Abbügeln abgewatscht

Die ZPO Reform des Jahres 2002 hat den Berufungsgerichten erweiterte Möglichkeiten gegeben, Rechtsmittel wie die Berufung eines ist, durch einstimmigen Beschluß zurückzuweisen, ohne daß es zu einer mündlichen Verhandlung gekommen ist (§ 522 Absatz 2 ZPO). In der Literatur häuft sich seit dem die Kritik, daß vor allen Dingen Oberlandesgerichte von diesem Mittel häufig in rechtsstaatswidriger Weise Gebrauch machen.

Dann muß immer wieder das Bundesverfassungsgericht eingreifen.

So jetzt in einem Fall des Oberlandesgerichts München, in dem ein Unfallopfer seinen Beruf aufgegeben hat, oder – so ahnt das Bundesverfassungsgericht – aufgeben mußte.

 Das OLG hatte dem Opfer vorgeworfen, daß es seinen Arbeitsvertrag von sich aus gekündigt hatte. Wie kaum anders zu erwarten, moniert das BVerfG, daß das OLG nicht geprüft hat, ob es zu dieser Kündigung angesichts der schweren Unfallfolgen überhaupt eine sinnvolle Alternative gegeben hat.

„Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Geschehnisse im Vorfeld der von ihr ausgesprochenen Kündigung legen einen derartigen Schluss jedoch unter keinem erkennbaren Gesichtspunkt nahe. … Dieser Sachverhalt bedurfte zwingend der rechtlichen Würdigung durch das Oberlandesgericht anhand der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Es liegt keineswegs auf der Hand, vielmehr sogar fern, von einem rein äußeren, gleichsam zufälligen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem im Gefolge der Kündigung des Arbeitsverhältnisses einhergehenden Verdienstausfall auszugehen, auch wenn die Kündigungserklärung auf dem eigenen Willensentschluss der Beschwerdeführerin beruht.“ sind nur einige der Ausführungen des BVerGs. 

An drei verschiedenen Stellen betont das BVerfG eine „willkürliche“ Vorgehensweise des OLG. Willkür, ausgeübt im Namen des Volkes, muß leider noch viel zu oft vom höchsten deutschen Gericht korrigiert werden.

 

Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte – Bundesverfassungsgericht und doch kein Ende? 

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.06.2006 konnte eigentlich davon ausgegangen werden, daß die Diskussion über den Rechtschutz im Unterschwellenbereich beendet gewesen sei. Eine Entscheidung des OVG NRW vom 12.01.2007 zeigt dagegen, daß dies noch nicht der Fall ist:

Das OVG NRW hat am 12.01.2007 (15 E 1/07) entschieden, daß gegen Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte und damit außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 97 ff. GWB grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.

In dem durch das OVG NRW zu entscheidenden Fall hatte ein Bieter, dessen Angebot im Rahmen eines Vergabeverfahrens im Unterschwellenbereich von der Wertung ausgeschlossen worden war, vor dem VG Gelsenkirchen Rechtsschutz gesucht. Er beantragte der Vergabestelle im Wege einer einstweiligen Verfügung aufzugeben, den Zuschlag vorerst nicht zu erteilen und die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung seines Angebots zu wiederholen. Das Verwaltungsgericht sah den Verwaltungsrechtsweg für eröffnet an. Hiergegen erhob die Vergabestelle Beschwerde zum OVG.

Das OVG NRW hat die Beschwerde zurückgewiesen und sowohl die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs für Vergaben außerhalb des Anwendungsbereichs des Vergaberechts als auch die Einordnung der Vergabe öffentlicher Aufträge als zweistufigen Vorgang bestätigt.

Nach dieser Entscheidung befasse sich die erste Stufe mit einem ein streng formalisierten Auswahlverfahren auf der Grundlage der Vorgabe der Verdingungsordnungen, dessen Ergebnis als hoheitliche Entscheidung verwaltungsgerichtlich überprüfbar sein müsse.

Das Gericht führte aus, daß der öffentlich-rechtliche Charakter des auf der ersten Stufe zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bestehenden Gleichordnungsverhältnisses daraus folge, dass dieses Sonderregelungen unterworfen sei, die nur für Träger öffentlicher Aufgaben gelten. Es sei unerheblich, dass die erste Verfahrensstufe ihren Abschluss nicht in einer eigenständigen formalisierten Entscheidung finde. Dies sei kein Strukturmerkmal zweistufiger Rechtsverhältnisse. Darüber hinaus müsse beachtet werden, dass die Einhaltung der Verdingungsordnungen den Trägern öffentlicher Gewalt durch Verwaltungsvorschriften verbindlich vorgegeben sei. Nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG könne dies im Außenverhältnis auch von den Bietern gefordert werden.

Diese Frage sei auch nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 13.06.2006 (1 BvR 1160/03) gewesen. Mithin hindere diese Entscheidung nicht, den Verwaltungsgerichtsweg für eröffnet zu halten. Jedoch wurde durch das OVG die Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung habe.

 

Die Entscheidung im Volltext können Sie auf der Seite des Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen nachlesen.