Eigenverantwortliche Entscheidung der Vergabestelle notwendig

Die Verantwortung der Vergabestelle kann nicht zu 100 % auf externe Berater abgewälzt werden. Sie muss vielmehr die wesentlichen Entscheidungen des Vergabeverfahrens selbst treffen.

Entscheidung im Volltext: 

2. Vergabekammer des Landes Brandenburg

beim Ministerium für Wirtschaft

GWB § 97 Abs. 1, 2, 5; VOB/A § 7 Nr. 1, § 9 Nr. 3 Abs. 1, § 21 Nr. 1, 2, § 22 Nr. 3 Abs. 2, § 25 Nr. 1

1. Die Auftraggeberin kann im Vergabeverfahren eine Beratung durch Sachverständige in Anspruch nehmen. Sie darf aber nicht alle Entscheidungen in dem Verfahren an den Berater delegieren und ihre Mitwirkung an dem Verfahren auf das "Abnicken" beschränken. Sie muss die Angebote prüfen und über eigenverantwortlich mögliche Ausschlussgründe und den Zuschlag entscheiden.*)

2. Der Auftraggeberin obliegen auch Sorgfaltspflichten einerseits den Bietern gegenüber, andererseits der öffentlichen Hand oder denen, die auf seine Dienstleistung angewiesen sind, keine Alternative haben und deshalb die geforderten Preise zahlen müssen. Ihr obliegt die Durchführung eines ordentlichen Vergabeverfahrens, das vor allem sichern soll, dass die geforderte Leistung zu einem möglichst günstigen Preis erbracht wird.*)

3. Die Forderung der Wiederholung der Produktbezeichnung eines vorgegebenen Leitproduktes, wenn dieses angeboten wird, hat keinen Informationswert und sollte deshalb auch den Ausschluss eines solchen Angebotes nicht rechtfertigen. Der Grundsatz der Klarheit des Angebotes kann konterkariert werden, wenn die Auftraggeberin Erklärungen fordert, die überflüssig und für die Wertung des Angebotes nicht erforderlich sind.*)

4. Müssen zehn von elf Bietern aufgrund der an der BGH-Rechtsprechung orientierten, hohen formalen Anforderungen des Auftraggebers ausgeschlossen werden, so muss dem Auftraggeber ein Ermessen offen bleiben, den Auftrag an den letzten verbleibenden, bei Angebotseröffnung an achter Stelle liegenden Bieter zu vergeben oder im Hinblick auf die Anforderungen des § 97 Abs. 5 GWB und des Haushaltsrechts die Ausschreibung aufzuheben.*)

In dem Nachprüfungsverfahren betreffend das Vergabeverfahren "Sanierung der Aufbereitung im Wasserwerk …

Verfahrensbeteiligte: 

….

hat die 2. Vergabekammer auf die mündliche Verhandlung am 7. April 2006 durch den Vorsitzenden Ministerialrat Wolf, die hauptamtliche Beisitzerin Ministerialrätin Herrmann und den stellvertretenden ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Meyer beschlossen:

1. Die Antragstellerin ist in ihren Rechten verletzt worden. Die Entscheidung der Auftraggeberin über den Zuschlag an die Beigeladene wird aufgehoben.

2. Der Auftraggeberin wird aufgegeben, das Angebot der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu werten.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin.

4. Die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes war aufseiten der Antragstellerin erforderlich.

5. Der von der Antragstellerin eingezahlte Kostenvorschuss in Höhe von 2.500,00 EUR wird an sie zurückgezahlt.

 

Gründe

I.

Die Auftraggeberin hat u.a. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom … 2005 die Ausschreibung der "Sanierung der Aufbereitung im Wasserwerk … – aufgeteilt in vier Lose – im Wege eines Offenen Verfahrens bekannt gemacht. Der geschätzte Auftragswert des Bauvorhabens lag bei ca. X Mio. EUR. Von mehreren Unternehmen wurden die Verdingungsunterlagen abgefordert.

Die Ausschreibungsunterlagen einschließlich eines Bauablaufplanes mit den vorgesehenen Arbeitszeiten insgesamt und bezüglich der Teillose, waren von dem von der Auftraggeberin beauftragten Beratungsbüro C… erarbeitet und laut Schreiben der Auftraggeberin vom 26.10.2005 wegen Zeitmangels nur "stichprobenartig" durchgesehen und geprüft worden. Das Formular EVM (B) BwB/E 212 "Bewerbungsbedingungen" war den Verdingungsunterlagen beigefügt. Für die Lose waren neben den allgemeinen Teilnahmebedingungen – persönliche Lage des Wirtschaftsteilnehmers, wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit – jeweils als besondere Teilnahmebedingungen insbesondere zur technischen Leistungsfähigkeit unter III.2.3) gefordert.

"Los 2: Anlagentechnik: Lebenslauf Bauleiter (Ingenieur), Lebenslauf Montageleiter (Ingenieur), Lebenslauf Polier, Lebenslauf Obermonteur, Großer Eignungsnachweis (Schweißtechnik)/Schweißerzeugnisse, Führungspersonal spricht Projektsprache (Deutsch), Zulassung als Fachbetrieb gem. § 19 l WHG, Nachweise zur technischen Leitung oder Qualitätskontrolle, Nachweis Mitgliedschaften BG, Regionale Erfahrung in Brandenburg/Berlin, Spezifische Erfahrungen im Anlagenbau Trinkwasser unter laufenden Betriebsbedingungen, Spezifische Erfahrungen im Rohrleitungsbau Lüftungstechnik, Spezifische Erfahrungen mit Arbeiten in der Wasserschutzzone II, Anzahl der Kunden ähnlicher Projekte, Anzahl der vergleichbaren Projekte, Referenzschreiben von Kunden, DVGW-Bescheinigung W1, DVGW-Bescheinigung G1, Fachbetrieb nach § 19 (2) 2 WHG."

Im Leistungsverzeichnis (LV) zu Los 2 wurde in der Position 1.1.130 – Leitendes Ingenieur-Personal – eine Zeitangabe und ein Geldbetrag zu folgender Beschreibung gefordert:

"… Dabei darf sich seine Anwesenheit vor Ort nicht nur auf Stichproben beschränken, sondern er hat die Pflicht, die wichtigen Bauabschnitte von denen das Gelingen des Anlagenbaus abhängt, persönlich unmittelbar zu überwachen und sich während, sowie nach der Ausführung der Arbeiten von deren Ordnungsmäßigkeit zu überzeugen.

Der Ingenieur hat an mindestens drei Tagen der Kalenderwoche auf der Baustelle ganztägig anwesend zu sein. …"

In Position 1.1.140 – Leitender Obermonteur – wurde die Forderung eines Geldbetrages wie folgt umschrieben:

"ist ganztätig während der Baumaßnahmen vor Ort anwesend."

Im Übrigen waren im LV für eine große Zahl einzelner Positionen Produkte gefordert, für die ein Leitprodukt angegeben war, es aber den Bietern freigestellt wurde, gleichwertige Produkte anzubieten. Sowohl bei der Wahl des Leitproduktes wie bei dem Angebot eines gleichwertigen Produktes waren diese mit Hersteller- und Typ-Angabe zu bezeichnen. Neben dem in Preisen ausgedrückten Angebot forderte der Auftraggeber mit Formschreiben EVM(B) A EG 211 EG vom 21.11.2005 die Qualifikation durch entsprechende Nachweise zu belegen. Sie verlangte weiter ergänzende Erklärungen überwiegend auf Formblättern, u.a. zu den beteiligten Nachunternehmern, deren Qualifikation und für jeden eine Tariftreuevereinbarung. Im Formblatt 317 b war dazu gefordert, die eingeplanten Nachunternehmer bereits bei der Angebotsabgabe anzugeben. Den Verdingungsunterlagen lag auch ein Formular für einen Gewährleistungsvertrag bei, das nur für den Bieter Raum für eine Unterschrift vorsah und der mit der Auftragserteilung wirksam werden sollte. Außerdem war den Verdingungsunterlagen ein "Merkblatt zur Angebotsgestaltung und zum Verfahren" der Auftraggeberin beigefügt, in dem es heißt:

" 1. Es gelten die gesetzlichen zwingenden Ausschlussgründe … Danach sind Angebote auszuschließen, die nicht die geforderten Preisangaben und Erklärungen enthalten. Beispielhaft sind vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs … folgende Gründe zu nennen:

– …

– Fehlen von geforderten Angaben zu Parametern, die zur Kennzeichnung der angebotenen Leistung erforderlich sind, etwa geforderte Angaben zu Fabrikat, Hersteller und/oder Produkttyp.

2. Fehlen Nachweise, die nicht unter Zif. 1 fallen, also namentlich Eignungsnachweise …, ist die Eignung nicht nachgewiesen, sodass die Angebote unvollständig sind und, sofern sie nicht nach einer kurzen Nachforderungsfrist immer noch fehlen, ausgeschlossen werden. Satz 1 gilt nicht für solche Eignungsnachweise, deren Vorlage gemäß der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes zwingend innerhalb der Angebotsfrist gefordert war. …"

Fristgerecht reichten 23 Bieter ihre Angebote ein, die zum Submissionstermin am 20.12.2005 eröffnet wurden. Vertreter der Antragstellerin und der Beigeladenen waren dabei anwesend. Auf das Los 2 entfielen elf Angebote. Die Angebote weisen keine Kennzeichnungen auf, die nach der Öffnung erfolgen soll.

Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben jeweils ein Angebot nur auf das Los 2 – Anlagentechnik – ab. Danach lag das Angebot der Beigeladenen im Preis mit X.XXX.XXX,XX EUR an 5. Stelle, das der Antragstellerin mit X.XXX.XXX,XX EUR an 8. Stelle.

Die Angebote wurden von der C… ausgewertet. Dabei kam diese zu dem Ergebnis, dass nur zwei Angebote den Anforderungen der Verdingungsunterlagen entsprachen. Auch die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen waren danach bei der Abgabe unvollständig, jedoch in Bezug auf Angaben, die nachgefordert werden konnten und wurden.

Nachgefordert wurde von der Beigeladenen mit Schreiben vom 27.01.2006 die Erläuterung der Kalkulation wegen des Verdachts der Mischkalkulation zu diversen Positionen des LV sowie folgende Nachweise:

o eine DVGW-Bescheinigung W1, die auch von einem einzusetzenden Nachunternehmer erbracht werden konnte,

o die Erklärung, dass kein Insolvenzverfahren gegen den Bieter läuft und

o die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes.

Die Antragstellerin erläuterte ihre Kalkulation in den nachgefragten Positionen, u.a. zu Position 1.1.140 und reichte die nachgeforderten Informationen mit Schreiben vom 30.01.2006 fristgerecht nach. Die Beigeladene benannte einen zusätzlichen Nachunternehmer, die Firma T…, weil sie nach eigenen Angaben nicht über eine DVGW-Bescheinigung W 1 verfügte.

Bei der Antragstellerin wurde ebenfalls die Erläuterung diverser Angebotspositionen und die Übergabe von folgenden Nachweisen gefordert:

o die Zulassung als Fachbetrieb gem. § 19 l WHG,

o den Nachweis zur technischen Leitung oder Qualitätskontrolle,

o den Nachweis zur Mitgliedschaft in einer Berufsgenossenschaft,

o die DVGW-Bescheinigung W1 sowie

o einen Auszug aus dem Berufsregister.

In ihrem Schreiben vom 1.02.2006 erläuterte die Antragstellerin ihren Zeitansatz in der Position 1.1.140, erklärte, dass die geforderten Nachweise einschließlich einer DVGW-Bescheingung W 3 für einen ihrer Mitarbeiter bereits im Angebot vorlägen und fügte diese nochmals in Kopie bei. Die DVGW-Bescheinigung W 1 von den Firmen B… und L…, die jedoch nicht als Nachunternehmer im Angebot benannt waren, reichte sie nach.

Nur die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen wurden von der C… in den folgenden Stufen bewertet. In der 2. Wertungsstufe wurden die verbliebenen Bieter, die Beigeladene und die Antragstellerin, in Bezug auf Fachkunde und Leistungsfähigkeit verglichen und die Ergebnisse in einem undatierten Vermerk erläutert. In dieser Wertung wurden vor allem die Referenzprojekte insgesamt und zu den einzelnen Gewerken, die Erfahrungen in der Hauptstadtregion, die Umsätze, die Zahl der Mitarbeiter und die technische Ausrüstung des Betriebes berücksichtigt. Dabei erhielt die Beigeladene 311, die Antragstellerin u.a. wegen der fehlenden Referenzprojekte in der Hauptstadtregion, der fehlenden spezifischen Erfahrungen in den unterschiedlichen Gewerken, und der schlechteren Ausstattung mit Fachpersonal 250 von 410 möglichen Punkten. Das Bewertungsraster war den Bietern weder in der Vergabebekanntmachung noch in den Verdingungsunterlagen bekannt gemacht worden.

In der Position 1.1.130 unterscheiden sich die Angebote der Beigeladenen und der Antragstellerin erheblich. Das Angebot der Beigeladenen geht angesichts der klaren Zeitvorgaben im Leistungsverzeichnis von einer Anwesenheit des leitenden Ingenieur-Personals auf der Baustelle von 400 Stunden aus und nennt XX.XXX,XX EUR als Angebot, während die Antragstellerin von 1.248 Stunden ausgeht und die Position mit XX.XXX,XX EUR anbietet. Ähnlich ist der Unterschied bei der Position 1.1.140, die von der Beigeladenen mit XX.XXX,XX EUR auf der Basis von 600 Stunden Anwesenheit während der vorgegebenen Bauzeit für die Anlagentechnik vom 5.02.2007 – 25.05.2007 (16 Wochen) ausweislich ihres Schreibens vom 30.01.2006 angeboten wird, während die Antragstellerin, wie sie im Schreiben vom 1.02.2006 darlegt, von einer anderen Berechnung, nämlich einer Bauzeit von 14 Monaten bei 165 Arbeitsstunden/M, d.h. insgesamt von 2.310 Stunden Anwesenheit ausgeht und entsprechend die Position mit XXX.XXX,XX EUR anbietet. Die Antragstellerin benannte auf dem Formblatt 317 b nur einen Nachunternehmer und überreichte für diesen eine von beiden unterzeichnete Tariftreuevereinbarung, während die Beigeladene fünf Nachunternehmer benannte, jedoch nur für vier eine Tariftreuevereinbarung in Kopie beifügte. Für den Nachunternehmer S… lag die Tariftreuevereinbarung nicht vor. Außerdem war im Angebot der Antragstellerin das Formular für den Gewährleistungsvertrag rechtsverbindlich unterzeichnet, während die Beigeladene das Blankoformular zurück reichte. Daneben fehlten im Angebot der Beigeladenen die geforderte DVGW-Bescheinigung W 1 und im LV an verschiedenen Stellen die geforderten Hersteller-/Typ-Angaben.

Nach der Prüfung der angebotenen Preise ergab sich, dass das Angebot der Beigeladenen auch unter Berücksichtigung des von der Antragstellerin angebotenen 6%igen Abschlages deutlich – ca. 10 % – billiger war.

Unter dem Datum "Februar 2006" wurde ein "Bericht zur Angebotsprüfung und Vergabeempfehlung" von der C… erarbeitet und vorgelegt. In dem Bericht werden die Angebote mit Angebotssumme, Datum und Nebenangeboten genannt und jeweils pauschal das Ergebnis der Wertungsstufen 1 bis 4 dargestellt. Als Anlagen waren dem Bericht eine Tabelle "Ungeprüfte Angebotssummen", Positionsweiser Preisspiegel, die Tabelle "Geprüfte Angebotssummen" und die Tabelle "Übersicht geprüfte Angebotssummen" und Übersichten und Nachforderungsschreiben zu den Wertungsstufen 1 und 2 beigefügt. Weitere Verfahrensschritte oder Aufklärungsgespräche enthält der Bericht nicht. Im Ergebnis wird empfohlen, die Angebote von neun Bietern auf der ersten Wertungsstufe – überwiegend, aber nicht im Einzelnen erläutert, wegen fehlender Hersteller- oder Typenangaben – auszuschließen und dem preisgünstigsten Bieter, d. h. für das Los 2 dem Angebot der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen.

Nach einer Besprechung mit C… am 7.02.2006 bestätigte die Auftraggeberin mit Schreiben vom 8.02.2006 "…nach Prüfung der von Ihnen dargelegten Gründe …" den Ausschluss von neun der elf Bieter auf der 1. Wertungsstufe. Am 14.02.2006 wurde die Auswertung der weiter geprüften Angebote zu Losen 1 und 2 der Auftraggeberin gegenüber erläutert. Mit Schreiben vom 15.02.2006 wurde der C… mitgeteilt, dass die Auftraggeberin den Empfehlungen des Beraters folgen und die verbleibenden Bieter zu Los 2 – Beigeladene und Antragstellerin – zu einem Klärungsgespräch einladen werde. Die Einladung dazu wurde am gleichen Tag an die Bieter versandt. Darin wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Gespräch allein der Klärung des Angebotes, nicht aber für Nachverhandlungen dienen sollte.

Bei dem Gespräch der Auftraggeberin und der C… mit der Beigeladenen am 23.02.2006 wurden laut Protokoll der Beratungsfirma die Auskömmlichkeit der Preise, die Fähigkeit, den Bauablaufplan einzuhalten, der Ausschluss von Nachforderungen, die Hinterlegung der Urkalkulation, Rolle und Anwesenheit des verantwortlichen Bauleiters und Poliers, das grundsätzliche Verbot und die Vermeidung von Unregelmäßigkeiten, die Verbindlichkeit von Entscheidungen der Bauüberwachung durch die C…, die Koordinierung auf der Baustelle etc. erörtert und von der Beigeladenen bestätigt. Die Beigeladene legte darüber hinaus die Kalkulation und Durchführung einiger Positionen wie die Abrede eines Gewährleistungsvertrages bis zur Bauablaufberatung, die "saubere" Verarbeitung des Edelstahls, die Anerkennung der geprüften Angebotssumme als Auftragswert und dessen Auskömmlichkeit sowie einer größeren Zahl von Einzelpositionen dar und erklärte sie zur Zufriedenheit der Auftraggeberin.

Im Klärungsgespräch mit der Antragstellerin am gleichen Tage wurden laut Protokoll der C… im Wesentlichen die gleichen Punkte von der Auftraggeberin angesprochen. Weiter wurden auch von der Antragstellerin einzelne Positionen des LV dargelegt und zur Zufriedenheit der Auftraggeberin erklärt: die Ausführung der Edelstahlarbeiten, die Prüfung der Zulieferteile, Umfang und Auskömmlichkeit der Baustelleneinrichtung und der Werkstatt und Montageplanung etc.

Am 27.02.2006 wurde die Vergabekommission bei der Auftraggeberin, die mit deren Mitarbeitern besetzt war, über das Vergabeverfahren informiert. Die Empfehlungen der C… wurden ausweislich eines kurzen Protokolls beraten und es wurde entschieden, der Beigeladenen den Zuschlag beim Los 2 zum nachgerechneten Gesamtpreis von X.XXX.XXX,XX EUR brutto zu erteilen.

Am 27.02.2006 wurde von der Auftraggeberin zunächst ein unrichtiges, am 28.02.2006 dann das richtige Informationsschreiben nach § 13 VgV versandt und der Antragstellerin mitgeteilt, dass der Zuschlag nicht auf ihr Angebot, sondern das preislich günstigere der Beigeladenen erfolgen werde. Ihre Nebenangebote seien nicht gewertet worden, weil diese ausweislich der Vergabebekanntmachung nicht zugelassen worden seien.

Diese Entscheidung hat die Antragstellerin zunächst mit Fax vom 7.03.2006 gerügt und anschließend die Nachprüfung beantragt, nachdem die Verfahrensbevollmächtigte der Auftraggeberin die Rüge zurückgewiesen hatte.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Beigeladene zwingend auszuschließen sei, weil sie nicht über die für die ausgeschriebenen Arbeiten erforderliche und geforderte fachliche und technische Leistungsfähigkeit und Erfahrungen mit vergleichbaren Projekten, insbesondere nicht bei Trinkwasseranlagenbau verfüge. Ihr fehlten Erfahrungen bei der Montage von Edelstahlrohrleitungen und Edelstahltrinkwasserbauteilen, die bei dem ausgeschriebenen Vorhaben den großen Teil der Leistung ausmachten. Der von der Beigeladenen vorgesehene Bauleiter sei, gemessen an den Anforderungen, nicht hinreichend qualifiziert. Außerdem fehlten unter dem Gewährleistungsvertrag die für die Wirksamkeit notwendigen Unterschriften, sodass das Angebot unvollständig sei. Die Beigeladene habe auch nicht die Verfügbarkeit der von ihr vorgesehenen Nachunternehmer nachgewiesen. Auch die Angebote in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 – Entgelt für Bauleiter und Obermonteur – entsprächen nicht den Anforderungen, weil die Geldforderungen nicht der objektiv erforderlichen Arbeitszeit entsprächen, sondern von einem sehr viel geringeren zeitlichen Einsatz ausgingen. In Bezug auf die Facharbeiter würden trotz der geforderten Tariftreue-Erklärung unter dem regionalen Tariflohn liegende Löhne angeboten. Sollte die Tariftreue-Erklärung selbst nicht abgegeben worden sein, müsse das Angebot der Beigeladenen auch aus diesem Grunde ausgeschlossen werden. Wären die Löhne und Zeiten den Anforderungen entsprechend berechnet, müsste das Angebot der Beigeladenen teurer sein als das der Antragstellerin und mithin der Zuschlag auf ihr Angebot erfolgen, weil der Preis ausweislich der Vergabebekanntmachung das einzige Zuschlagskriterium sei. Ihre Rüge sei unverzüglich nach dem Einholen von Informationen über die Beigeladene an die Auftraggeberin gerichtet worden.

Nach der Akteneinsicht hat die Antragstellerin ihren Vortrag dadurch ergänzt, dass die Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht eigenverantwortlich geführt, sondern die Entscheidungen über Ausschlüsse der anderen Bieter und den Zuschlag allein der C… überlassen und diese nur "abgenickt" habe. 

Die Antragstellerin beantragt nunmehr in der mündlichen Verhandlung,

1. die Auftraggeberin anzuweisen, die Wertung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,

2. hilfsweise, die Auftraggeberin anzuweisen, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen,

3. weiter hilfsweise, die Aufhebung des Vergabeverfahrens anzuordnen,

4. der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen,

5. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war. 

Die Auftraggeberin beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

2. die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen,

3. die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes auch durch die Auftraggeberin für notwendig zu erklären. 

Der Nachprüfungsantrag sei nicht zulässig, weil die Vergabeentscheidung nicht unverzüglich gerügt worden sei. Die Antragstellerin habe eine Woche verstreichen lassen, obwohl ihr die Beigeladene bekannt gewesen sei.

Der Antrag sei aber auch unbegründet, weil die Beigeladene die in der Ausschreibung definierten Anforderungen an die fachliche und technische Leistungsfähigkeit nach einer strengen Prüfung ihres Angebotes erfülle. Dabei sei wesentlich, ob und inwieweit die vorgelegten Nachweise die Prognose erlaubten, dass der Bieter auf der Grundlage der definierten Mindestanforderungen die ausgeschriebenen Leistungen vertragsgerecht erbringen könne. Sowohl für das Unternehmen wie für den Fachbauleiter sei die Qualifikation hinreichend dargetan worden. Die Unterschrift unter den Gewährleistungsvertrag sei nicht mit dem Angebot erforderlich gewesen. Das Vertragsformular müsse erst nach Auftragserteilung unterschrieben werden. Den Nachweis der Verfügbarkeit der Nachunternehmer habe die Beigeladene im erforderlichen Umfang durch entsprechende Leistungsnachweise und Erklärungen der ausgewählten Nachunternehmer erbracht. Auch in einer von den Modellrechnungen der Antragstellerin abweichenden Kalkulation des Angebotes in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 liege kein Verstoß gegen die Vorgabe des LV, soweit die Vorgaben daraus eingehalten werden könnten. Allenfalls stelle sich die Frage des angemessenen Preises. Dieser sei allerdings nicht an den Einzelpositionen, sondern nur anhand des Gesamtpreises zu bewerten. Nachdem ursprünglich drei billigere Angebote vorgelegen hätten, habe es keinen Anlass zur Prüfung der Angemessenheit des Angebotes der Beigeladenen gegeben.

Auf Nachfrage der Vergabekammer hat die Auftraggeberin ergänzend darauf hingewiesen, dass die Auftraggeberin auch Herrin des Vergabeverfahrens gewesen sei und die Schritte des Verfahrens eigenverantwortlich im ständigen Dialog mit dem Beratungsbüro gesteuert und dessen Empfehlungen sorgfältig geprüft und beschieden habe. Schließlich habe eine Vergabekommission über den Zuschlag entschieden. Auch seien die Anforderungen in den Pos. 1.1.130 und 1.1.140 eindeutig gewesen. Ausweislich des Bauplanes fänden für die Arbeiten vor Ort bei Los 2 nicht an 324, sondern nur an 147 Tagen statt, davon seien 31 der Lieferphase zuzuordnen. Einen Beurteilungsspielraum für die Bieter habe es insoweit nicht gegeben. Etwaige Unklarheiten, die offensichtlich nur die Antragstellerin gehabt habe, hätten durch eine Bieteranfrage geklärt werden müssen. Im Klärungsgespräch sei nur die Beigeladene zu ihrer Kalkulation zu diesen Positionen befragt worden. Auch das Angebot einer geringeren Anwesenheit wäre kein Verstoß gegen das Leistungsverzeichnis, wenn die geforderten Zeiten in anderen Positionen verrechnet worden seien. Fehlende Hersteller- bzw. Typangaben im Angebot der Beigeladenen seien unbeachtlich, weil die angebotenen Produkte insbesondere durch die im Angebot an anderer Stelle befindlichen Nachweise zur Gleichwertigkeit identifizierbar gewesen seien. Im Angebot der Beigeladenen fehlten auch keine Unterschriften, weil die rechtsverbindliche Unterzeichnung nur auf dem Formblatt EVM 213 mit Wirkung für alle Erklärungen im Angebot erforderlich gewesen und rechtsverbindlich für die Beigeladene geleistet worden sei. Schließlich sei auch der nachgereichte Nachweis der DVGW-Bescheinigung W 1 durch die Benennung eines Nachunternehmers, der die Arbeiten verantwortlich beaufsichtigen solle, unbedenklich. Dabei handele es sich auch nicht um einen Nachunternehmer, der auf dem Formblatt 317 b hätte benannt werden müssen, weil dieser keine spezifizierbaren Arbeiten durchführen, sondern nur beaufsichtigen solle. Im Übrigen sei die Vorlage einer DVGW-Bescheinigung W 1 aus technischen Gründen von vornherein nicht erforderlich gewesen. Schließlich habe auch die Antragstellerin nicht die W1-Bescheinigung im Angebot vorgelegt, sodass auch deren Angebot hätte ausgeschlossen werden müssen.

Durch Beschluss vom 16.03.2006 ist das von der Auftraggeberin begünstigte Unternehmen zum Nachprüfungsverfahren beigeladen worden. Die Beigeladene hat sich in der Sache nicht geäußert und an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen. Mit Schreiben vom 3.04.2006 hat sie ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Die Antragstellerin hat Einsicht in die Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer übergeben worden sind jedoch mit Ausnahme der Angebote der Mitbieter, erhalten.

In der mündlichen Verhandlung hat das Mitglied des Vorstandes der Antragstellerin, Herr …, auf Befragen der Vergabekammer erklärt, die im Rügeschreiben und der Antragsschrift bezeichneten detaillierten Angaben über das Angebot der Beigeladenen habe er aus Andeutungen der Auftraggeberseite beim Klärungsgespräch am 23.02.2006 entnommen. Angebote anderer Bieter des Vergabeverfahrens seien ihm unbekannt.

Auf die Vergabeakten sowie die Schriftsätze der Beteiligten wird Bezug genommen.

II.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

1.1. Die Auftraggeberin ist zwar eine privatrechtliche Gesellschaft, aber als Wasserversorgungsunternehmen öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 4 GWB. Der geschätzte Auftragswert für die Sanierung des Wasserwerkes … liegt über den Schwellenwerten des § 2 VgV.

1.2. Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt, denn sie macht eine Verletzung ihrer Rechte als Bieter im Vergabeverfahren zur öffentlichen Ausschreibung der Sanierung des Wasserwerkes … geltend, nachdem der Zuschlag, um den sie sich beworben hatte, nicht an sie, sondern auf ein nach ihrer Auffassung zwingend auszuschließendes Angebot der Beigeladenen erfolgen soll. Ihr droht durch die Vergabeentscheidung der Auftraggeberin ein Schaden im Umfang des Auftragswertes.

1.3. Der angenommene Verstoß gegen das Vergaberecht wurde von der Antragstellerin nach Einholung von Informationen über die Beigeladene unverzüglich, wenn auch erst eine Woche nach dem Eingang des Informationsschreibens über die Absichten der Auftraggeberin gerügt.

Das Gesetz für die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens verlangt eine unverzügliche Rüge, um nicht die Vergabe öffentlicher Aufträge willkürlich aufzuhalten. Die Rechtsprechung anerkennt Rügen bis zu 14 Tagen nach der Informationsmitteilung unter besonderen Umständen noch als unverzüglich, selbst wenn in der Regel der Begriff enger ausgelegt wird und bei einfachen Sachverhalten dafür sogar nur ein bis drei Tage zugebilligt werden (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2005 – Verg W 11/04). Diese kurze Frist beginnt aber erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der Bieter über alle Informationen verfügt, die für die Entscheidung über den Nachprüfungsantrag aus dessen Sicht objektiv erforderlich sind. Eine kurze Frist kann dann angemessen sein, wenn die Rüge auf Umstände gestützt wird, die in der Person des Antragstellers liegen, etwa der Rüge wegen eines ungerechtfertigten Ausschlusses, oder wenn die erforderlichen Informationen jedermann, etwa über das Internet verfügbar sind (vgl. VK Berlin, Beschluss vom 9.02.2006 – VK-B1-02/06). Anders liegt der Fall jedoch, wenn die Rüge auf Umstände gestützt werden muss, die dem Antragsteller nicht eindeutig bekannt sind. Hier muss ihm Zeit bleiben, erforderliche Informationen ggf. zu ermitteln und Chancen und Risiken einer Nachprüfung zu bewerten.

Im vorliegenden Fall stützt die Antragstellerin ihren Antrag auf Umstände der technischen und fachlichen Leistungsfähigkeit der Beigeladenen. Zunächst ergab sich aus dem Informationsschreiben kein Hinweis auf die Angreifbarkeit der Vergabeentscheidung. Dass das Angebot der Beigeladenen unter dem der Antragstellerin lag, konnte ihr zwar seit der Angebotseröffnung bekannt sein; dass das Angebot der Beigeladenen und keines der niedrigeren Angebote aber bis zur letzten Wertungsstufe und für den Zuschlag berücksichtigt wurde, war ihr vermutlich nicht bekannt. Erst als sie dies erfuhr, gab es Veranlassung die Vergabeentscheidung infrage zu stellen mit Argumenten, die nur in der Person der Beigeladenen liegen konnten. Denn der Verlauf des Vergabeverfahrens war der Antragstellerin nicht bekannt. Zur Klärung der Gründe und der Erfolgsaussichten einer Rüge bzw. eines Nachprüfungsverfahrens muss ihr aber eine gewisse Zeit eingeräumt werden, selbst wenn die Antragstellerin in früheren Jahren mit der Beigeladenen unter anderem Namen und in anderem Zusammenhang Verbindung hatte. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie von der Vergabeentscheidung bereits am 28.02. oder erst am 1.03.2006 Kenntnis erlangte. – Wenig überzeugend ist allerdings ihr Vorgehen bei der Ermittlung der Beigeladenen über eine Internet-Recherche bei Google. Hier hätte eine richtige Frage, worauf die Auftraggeberin zurecht hinweist, schnell einen Hinweis auf die Beigeladene erbracht. Allein damit hätte die Antragstellerin aber keine Basis für ihre Entscheidung über eine Rüge gehabt.

Richtig ist dagegen der Hinweis der Auftraggeberin, dass die Rüge eher vage war und pauschale Behauptungen enthielt. Diese Unsicherheit auch gegen Ende der legitimen Rügefrist – auch im Hinblick auf den Ablauf der Zuschlagsfrist des § 13 VgV – macht eher deutlich, wie schwach die Stellung eines Bieters ist, wenn er sich nicht auf Umstände berufen kann, die sein eigenes Angebot betreffen, wie etwa im Falle eines Ausschlusses. Diese strukturell schwache Ausgangsposition darf nicht zu einer Einschränkung seiner Rechte führen.

2. Der Antrag ist auch insoweit begründet, als die Voraussetzung dafür, nämlich die Rechtswidrigkeit der getroffenen Vergabeentscheidung festgestellt und diese aufgehoben wird.

Denn die Auftraggeberin hat den Grundsatz der Transparenz des Vergabeverfahrens und der Gleichbehandlung der Bieter verletzt, § 97 Abs. 1 und 2 GWB. Auch das Angebot der Beigeladenen hätte zwingend ausgeschlossen werden müssen.

2.1. Die Vergabeentscheidung der Auftraggeberin kann keinen Bestand haben, weil das Vergabeverfahren nicht mit der erforderlichen Transparenz und Sorgfalt durchgeführt worden ist.

2.1.1. Die Auftraggeberin verstößt gegen ihre Sorgfaltspflichten gegenüber den Bietern, wenn sie es de facto dem Berater überlässt zu entscheiden, wem der Zuschlag erteilt werden soll, § 7 Nr.1 letzter Halbsatz VOB/A.

Zwar kann sich die Auftraggeberin auch im Vergabeverfahren eine Beratung durch Sachverständige in Anspruch nehmen. Sie darf aber nicht alle Entscheidungen in dem Verfahren an den Berater delegieren und ihre Mitwirkung an dem Verfahren auf das "Abnicken" beschränken. Sie muss eigenverantwortlich das Vergabeverfahren durchführen, also auch die Angebote prüfen und eigenverantwortlich über mögliche Ausschlussgründe und den Zuschlag entscheiden.

Die – möglicherweise unvollständig übergebene, jedenfalls zu der eigenverantwortlichen Verfahrensführung der Auftraggeberin wenig aussagekräftige – Vergabeakte lässt nicht erkennen, dass sich die Auftraggeberin mit der gebotenen Sorgfalt mit den Angeboten beschäftigt, sie bewertet und aufgrund dieser Kenntnis eine Entscheidung über den Zuschlag getroffen hat. So hat ausweislich der Vergabeakte allein die C… über den Ausschluss von neun der elf Bieter entschieden und die Wertung nur noch mit der Antragstellerin und der Beigeladenen fortgeführt. Denn diese Entscheidung war schon getroffen und wurde am 27.01.2006 durch die Nachfrage bei nur zwei Bietern umgesetzt bevor sie die Auftraggeberin über ihr Ergebnis der ersten Wertungsstufe am 7.02.2006 informierte. Die Auftraggeberin hat auch nach der Unterrichtung über das Gesamtergebnis der Wertung der sehr umfangreichen Angebote zu den Losen 1 und 2 den Empfehlungen C… zugestimmt ohne sich die Angebote im Einzelnen anzusehen. Denn auch sie hätte, wie die Vergabekammer, die fehlenden Angaben und Unterlagen im Angebot der Beigeladenen feststellen können und müssen, um sich dann eine Meinung über den Umgang damit zu bilden und dies zu dokumentieren.

Soweit die Auftraggeberin auf Nachfrage der Vergabekammer nachträglich diverse Protokolle und Notizen überreicht hat, die sich auf die Planung der Durchführung der auszuschreibenden Arbeiten beziehen, können diese nicht als Beweis für die führende Beschäftigung mit dem Vergabeverfahren angesehen werden, sondern als notwendige technische Abstimmungen zur Durchführung des Bauvorhabens. – Interessant und als Hinweis auf ihren guten Willen kann allein das Schreiben der Auftraggeberin vom 26.10.2005 angesehen werden, in dem sie mitteilt, dass sie anstelle der vorgesehenen 14 Tage wegen des Zeitablaufs die Verdingungsunterlagen nur "stichprobenartig durchsehen bzw. prüfen" kann. Geht man von diesem geplanten Zeitaufwand für die Prüfung der Verdingungsunterlagen aus, so erscheint es naheliegend, dass die Auftraggeberin nicht an einem Tag elf umfangreiche Angebote mit der gebotenen Sorgfalt prüfen und (nach-)bewerten konnte, um eine fundierte Entscheidung über Ausschlussgründe und den Zuschlag zu treffen.

2.1.2. Der Auftraggeberin obliegen auch Sorgfaltspflichten einerseits den Bietern gegenüber, andererseits dem Zahler der Rechnungen, sei es der öffentlichen Hand oder denen, die auf seine Dienstleistung angewiesen sind, keine Alternative haben und deshalb die geforderten Preise zahlen müssen, bzw. den Fördermittelgebern gegenüber. Ihr obliegt die Durchführung eines ordentlichen Vergabeverfahrens, das sichern soll, dass die geforderte Leistung zu einem möglichst günstigen Preis erbracht wird.

Dazu kann es erforderlich sein, eingehend zu prüfen, ob die Empfehlung, neun von elf Angeboten auszuschließen und dem zunächst an fünfter Stelle liegenden Bieter den Zuschlag zu erteilen, wirklich sachgerecht ist. Ebenso kann es geboten sein, mit Bietern ein Aufklärungsgespräch gem. § 24 VOB/A zu führen, wenn erkennbar ist, dass der Bieter bei der Kalkulation seines Angebotes von einem falschen Verständnis der Anforderungen ausgegangen ist.

Die Auftraggeberin verkennt ihre Mitwirkungspflicht an einem transparenten Vergabeverfahren, wenn sie vor diesem Submissionsergebnis ihre Untätigkeit damit rechtfertigt, dass im Falle einer Unklarheit die Bieter hätten nachfragen müssen, was gemeint war. Das konnten die Bieter nicht, solange jeder Bieter von einem aufgrund der Unterlagen plausiblen, scheinbar klaren Verständnis der Anforderungen ausgegangen ist. Nur die Auftraggeberin konnte erkennen, dass die Positionen ganz unterschiedlich interpretiert worden sind. Die Auftraggeberin durfte sich auch nicht darauf beschränken, nur bei der Beigeladenen den Kalkulationsansatz zur Position 1.1.140 nachzufragen, den im Lichte seiner nachträglichen Erklärung aber völlig überzogenen Ansatz der Antragstellerin in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 des LV einfach akzeptieren. Sie hätte vielmehr nachfragen müssen, warum in dieser Position das Angebot der Antragstellerin weit aus dem Rahmen der übrigen Angebote fällt. Denn Grundlage der Angebotssumme konnte im Gegensatz zur Auffassung des Auftraggebers nicht allein eine in der Disposition des Bieters stehende Kalkulation sein – diese beschränkte sich zumindest in der Position 1.1.140 auf den Lohn-Faktor -, sondern das richtige Verständnis des Angebotes.

2.1.3. Die Auftraggeberin hat auch mit der unzulänglichen Dokumentation des Vergabeverfahrens die Rechte der Antragstellerin beschnitten. Zu einem transparenten Vergabeverfahren gehört auch die umfassende Dokumentation des Verfahrens.

Dazu zählen laut den vom BMI veröffentlichten "Unterlagen für die Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen" – UfAB – beispielweise folgende Informationen:

– Festlegung der Vergabeart,

– Verdingungsunterlagen ggf. Bewertungsmatrix für die Leistungen,

– Namen und Anschriften der Bieter,

– Jeglicher Kontakt zu den Bewerbern,

– Niederschrift der Angebotseröffnung,

– Ergebnis der Angebotsprüfung,

– Begründung der Zuschlagserteilung,

– Dokumentation der Prüfung und Wertung der Angebote,

– Erstellen eines Vergabevermerks nach Zuschlagserteilung.

Diese hier genannten auch im Grundsatz für andere Ausschreibungen erforderlichen Informationen und Dokumente sind in der Vergabekammer übergebenen Vergabeakte nicht umfassend enthalten.

Die Angebote der Bieter waren auch nicht besonders gekennzeichnet oder zusammengeheftet, um nachträgliche Änderungen der Angebote zu verhindern, § 22 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A. Es fehlen trotz mehrfacher Nachfrage der Vergabekammer die Dokumentation der eigenverantwortlichen Prüfung und Wertung der Angebote, die Begründung der Zuschlagserteilung und der Vergabevermerk § 30 VOB/A, der das gesamte Vergabeverfahren nachvollziehbar dokumentieren soll.

Diesen Anforderungen wird der auf den Februar 2006 datierte, von der C… erarbeitete "Bericht über die Wertung der Angebote" nicht gerecht. Zwar werden darin die Angebote summarisch beschrieben und zu den unterschiedlichen Wertungsstufen bewertet. Es werden aber nur Ergebnisse vermerkt und die Angebote nicht so aufbereitet, dass sich die Auftraggeberin ein eigenes Bild davon machen und die genauen Gründe der Entscheidungen nachvollziehen konnte. Nur selten sind Entscheidungen eindeutig. Aus der Vergabeakte müssen auch die Erwägungen der Auftraggeberin nachvollziehbar werden.

2.2. Die gebotene Transparenz und Gleichbehandlung der Bieter kann nur gewährleistet werden, wenn die Leistungsverzeichnisse den Anforderungen der §§ 9 ff. VOB/A gerecht werden und daher nicht zu unklaren Angeboten führen, die nach den immer formaleren Kriterien der Rechtsprechung ausgeschlossen werden müssen.

Um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, sind alle sie beeinflussenden Umstände festzustellen, § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A. In mindestens zwei Positionen ist der Auftraggeberin bzw. das von ihr beauftragte Beratungsbüro C… diesen Anforderungen nicht gerecht geworden.

2.2.1. Bei der Position 1.1.130 wird gefordert, dass der leitende Ingenieur "an mindestens drei Tagen der Kalenderwoche auf der Baustelle ganztätig anwesend ist". Die Bieter sollten den "geschätzten Zeitaufwand auf der Baustelle (über die gesamte Bauzeit)" angeben. In Position 1.1.140 sollte ein Geldbetrag für die durchgängige Anwesenheit des Obermonteurs geboten werden.

Beide Positionen setzen eine Vorstellung des Auftraggebers über die entsprechende Bauzeit voraus, die aber nicht direkt, sondern nur mittelbar in einem an die Bieter verteilten Bauplan festgelegt worden ist. Als Beginn und Ende der Auftragsausführung war in der Vergabebekanntmachung unter II.3 LOS-Nr. 2 Zif. 4) der Zeitraum vom 14.02.2006 bis zum 14.09.2007 angegeben, d.h. 19 Monate. Ausweislich des den Bietern überlassenen Bauzeitenplanes, Zeile 122 war für das Los 2 eine Bauzeit von 324 Tagen in der Zeit vom 1.03.2006 bis zum 28.05.2007 vorgesehen. Die Bauphase wird dann unterteilt in vier Blöcke – Lieferung der Anlagentechnik (31 Tage), Stahlbau (feuerverzinkt) (60Tage), Edelstahlverrohrung Filter 1 – 6 (40 Tage) und sonstige anlagentechnische Arbeiten (16 Tage). Welche genaue Zeit aber für die Kalkulation der Positionen 1.1.130 und 1.1.140 zugrunde zu legen war, bleibt unklar. Während die Beigeladene von der reinen Bauzeit auf der Baustelle ausgegangen ist, die von der Auftraggeberin mit 147 Tagen benannt worden ist, hat die Antragstellerin offenbar die gesamte in Zeile 122 genannte 324 zugrunde gelegt. Beides ist von der Auftraggeberin akzeptiert worden.

Obwohl bei der Auswertung der Angebote offenbar erkannt wurde, dass es in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 Unstimmigkeiten gab, zu denen die nicht ausgeschlossenen Bieter von dem Beratungsbüro mit Schreiben vom 27.01.2006 befragt wurden und wozu diese dann Stellung genommen haben, war auch das für die beratende C… oder die Auftraggeberin kein Anlass für ein klärendes Gespräch mit den Bietern, wie es § 24 Nr. 1 VOB/A nahegelegen hätte, über die zeitlichen Anforderungen zur Anwesenheit der leitenden Mitarbeiter auf der Baustelle, um mindestens die Vergleichbarkeit der Angebote herzustellen.

2.2.2. Vergleichbar unklar sind die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses formuliert, bei denen ein Leitprodukt vorgeschlagen und den Bietern die Option eröffnet wird, ein gleichartiges Produkt anzubieten. Offenbar wurden neun von elf Bietern zu Los 2 ausgeschlossen, weil sie in einzelnen Positionen die Angaben nicht gemacht, möglicherweise auch die Bezeichnung des Leitproduktes nicht vollständig wiederholt hatten. – Die Gründe für die Ausschlüsse können allerdings dahinstehen, weil von den Bietern keine Rügen geltend gemacht bzw. Nachprüfungsverfahren eingeleitet worden sind.

Anstatt auf die Wiederholung des Leitproduktes zu verzichten und – wie im Klärungsgespräch – davon auszugehen, dass fehlende Produktangaben als Angebot des Leitproduktes zu verstehen sind, also nur beim Angebot eines gleichwertigen Produktes die Nennung von Hersteller oder Fabrikat und Typ zu verlangen, sollten scheinbar in das Leistungsverzeichnis, wo immer gefordert, Hersteller oder Fabrikat und Typ eingetragen werden, auch wenn nur die im Leistungsverzeichnis als Leitprodukt genannten Produkte angeboten werden sollen. Hier hat die Forderung der Wiederholung der Produktbezeichnung keinen Informationswert und sollte deshalb auch den Ausschluss eines solchen Angebotes nicht rechtfertigen. Der Grundsatz der Klarheit des Angebotes kann konterkariert werden, wenn die Auftraggeberin Erklärungen fordert, die überflüssig und für die Wertung des Angebotes nicht erforderlich sind. So verhält es sich, wenn lediglich Angaben wiederholt werden sollen, obwohl die Absicht des Bieters eigentlich klar ist und ausweislich des Merkblattes der Auftraggeberin nachdrücklich der zwingende Ausschluss beim Fehlen dieser Angaben angedroht wird.

2.3. Das Angebot der Beigeladenen hätte zudem zwingend ausgeschlossen werden müssen, weil es auch aus anderen Gründen unvollständig war und trotz der Nachforderungen der C… geblieben ist.

Ein Zwang zum Ausschluss eines Angebotes besteht nach §§ 25 Nr. 1 i.V.m. 21 Nr. 1 und 2 VOB/A immer dann, wenn das Angebot nicht die geforderten Erklärungen enthält, jedenfalls nicht die Erklärungen, die für die inhaltliche Wertung des Angebotes von Bedeutung sind (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 10.03.2006 – 1(6)Verg 13/05). Damit wird der Auftraggeberin ein großer Spielraum eingeräumt zu definieren, welche Erklärungen der Bieter fordern will. Maßstab dafür sollte sein, welche Erklärungen erforderlich sind, um eindeutige vergleichbare Angebote zu erhalten. Die Auftraggeberin entscheidet darüber, was angeboten werden soll und in welchem Umfang sie Alternativen zu ihren Vorstellungen akzeptiert.

2.3.1. Das Angebot der Beigeladenen war unvollständig, weil der von der Auftraggeberin geforderte Gewährleistungsvertrag nicht rechtsverbindlich unterschrieben war.

Zwar hat die Auftraggeberin erklärt, dass diese Unterschrift nicht erforderlich war, weil die Beigeladene sich durch Ihre Unterschrift auf dem Angebotsschreiben Formblatt 213 für alle später abgegebenen Erklärungen, so auch zur Bereitschaft zum Abschluss des Gewährleistungsvertrages im Auftragsfall, verpflichtet hatte.

Das mag so sein, entbindet den Bieter aber nicht davon, auch an anderer Stelle, wenn dies in den Verdingungsunterlagen vorgesehen ist, rechtsverbindlich besondere Erklärungen zu unterschreiben. Dass im Falle des Gewährleistungsvertrages vom Bieter eine rechtsverbindliche Unterschrift gefordert wurde, ergibt sich auch aus dem Umstand, worauf die Antragstellerin zu Recht hinweist, dass nur die Unterschrift des Bieters unter dem Vertragstext vorgesehen war, weil dieses Papier als verpflichtendes Angebot zum Abschluss des Gewährleistungsvertrages anzusehen war, der unmittelbar mit der Auftragserteilung und ohne weitere Verhandlungen in Kraft treten sollte.

2.3.2. Das Angebot der Beigeladenen war auch unvollständig, weil die von der Auftraggeberin geforderten Vereinbarungen mit den Nachunternehmern zur Tariftreue – Anlage EVM Erg Ang Tarif NU 251.2 – nicht von allen Nachunternehmern unterschrieben vorgelegt wurden.

Die Auftraggeberin hat aus besonderem Grund von den Bietern verlangt, die Nachunternehmen, die er zur Erfüllung des Auftrages einsetzen wollte und ihre Arbeiten zu benennen. Er hat von den Bietern auch verlangt, sich der Tariftreue der Nachunternehmer durch eine entsprechende Vereinbarung zu versichern. Die Vereinbarung der Tariftreue zwischen Bieter und Nachunternehmer stellt eine wesentliche Voraussetzung dafür dar, den Bieter mit seinen Nachunternehmern für den Zuschlag auszuwählen. Es wäre im Interesse der Auftraggeberin wenig förderlich, wenn er den Zuschlag einem Bieter erteilen würde, dem es nicht gelingt, die Tariftreue seiner Nachunternehmer im Nachhinein sicherzustellen, und dem daraufhin der Zuschlag wieder entzogen werden müsste.

Mit der von der Beigeladenen als Nachunternehmer benannten Firma S… liegt eine solche Erklärung in den Vergabeakten nicht vor und ist auch nicht nachgeliefert worden.

2.3.3. Im Blankett fehlen an verschiedenen Stellen die – vielleicht unnötig – geforderten Hersteller- oder Typangaben – vgl. Positionen 2.1.150, 2.1.190, 3.1.350, 3.3.180, 3.7.20, 3.7.40, 4.4.10, 4.4.70, 4.5.10, 4.5.20.

Nach ihrem Merkblatt, das die Auftraggeberin unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH entwickelt hat, waren Angebote dann zwingend auszuschließen, wenn Hersteller- oder Typ-Angaben fehlten. Zwar kann die Vergabekammer dieser sehr formalistischen Auslegung der Rechtsprechung nicht folgen, weil die Anwendung der §§ 21 Nr. 1, 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A sich nicht in einer schematischen "Vollständigkeitskontrolle" der Angebote erschöpfen kann (vgl. OLG Schleswig, a.a.O.), sondern auf die Erheblichkeit der fehlenden Angaben für das Verständnis des Gesamtangebotes achten und ggf. Unklarheiten im Interesse des wirtschaftlichen Ergebnisses der Ausschreibung gem. § 97 Abs. 5 GWB achten sollte. Die Auftraggeberin kann nicht ohne Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einmal beim Fehlen von Hersteller- und/oder Typ-Angabe Angebote ausschließen, bei anderen Angeboten aber die fehlenden Erklärungen durch die eigene – wahrscheinlich sogar richtige – Deutung ersetzen. Sie darf aber nicht "mit zweierlei Maß" die unbestritten auch im Angebot der Beigeladenen fehlenden Hersteller- und Typ-Angaben werten. Erläuterungen zu dem Umgang mit fehlenden Hersteller- und Typ-Angaben waren der Vergabeakte nicht zu entnehmen.

Dazu hat die Auftraggeberin allerdings nunmehr erklärt, dass an diesen Stellen die geforderten Angaben nicht wirklich erforderlich gewesen seien, um das Angebot richtig zu verstehen. Sie hat dafür an sich plausible, wenn auch nicht zwingende Erklärungen abgegeben. Diese für die einzelnen Positionen im Detail unterschiedliche Stellungnahme kann aber die unbestritten gegenüber den formalen Anforderungen fehlenden Angaben nicht heilen, sondern belegt nur die Unklarheit des LV.

Die Vergabekammer hat nicht im Einzelnen geprüft, ob nicht auch die Angebote der ausgeschlossenen Bieter bei Anwendung dieses Maßstabes hätte richtig verstanden werden können. Dies ist auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung von der Auftraggeberin verneint worden. Die Vergabekammer ist aber insbesondere wegen des den Verdingungsunterlagen beigefügten Merkblattes der Auffassung und dem Gebot der Gleichbehandlung der Bieter folgend, dass von der Auftraggeberin geforderte Hersteller- und Typ-Angaben von den Bietern gemacht werden müssen, auch wenn sie für das Verständnis des Angebotes überflüssig sind.

Die Auftraggeberin hätte im Übrigen zumindest beim Bieter im Rahmen des § 24 Nr. 1 VOB/A rückfragen müssen, was dieser anbieten wollte. Sie kann nicht ihre Interpretation der Angaben an die Stelle des unklaren Angebotes setzen, selbst wenn diese dem Willen des Bieters entsprechen sollte.

Die Auftraggeberin kann nicht ohne Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einmal beim Fehlen von Hersteller- und/oder Typ-Angabe Angebote ausschließen, bei anderen Angeboten aber die fehlenden Erklärungen durch die eigene – wahrscheinlich sogar richtige – Deutung ersetzen. Sie darf aber nicht "mit zweierlei Maß" die unbestritten auch im Angebot der Beigeladenen fehlenden Hersteller- und Typ-Angaben werten. Erläuterungen zu dem Umgang mit fehlenden Hersteller- und Typ-Angaben waren der Vergabeakte nicht zu entnehmen.

2.3.4. In Pos. 4.1.30 fehlt eine geforderte Angabe zum Druckverlust.

Auch insoweit gilt der – zwar sehr formale – Grundsatz, dass eine geforderte Erklärung abgegeben werden muss, selbst wenn sie nicht erforderlich ist. Eine solche fehlende Erklärung wird aber nicht ausreichen, um einen zwingenden Ausschluss zu rechtfertigen, wenn das Angebot im Übrigen klar ist.

2.3.5. Die Beigeladene hat bei Abgabe des Angebotes auch nicht die bereits in der Vergabebekanntmachung geforderte DVGW-Bescheinigung W 1 vorlegen können, weil sie nach eigener Erklärung im Schreiben vom 30.01.2006 nicht in deren Besitz war. Erst auf Nachfrage der C… hat sie mit der Benennung eines zusätzlichen Nachunternehmers, der Fa. T…, die im Besitz dieser Bescheinigung ist und damit die geforderte Qualifikation nachweisen wollen.

Nachdem in dem Schreiben der Auftraggeberin Formblatt EVM (B) EG 211 EG vom 21.11.2005 gefordert war, dass alle einzusetzenden Nachunternehmen auf dem Formblatt 317 b zu benennen sind, war eine Nachmeldung von Subunternehmern wohl ausgeschlossen.

Die von der Auftraggeberin nunmehr vorgetragenen Erwägungen, dass diese Nachbenennung zulässig sei, weil der neue Subunternehmer selber keine Arbeiten verrichten und deshalb nicht auf dem Formblatt 317 b zu benennen war, sondern nur die Durchführung der Arbeiten beaufsichtigen sollte, und dass die Auftraggeberin den Verweis auf das Drittunternehmen nicht als Nachunternehmer-Nachbenennung angesehen habe, kann die Vergabekammer nicht überzeugen. Gerade ein Unternehmen, das die Aufsicht über bestimmte Arbeiten bei einem so sensiblen Bauvorhaben wie einem Trinkwasserwerk führen muss, hätte im Angebot vor der Submission benannt werden müssen.

Zu berücksichtigen ist aber, dass die DVGW-Bescheinigung W 1 sich auf Arbeiten bezieht, die im Rahmen dieses Bauvorhabens praktisch nicht anfallen. Insoweit wäre vermutlich allein aufgrund der fehlenden Bescheinigung ein Ausschluss des Angebotes kaum zu rechtfertigen.

2.3.6. Diese Abweichungen des Angebotes der Beigeladenen von den Anforderungen der Auftraggeberin – zumindest in Bezug auf die fehlende Unterzeichnung des Gewährleistungsvertrages und die fehlende Nachunternehmer-Tariftreue-Vereinbarung – führen zwingend zum Ausschluss des Angebotes, §§ 25 Nr. 1 i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A. Aufgrund der angeführten Mängel hätte das Angebot der Beigeladenen bereits in der 1. Wertungsstufe ausgeschlossen werden müssen. Eine weitere Berücksichtigung des Angebotes war unzulässig und verletzte die Rechte der Bieter, die ein vollständiges Angebot abgegeben hatten, weil deren Chancen für einen Zuschlag dadurch beeinträchtigt wurden.

3. Unbegründet ist dagegen das Vorbringen der Antragstellerin im Übrigen.

3.1. Zwar ist es richtig, dass Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige Unternehmen vergeben werden sollen, § 97 Abs. 4 GWB. So umfassend, wie von der Antragstellerin behauptet, kann die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen jedoch nicht infrage gestellt werden. Sie hat die geforderten Nachweise, Referenzen etc. erbracht und offensichtlich die Anforderungen der Auftraggeberin erfüllt.

Die Antragstellerin hat in ihrem Vortrag die Anforderungen der Auftraggeberin zum Leistungsverzeichnis des Unternehmens zudem überzogen. Die Auftraggeberin hat den Erfahrungsnachweis für unterschiedliche Kompetenzen gefordert und nicht – wie die Antragstellerin zu meinen scheint – den kumulativen Nachweis aller geforderten Kompetenzen an einem Referenzobjekt. Wenn ein Unternehmen grundsätzlich qualifiziert ist, besondere Arbeiten – hier die Edelstahlarbeiten – durchzuführen, so muss sie diese Erfahrungen nicht bei vergleichbar großen Projekten gewonnen haben. Auch in der Vergabebekanntmachung Zif. III.2.3) zu Los 2 sind nur Angaben über die Anzahl der Kunden ähnlicher Projekte gefordert worden.

Die Vergabekammer ist auch nicht hinreichend sachkundig, um diese Wertung der Auftraggeberin und ihrer fachkundigen Berater nachzuprüfen. Zwar ist auch ihr bekannt, welche hohen Anforderungen an die Unternehmen gestellt werden müssen, die an Trinkwasseraufbereitungsanlagen arbeiten. Die Kompetenz und Erfahrung der Beigeladenen zu prüfen anhand der genannten zahlreichen Bauvorhaben im Wasser und auch Trinkwasser-Bereich, muss der Auftraggeberin überlassen bleiben.

Allerdings ist aus der Vergabeakte nicht nachvollziehbar, inwieweit die Auftraggeberin den benannten Kompetenznachweisen wirklich nachgegangen ist, um sich ein eigenes Urteil über die Beigeladene zu bilden.

3.2. Ähnliches gilt für den Qualifikationsnachweis des von der Beigeladenen vorgesehenen Bauleiters. Auch hier sind die geforderten Nachweise geliefert und von der Auftraggeberin bzw. der C… gewertet worden.

Die Antragstellerin überzieht ihre Rechte insoweit als sie aus ihrer Kenntnis der Beigeladenen ableitet, dass der von ihr benannte Bauleiter die geforderten Qualifikationen nicht haben könne, weil das Unternehmen über diese Erfahrungen nicht verfüge. Diesem unsubstantiierten, von der Person des vorgesehenen Bauleiters unabhängigen Schluss kann die Vergabekammer nicht folgen.

3.3. Die Beurteilung der Verfügbarkeit der im Angebot gemeldeten Nachunternehmer der Beigeladenen durch die Antragstellerin war der Vergabekammer nicht nachvollziehbar. Die Beigeladene hat die Nachunternehmer im Angebot auf dem Formblatt 317 b einzeln benannt und deren Beitrag beschrieben. – Die "Nachmeldung" der Fa. T… ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.

3.4. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sieht die Vergabekammer auch in den niedrigen Zeitansätzen der Beigeladenen in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 keine Veränderung der Verdingungsunterlagen im Sinne des § 21 Nr. 1 VOB/A.

Zwar ist sie, wie oben ausgeführt, der Auffassung, dass die Anforderung zu diesen Positionen nicht hinreichend eindeutig waren. Dass die Beigeladene diese Anforderung anders als die Antragstellerin – und im Sinne der Auftraggeberin möglicherweise richtig – verstanden hat, rechtfertigt nicht den Schluss, dass die Beigeladene die Anforderungen des LV durch eigene Vorstellungen ersetzen wollte.

3.5. Angesichts der wiederholten und detaillierten Bezugnahme auf das Angebot der Beigeladenen hat sich der Vergabekammer die Frage gestellt, woher die Antragstellerin ihre detaillierten Kenntnisse über das Angebot der Beigeladenen nimmt, um ihre Behauptungen zu belegen. Sollte nämlich die Antragstellerin nachweislich Kenntnis vom Angebot der Beigeladenen erlangt haben, würde das ihr Rechtsschutzinteresse erheblich infrage stellen, weil sie damit gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbes verstoßen hätte (vgl. 1 VK Brandenburg, Beschluss vom 25.04.2005 – VK 13/05; OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.08.2005 – Verg W 7/05).

Auf Befragen der Vergabekammer hat die Antragstellerin dazu nachvollziehbar erklärt, dass ihre Informationen über das Angebot der Beigeladenen aus Andeutungen der Auftraggeberin im Klärungsgespräch einerseits und aus ihren Recherchen über die Beigeladene nach dem Eingang des Informationsschreibens stammen. Sie hat ausdrücklich versichert, dass ihr das Angebot der Beigeladenen nicht bekannt war.

4. Obwohl nach den Feststellungen der Vergabekammer auch der zehnte von elf Bietern auszuschließen war, ist sie nicht dem Hauptantrag der Antragstellerin in vollem Umfang gefolgt und hat nicht den Zuschlag auf ihr ursprünglich an achter Stelle liegendes Angebot angeordnet. Die Vergabekammer konnte auch den hilfsweise gestellten Anträgen nicht folgen, weil einerseits nach dem Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen kein Raum für eine erneute Wertung von deren Angebot bestand, andererseits angesichts auch nur eines verbleibenden Angebotes eine Aufhebung der Ausschreibung nicht zwingend geboten ist. Es obliegt der Auftraggeberin, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer das Angebot der Antragstellerin erneut zu prüfen und über den Zuschlag darauf oder eine Aufhebung der Ausschreibung gem. § 26 Nr.1 VOB/A zu entscheiden.

Anders als in der Entscheidung des BayObLG (Beschluss vom 5.11.2002 – Verg 22/02) ist die Auftraggeberin – und damit die Vergabekammer – im vorliegenden Fall nicht in seiner Ermessensausübung gebunden, weil bisher die Antragstellerin nicht die begünstigte war. Ein Zuschlag an sie wird erst durch die Aufhebung der im Schreiben vom 28.02.2006 bekannt gemachten Vergabeentscheidung möglich. Der Zuschlag an die Antragstellerin wird auch deshalb nicht erforderlich, weil sie nicht das preisgünstigste Angebot abgegeben hat (so VK Brandenburg, Beschluss vom 1.03.2005 – VK 8/05). Vielmehr lag das Angebot der Antragstellerin nur an 8. Stelle.

Sollte die Auftraggeberin die Ausschreibung gem. § 26 Nr. 1 VOB/A aufheben, sollte sie bei der Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens die Bieter in diesem Verfahren zur Abgabe eines neuen Angebotes auffordern. Dabei sollte sie verstärkt auf die unmissverständliche Gestaltung des Leistungsverzeichnisses achten, um unklare Forderungen auszuschließen und damit die Interpretationsmöglichkeiten der Bieter, die zum Ausschluss ihrer Angebote führen könnten, einzuschränken. Für die Preiskalkulation müssen alle Bieter die gleichen Grundlagen haben, um vergleichbare Angebote abzugeben.

 

III.

Die Kosten des Verfahrens werden der Auftraggeberin auferlegt; sie ist aber von der Zahlung der Gebühr gem. § 8 VwKG befreit. Die Kosten des Verfahrens umfassen daher vor allem die Kosten für die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin.

Die Vertretung durch einen Rechtsbeistand war aufseiten der Antragstellerin notwendig. Aufseiten der Auftraggeberin war diese nicht erforderlich, weil eine sorgfältige Begleitung des Vergabeverfahrens den Rechtstreit wahrscheinlich gar nicht erforderlich gemacht hätte und die Auftraggeberin offenbar bereits vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens anwaltlich vertreten war, wie sich aus der Erwiderung auf die Rüge der Antragstellerin ergibt.


IV.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht, Gertrud-Piter-Platz 11, 14770 Brandenburg, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 117 Abs. 3 GWB).

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4 GWB).

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern (§ 118 Abs. 1 GWB).

Gemäß § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Vergabekammern des Landes Brandenburg vom 30. Juni 1999, AAnz. S. 898 ist die Unterzeichnung des Beschlusses durch den ehrenamtlichen Beisitzer nicht erforderlich.

VK Brandenburg
Beschluss vom 07.04.2006
Az.: 2 VK 10/06

Kurze Fristen im Vergaberecht – Rügefrist

VK Lüneburg, Beschluss vom 11.12.2006 – VgK-31/2006

1. Schreibt die Vergabestelle einen Auftrag gemäß § 3a VOB/A aus und gibt als zuständige Stelle für das Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung die VK Lüneburg an, so ist sie hieran gebunden, auch wenn die maßgeblichen Schwellenwerte nicht erreicht werden sollten.

2. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.

3. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen. Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

 

Volltext: 

 

Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium
für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
– Regierungsvertretung Lüneburg –

Az.: VgK-31/2006

Lüneburg, den 11.12.2006

B e s c h l u s s

GWB § 107 Abs. 3
1. Schreibt die Vergabestelle einen Auftrag gemäß § 3a VOB/A aus und gibt als zuständige Stelle für das Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung die VK Lüneburg an, so ist sie hieran gebunden, auch wenn die maßgeblichen Schwellenwerte nicht erreicht werden sollten.
2. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.
3. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen. Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.
VK Lüneburg, Beschluss vom 11.12.2006 – VgK-31/2006 (nicht bestandskräftig)

In dem Nachprüfungsverfahren

wegen
Vergabeverfahren Landschaftsgärtnerische Arbeiten im Baugebiet xxxxxxx

hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann beschlossen:

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

3. Die Kosten werden auf 2.500 € festgesetzt.

Begründung:

I.

Die Auftraggeberin hat den Auftrag für die landschaftsgärtnerischen Bauleistungen für Grünanlagen mit Datum vom 06.10.2006 europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben, nachdem sie mit Vorinformation vom 03.07.2006 bereits auf diese Ausschreibung hingewiesen hatte. Die Bekanntmachung wurde am 13.10.2006, also 7 Tage nach der Absendung im Amtsblatt veröffentlicht.

Als Kontaktstelle hatte die Auftraggeberin ihren Fachbereich Stadtgrün genannt. Als zuständige Stelle, die weitere Auskünfte erteilt, war der Fachbereich Tiefbau und Verkehr genannt worden. Bei dieser Stelle konnten nach der Veröffentlichung auch die Verdingungs-/Ausschreibungs- und ergänzenden Unterlagen angefordert werden. Als Ansprechpartner war in diesem Fachbereich Tiefbau und Verkehr unter Angabe der Adresse des Fachbereichs Herr xxxxxxx genannt. Von ihm waren auch die Telefon- und Faxnummer sowie seine E-Mail-Adresse veröffentlicht.

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit wurden die Bewerber darauf hingewiesen, dass Eignungsnachweise gemäß § 8 VOB/A vorzulegen seien. Einziges Zuschlagskriterium sollte der Preis sein.

Der Bekanntmachung ist zu entnehmen, dass Schlusstermin für die Anforderung von Unterlagen der 20.10.2006, 12.00 Uhr, war. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass die Verdingungsunterlagen nur versandt werden, wenn der Nachweis über die Einzahlung der Auftraggeberin vorliegt.

Schlusstermin für den Eingang der Angebote sollte der 14.11.2006, 11.00 Uhr, sein. Dieser Termin war auch als Termin für die Öffnung der Angebote genannt. Versehen hatte sich die Auftraggeberin offenbar mit ihrer Angabe: "Tag der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe 13.12.2006".

Mit Datum vom 18.10.2006, Eingang bei der von der Auftraggeberin genannten Kontaktstelle "Fachbereich Stadtgrün" am 26.10.2006, forderte die Antragstellerin die Verdingungsunterlagen an. Diesem Schreiben war ein schlecht lesbarer Überweisungsträger beigefügt, auf dem deutlich aufgedruckt "bezahlt 20.10.2006" stand.

Die von der Auftraggeberin genannte Stelle, bei der die Verdingungs-/Ausschreibungs- und ergänzenden Unterlagen angefordert werden konnten und die auch Auskünfte erteilt, hat lt. einem Vermerk vom 27.10.2006 die Antragstellerin angerufen und sie darauf hingewiesen, dass ihre Anforderung der Unterlagen erst nach dem Schlusstermin am 20.10.2006, 12.00 Uhr, bei ihr eingegangen sei. Eine Übersendung der Unterlagen könne nicht mehr erfolgen, da dies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße.

Ferner wurde festgehalten, dass die Antragstellerin erklärt habe, sie hätte am 20.10.2006 versucht, die Unterlagen von der Auftraggeberin per Fax unter der Nummer xxxxxxx anzufordern. Das Fax-Gerät unter dieser Nummer sei wohl defekt gewesen. Der Mitarbeiter des Fachbereichs Tiefbau und Verkehr habe der Antragstellerin erklärt, dass der Fax-Anschluss des zuständigen Fachbereichs unter der Nummer xxxxxxx auch an dem besagten Tag erreichbar gewesen sei. Ein Vermerk über eine Rüge der Antragstellerin befindet sich in der Vergabeakte der Auftraggeberin nicht.

Die Feststellungen aus dem dokumentierten Vermerk teilte der zuständige Mitarbeiter der Auftraggeberin auch der Antragstellerin mit Schreiben vom 27.10.2006 mit.

Mit Schreiben vom 03.11.2006 wandte sich die Antragstellerin an die "VOB-Vergabeprüfstelle des Landes Niedersachsen, 38023 Braunschweig" und erhob Beschwerde und Widerspruch gegen die Fristsetzung zur Abholung der Unterlagen bzw. den letzten Anforderungstag. Dieses Schreiben ging am 08.11.2006 bei der Nachprüfungsstelle gemäß § 31 VOB/A des Nds. Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in der Regierungsvertretung Braunschweig ein, die das Schreiben am 08.11.2006, Eingang im Behördenzentrum Lüneburg am 10.11.2006, an die Vergabekammer weiterleitete, da es sich um eine europaweite Ausschreibung handelt.

Da die Antragstellerin auf telefonische Nachfrage am 14.11.2006 gegenüber der Vergabekammer erklärte, dass sie den Sachverhalt vorher gegenüber der Auftraggeberin gerügt habe und um Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bat, stellte die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der Auftraggeberin zu.

Die Antragstellerin führt ohne nähere Angaben aus, dass eine Fristsetzung zur Abholung der Unterlagen oder Nennung eines letzten Anforderungstages unzulässig sei, was durch verschiedene Länderprüfstellen festgestellt worden sei. Diese Auffassung sei auch vom BGH bestätigt worden. Der BGH hätte festgelegt, dass die Ausschreibungsunterlagen bis einschließlich 1 – 2 Tage vor Submission zur Verfügung stehen müssten. Es komme lt. BGH dabei nicht darauf an, ob der Interessent die Unterlagen selbst abhole oder nicht bzw. diese noch versandt werden können. Zwei Tage seien somit das Limit.

Ferner führt die Antragstellerin aus, dass die von der Auftraggeberin veröffentlichte Fax-Nummer sich nicht als verwertbar dargestellt habe.

Die Antragstellerin beantragt,

ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten.

Die Auftraggeberin beantragt,

1. den Antrag der Antragstellerin auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens abzuweisen,

2. die Kosten dieses Verfahrens gem. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB der Antragstellerin aufzuerlegen.

Sie vertritt die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig und unbegründet sei.

Die Antragstellerin habe den im Vergabeverfahren erkannten Verstoß nicht unverzüglich gerügt. Weder der Inhaber der Antragstellerin persönlich noch ein sonstiger Vertreter ihrer Firma habe zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Einschaltung der Vergabekammer ihr, der Auftraggeberin, gegenüber den nunmehr geltend gemachten Sachverhalt gerügt. Es liege weder ein entsprechendes Schreiben vor noch habe eine mündliche Rüge stattgefunden.

Vielmehr habe sie selbst die Antragstellerin am 27.10.2006 angerufen, weil ihr aufgefallen sei, dass es der Antragstellerin bereits in zwei vorhergehenden Vergabeverfahren nicht gelungen war, sich so rechtzeitig mit der Vergabestelle in Verbindung zu setzen, um die Unterlagen anzufordern. Ihr sei bei den vorhergehenden Verfahren aufgefallen, dass die Antragstellerin versucht habe, Telefaxe an den Telefonanschluss eines städtischen Mitarbeiters zu senden, was zu zahlreichen Fehlerberichten beim Faxgerät der Antragstellerin geführt habe, die nicht auf einem fehlerhaften Faxanschluss der Auftraggeberin basierten.

Ferner sei der Nachprüfungsantrag auch unbegründet, da sie in der europaweiten Bekanntmachung unter Punkt IV.3.3. darauf hingewiesen habe, dass die Verdingungsunterlagen bis zum 20.10.2006, 12.00 Uhr, angefordert werden konnten. Voraussetzung sei gewesen, dass die Kosten für die Unterlagen auf ein entsprechendes Konto eingegangen seien oder aber die Bieter einen Nachweis über die Einzahlung vorlegten. Außerdem habe sie auch von dem zuständigen Mitarbeiter der zentralen Vergabestelle für diesen Bereich neben der Telefon- auch die Faxnummer und E-Mail-Adresse angegeben.

Da die Bitte der Antragstellerin um Übersendung der Verdingungsunterlagen erst am 26.10.2006 auf dem Postweg und damit eindeutig verspätet eingegangen sei, habe sie die Unterlagen aus Gründen der Gleichbehandlung der anderen Bieter nicht mehr versandt. Hintergrund der von ihr gewählten Frist für die Anforderung der Verdingungsunterlagen sei, allen Bietern gleichermaßen ausreichend Zeit zur Bearbeitung des Angebots zu bieten.

Im Zuge des weiteren Nachprüfungsverfahrens wurde die Antragstellerin zunächst telefonisch, dann mit Übersendung der Erwiderung der Auftraggeberin von der Vergabekammer am 21.11.2006 gebeten, mitzuteilen, wann sie die gesetzte Frist zur Anforderung der Angebotsunterlagen erstmalig bei dieser Ausschreibung gerügt habe. Diese Bitte wurde mit verfahrensbegleitendem Schreiben vom 27.11.2006 unter Fristsetzung wiederholt. Dieser Aufforderung der Vergabekammer kam die Antragstellerin jedoch nicht nach.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Die Antragstellerin hat es versäumt, die von ihr als Vergaberechtsverstoß beanstandete Festsetzung eines Schlusstermins für die Anforderung der Vergabeunterlagen vor Stellung des Nachprüfungsantrags rechtzeitig im laufenden Vergabeverfahren gem. § 107 Abs. 3 GWB gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Mangels eines zulässigen Nachprüfungsantrags ist es der Vergabekammer verwehrt, die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Fristsetzung und insbesondere ihre Vereinbarkeit mit § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. i VOB/A und § 17 a Nr. 5 VOB/A zu prüfen.

Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag i. S. d. § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. €. Der streitbefangene Auftrag ist nach Auskunft der Auftraggeberin Teil einer den Schwellenwert überschreitenden Gesamtbaumaßnahme Erschließung des Baugebiets xxxxxxx. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. € oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. € deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung erreicht der Wert der landschaftsgärtnerischen Arbeiten im Baugebiet xxxxxxx zwar weder den Schwellenwert von 5 Mio. € noch den Wert von 1 Mio. €. Gleichwohl hat die Auftraggeberin das hier streitbefangene Los EU-weit im offenen Verfahren gem. § 3 a VOB/A ausgeschrieben und die Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr – Regierungsvertretung Lüneburg – als zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung angegeben. Dadurch hat die Auftraggeberin den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung besteht in einer Selbstbindung der Auftraggeberin, dass sie das verfahrensgegenständliche Los nicht im 20%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss v. 20.08.2001, Az.: Verg 9/01; BGH NJW 1998, S. 3636 ff., 3638). Der Wert des streitbefangenen Auftrags steht daher einer Nachprüfung durch die Vergabekammer nicht entgegen.

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Fachunternehmen auf dem Gebiet des Garten- und Landschaftsbaus eine potenzielle Bieterin im streitbefangenen Vergabeverfahren ist, die ihr Interesse am Auftrag durch die Anforderung der Vergabeunterlagen bekundet hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht hat, indem sie unter Berufung auf – allerdings nicht näher bezeichnete – vergaberechtliche Rechtsprechung des BGH und verschiedener Landesvergabeprüfstellen vorträgt, die Auftraggeberin habe ihr zu Unrecht die Zusendung der Vergabeunterlagen unter Hinweis auf den bekannt gemachten Schlusstermin verweigert. Eine derartige Fristsetzung sei unzulässig. Vielmehr müssten die Ausschreibungsunterlagen bis einschließlich 1 – 2 Tage vor Submissionstermin zur Verfügung gestellt werden. Da § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. i VOB/A im Gegensatz zu früheren Fassungen der VOB/A keine Regelungen mehr hinsichtlich der Nennung eines Schlusstermins für die Anforderung von Vergabeunterlagen enthält (in der Fassung der VOB/A von 1992 hieß es in § 17 Nr. 1 Abs. 1 lit. i VOB/A ausdrücklich noch: "… sowie Termin, bis zu dem diese Unterlagen spätestens angefordert werden können") und § 17 a Nr. 5 VOB/A ausdrücklich regelt, dass rechtzeitig angeforderte Unterlagen den Bewerbern innerhalb von 6 Kalendertagen nach Eingang des Antrags zugesandt werden müssen, ist es möglich, dass die enge Fristsetzung der Auftraggeberin im vorliegenden Fall die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Da die Bekanntmachung im vorliegenden Fall am 13.10.2006 im Amtsblatt es Amtes für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften erfolgte und die Auftraggeberin den Schlusstermin für die Anforderung der Vergabeunterlagen auf den 20.10.2006 festgelegt hatte, blieb den potenziellen Bietern nur eine Woche Zeit, die Vergabeunterlagen anzufordern. Diese Frist dürfte auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Auftraggeberin bereits mit Vorab-Information vom 03.07.2006 auf die bevorstehende Ausschreibung hingewiesen hatte, zu kurz bemessen sein. Eine derartig enge Fristsetzung ist zumindest unüblich. So sieht etwa das Vergabehandbuch des Bundes für den Bereich des Straßenbaus (HVA B-StB) für die Bekanntmachung vor, dass unter IV.3.3 als Schlusstermin für die Anforderung von Unterlagen ein Termin 7 Kalendertage vor Ablauf der Frist für die Angebotsabgabe (24 Uhr) einzutragen ist. Nach diesem Termin eingehende Anforderungen sollen nach Möglichkeit dennoch erfüllt werden.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Die Antragstellerin hat mit ihrem Vortrag ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Zumindest die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ist vorliegend dargetan. Diesbezügliche Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107, Rdnr. 954). Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

Die Antragstellerin ist jedoch nicht ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im laufenden Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin überhaupt, geschweige denn rechtzeitig, zu rügen. Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB muss der Bieter vor Stellung des Nachprüfungsantrags im Vergabeverfahren positiv erkannte Vergaberechtsverstöße unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Diese Rügepflicht entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für diese positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003), Az.: 1 Verg 4/00; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin trotz mehrfacher Aufforderung seitens der Vergabekammer nicht belegt, dass sie den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß in Form der von ihr im Nachprüfungsverfahren beanstandeten Ausschlussfrist für die Anforderung von Vergabeunterlagen überhaupt gegenüber der Auftraggeberin gerügt hat. Da die Antragstellerin mit Schreiben vom 18.10.2006, eingegangen bei der Auftraggeberin am 26.10.2006 (Eingangsstempel), die Vergabeunterlagen angefordert hat, hatte sie spätestens seit diesem Zeitpunkt positive Kenntnis von dem unter Ziffer IV.3.3 der Bekanntmachung vom 13.10.2006 festgesetzten Schlusstermin für die Anforderung von oder Einsicht in die Unterlagen (20.10.2006 – 12.00 Uhr). Die Antragstellerin war daher gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gehalten und in der Lage, innerhalb weniger Tage den nunmehr beanstandeten Schlusstermin für die Unterlagenanforderung gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Eine entsprechende – telefonische oder schriftliche – Rüge, die die Auftraggeberin bestreitet, hat die Antragstellerin jedoch nicht belegt. Auch die vorliegende Vergabeakte enthält keine Hinweise auf eine derartige Rüge. Aus einem in der Vergabeakte enthaltenen Vermerk des Fachbereichs 66 der Auftraggeberin vom 27.10.2006 über ein Telefongespräch vom 27.10.2006, 10.15 Uhr, zwischen dem Mitarbeiter der Auftraggeberin, Herrn xxxxxxx, und dem Inhaber der Antragstellerin, Herrn xxxxxxx, geht vielmehr lediglich hervor, dass die Auftraggeberin selbst die Antragstellerin angerufen hat, weil sie im vorliegenden Vergabeverfahren wie auch schon bei anderen Vergabeverfahren die Verdingungsunterlagen erst nach Ablauf der festgesetzten Frist zur Anforderung der Verdingungsunterlagen angefordert hat. Ferner geht aus dem Vermerk hervor, dass Herr xxxxxxx gefragt habe, wie lange denn ein Schreiben auf dem Postwege zur Stadt xxxxxxx benötigen würde. Das Schreiben sei schließlich vom 18.10.2006, da müsse es doch wohl am 20.10.2006 bei der Stadt xxxxxxx eingegangen sein. Der Mitarbeiter der Auftraggeberin, Herr xxxxxxx, hat ausweislich des Vermerks daraufhin angemerkt, dass dem auf den 18.10.2006 datierten Schreiben ein Einzahlungsbeleg von 20.10.2006 beigefügt war. Daher müsse man annehmen, dass er das Schreiben nicht vor dem 20.10.2006 habe zur Post bringen können und es schon daher nicht mehr rechtzeitig bei der Stadt xxxxxxx habe eingehen können. Da der 20. Oktober ein Freitag war, lasse sich nachvollziehen, dass sein Anforderungsschreiben letztlich erst am 26.10.2006 beim Fachbereich Stadtgrün eingegangen sei, da dieser in einer Außenstelle außerhalb des Rathauses untergebracht sei. Herr xxxxxxx habe ferner erklärt, er habe das Schreiben am 20.10.2006 auch per Fax zusenden wollen an eine Fax-Nummer xxxxxxx und dann ginge die mit xxx weiter. Das empfangende Fax-Gerät sei jedoch wohl defekt gewesen. Dazu habe der Unterzeichner erklärt, die richtige Fax-Nummer sei xxxxxxx. Bereits bei der Anforderung der Vergabeunterlagen für die Maßnahmen "xxxxxxx" und "xxxxxxx" habe Herr xxxxxxx versucht, sein Fax an eine Telefon-Nummer im Fachbereich Stadtgrün zu faxen. Das Fax-Gerät der Vergabestelle mit der Nummer xxxxxxx, welche auch zu den Angaben zur Stelle, bei der die Vergabeunterlagen angefordert werden können, angegeben wurde, habe auch am 20.10.2006 störungsfrei funktioniert.

Auch aus diesem Telefonvermerk ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Antragstellerin wenigstens anlässlich dieses Telefongesprächs den von der Auftraggeberin gesetzten Schlusstermin für die Anforderung der Angebotsunterlagen in irgendeiner Weise gerügt hat.

Selbst wenn die Antragstellerin in diesem Zusammenhang bis zur Stellung des Nachprüfungsantrags keine positive Kenntnis von einem vermeintlichen Vergaberechtsverstoß gehabt hätte, greift im vorliegenden Fall die Präklusionsvorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB. Danach ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Erkennbarkeit des nunmehr beanstandeten Schlusstermins für die Anforderung der Vergabeunterlagen war für einen fachkundigen Bieter aus Ziffer IV.3.3 der Vergabebekanntmachung vom 13.10.2006 ohne weiteres gegeben. Eine Rüge gegenüber der Auftraggeberin innerhalb der Angebotsfrist (14.11.2006 – 11.00 Uhr) erfolgte jedoch nicht. Vielmehr wandte sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 03.11.2006 unmittelbar an die – unzuständige – Nachprüfungsstelle nach § 31 VOB/A in der Regierungsvertretung Braunschweig (dort eingegangen am 08.11.2006), die das Beschwerdeschreiben zuständigkeitshalber mit Schreiben vom gleichen Tage an die Vergabekammer weitergeleitet hat. Dort ist der als "Beschwerde und Widerspruch" bezeichnete Antrag der Antragstellerin am Freitag, den 10.11.2006 in der Poststelle des Behördenzentrums eingegangen und der Vergabekammer Montag, den 13.11.2006 zugeleitet worden. Auf telefonische Nachfrage des Vorsitzenden der Vergabekammer vom 14.11.2006 erklärte die Antragstellerin, sie habe vor Absetzung des Beschwerdeschreibens den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß gegenüber der Auftraggeberin gerügt. Einen Beleg für diese Rüge legte sie jedoch nicht vor, obwohl sie dazu mit Verfügung der Vergabekammer vom 21.11.2006 und noch einmal mit verfahrensbegleitendem Hinweis vom 27.11.2006 unter Fristsetzung bis zum 29.11.2006 aufgefordert wurde. Der Eingang der beiden verfahrensbegleitenden Verfügungen wurde auf telefonische Nachfrage der Vergabekammer vom 24.11. und vom 28.11. ausdrücklich von der Antragstellerin bestätigt.

Der Nachprüfungsantrag war daher mangels vorheriger Rüge gegenüber der Auftraggeberin gem. § 107 Abs. 3 GWB wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen. Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es daher gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GWB nicht.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-
Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 €, die Höchstgebühr 25.000 € bzw. in Ausnahmefällen 50.000 € beträgt.

Es wird eine Gebühr in Höhe der gesetzlichen Mindestgebühr von 2.500 € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von 2.500 € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxxxxxxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxxxxxxxxxx.

IV. Rechtsbehelf

….

Genaue Abgrenzung hinsichtlich des Bauleistungsanteils von Verträgen über Wartung und Instandsetzung

 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.10.2006 – Verg 35/06

1. Verträge über die Wartung und Instandsetzung sind hinsichtlich des Bauleistungsanteils genau abzugrenzen.

2. Allein die Tatsache, dass der Instandsetzungsanteil ca. 25 % beträgt, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die VOB/A Anwendung findet.

3. Wenn der Auftrag neben Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand Nebenarbeiten sind, findet die VOL/A Anwendung.

 

 

Entscheidung im Volltext:

Fundstellen: IBR 2007, 44; IBR 2007, 45
 

18.10.2006

Oberlandesgericht Düsseldorf

Beschluss

Verg 35/06

GWB § 99 Abs. 1, 4, 6 Satz 2, § 107 Abs. 3 Satz 1, 2; VgV § 2 Nr. 2, 4, 5; VOL/A § 1a Nr. 2 Abs. 1, § 7a Nr. 2 Abs. 3, § 17 Nr. 1 Abs. 2

1. Verträge über die Wartung und Instandsetzung sind hinsichtlich des Bauleistungsanteils genau abzugrenzen.
2. Allein die Tatsache, dass der Instandsetzungsanteil ca. 25% beträgt, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die VOB/A Anwendung findet.
3. Wenn der Auftrag neben Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand Nebenarbeiten sind, findet die VOL/A Anwendung.
4. Die falsche Vergabeart unterliegt überhaupt nur dann der Rügeobliegenheit, wenn sie aus der Vergabebekanntmachung erkannt werden konnte.
5. Die Kenntnis der falschen Vergabeart setzt erst mit Hinzuziehung juristischen Sachverstandes ein.
6. Die geforderten Eignungsnachweise sind in der Vergabebekanntmachung anzugeben.
7. Die Forderung eines bereits länger als zwei Jahre gültigen QM-Zertifikates ist unzulässig.
8. Der Ausschluss eines Angebots, trotz eines individuell gesetzten Vertrauenstatbestandes, ist nicht vergaberechtskonform.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.10.2006 – Verg 35/06

Gründe:

I. Als Unternehmen der B…, dem das Gebäudemanagement obliegt, schrieb die Antragsgegnerin im Februar 2006 die Wartung von gefahrenmelde-, informations- und sicherheitstechnischen Anlagen (Brandmeldeanlagen, elektroakustische Anlagen, Einbruchmeldeanlagen, Videoüberwachungsanlagen, Rauch-Wärme-Abzugsanlagen sowie Brand- und Rauschutztüren) in zum Geschäftsbereich der B… gehörenden Gebäuden im Wege einer nationalen Bekanntmachung öffentlich aus. Es sollten bei zehn Losen "Rahmenwartungsverträge" über Wartung und Instandhaltung geschlossen werden. Die Antragsgegnerin legte dem Vergabeverfahren die VOB/A zugrunde. Die Vergabebekanntmachung enthielt u.a. den Hinweis:

Angaben zu Maßnahmen der Qualitätssicherung müssen auf Anforderung erfolgen.

In den Verdingungsunterlagen forderte die Antragsgegnerin in Bezug auf eine Qualitätsmanagementsicherung mit dem Angebot die Vorlage eines

gültigen und seit mehr als zwei Kalenderjahren bestehenden QMS-Zertifikats nach DIN ISO 9001/DIN ISO 9002:1994 bzw. aktueller DIN EN ISO 9001:2000 einer anerkannten Zertifizierungsstelle.

Die Antragstellerin reichte mit ihrem Angebot Zertifikate über ein Qualitätsmanagement (QM-Zertifikate) ein, die – bezogen auf den Zeitpunkt der Vergabebekanntmachung und bei Ablauf der Frist für die Angebotsabgabe – noch nicht zwei Jahre gültig waren.

Die Submission ergab, dass wegen Unvollständigkeit sowie Fehlens geforderter Eignungsnachweise keines der 13 eingegangenen Angebote wertbar war. Aufgrund dessen hob die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren auf und führte – ohne erneute Vergabebekanntmachung – ein beschränktes Verfahren durch. Sie teilte dies den Bietern mit (Schreiben vom 4.4.2006) und forderte sie auf, bestimmte, individuell noch nicht beigebrachte Eignungsnachweise nachzureichen. Auch das an die Antragstellerin gerichtete Schreiben nannte verschiedene, noch beizubringende Eignungsnachweise. Die Vorlage eines (seit mehr als zwei Jahren gültigen) QM-Zertifikats war darin aber nicht aufgeführt.

Anschließend gab die Antragsgegnerin die Verdingungsunterlagen heraus, so u.a. auch an die Antragstellerin. Neben dem Angebot der Antragstellerin gingen elf weitere Angebote ein. Das Angebot der Antragstellerin ist bei allen zehn Losen das preisgünstigste. Nach zwei Bietergesprächen mit der Antragstellerin, deren Gegenstand die Preise und die Kalkulation waren, erteilte die Antragsgegnerin am 9.6.2006 der Beigeladenen zu 1 den Zuschlag auf die Lose 1, 4, 6 und 8, der Beigeladenen zu 2 den Zuschlag auf die Lose 2 und 7 sowie der Beigeladenen zu 3 den Zuschlag auf die Lose 3 und 5. Unterdessen ließ die Antragstellerin durch Anwaltsschreiben vom 23.5.2006 rügen, dass es sich bei den ausgeschriebenen Leistungen nicht um Bau-, sondern um Dienstleistungen handele, so dass – da in diesem Fall der maßgebende Schwellenwert überschritten sei – eine europaweite Bekanntmachung habe erfolgen müssen. Unter dem 12.6.2006 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin, ihr Angebot werde von der Wertung ausgeschlossen, da kein seit zwei Jahren gültiges QM-Zertifikat vorgelegt worden sei. Die Antragstellerin ließ dies mit Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 13.6.2006 beanstanden und stellte am 26.6.2006 einen Nachprüfungsantrag. Nach Zustellung des Nachprüfungsantrags erteilte die Antragsgegnerin unter dem 28.6.2006 der Beigeladenen zu 4 den Zuschlag auf die Lose 9 und 10.

Im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren stritten die Verfahrensbeteiligten über den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin sowie darüber, ob die ausgeschriebenen Leistungen als Bau- oder als Dienstleistungen einzuordnen sind, ob die Antragstellerin insoweit sowie mit Blick auf das gewählte Verfahren einer nationalen Ausschreibung einer Rügeobliegenheit unterlag und ob sie dieser rechtzeitig nachgekommen war. Mit ihrem Hauptantrag begehrte die Antragstellerin die Verpflichtung der Antragsgegnerin, das von ihr eingereichte Angebot zu werten. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene traten dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen und beantragten, den Nachprüfungsantrag zu verwerfen.

Die Vergabekammer verwarf den Nachprüfungsantrag. Nach ausführlicher Prüfung stimmte sie der Antragstellerin zwar darin zu, dass die ausgeschriebenen Leistungen als Dienstleistungen zu qualifizieren seien. Jedoch erkannte die Vergabekammer eine Verletzung der Rügeobliegenheit durch die Antragstellerin, da schon aufgrund der Vergabebekanntmachung im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung zu erkennen gewesen sei, dass die Antragsgegnerin die Rechtsnatur der Verträge fehlerhaft eingeordnet habe. Daraus leitete die Vergabekammer ab, die Antragstellerin sei nicht nur mit der Beanstandung einer unrichtigen rechtlichen Einordnung des Vertrages und der Wahl eines fehlerhaften Verfahrens, sondern zugleich mit allen weiteren Beanstandungen, die mit der Wahl der Verfahrensart bestimmungsgemäß zusammenhingen, ausgeschlossen. Die Vergabekammer folgte darin der Entscheidung des KG vom 17.10.2002 (2 Kart Verg 13/02, NZBau 2003, 338, 339 = VergabeR 2003, 50, 51) und nahm an, die Antragstellerin sei deswegen so zu behandeln, als erreiche der ausgeschriebene Auftrag nicht den für die Anwendung des Vergaberechtsregimes maßgebenden Schwellenwert. Der gerügte Vergaberechtsverstoß könne deswegen mit einem Nachprüfungsantrag nicht zulässig angegriffen werden.

Die Antragstellerin hat gegen die Entscheidung der Vergabekammer sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses nach ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen, mithin insbesondere die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Angebot zu werten.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragsgegnerin hat den Auftrag rechtsfehlerhaft als Bauauftrag verstanden und infolgedessen, und zwar wegen des dann höheren Schwellenwerts, von einer europaweiten Ausschreibung abgesehen. Aufgrund der objektiv gegebenen Sachlage ist das Nachprüfungsverfahren eröffnet, da Gegenstand der Beschaffung Dienstleistungen sind. Die Nachprüfung des Verfahrens ergibt, dass die Antragstellerin oder deren Angebot vergabefehlerhaft von der Wertung ausgeschlossen worden ist.

1. a) Das Nachprüfungsverfahren ist statthaft, da der in Rede stehende öffentliche Auftrag dem Vergaberechtsregime des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterliegt. Dies ist – kurz zusammengefasst – immer dann anzunehmen, wenn von einem öffentlichen Auftraggeber ein öffentlicher Auftrag vergeben werden soll, der den maßgebenden Schwellenwert erreicht oder übersteigt, und keiner der in § 100 Abs. 2 GWB oder sonst normierten Ausnahmetatbestände gegeben ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Maßgebend ist insoweit die objektive Sachlage.

(1.) Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB, da die B…, eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 367 S. 1 SGB III), die Aufsicht über ihre Leitung ausübt.

(2.) Bei den ausgeschriebenen Aufträgen handelt es sich um öffentliche Dienstleistungsaufträge nach § 99 Abs. 1 und 4 GWB, die den maßgebenden Schwellenwert von 130.000 Euro (§ 2 Nr. 2 VgV) um ein Mehrfaches übersteigen. Die Aufträge aus den Losen und die Auftragswerte der Einzelaufträge sind zusammenzurechnen (§ 2 Nr. 5, Nr. 4 VgV). Die Vergabekammer hat die Rechtsnatur der Aufträge im Ergebnis und in der Begründung mit Recht als Dienstleistung und nicht als Bauleistung beurteilt. Insoweit kann auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden (S. 14 bis 20). Zur Vermeidung von Wiederholungen sollen nur die auch dem Senat wesentlich erscheinenden Überlegungen nochmals angegeben werden. Die Begriffsbestimmung bei Bau- und Dienstleistungen ist autonom vorzunehmen. Sie entspricht nicht der im deutschen Recht geltenden Unterscheidung zwischen Werk- und Dienstleistungen, sondern beruht auf dem Begriffsverständnis der EG-Vergaberichtlinie 2004/18/EG und der Vorläuferrichtlinien. Die Abgrenzung richtet sich nach § 99 Abs. 6 S. 2 GWB. Danach gilt ein öffentlicher Auftrag, der neben Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand Nebenarbeiten sind, als Dienstleistungsauftrag. Die Abgrenzung ist einer generalisierenden Bewertung, insbesondere einer solchen anhand bestimmter Anteile von Bau- und Dienstleistungen am Auftragswert entzogen. Die Wertanteile erfüllen insoweit lediglich eine Orientierungs- und Kontrollfunktion. Entscheidend kommt es darauf an, aufgrund einer Analyse der kennzeichnenden und in den Verdingungsunterlagen dokumentierten rechtlichen sowie wirtschaftlichen Gesamtumstände den Schwerpunkt des Auftrags zu ermitteln (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.3.2003 – Verg 49/02, BA 14 ff. m.w.N.). Im Streitfall nehmen nach eigener Schätzung der Antragsgegnerin die – neben reinen Wartungsarbeiten – überhaupt nur als Bauleistungen in Frage kommenden Instandsetzungsarbeiten einen Anteil von etwa 25 % am Gesamtauftragswert ein. Der Wertanteil ist zutreffend in ein Verhältnis zum Gesamtauftragswert zu setzen. Er deutet auf erste Sicht nicht darauf hin, dass Bauleistungen mehr als bloße Nebenleistungen sind. Dies fügt sich darin ein, dass die der Wartung unterliegenden Anlagen bereits vorhanden sind. Gemäß Nr. 2.1.4 des Entwurfs eines Wartungsvertrages soll der Auftragnehmer u.a. Instandsetzungsarbeiten im Zusammenhang mit der Wartung vorzunehmen haben. Der Aufwand soll auf eine Arbeitsstunde und 50 Euro für Material begrenzt sein (Nr. 2.2.3 des Vertragsentwurfs). Nach Art und Umfang scheiden diese Arbeiten für Bauleistungen aus. Daneben sollen nach Nr. 2.1.5 des Vertragsentwurfs Instandsetzungsarbeiten auf Anforderung des Auftraggebers geleistet werden. Solche bei Bedarf und auf besonderen Auftrag auszuführende Instandsetzungsarbeiten können zwar Bauleistungen sein, sofern sie wesentliche Bedeutung für den Bestand baulicher Anlagen haben oder mit deren teilweiser Erneuerung verbunden sind. Jedoch wird daran deutlich, dass Instandsetzungsarbeiten, die als Bauleistungen qualifiziert zu werden verdienen, einen mindestens tendenziell deutlich geringeren Anteil am Gesamtauftragswert haben, als dem geschätzten Anteil der gesamten Instandsetzungsarbeiten daran entspricht. In erster Linie soll der Auftragnehmer durch regelmäßige Wartung, Überprüfung und gegebenenfalls Instandsetzungen geringeren Umfangs einen störungsfreien Betrieb der Anlagen sicherstellen. Daraus folgt die rechtliche Einordnung als Dienstleistungsauftrag. Es handelt sich um Leistungen bei Instandhaltung und Reparatur, die gemäß dem Anhang I A, Kategorie 1, der VOL/A, Abschnitt 2, genauso wie nach Anhang II der Richtlinie 2004/18/EG als Dienstleistungen zu qualifizieren sind. Solche Dienstleistungen sind nach § 1 a Nr. 2 Abs. 1 VOL/A nach den Bestimmungen des zweiten Abschnitts zu vergeben.

(3.) Das Nachprüfungsverfahren ist nicht wegen wirksamer Zuschlagserteilung ausgeschlossen. Der den Beigeladenen zu 1, 2 und 3 jeweils am 9.6.2006 erteilte Zuschlag ist gemäß § 13 S. 6 VgV nichtig, da er erfolgte, bevor die Antragstellerin unter dem 12.6.2006 darüber informiert worden war, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden soll. Der Zuschlag an die Beigeladene zu 4 erging, nachdem der Nachprüfungsantrag am 26.6.2006 zugestellt worden war. Mithin verstieß der am 28.6.2006 erteilte Zuschlag gegen das gesetzliche Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 2 GWB. Er ist gemäß § 134 BGB nichtig.

b) Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt und hat der Rügeobliegenheit genügt.

(1.) Die Antragsbefugnis der Antragstellerin (§ 107 Abs. 2 GWB) ergibt sich aus dem im Angebot dokumentierten Interesse am Auftrag. Außerdem behauptet die Antragstellerin, durch den Ausschluss ihres Angebots von der Wertung in Bieterrechten verletzt zu sein, da die Antragsgegnerin für einen Ausschluss das Fehlen eines länger als zwei Jahre gültigen QM-Zertifikats nicht habe heranziehen dürfen. Infolgedessen droht der Antragstellerin ein Schaden. Ihr Angebot hat wegen des Preisvorsprungs vor Angeboten der Wettbewerber Chancen auf den Zuschlag. Dagegen ist infolge der rechtlich unzutreffenden Einordnung des Auftrags durch die Antragsgegnerin sowie der darauf beruhenden nationalen Bekanntmachung und Anwendung lediglich innerstaatlicher Vorschriften über das Vergabeverfahren im Streitfall ausnahmsweise eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften zu verneinen. Die Antragstellerin hat trotz der genannten Mängel Kenntnis von der Ausschreibung erhalten und hat sich daran durch Einreichen eines Angebots beteiligt. Von Rechtsverstößen beim Ausschluss des Angebots des Antragstellerin sowie bei der Zuschlagserteilung abgesehen ist es im Vergabeverfahren – soweit aufgrund des Sach- und Streitstandes zu erkennen ist – zu keinen Unregelmäßigkeiten gekommen. Die Antragsgegnerin hat ein förmliches Verfahren nach Maßgabe des ersten Abschnitts der VOB/A abgehalten. So betrachtet hat die Antragstellerin wegen der genannten Mängel eine Rechtsverletzung und Beeinträchtigung ihrer Zuschlagschancen folgerichtig selbst ausgeschlossen.

(2.) Die Antragstellerin hat der Rügeobliegenheit entsprochen (§ 107 Abs. 3 S. 1 GWB). Sie hat den von der Antragsgegnerin unter dem 12.6.2006 bekanntgegebenen Ausschluss ihres Angebots unverzüglich am 13.6.2006 beanstanden lassen. Die Antragstellerin hat durch Anwaltsschreiben vom 23.5.2006 auch die rechtlich fehlerhafte Einordnung des Auftrags als Bauauftrag und das Unterbleiben einer europaweiten Vergabebekanntmachung gerügt. Ihr kann weder vorgeworfen werden, jene Rüge nicht innerhalb der dafür vorgesehenen Frist ausgesprochen zu haben (§ 107 Abs. 3 S. 2 GWB), noch sind ihr wegen einer Verletzung der Rügeobliegenheit alle mit dieser Beanstandung zusammenhängenden Rügen abgeschnitten.

aa) Die Antragstellerin unterlag wegen der unzutreffenden rechtlichen Behandlung des Auftrags und der deswegen unterbliebenen europaweiten Bekanntmachung keiner Rügeobliegenheit. Zu rügen sind nach § 107 Abs. 3 GWB nur solche Verstöße gegen Vergabevorschriften, aus denen der Antragsteller im Sinne der Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB eine Verletzung seiner Bieterrechte und eine Beeinträchtigung seiner Zuschlagschancen herleitet. Da in Bezug auf die dargestellten Rechtsverstöße eine Verletzung von Bieterrechten der Antragstellerin ausscheidet, und auch ihre Aussicht auf den Zuschlag nicht beeinträchtigt worden ist, musste die Antragstellerin diese nicht rügen.

bb) Wer dies anders sieht, kann der Antragstellerin nicht entgegenhalten, die Obliegenheit zur Rüge verletzt zu haben. In diesem Zusammenhang kann eine Präklusion nur auf die Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 S. 2 GWB gestützt werden, wonach der Antragsteller die aufgrund der Bekanntmachung erkennbaren Verstöße gegen Vergabevorschriften spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber zu beanstanden hat. In diesem Zusammenhang hat die Vergabekammer mit Recht auf den Inhalt der Bekanntmachung vom Februar 2006 abgestellt. Diese bildet mit dem Verfahren der beschränkten Ausschreibung, richtigerweise mit dem nichtoffenen Verfahren, dem keine erneute Vergabebekanntmachung vorangegangen ist, deren Wertungsergebnis von der Antragstellerin aber beanstandet wird, eine funktionale Einheit. Erst aus den Vergabeunterlagen erkennbare Rechtsverstöße lösen die Rügeobliegenheit hingegen nicht aus. § 107 Abs. 3 S. 2 GWB ist – seinem klaren Wortlaut entsprechend – nicht erweiternd auszulegen.

Eine fehlerhafte Bestimmung der Rechtsnatur des Auftrags und die Folgen waren für die Antragstellerin jedoch nicht feststellbar zu erkennen. Die Vergabekammer hat die Erkennbarkeit nach einem objektiven Maßstab, d.h. anhand einer von einem durchschnittlichen, verständigen Bewerber oder Bieter zu erwartenden üblichen Sorgfalt, beurteilt. Dem ist – auch wenn Solches in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zuweilen vertreten worden ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.7.2000, NZBau 2001, 462; BayObLG, Beschl. v. 23.11.2000 – Verg 12/00) – nicht zuzustimmen. Den Maßstab für die Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes bilden die individuellen Verhältnisse des Antragstellers (vgl. KG, Beschl. v. 11.7.2000, BauR 2000, 1620; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.11.2000 – Verg 18/00; Wiese in Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, § 107 GWB Rn. 85). Der innere Grund dafür ist in dem Umstand zu sehen, dass die Rügeobliegenheit materiell wie prozessual eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) darstellt, der in der durch die Anforderung der Bewerbungs- oder Vergabeunterlagen begründeten schuldrechtlichen Sonderverbindung zum Auftraggeber wurzelt. Der Grundsatz von Treu und Glauben konstituiert Obliegenheiten (und Nebenpflichten) indes nicht ohne Rücksicht darauf, ob eine Erfüllung zumutbar ist. Zumutbarkeit ist stets individuell nach den Verhältnissen des in der Obliegenheit stehenden Beteiligten zu beurteilen. Nur zumutbaren Obliegenheiten ist nachzukommen. Ist das Bestehen einer Obliegenheit nicht individuell erkennbar, ist eine Erfüllung nicht zumutbar und muss auch nicht erfüllt werden. In der Sache führt der abweichende Ansatz der Vergabekammer freilich zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Wer die Erkennbarkeit anhand eines objektivierten Maßstabs prüft, wird tendenziell sogar eher dazu gelangen, diese zu verneinen.

Im vorliegenden Fall waren der Fehler bei der rechtlichen Einordnung des Auftrags und die Folgen für das Vergabeverfahren aufgrund der Bekanntmachung weder bei Anwendung eines objektiven noch eines subjektiven Sorgfaltsmaßstabs zu erkennen. Die Bekanntmachung vom Februar 2006 gab darüber keinen zureichenden Aufschluss. Sie erlaubte nicht zu prüfen und zu beurteilen, ob der ausgeschriebene Auftrag ein Bau- oder Dienstleistungsauftrag war. Eine derartige Prüfung war sowohl einem durchschnittlich versierten, verständigen Bieter als auch der Antragstellerin, gemessen an ihren individuellen Erkenntnismöglichkeiten, unmöglich. Die Vergabebekanntmachung enthielt keine dafür ausreichenden Beurteilungsgrundlagen. Die für eine Abgrenzung erforderlichen Tatsachenangaben gingen erst aus den Verdingungsunterlagen in Verbindung mit dem Entwurf eines Wartungsvertrages hervor. Und auch dann war aber weder von einem durchschnittlich erfahrenen Bieter noch von der Antragstellerin, gemessen an den behaupteten individuellen Unternehmensverhältnissen, zu erwarten, dass die Fehlerhaftigkeit der Bestimmung der Auftragsnatur und des beschrittenen Vergabeverfahrens erkannt werden konnte. Der bloße Hinweis der Beigeladenen darauf, bei der Antragstellerin handele es sich um ein bei Ausschreibungen langjährig erfahrenes Unternehmen, belegt nicht das Gegenteil. Die Rechtsverstöße waren nur unter Aufwendung juristischen Sachverstands erkennbar, ohne dass die Antragstellerin vergaberechtlich gehalten war, solchen Sachverstand durch Zuziehung eines Rechtsanwalts zur Aufklärung über die Erkenntnismöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Ihre Annahme, der Rechtsverstoß sei erkennbar gewesen, hat auch die Vergabekammer lediglich mit Mutmaßungen und Unterstellungen sowie anhand von Kenntnissen begründet, die erst aus den Vergabeunterlagen erworben werden konnten (BA 23 f.).

Die Annahme, dass in einem derartigen Fall vom Bieter zu erkennen und gemäß § 107 Abs. 3 S. 2 GWB auch zu rügen sei, dass die Vergabebekanntmachung entgegen § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. c VOL/A keine zureichenden Angaben über Art und Umfang der Leistung enthalte (so OLG Bremen, Beschl. v. 18.5.2006 – Verg 3/05, VergabeR 2006, 502, 505), ist für praxisfremd zu halten, ohne dass die Ansicht des Senats eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gebietet (§ 124 Abs. 2 GWB). Bei umfangreichen und – wie im Streitfall – vielgestaltigen Aufträgen muss der Auftraggeber nicht sämtliche Leistungsmerkmale, welche erlauben, die Bestimmung der Rechtsnatur des Auftrags nachzuvollziehen, in die Vergabebekanntmachung aufnehmen. Im vorliegenden Fall hätte dies bedeutet, dass großenteils der Inhalt der Vergabeunterlagen und des Entwurfs eines Wartungsvertrags in der Bekanntmachung anzugeben gewesen wäre. Derart umfangreiche Angaben sind bei dem Zweck, den die Vergabebekanntmachung erfüllen soll, nämlich die am Auftrag interessierten Unternehmen über die Umstände zu unterrichten, die für ihre Entschließung, sich am Wettbewerb zu beteiligen, wichtig sein können, nicht geboten. Der Senat ist der Meinung, dass die genannten Einzelheiten im vorliegenden Einzelfall in die Bekanntmachung nicht aufzunehmen waren und die Rüge einer Unvollständigkeit der Vergabebekanntmachung unbegründet war.

Ungeachtet dessen pflichtet der Senat ebensowenig der auf die Entscheidung des KG vom 17.10.2002 – 2 Kart Verg 13/02, NZBau 2003, 338, 339 = VergabeR 2003, 50, 51) gestützten und neuerdings im Vorabentscheidungsersuchen des OLG Bremen (Beschl. v. 18.5.2006 – Verg 3/05, VergabeR 2006, 502, 505) an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wiederholten Rechtsauffassung der Vergabekammer bei, wonach bei Nichtbeachtung der Rügeobliegenheit im Fall einer erkennbar unzutreffenden Wahl des Vergabeverfahrens der Antragsteller nicht nur hinsichtlich dieses Vergabefehlers, sondern mit allen weiteren Beanstandungen präkludiert sei, die mit der Verfahrenswahl bestimmungsgemäß zusammenhängen, dieses mit der Folge, dass ihm das Vergabenachprüfungsverfahren nicht eröffnet sei. Eine derartige Interpretation widerspricht dem Wortlaut und Sinn von § 107 Abs. 3 GWB. Nach dieser Norm ist nur eine Beanstandung solcher konkreten Vergaberechtsverstöße in einem Vergabenachprüfungsverfahren ausgeschlossen, die entgegen einer gesetzlich begründeten Obliegenheit vom Antragsteller nicht unverzüglich oder fristgemäß gerügt worden sind. Diese Auffassung des Senats ist für die Entscheidung freilich nicht tragend, da in Bezug auf den hier behandelten Vergaberechtsverstoß schon das Bestehen einer Rügeobliegenheit zu verneinen ist.

2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

a) Die Forderung eines Nachweises in der Form eines länger als zwei Jahre gültigen QM-Zertifikats betraf die Eignung der Bewerber. Sie war, was mit den Verfahrensbeteiligten im Senatstermin erörtert worden ist, vergaberechtlich unzulässig. Gemäß § 7 a Nr. 2 Abs. 3 VOL/A hat der Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung anzugeben, welche Nachweise zur Darlegung der Eignung von den Bewerbern vorzulegen sind. Nach § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. m, Nr. 3 Abs. 1 lit. l VOL/A hat er danach nur noch die Wahl festzulegen, ob die Nachweise mit dem Angebot oder (erst) auf Anforderung einzureichen sind (vgl. auch die insoweit übereinstimmende Rechtlage nach § 17 Nr. 1 Abs. 1 lit. s, § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A). Der Auftraggeber ist an solche Festlegungen gebunden. Er darf bei den Eignungsanforderungen in den Verdingungsunterlagen keine Nachforderungen stellen, sondern die aufgrund der Vergabebekanntmachung verlangten Eignungsnachweise nur konkretisieren. Darüber ging der Inhalt der Verdingungsunterlagen im Streitfall hinaus. Die Vorlage eines QM-Zertifikats, noch dazu mit einer bestimmten Gültigkeitsdauer, wurde darin von der Antragsgegnerin erstmals gefordert. Die Forderung ist vergaberechtlich zu beanstanden und infolgedessen nicht wirksam, denn sie stellt keine bloße Konkretisierung dar. Insofern ist schon der in der Vergabebekanntmachung enthaltene Hinweise, auf Anforderung seien Angaben zu Maßnahmen der Qualitätssicherung zu machen, unbestimmt und gar nicht konkretisierungsfähig. Da die Antragstellerin einen in ihrem Unternehmen gewahrten Qualitätssicherungsstandard durch Vorlage eines Zertifikats nicht zu belegen hatte, schadet ihr auch nicht, Zertifikate beigebracht zu haben, die den gestellten Anforderungen nicht entsprachen.

b) Ungeachtet des Rechtssatzes, wonach der Auftraggeber wegen zwingender Ausschlussgründe ein Angebot oder einen Bewerber jederzeit, und zwar auch dann, sofern – wie hier – die Angebotswertung im Übrigen darüber bereits hinweggegangen ist, aus der Wertung zu nehmen hat, durfte die Antragsgegnerin die Antragstellerin wegen eines ungenügenden QM-Zertifikats vom Vergabeverfahren ferner nicht ausschließen, weil sie hiermit gegen einen individuell gesetzten Vertrauenstatbestand verstieß. Nach Aufhebung des offenen Verfahrens leitete die Antragsgegnerin das nichtoffene Verfahren mit einem Anschreiben vom 4.4.2006 an die bisherigen Bieter und nun als Bewerber anzusehenden Unternehmen ein, in dessen Anlage unter der Überschrift "noch beizubringende Eignungsnachweise" die Nachreichung bestimmter Eignungsnachweise gefordert wurde. In dem an die Antragstellerin gerichteten Schreiben wurde die Beibringung eines QM-Zertifikats nicht verlangt. Dadurch hat die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin Vertrauen darauf erzeugt, dass – sofern die jetzt noch angeforderten Unterlagen nachgereicht würden – die verlangten Eignungsnachweise vollständig vorlägen. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 4.4.2006 nebst der Anlage war von den Bewerbern, wie von der Antragstellerin, gerade auch vor dem Hintergrund zu lesen und zu verstehen, dass unvollständige Eignungsnachweise und Angebote das vorgeschaltete offene Verfahren hatten scheitern lassen, und von der Antragsgegnerin ersichtlich nunmehr der Versuch unternommen werden sollte, dergleichen Aufhebungsgründe im nichtoffenen Verfahren zu vermeiden. Dass die Bewerber das Schreiben vom 4.4.2006 und die Anlage so verstünden, war für die Antragsgegnerin erkennbar. Die Antragstellerin hat sich dem ihr erteilten Hinweis entsprechend verhalten und hat nur noch die nachgeforderten Unterlagen eingereicht. Dabei durfte sie annehmen, dass die zum Nachweis eines Qualitätssicherungsstandards von ihr vorgelegten Zertifikate von der Antragsgegnerin als ausreichend angesehen wurden, obwohl diese objektiv die geforderte mehr als zweijährige Gültigkeitsdauer nicht aufwiesen. Denn die Antragsgegnerin konnte von dieser ohnedies vergaberechtswidrigen Forderung abgerückt sein und den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum dahin ausgeübt haben, dass die Qualität der Leistung im Unternehmen der Antragstellerin gesichert war. Bei dieser Sachlage war der Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren überraschend. Die Ausschlussentscheidung beruht auf einer vergaberechtlich zu beanstandenden Verletzung in Anspruch genommenen Vertrauens. Infolgedessen hat das Ergebnis der bisherigen Angebotswertung keinen Bestand. Die Wertung ist von der Antragsgegnerin zu wiederholen, wobei die Antragstellerin oder deren Angebot wegen der unterbliebenen Vorlage eines gültigen und seit mehr als zwei Jahren bestehenden QM-Zertifikats nicht ausgeschlossen werden darf. Die darin liegende geringfügige Abschwächung des Hauptantrags der Antragstellerin begründet kein Teilunterliegen. Der Antrag ist im vorgenannten Sinn zu verstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 S. 1 und 2 sowie Abs. 4 S. 1 und 2 GWB sowie auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 159 VwGO und 91, 100 Abs. 1 ZPO. Da die Beigeladene zu 1 sich mit eigenen Anträgen und mit Sachvortrag sowohl am Verfahren der Vergabekammer als auch am Beschwerdeverfahren beteiligt hat, ist es gerechtfertigt, sie als Unterliegende mit zu den Verfahrenskosten und den Aufwendungen und außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin heranzuziehen, dies kraft gesetzlicher Anordnung in § 128 Abs. 3 S. 2 GWB freilich nur bei den Kosten der Vergabekammer als Gesamtschuldner neben der Antragsgegnerin und im Übrigen nach Kopfteilen (vgl. OLG Düsseldorf NZBau 2000, 440, 444).

Die Streitwertfestsetzung gründet sich auf § 50 Abs. 2 GKG.

 

Bei Doppelangeboten ist der Bieter auszuschließen

Hat die Vergabestelle eindeutig aufgefordert, ein Angebot entweder für ein Misch- oder Gesamtlos oder für ein Einzellos getrennt abzugeben, muss der Bieter ausgeschlossen werden, wenn er für beides Angebote abgibt. Bei Doppelangeboten ist dann ein eindeutiger Wille des Anbietenden nicht mehr sicher ermittelbar, wenn der Angebotsinhalt grundsätzlich differieren kann.

VK Arnsberg, Beschluss vom 23.06.2005 – VK 05/05

 

Volltext:

Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg

Beschluss

VK 05/05

GWB § 107 Abs. 2; VOB/A § 21 Nr. 2
Da bei Doppelangeboten der Wille des Anbieters nicht mehr eindeutig für die Vergabestelle ermittelbar ist, sind diese Angebote zwingend auszuschliessen.*)
VK Arnsberg, Beschluss vom 23.06.2005 – VK 05/05

In dem Nachprüfungsverfahren

….

wegen

fehlerhafter Wertung von Nebenangeboten im Rahmen des Verfahrens zum Ausbau der A 1 im Bereich Hagen/Schwerte von Station 62,4 bis 64,32 (Autobahnkreuz Westhofen), Baulos A 1.9 b III, Fachlos A Strecke sowie Fachlos B Lärmschutz

hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg durch die Vorsitzende Frau Regierungsdirektorin Hugenroth, das hauptamtliche Mitglied Herrn Dipl.-Ing. Wiegard und das ehrenamtliche Mitglied Herrn Assessor Meinolf Niemand, Handwerkskammer Arnsberg, Brückenplatz 1, 59821 Arnsberg, aufgrund der Aktenlage am 23.06.2005 beschlossen:

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens und die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin.

3. Die Gebühr der Vergabekammer wird aufxxxx€ festgesetzt. Sie ist mit Bestandskraft dieser Entscheidung fällig und unter Angabe des
…. einzuzahlen.

I.
Sachverhalt::

Die Antragsgegnerin hat die Leistung des Ausbaus im o.g. Steckenabschnitt in zwei Fachlosen (Fachlos A: "Streckenbau" und Fachlos B: "Lärmschutzwandarbeiten") im offenen Verfahren nach Abschnitt 2 der VOB/A im Juni 2004 ausgeschrieben. Hinsichtlich der Abgabemodalitäten für das Angebot enthielt die Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Ziffer 12 folgenden Wortlaut: "Die Baumaßnahme ist in das Fachlos A "Strecke" und das Fachlos B "Lärmschutz" aufgeteilt. Der Bieter/die Bietergemeinschaft kann die Bauleistungen entweder als Mischlos (Fachlos A und B) oder als einzelnes Fachlos (Fachlos A oder B) anbieten."
Die Ausschreibungsunterlagen enthielten entsprechende vorbereitete Angebotsschreiben zu der Variante eines Gesamtloses sowohl als auch zu der Variante der Abgabe von einzelnen Fachlosen. Die Antragstellerin hat sämtliche Angebotsschreiben ausgefüllt und unterschrieben und abgegeben. Dabei sind die Preise des Gesamtangebotes und die Preise der einzelnen Fachlose identisch. Darüber hinaus hat die Antragstellerin insgesamt sieben Nebenangebote vorgelegt, von denen lediglich die Angebot Nr. 1 und 7 als gleichwertig und brauchbar gewertet worden sind. Die Nebenangebote 3 und 4 wurden als nicht gleichwertig und nicht brauchbar betrachtet von Seiten der Vergabestelle, da das angebotene Material (Schmelzkammergranulat 0/8 als Filtermaterial) aufgrund seiner Sieblinie 0/8 mm schlechtere Filtereigenschaften als das ausgeschriebene gebrochene Naturstein 2/32 mm besitze. Die Vergabestelle hat der Antragstellerin im Rahmen der Informationsschreiben nach § 13 VgV mitgeteilt, dass sie beabsichtige den Zuschlag an eine andere Bieterin zu erteilen, weil aufgrund der durchgeführten Wertung das Angebot nicht als das wirtschaftlichste zu betrachten sei. Die Antragstellerin hat diese Vorgehensweise mit Schreiben vom 28.04.2005 gerügt mit der Begründung, dass die Nebenangebote 3 und 4 aufgrund der Gleichwertigkeit, die sich wiederum aus der beigelegenen Eignungsnachweisprüfung der S. GmbH vom 30.04.2005 ergeben solle, zu Unrecht aus der Wertung ausgeschlossen worden seien.

Nach Zurückweisung der Rüge mit Schreiben vom 03.05.2005 durch die Vergabestelle hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11.05.2005 Antrag auf Nachprüfung bei der Vergabekammer in Arnsberg gestellt, den diese mit Schriftsatz vom gleichen Tage der Vergabestelle zugestellt hat.

Nach Vorlage der Akten und dem Eingang der Stellungnahme der Vergabestelle vom 20.05.2005 hat die Vergabekammer sodann die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei ohne Anberaumung eines mündlichen Termins aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, da ausweislich der vorgelegten Akten die Antragstellerin sowohl ein Gesamtangebot als auch dasselbe Hauptangebot aufgeteilt in die Teillose A und B vorgelegt habe.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass bei Wertung von ihr, insbesondere der von ihr vorgelegten Nebenangebote Nr. 3 und 4, das preisgünstigste Angebot vorgelegt worden sei. Diese Nebenangebote müssten aufgrund der als gleichwertig nachgewiesenen Materialien auch gewertet werden. Entgegen der Auffassung der Vergabestelle sei der Eignungsnachweis des unabhängigen Prüfungsbüros S. vom 30.04.2005 definitiv beim Angebot dabei gewesen, hierzu benennt die Antragstellerin einen Zeugen, der als Kalkulator bei der Antragstellerin tätig ist und persönlich den Eignungsnachweis in das Kuvert mit den Angebotsunterlagen gesteckt haben soll.
Im Übrigen sei die Antragstellerin aufgrund der in Ziffer 12 der Ausschreibungsbedingungen niedergelegten Formulierung im Zusammenhang mit den Vorschriften der Ziffer 3.5 zur Rückgabepflicht der EFB-Blätter gehalten gewesen alle den Ausschreibungsunterlagen zugehörigen Blätter zurückzugeben. Die gewählte Form der Ausschreibung durch die Antragsgegnerin entspräche der einer zulässigen Parallelausschreibung. Andernfalls hätte die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin ausschließen müssen. Auch die in einander greifende Art der Nebenangebote insbesondere des Nebenangebots Nr. 6 und 7 der Antragstellerin zeige, dass kein sachlicher Grund darin bestände, ein Gesamtlosangebot als Alternative zu einer Fachlosvergabe vorzusehen. Die Eindeutigkeit des Angebots der Antragstellerin ergäbe sich auch daraus, dass die Angebotsteile A und B identische Preise wie die entsprechenden Teile des Gesamtloses enthielten. Vertrete man aber die Auffassung, dass das Angebot der Antragstellerin unbestimmt sei, dann sei dieses auf die unklare Form der Ausschreibung zurückzuführen, so dass hierin eher ein Aufhebungsgrund zu sehen sei.
Hinsichtlich des Ausschlusses der Nebenangebote 3 und 4 legt die Antragstellerin unter dem Angebot weiterer Sachverständigengutachten als Beweis dar, dass das geforderte Material des Natursteins in der Körnung 2/32 mm regelmäßig einen entsprechend hohen Feinkornanteil habe, dem gegenüber das angebotene Schmelzkammergranulat mindestens als gleichwertig anzusehen sei. Die von der Vergabestelle zusätzlich benannte Belastbarkeit des Materials sei als nachträglich eingeführtes Wertungskriterium nicht zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Abläufe im Eröffnungstermin vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass der Eignungsnachweis (Gleichwertigkeitsnachweis des Ingenieurbüros Schniering) versehentlich vom Angebot getrennt worden sei während der Eröffnung des Angebots.

Die Antragstellerin beantragt:

1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Zuschlag im offenen Verfahren bezüglich des Auftrages "Sechsstreifiger Ausbau der A 1 im Bereich Hagen / Schwerte von Stat. 62,400 bis Stat. 64,320 (AK Westhofen) – Baulos A 1.9 b III. Fachlose A "Strecke" (Erd-, Entwässerungs-, Straßenoberbau-, Brückenbau- und Teilausstattungsarbeiten) Fachlos B "Lärmschutz": Lärmschutzwandarbeiten an die Bietergemeinschaft Bickhardt Bau AG, 36257 Kirchheim, zu erteilen.

2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet den Zuschlag an die Antragstellerin zu erteilen.

3. Hilfsweise für die Fälle des § 114 Abs. 2 GWB:
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Bieterrechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt wurde.

4. Die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin wird gemäß § 128 Abs. 2 GWB für notwendig erklärt.

5. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Antragsgegnerin beantragt

den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Nebenangebote Nr. 3 und 4 der Antragstellerin nicht gewertet werden können, da die Gleichwertigkeit nicht nachgewiesen ist und da insbesondere der fehlende Eignungsnachweis der S. GmbH nicht dem Angebot beigelegen habe. Sie verweist hierzu auf die Lochung des Angebots und die Verfahrensweise bei der Öffnung der Angebote die sicherstelle, dass die vorgelegten Unterlagen lückenlos dokumentiert sind. Darüber hinaus sei das beschriebene Material ungeeignet, was dazu führen könne, dass die ausgeschriebenen Sickerstränge auf diese Art und Weise verstopfen.
Die Vergabestelle vertritt im Hinblick auf den weiteren Sachvortrag der Antragstellerin ferner die Auffassung, dass die Antragstellerin seinerzeit eindeutig drei Angebote abgegeben habe in Form eines Angebots für das Fachlos A, eines Angebots für das Fachlos B und ein Gesamtangebot für beide Fachlose. Da dies nach dem eindeutigen Wortlaut der Ausschreibung nicht zulässig gewesen wäre, habe das Angebot ausgeschlossen werden müssen und im übrigen widersprächen sich die abgegebenen Angebote auch, da der Wertungsvorteil bei Fachlosangebot A nur mit einer Bauzeitverkürzung von 16 Tagen habe berücksichtigt werden können, während bei der Mischlosvergabe ein Wertungsvorteil von 17 Tagen zu berücksichtigen gewesen wäre. Aus diesem Grunde seien die Erklärungen des Bieters auch nicht als eindeutig anzusehen und daher auszuschließen.
Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.
Gründe:

1. Zulässigkeit

1.1 Zuständigkeit der Vergabekammer
Die Vergabekammer in Arnsberg ist für die Entscheidung über den Antrag gem. § 2 Abs. 2 u. 3 der Zuständigkeitsverordnung für Nachprüfungsverfahren des Landes Nordrhein-Westfalen (ZuStVONpV NRW) vom 23.02.1999 (SGV. NW. Nr. 630) zuständig, weil die Vergabestelle als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich der Kammer -Regierungsbezirk Arnsberg- hat .

1.2. Öffentlicher Auftraggeber
Auftraggeber ist die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das das Land Nordrhein-Westfalen – ein öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 1 GWB -, hier handelnd durch einen nicht selbständigen Landesbetrieb.

1.3 Auftrag nach § 99 GWB
Der für Bauaufträge, wie dem hier vorliegenden Auftrag nach § 99 Abs. 3 GWB, geltende Schwellenwert von 5 Mio. Euro (§ 2 Nr. 4 VgV i.V.m. § 100 Abs. 1 GWB) ist bei der Angebotssumme überschritten.
Ein Zuschlag ist noch nicht erteilt (§ 114 Abs. 2 Satz 1 GWB).

1.4 Antragsbefugnis
Die Antragstellerin ist nicht antragsbefugt.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags erforderlich, "aber auch ausreichend, dass der den Nachprüfungsantrag stellende Bieter schlüssig behauptet, welche vergaberechtlichen Vorschriften im Verlauf des Vergabeverfahrens verletzt worden sein sollen und er ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf die Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften zurück zu führen ist." (Leitsatz Nr. a im Beschluss des BGH vom 18.05.2004, Az.: XZB 7/04)
Der BGH kommentiert in dieser Entscheidung die Grundlage der Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB.

Die Antragstellerin hat die fehlerhafte Wertung ihrer Nebenangebote 3 und 4 gerügt und darlegt, dass ihr aufgrund dieser fehlerhaften Wertung ein Schaden erwächst, wenn sie nicht den Zuschlag erhält (Verstoß gegen § 25 Nr. 4 i.V.m. § 21 Nr. 2 VOB/A).

Das Angebot der Antragstellerin ist jedoch aus einem anderen Grund auszuschließen. Mit der Abgabe des Doppelangebots A/B als Misch- oder Gesamtlos und der getrennten Angebote für die einzelnen Fachlose A und B hat die Antragstellerin ein Doppelangebot abgegeben, das gegen § 21 Nr. 1 Abs. 1 u. 2 VOB/A verstößt.
Nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A sollen die Angebote nur die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten. Hier war eindeutig für das Angebot entweder die Abgabe eines Angebots für ein Misch- oder Gesamtlos oder für eins der beiden Einzellose getrennt abzugeben. Der Bieter hatte mithin die Wahl, seine Preise für ein Gesamtangebot zu kalkulieren oder Angebote für die einzelnen Fachlose abzugeben.

Die Vergabestelle hat dies auch eindeutig mit dem Wort "oder" formuliert. Sie wollte und musste bei allem Bestreben möglichst viele Kombinationsmöglichkeiten zu erschließen vermeiden, dass Doppelangebote für dieselbe Leistung abgegeben würden, die ggf. noch hätten im Preis differieren können (was für das Angebot der Antragstellerin nicht zutrifft).

Bei Doppelangeboten ist ein eindeutiger Wille des Anbietenden nicht mehr sicher ermittelbar, wenn der Angebotsinhalt grundsätzlich differieren kann. Dies wird auch im vorliegenden Fall sichtbar:
Obwohl das Zahlenwerk der Hauptangebote identisch ist, differieren die Nebenangebote insbesondere die Nebenangebote 6 und 7, die mal für das Fachlos A eine Bauzeitverkürzung von 16 Werktagen und mal eine Bauzeitverkürzung von 17 Werktagen anbieten.

Da nach der Ausschreibung die Nebenangebote zur Bauzeitverkürzung sich nur auf das Fachlos A beziehen dürfen und die Ausführungszeiten des Fachloses B nicht tangieren dürfen, ist mithin die Zuordnungbarkeit und Wertbarkeit des Nebenangebotes Nr. 7 zweifelhaft.

Gleichzeitig würden diese Art Doppelangebote auch zu unterschiedlichen Vertragsinhalten führen können, so dass sie grundsätzlich nicht zugelassen werden können. Anders als in der von der Antragstellerin beschriebenen Parallelausschreibung handelt es sich im vorliegenden Fall auch nur um ein Verfahren mit einem Leistungsgegenstand. Die von der Antragstellerin als u. U. zulässig beschriebenen Parallelverfahren jedoch beziehen sich auf zwei Vergabeverfahren.

Aus diesem Grund liegt in der Abgabe des Doppelangebotes zugleich ein Verstoß gegen § 21 Nr. 2 VOB/A, weil damit die Verdingungsunterlagen verändert worden sind. Die Vorgehensweise der Vergabestelle, sich eine Version herauszusuchen oder grundsätzlich nur auf die Gesamtangebote abzustellen, ist willkürlich und auch nicht zulässig, was die Vergabestelle in ihrem Schriftsatz vom 07.06.2005 auch einräumt.

Zu dieser Sach- und Rechtslage hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 18.02.2003, Az.: XZB 43/02, folgendes ausgeführt:
"Ist aber ein Angebot nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A Abschnitt 2 auszuschließen, so kann die Aufhebung der Ausschreibung Interessen der Antragstellerin nicht mehr berühren…"
und "es wird deshalb keine Rolle spielen können, dass der Antragsgegner möglicherweise den nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A Abschnitt 2 gegebenen Ausschlusstatbestand zunächst nicht erkannt und/oder bei früheren Wertungen der abgegebenen Angeboten nicht berücksichtigt hatte."
Auf der Basis dieser rechtlichen Zuordnung fehlt der Antragstellerin bereits die Antragsbefugnis, da ihr Angebot aus ganz anderen Gründen als den von ihr oder der Vergabestelle angenommenen ausgeschlossen werden muss.
Selbst wenn man den Vortrag der Antragstellerin zur Frage der Wertbarkeit der Nebenangebote als richtig und erwiesen unterstellte, wäre ein Zuschlag auf ihr Angebot aus den oben skizzierten Gründen ausgeschlossen.
Sie kann durch den Fortgang des Verfahrens grundsätzlich nicht mehr in ihren Rechten verletzt sein und einen Schaden erleiden.
Eine Ausnahme wäre nur anzunehmen, wenn das Verfahren mit einem so schwerwiegenden Fehler behaftet ist, dass es aufzuheben ist oder eine Neuausschreibung erforderlich wird, weil alle anderen Angebote ebenfalls auszuschließen wären. Die von der Antragstellerin hier angedachte Aufhebung mangelnder Eindeutigkeit der Ausschreibungsunterlagen sieht die Kammer nicht. Die Begründung der Antragstellerin, sie sei aufgrund der Formulierungen der Angebotsunterlagen gehalten gewesen alle Formblätter mithin auch alle Angebotsvariante abzugeben, ist nicht haltbar. Die Angebotsschreiben sind klar als Alternativen gekennzeichnet. Wie die Antragstellerin richtig zitiert, wird aus Ziffer 12 der Aufforderung zur Angebotsabgabe auch klar, wie die LV-Teile zu betrachten sind.
Die Ziffer 3.5 der Bewerbungsbedingungen bezieht sich auf Formblätter zur Preisaufgliederung, die mit den Formblättern Angebotsschreiben [HVA B-StB – Angebot 2 (12/02) -LS.NRW] nichts zu tun haben und nicht Vertragsbestandteil werden. Diese Formblätter dienen entsprechend der jeweiligen Kalkulationsmethode der Bieter der Erläuterung der Preisbildung und haben nichts mit der Frage zu tun, ob die Antragstellerin sich zur Abgabe eines Gesamtangebots oder eines fachlosbezogenen Angebots entschließt. Darüber hinaus waren sie im vorliegenden Fall den Verdingungsunterlagen nicht beigefügt. Eine Aufhebung aus Gründen der mangelnden Bestimmtheit der Ausschreibung auf dieser Basis ist nicht möglich.

2. Fehlende Begründetheit
Der Nachprüfungsantrag wäre allerdings aus Sicht der Kammer auch unbegründet.
Unabhängig von der Frage, ob die Zeugenaussage auch erweisen könnte, dass die Stellungnahme des Ingenieurbüros S. bei der Angebotsabgabe vorgelegen hätte, hat die Vergabestelle bei der Beurteilung des Vortrags zur Gleichwertigkeit eines Nebenangebots nach § 21 Nr. 2 VOB/A einen weiten Beurteilungsspielraum.

Sie ist keineswegs verpflichtet, dieselbe Fachmeinung zu dem Material zu vertreten, wie das Ingenieurbüro S.. Unstreitig ist darüber hinaus, dass das angebotene Austauschmaterial einen hohen Feinkornanteil hat und die Antragsgegnerin trägt vor, dass bei der Ausschreibung mit der Körnung 2/32 mm ein Material "ohne die Anteile von 0 bis 2 mm" zu erwarten gewesen sei, so dass die Sickerrohre weniger belastet würden.

Zum einen ist die Vergabestelle insoweit auch an die Ausschreibungsunterlagen gebunden, sie ist aber auch nicht verpflichtet, bei Zweifeln diese gutachtlich klären zu lassen. Entscheidend ist, dass ihre Zweifel nicht sachfremd oder willkürlich begründet werden.

Die gutachterliche Bewertung S. des angebotenen Materials liegt den gelochten Unterlagen eindeutig nicht bei. Inhaltlich hätte sie den Nebenangeboten zugeordnet sein müssen, also in der Nähe der Nebenangebote 6 und 7 eingeordnet sein müssen, also etwa als Seite 40 nach dem Nebenangebot 7 (bei sachgerechter Ordnung der Angebotsunterlagen).

Die Antragstellerin trägt vor, dass der benannte Zeuge das mehrseitige Papier in das Kuvert mit den Antragsunterlagen als letztes Dokument der Unterlagen gesteckt habe. Die Aussage des Zeugen kann somit in keinem Fall erweisen, dass die Unterlage tatsächlich in den Herrschaftsbereich der Antragsgegnerin mit dem Angebot gelangt ist. Aufgrund der nicht zu beanstandenden Verfahrensweise der Antragsgegnerin bei der Eröffnung der Angebote ist kein Anlass gegeben, anzunehmen, dass das Gutachten entfernt worden sei. Letztlich kommt es aber vor dem Beurteilungsspielraum der Antragsgegnerin auch nicht darauf an, da sie unter keinem Gesichtspunkt verpflichtet wäre, das angebotene Material zu akzeptieren.

Die Vergabekammer war auch berechtigt, ohne mündlichen Termin nach Aktenlage zu entscheiden.
Nach § 112 GWB ist eine solche Entscheidung zulässig bei unzulässigen Anträgen oder mit Zustimmung aller Beteiligten. Die Vergabekammer ist der Auffassung, dass der vorliegende Antrag unzulässig ist. Die Antragstellerin hatte aber auch dem Verfahren zugestimmt. Die Antragstellerin ist mit Schreiben vom 01.06.2005 aufgefordert worden, sich dazu zu erklären. Die Antwort vom 03.06.2005 enthielt keinen Widerspruch zu dieser Absicht, sondern sie verhält sich ausschließlich zur Frage des doppelten Angebots und der Auslegung der Ausschreibungsunterlagen, so dass die Kammer auch hier von einer Zustimmung der Antragstellerin zur Entscheidung nach Aktenlage ausgehen konnte.

Erst mit dem nachgereichten Schreiben vom 08.06.2005 lässt die Antragstellerin diesbezüglich unter Punkt 1 Zweifel anklingen. Diese betrachtet die Kammer als verspätet.

III.
Kostenentscheidung:

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 128 Abs. 1 und 3 GWB.
Gem. § 128 Abs. 1 sind für Amtshandlungen der Vergabekammer Kosten zur Deckung des Verwaltungsaufwands zu erheben. Die Höhe der Gebühren bestimmt sich nach § 128 Abs. 2 GWB nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Dieser wiederum ergibt sich aus dem Angebot der Antragstellerin .
Der Gebührenrahmen wurde vom Gesetzgeber auf eine Mindestgebühr von 2.500,00 € und eine Höchstgebühr von 25.000,00 € festgesetzt, wobei im Einzelfall bei außergewöhnlich hohem Aufwand oder entsprechend hoher wirtschaftlicher Bedeutung eine Erhöhung auf 50.000,00 € möglich ist (Gesetz zur Umstellung von Gesetzen und Verordnungen im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf Euro (9. Euroeinführungsgesetz) vom 10.11.2001 – BGBl. I. S. 2992, Art. 7, Ziff. 5).

Die Tabelle des Bundeskartellamtes zur Gebührenhöhe in Abhängigkeit vom Ausschreibungswert, d.h. im Regelfall dem geschätzten Auftragswert bzw. dem strittigen Angebotspreis endet bei einem Auftragsvolumen von 150 Mill. € und sieht dafür eine Gebühr von 25.000 € vor.
Für das hier in Rede stehende Angebot von xxx€ sieht die Tabelle eine Gebühr von xxxx€ vor.

Gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB hat der Antragsteller, der vor einer Vergabekammer unterliegt, die Kosten zu tragen. Mithin hat die Antragstellerin diese Kosten zu tragen. Entsprechendes gilt grundsätzlich für die Kosten der Antragsgegnerin gemäß §128 Abs. 4 S. 2 GWB.

IV.
Rechtsmittelbelehrung:

…..

Zuschlagsverbot während des Nachprüfungsverfahrens

1. Wird gegen eine ablehnende Entscheidung der Vergabekammer sofortige Beschwerde erhoben, so endet das Zuschlagsverbot erst mit Ablauf der weiteren 14-Tage-Frist des § 118 Abs. 1 GWB, soweit die Frist nicht durch Entscheidung des Beschwerdegerichts noch einmal verlängert wird. Das Zuschlagsverbot besteht unabhängig davon, ob die Vergabestelle bereits Kenntnis von der sofortigen Beschwerde hat.

2. Der Senat schließt sich nicht der Auffassung des OLG Naumburg an, wonach ein Zuschlag, der nach Ablauf der Frist des § 115 Abs. 1 GWB erteilt wird, wirksam ist, wenn der Beschwerdeführer seiner Pflicht nach § 117 Abs. 4 GWB nicht nachkommt und die Vergabestelle auch nicht in anderer Weise Kenntnis von der Einlegung der sofortigen Beschwerde erlangt hat. Der Senat wird deshalb gem. § 124 Abs. 2 GWB die Sache dem BGH vorlegen.

 

OLG Frankfurt
Beschluss vom 20.02.2003
Az.: 11 Verg 1/02