lärmschutzwandarbeiten") im offenen Verfahren nach Abschnitt 2 der VOB/A im Juni 2004 ausgeschrieben. Hinsichtlich der Abgabemodalitäten für das Angebot enthielt die Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Ziffer 12 folgenden Wortlaut: "Die Baumaßnahme ist in das Fachlos A "Strecke" und das Fachlos B "Lärmschutz" aufgeteilt. Der Bieter/die Bietergemeinschaft kann die Bauleistungen entweder als Mischlos (Fachlos A und B) oder als einzelnes Fachlos (Fachlos A oder B) anbieten."
Die Ausschreibungsunterlagen enthielten entsprechende vorbereitete Angebotsschreiben zu der Variante eines Gesamtloses sowohl als auch zu der Variante der Abgabe von einzelnen Fachlosen. Die Antragstellerin hat sämtliche Angebotsschreiben ausgefüllt und unterschrieben und abgegeben. Dabei sind die Preise des Gesamtangebotes und die Preise der einzelnen Fachlose identisch. Darüber hinaus hat die Antragstellerin insgesamt sieben Nebenangebote vorgelegt, von denen lediglich die Angebot Nr. 1 und 7 als gleichwertig und brauchbar gewertet worden sind. Die Nebenangebote 3 und 4 wurden als nicht gleichwertig und nicht brauchbar betrachtet von Seiten der Vergabestelle, da das angebotene Material (Schmelzkammergranulat 0/8 als Filtermaterial) aufgrund seiner Sieblinie 0/8 mm schlechtere Filtereigenschaften als das ausgeschriebene gebrochene Naturstein 2/32 mm besitze. Die Vergabestelle hat der Antragstellerin im Rahmen der Informationsschreiben nach § 13 VgV mitgeteilt, dass sie beabsichtige den Zuschlag an eine andere Bieterin zu erteilen, weil aufgrund der durchgeführten Wertung das Angebot nicht als das wirtschaftlichste zu betrachten sei. Die Antragstellerin hat diese Vorgehensweise mit Schreiben vom 28.04.2005 gerügt mit der Begründung, dass die Nebenangebote 3 und 4 aufgrund der Gleichwertigkeit, die sich wiederum aus der beigelegenen Eignungsnachweisprüfung der S. GmbH vom 30.04.2005 ergeben solle, zu Unrecht aus der Wertung ausgeschlossen worden seien.

Nach Zurückweisung der Rüge mit Schreiben vom 03.05.2005 durch die Vergabestelle hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11.05.2005 Antrag auf Nachprüfung bei der Vergabekammer in Arnsberg gestellt, den diese mit Schriftsatz vom gleichen Tage der Vergabestelle zugestellt hat.

Nach Vorlage der Akten und dem Eingang der Stellungnahme der Vergabestelle vom 20.05.2005 hat die Vergabekammer sodann die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei ohne Anberaumung eines mündlichen Termins aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, da ausweislich der vorgelegten Akten die Antragstellerin sowohl ein Gesamtangebot als auch dasselbe Hauptangebot aufgeteilt in die Teillose A und B vorgelegt habe.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass bei Wertung von ihr, insbesondere der von ihr vorgelegten Nebenangebote Nr. 3 und 4, das preisgünstigste Angebot vorgelegt worden sei. Diese Nebenangebote müssten aufgrund der als gleichwertig nachgewiesenen Materialien auch gewertet werden. Entgegen der Auffassung der Vergabestelle sei der Eignungsnachweis des unabhängigen Prüfungsbüros S. vom 30.04.2005 definitiv beim Angebot dabei gewesen, hierzu benennt die Antragstellerin einen Zeugen, der als Kalkulator bei der Antragstellerin tätig ist und persönlich den Eignungsnachweis in das Kuvert mit den Angebotsunterlagen gesteckt haben soll.
Im Übrigen sei die Antragstellerin aufgrund der in Ziffer 12 der Ausschreibungsbedingungen niedergelegten Formulierung im Zusammenhang mit den Vorschriften der Ziffer 3.5 zur Rückgabepflicht der EFB-Blätter gehalten gewesen alle den Ausschreibungsunterlagen zugehörigen Blätter zurückzugeben. Die gewählte Form der Ausschreibung durch die Antragsgegnerin entspräche der einer zulässigen Parallelausschreibung. Andernfalls hätte die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin ausschließen müssen. Auch die in einander greifende Art der Nebenangebote insbesondere des Nebenangebots Nr. 6 und 7 der Antragstellerin zeige, dass kein sachlicher Grund darin bestände, ein Gesamtlosangebot als Alternative zu einer Fachlosvergabe vorzusehen. Die Eindeutigkeit des Angebots der Antragstellerin ergäbe sich auch daraus, dass die Angebotsteile A und B identische Preise wie die entsprechenden Teile des Gesamtloses enthielten. Vertrete man aber die Auffassung, dass das Angebot der Antragstellerin unbestimmt sei, dann sei dieses auf die unklare Form der Ausschreibung zurückzuführen, so dass hierin eher ein Aufhebungsgrund zu sehen sei.
Hinsichtlich des Ausschlusses der Nebenangebote 3 und 4 legt die Antragstellerin unter dem Angebot weiterer Sachverständigengutachten als Beweis dar, dass das geforderte Material des Natursteins in der Körnung 2/32 mm regelmäßig einen entsprechend hohen Feinkornanteil habe, dem gegenüber das angebotene Schmelzkammergranulat mindestens als gleichwertig anzusehen sei. Die von der Vergabestelle zusätzlich benannte Belastbarkeit des Materials sei als nachträglich eingeführtes Wertungskriterium nicht zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Abläufe im Eröffnungstermin vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass der Eignungsnachweis (Gleichwertigkeitsnachweis des Ingenieurbüros Schniering) versehentlich vom Angebot getrennt worden sei während der Eröffnung des Angebots.

Die Antragstellerin beantragt:

1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Zuschlag im offenen Verfahren bezüglich des Auftrages "Sechsstreifiger Ausbau der A 1 im Bereich Hagen / Schwerte von Stat. 62,400 bis Stat. 64,320 (AK Westhofen) – Baulos A 1.9 b III. Fachlose A "Strecke" (Erd-, Entwässerungs-, Straßenoberbau-, Brückenbau- und Teilausstattungsarbeiten) Fachlos B "Lärmschutz": Lärmschutzwandarbeiten an die Bietergemeinschaft Bickhardt Bau AG, 36257 Kirchheim, zu erteilen.

2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet den Zuschlag an die Antragstellerin zu erteilen.

3. Hilfsweise für die Fälle des § 114 Abs. 2 GWB:
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Bieterrechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt wurde.

4. Die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin wird gemäß § 128 Abs. 2 GWB für notwendig erklärt.

5. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Antragsgegnerin beantragt

den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Nebenangebote Nr. 3 und 4 der Antragstellerin nicht gewertet werden können, da die Gleichwertigkeit nicht nachgewiesen ist und da insbesondere der fehlende Eignungsnachweis der S. GmbH nicht dem Angebot beigelegen habe. Sie verweist hierzu auf die Lochung des Angebots und die Verfahrensweise bei der Öffnung der Angebote die sicherstelle, dass die vorgelegten Unterlagen lückenlos dokumentiert sind. Darüber hinaus sei das beschriebene Material ungeeignet, was dazu führen könne, dass die ausgeschriebenen Sickerstränge auf diese Art und Weise verstopfen.
Die Vergabestelle vertritt im Hinblick auf den weiteren Sachvortrag der Antragstellerin ferner die Auffassung, dass die Antragstellerin seinerzeit eindeutig drei Angebote abgegeben habe in Form eines Angebots für das Fachlos A, eines Angebots für das Fachlos B und ein Gesamtangebot für beide Fachlose. Da dies nach dem eindeutigen Wortlaut der Ausschreibung nicht zulässig gewesen wäre, habe das Angebot ausgeschlossen werden müssen und im übrigen widersprächen sich die abgegebenen Angebote auch, da der Wertungsvorteil bei Fachlosangebot A nur mit einer Bauzeitverkürzung von 16 Tagen habe berücksichtigt werden können, während bei der Mischlosvergabe ein Wertungsvorteil von 17 Tagen zu berücksichtigen gewesen wäre. Aus diesem Grunde seien die Erklärungen des Bieters auch nicht als eindeutig anzusehen und daher auszuschließen.
Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.
Gründe:

1. Zulässigkeit

1.1 Zuständigkeit der Vergabekammer
Die Vergabekammer in Arnsberg ist für die Entscheidung über den Antrag gem. § 2 Abs. 2 u. 3 der Zuständigkeitsverordnung für Nachprüfungsverfahren des Landes Nordrhein-Westfalen (ZuStVONpV NRW) vom 23.02.1999 (SGV. NW. Nr. 630) zuständig, weil die Vergabestelle als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich der Kammer -Regierungsbezirk Arnsberg- hat .

1.2. Öffentlicher Auftraggeber
Auftraggeber ist die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das das Land Nordrhein-Westfalen – ein öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 1 GWB -, hier handelnd durch einen nicht selbständigen Landesbetrieb.

1.3 Auftrag nach § 99 GWB
Der für Bauaufträge, wie dem hier vorliegenden Auftrag nach § 99 Abs. 3 GWB, geltende Schwellenwert von 5 Mio. Euro (§ 2 Nr. 4 VgV i.V.m. § 100 Abs. 1 GWB) ist bei der Angebotssumme überschritten.
Ein Zuschlag ist noch nicht erteilt (§ 114 Abs. 2 Satz 1 GWB).

1.4 Antragsbefugnis
Die Antragstellerin ist nicht antragsbefugt.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags erforderlich, "aber auch ausreichend, dass der den Nachprüfungsantrag stellende Bieter schlüssig behauptet, welche vergaberechtlichen Vorschriften im Verlauf des Vergabeverfahrens verletzt worden sein sollen und er ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf die Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften zurück zu führen ist." (Leitsatz Nr. a im Beschluss des BGH vom 18.05.2004, Az.: XZB 7/04)
Der BGH kommentiert in dieser Entscheidung die Grundlage der Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB.

Die Antragstellerin hat die fehlerhafte Wertung ihrer Nebenangebote 3 und 4 gerügt und darlegt, dass ihr aufgrund dieser fehlerhaften Wertung ein Schaden erwächst, wenn sie nicht den Zuschlag erhält (Verstoß gegen § 25 Nr. 4 i.V.m. § 21 Nr. 2 VOB/A).

Das Angebot der Antragstellerin ist jedoch aus einem anderen Grund auszuschließen. Mit der Abgabe des Doppelangebots A/B als Misch- oder Gesamtlos und der getrennten Angebote für die einzelnen Fachlose A und B hat die Antragstellerin ein Doppelangebot abgegeben, das gegen § 21 Nr. 1 Abs. 1 u. 2 VOB/A verstößt.
Nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A sollen die Angebote nur die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten. Hier war eindeutig für das Angebot entweder die Abgabe eines Angebots für ein Misch- oder Gesamtlos oder für eins der beiden Einzellose getrennt abzugeben. Der Bieter hatte mithin die Wahl, seine Preise für ein Gesamtangebot zu kalkulieren oder Angebote für die einzelnen Fachlose abzugeben.

Die Vergabestelle hat dies auch eindeutig mit dem Wort "oder" formuliert. Sie wollte und musste bei allem Bestreben möglichst viele Kombinationsmöglichkeiten zu erschließen vermeiden, dass Doppelangebote für dieselbe Leistung abgegeben würden, die ggf. noch hätten im Preis differieren können (was für das Angebot der Antragstellerin nicht zutrifft).

Bei Doppelangeboten ist ein eindeutiger Wille des Anbietenden nicht mehr sicher ermittelbar, wenn der Angebotsinhalt grundsätzlich differieren kann. Dies wird auch im vorliegenden Fall sichtbar:
Obwohl das Zahlenwerk der Hauptangebote identisch ist, differieren die Nebenangebote insbesondere die Nebenangebote 6 und 7, die mal für das Fachlos A eine Bauzeitverkürzung von 16 Werktagen und mal eine Bauzeitverkürzung von 17 Werktagen anbieten.

Da nach der Ausschreibung die Nebenangebote zur Bauzeitverkürzung sich nur auf das Fachlos A beziehen dürfen und die Ausführungszeiten des Fachloses B nicht tangieren dürfen, ist mithin die Zuordnungbarkeit und Wertbarkeit des Nebenangebotes Nr. 7 zweifelhaft.

Gleichzeitig würden diese Art Doppelangebote auch zu unterschiedlichen Vertragsinhalten führen können, so dass sie grundsätzlich nicht zugelassen werden können. Anders als in der von der Antragstellerin beschriebenen Parallelausschreibung handelt es sich im vorliegenden Fall auch nur um ein Verfahren mit einem Leistungsgegenstand. Die von der Antragstellerin als u. U. zulässig beschriebenen Parallelverfahren jedoch beziehen sich auf zwei Vergabeverfahren.

Aus diesem Grund liegt in der Abgabe des Doppelangebotes zugleich ein Verstoß gegen § 21 Nr. 2 VOB/A, weil damit die Verdingungsunterlagen verändert worden sind. Die Vorgehensweise der Vergabestelle, sich eine Version herauszusuchen oder grundsätzlich nur auf die Gesamtangebote abzustellen, ist willkürlich und auch nicht zulässig, was die Vergabestelle in ihrem Schriftsatz vom 07.06.2005 auch einräumt.

Zu dieser Sach- und Rechtslage hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 18.02.2003, Az.: XZB 43/02, folgendes ausgeführt:
"Ist aber ein Angebot nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A Abschnitt 2 auszuschließen, so kann die Aufhebung der Ausschreibung Interessen der Antragstellerin nicht mehr berühren…"
und "es wird deshalb keine Rolle spielen können, dass der Antragsgegner möglicherweise den nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A Abschnitt 2 gegebenen Ausschlusstatbestand zunächst nicht erkannt und/oder bei früheren Wertungen der abgegebenen Angeboten nicht berücksichtigt hatte."
Auf der Basis dieser rechtlichen Zuordnung fehlt der Antragstellerin bereits die Antragsbefugnis, da ihr Angebot aus ganz anderen Gründen als den von ihr oder der Vergabestelle angenommenen ausgeschlossen werden muss.
Selbst wenn man den Vortrag der Antragstellerin zur Frage der Wertbarkeit der Nebenangebote als richtig und erwiesen unterstellte, wäre ein Zuschlag auf ihr Angebot aus den oben skizzierten Gründen ausgeschlossen.
Sie kann durch den Fortgang des Verfahrens grundsätzlich nicht mehr in ihren Rechten verletzt sein und einen Schaden erleiden.
Eine Ausnahme wäre nur anzunehmen, wenn das Verfahren mit einem so schwerwiegenden Fehler behaftet ist, dass es aufzuheben ist oder eine Neuausschreibung erforderlich wird, weil alle anderen Angebote ebenfalls auszuschließen wären. Die von der Antragstellerin hier angedachte Aufhebung mangelnder Eindeutigkeit der Ausschreibungsunterlagen sieht die Kammer nicht. Die Begründung der Antragstellerin, sie sei aufgrund der Formulierungen der Angebotsunterlagen gehalten gewesen alle Formblätter mithin auch alle Angebotsvariante abzugeben, ist nicht haltbar. Die Angebotsschreiben sind klar als Alternativen gekennzeichnet. Wie die Antragstellerin richtig zitiert, wird aus Ziffer 12 der Aufforderung zur Angebotsabgabe auch klar, wie die LV-Teile zu betrachten sind.
Die Ziffer 3.5 der Bewerbungsbedingungen bezieht sich auf Formblätter zur Preisaufgliederung, die mit den Formblättern Angebotsschreiben [HVA B-StB – Angebot 2 (12/02) -LS.NRW] nichts zu tun haben und nicht Vertragsbestandteil werden. Diese Formblätter dienen entsprechend der jeweiligen Kalkulationsmethode der Bieter der Erläuterung der Preisbildung und haben nichts mit der Frage zu tun, ob die Antragstellerin sich zur Abgabe eines Gesamtangebots oder eines fachlosbezogenen Angebots entschließt. Darüber hinaus waren sie im vorliegenden Fall den Verdingungsunterlagen nicht beigefügt. Eine Aufhebung aus Gründen der mangelnden Bestimmtheit der Ausschreibung auf dieser Basis ist nicht möglich.

2. Fehlende Begründetheit
Der Nachprüfungsantrag wäre allerdings aus Sicht der Kammer auch unbegründet.
Unabhängig von der Frage, ob die Zeugenaussage auch erweisen könnte, dass die Stellungnahme des Ingenieurbüros S. bei der Angebotsabgabe vorgelegen hätte, hat die Vergabestelle bei der Beurteilung des Vortrags zur Gleichwertigkeit eines Nebenangebots nach § 21 Nr. 2 VOB/A einen weiten Beurteilungsspielraum.

Sie ist keineswegs verpflichtet, dieselbe Fachmeinung zu dem Material zu vertreten, wie das Ingenieurbüro S.. Unstreitig ist darüber hinaus, dass das angebotene Austauschmaterial einen hohen Feinkornanteil hat und die Antragsgegnerin trägt vor, dass bei der Ausschreibung mit der Körnung 2/32 mm ein Material "ohne die Anteile von 0 bis 2 mm" zu erwarten gewesen sei, so dass die Sickerrohre weniger belastet würden.

Zum einen ist die Vergabestelle insoweit auch an die Ausschreibungsunterlagen gebunden, sie ist aber auch nicht verpflichtet, bei Zweifeln diese gutachtlich klären zu lassen. Entscheidend ist, dass ihre Zweifel nicht sachfremd oder willkürlich begründet werden.

Die gutachterliche Bewertung S. des angebotenen Materials liegt den gelochten Unterlagen eindeutig nicht bei. Inhaltlich hätte sie den Nebenangeboten zugeordnet sein müssen, also in der Nähe der Nebenangebote 6 und 7 eingeordnet sein müssen, also etwa als Seite 40 nach dem Nebenangebot 7 (bei sachgerechter Ordnung der Angebotsunterlagen).

Die Antragstellerin trägt vor, dass der benannte Zeuge das mehrseitige Papier in das Kuvert mit den Antragsunterlagen als letztes Dokument der Unterlagen gesteckt habe. Die Aussage des Zeugen kann somit in keinem Fall erweisen, dass die Unterlage tatsächlich in den Herrschaftsbereich der Antragsgegnerin mit dem Angebot gelangt ist. Aufgrund der nicht zu beanstandenden Verfahrensweise der Antragsgegnerin bei der Eröffnung der Angebote ist kein Anlass gegeben, anzunehmen, dass das Gutachten entfernt worden sei. Letztlich kommt es aber vor dem Beurteilungsspielraum der Antragsgegnerin auch nicht darauf an, da sie unter keinem Gesichtspunkt verpflichtet wäre, das angebotene Material zu akzeptieren.

Die Vergabekammer war auch berechtigt, ohne mündlichen Termin nach Aktenlage zu entscheiden.
Nach § 112 GWB ist eine solche Entscheidung zulässig bei unzulässigen Anträgen oder mit Zustimmung aller Beteiligten. Die Vergabekammer ist der Auffassung, dass der vorliegende Antrag unzulässig ist. Die Antragstellerin hatte aber auch dem Verfahren zugestimmt. Die Antragstellerin ist mit Schreiben vom 01.06.2005 aufgefordert worden, sich dazu zu erklären. Die Antwort vom 03.06.2005 enthielt keinen Widerspruch zu dieser Absicht, sondern sie verhält sich ausschließlich zur Frage des doppelten Angebots und der Auslegung der Ausschreibungsunterlagen, so dass die Kammer auch hier von einer Zustimmung der Antragstellerin zur Entscheidung nach Aktenlage ausgehen konnte.

Erst mit dem nachgereichten Schreiben vom 08.06.2005 lässt die Antragstellerin diesbezüglich unter Punkt 1 Zweifel anklingen. Diese betrachtet die Kammer als verspätet.

III.
Kostenentscheidung:

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 128 Abs. 1 und 3 GWB.
Gem. § 128 Abs. 1 sind für Amtshandlungen der Vergabekammer Kosten zur Deckung des Verwaltungsaufwands zu erheben. Die Höhe der Gebühren bestimmt sich nach § 128 Abs. 2 GWB nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Dieser wiederum ergibt sich aus dem Angebot der Antragstellerin .
Der Gebührenrahmen wurde vom Gesetzgeber auf eine Mindestgebühr von 2.500,00 € und eine Höchstgebühr von 25.000,00 € festgesetzt, wobei im Einzelfall bei außergewöhnlich hohem Aufwand oder entsprechend hoher wirtschaftlicher Bedeutung eine Erhöhung auf 50.000,00 € möglich ist (Gesetz zur Umstellung von Gesetzen und Verordnungen im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf Euro (9. Euroeinführungsgesetz) vom 10.11.2001 – BGBl. I. S. 2992, Art. 7, Ziff. 5).

Die Tabelle des Bundeskartellamtes zur Gebührenhöhe in Abhängigkeit vom Ausschreibungswert, d.h. im Regelfall dem geschätzten Auftragswert bzw. dem strittigen Angebotspreis endet bei einem Auftragsvolumen von 150 Mill. € und sieht dafür eine Gebühr von 25.000 € vor.
Für das hier in Rede stehende Angebot von xxx€ sieht die Tabelle eine Gebühr von xxxx€ vor.

Gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB hat der Antragsteller, der vor einer Vergabekammer unterliegt, die Kosten zu tragen. Mithin hat die Antragstellerin diese Kosten zu tragen. Entsprechendes gilt grundsätzlich für die Kosten der Antragsgegnerin gemäß §128 Abs. 4 S. 2 GWB.

IV.
Rechtsmittelbelehrung:

…..

Rücknahme von ebay Angeboten nur ausnahmweise zulässig

Das Einstellen eines Warenangebots auf der Webseite von eBay zwecks Durchführung einer Online-Auktion begründet ein verbindliches Angebot. Die Wirksamkeit eines solchen verbindlichen Angebots wird durch die nach den eBay-Grundsätzen mögliche vorzeitige Beendigung der Auktion nicht berührt. Seine Willenserklärung kann der Anbieter nur im Wege der Anfechtung beseitigen. (amtlicher Leitsatz)

Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg 8 U 93/05 (12 O 2731/04 Landgericht Osnabrück) vom 28. Juli 2005