Rechtsschutz bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte

Rechtsschutz bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte 

amtlicher Leitsatz:

1. Bei Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte sind die Zivilgerichte zuständig, sofern keine gesetzliche Verpflichtung zu bevorzugter Berücksichtigung eines bestimmten Personenkreises zu beachten ist. Allein die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes führt nicht zu einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit im Sinne von § 40 VwGO.


2. Voraussetzung für einen Verstoß gegen Art. 3 GG ist, dass der öffentliche Auftraggeber willkürlich, mithin ohne sachlich rechtfertigenden Grund, Vergabevorschriften verletzt und durch die Verletzung dem Bieter deswegen ein Schaden droht. Der staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es daher verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen.


3. Eine willkürliche Diskriminierung von Bietern im Wege der Leistungsbeschreibung liegt vor, wenn die Leistungsbeschreibung in einem solchem Maße fehlerhaft ist, dass eine Vergleichbarkeit der auf ihr basierenden Angebote schlechterdings ausgeschlossen erscheint (hier: Verstoß gegen EnEV).


4. Der Bieter muss Erkundigungen einholen und versuchen, als notwendig erkannte Konkretisierungen durch eine Kontaktaufnahme zu erhalten. Geschieht dies nicht, muss der Bieter die versäumte Sachaufklärung gegen sich gelten lassen.

 

Entscheidung im Volltext:

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder)
auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2007
durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Behnert und die Richter am Landgericht Scheel und Suder,
als beisitzende Richter

für Recht erkannt:

1. Der Verfügungsbeklagten wird es im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, in dem Vergabeverfahren Nr. 65/152/M/07/Ö zur Baumaßnahme ### Instandsetzung Dach/Fassade, Los 4 – Tischlerarbeiten – Erneuerung Holzfenster – auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses LV-Nr.: 07-08-04 vom 25. September 2007 (Bi. 86 – 112 d.A.) des Architekturbüros ### den Zuschlag zu erteilen.

2. Für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gegen diese einstweilige Verfügung wird der Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, angedroht.

3. Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf einen Gebührenwert bis 20.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin begehrt die Untersagung der Fortsetzung, insbesondere der Zuschlagerteilung, des Ausschreibungsverfahrens betreffend die Erneuerung der Holzfenster der Turnhalle am ### – LOS 4. Vorausgegangen waren zwei Ausschreibungen (Mehrfamilienhaus ### 30/31 und unter Denkmalschutz stehende ### Gymnasium BL 242 – 260), an denen sich ebenfalls die Verfügungsklägerin beteiligte.

Im Angebotsschreiben bzgl. der ### (Bl. 231 f.) rügte die Verfügungsklägerin drei Umstände:

• Mit der im Vortext angegebenen Berechnungsmethode des Uw-Wertes und den Glasangaben könne die Anforderungen der DIN EN ISO 10077-1 nicht erfüllt werden;

• Mangels Materialangaben könne nicht geprüft werden, ob die bauphysikalischen Kenndaten nach DIN 4108-2, -3 und -6 erfüllt werden; hiervon sei auch der erforderlich SD-Wert der Abdichtungsfolie abhängig.

• Die Einhaltung der DIN 12208 (Schlagdichtheit) könne mit den Kastenfenstern nicht eingehalten werden.

In Bezug auf die vorausgegangene Ausschreibung des Fensteraustausches ### 30/31 beanstandete die Handwerkskammer im Schreiben vom 14. Februar 2007 (Bl. 233), dass die Anforderungen der VOB/A nicht eingehalten würden. Insbesondere würden zahlreiche Positionen den Anforderungen der EnEV nicht gerecht. Als Beispiel wurde auf die gewählte Einfach- bzw. Isolierverglasung der Positionen 27.1.001 und 27.1.000 verwiesen. Auch der Anschluss der Fenster an das Mauerwerk entspreche nicht den Vorgaben des Wärmeschutzes. Die Mindestoberflächentemperatur von 12,6 C werde nicht – jedenfalls nicht ohne zusätzliche planerische Maßnahmen und Festlegungen zur Art der Abdichtung – eingehalten.

Im Angebotsschreiben für die Arbeiten ### (Bl. 261) findet sich der Hinweis, dass die Anforderungen des RAL-Leitfadens nicht eingehalten werden. Die Gefahr der Schimmelbildung sei nicht ausgeschlossen, da die Oberflächentemperatur zu niedrig sei und die Tauwasserfreiheit der Fugen nicht sichergestellt werde.

Aufgrund von Streitigkeiten fand ein Gespräch statt, über dessen Inhalt im Protokoll vom 12. Juni 2007 (Bl. 239 f) festgehalten wird, dass die Verfügungsbeklagte drei Planungsbüros beauftragt hat, die zugesagt hätten, die WärmeschutzVO eingehalten zu haben. Es bestünden jedoch bekanntermaßen bundesweit Probleme mit der Einhaltung der Anforderungen.

Der Wärmeschutz- und Energieeinsparnachweis des Planungsbüros ### (Bl. 356 – 402 d.A.) stellt fest, dass der Primärenergiebedarf anstelle der angegebenen 30,84 kWh/m3a mit 41,94 kWh/m3a anzusetzen sei, die Abeichung um bis zu 40 % jedoch nach § 8 Abs.2 EnEV gestattet werde (357). Hier belaufe sich die Überschreitung auf 36,7 %. Er wurde von der unteren Baubehörde unter dem 23. Juli 2007 geprüft (Bl. 352 ff). Dabei wurde festgestellt, dass der Wärmedurchgangskoeffizient der geänderten Bauteile Fenster und oberste Geschossdecke unter den Höchstwerten laut Tabelle 1 des Anhangs 3 der EnEV liege.

Die Angebotsfrist endete am 25.0ktober 2007, die Zuschlagfrist am 8. November 2007, die im Hinblick auf das hiesige Verfahren bis zum 16. November 2007 verlängert wurde. Wegen der Einzelheiten der Angebotsunterlagen wird auf diese (Bl. 67 – 112 d.A.) verwiesen. Die Verfügungsklägerin hat an diesem Tag ihr Hauptangebot über 55.586,09 EUR brutto sowie ein Nebenangebot zur Ausführung der Leistung entsprechend den anerkannten Regeln .der Technik abweichend vom Leistungsverzeichnis über 62.199,52 EUR abgegeben (113 ff) und rügte die Ausschreibung, da das Leistungsverzeichnis nicht die nach § 9 VOB/A nötigen Angaben enthalte. Zudem werde die erforderliche schimmelpilzrelevante Oberflächentemperatur der Fenster nicht erreicht werden. Auch die Tauwasserfreiheit der Fensterfuge sei nicht zu erreichen. Schließlich werde der Mindestwärmeschutz nicht erreicht.

Kein anderer Bieter äußerte vergaberechtliche Bedenken. Anfragen erfolgten keine.

Insgesamt gaben 9 Bieter folgende Angebote ab:

1.) 66.480,54 EUR – geprüft

2.) 66.024,16 EUR – geprüft

3.) 70.982,31 EUR – geprüft 66.024,16 EUR

4.) 64.634,80 EUR – geprüft

5.) 51.220,72 EUR + Nebenangebot – geprüft

6.) 179.273,21 EUR – geprüft

7.) 57.012,45 EUR – geprüft

8.) 51.010,13 EUR – geprüft 51.010,14 EUR

9.) 55.586,09 EUR – geprüft

Die Verfügungsklägerin rügt Fehler im Bauleistungsverzeichnis, die in den Ausschreibungen der Verfügungsbeklagten wiederholt und systematisch enthalten seien.

1. unzureichende Leistungsbeschreibung
Die Leistungsbeschreibung enthaltene keine ausreichenden Angaben für die Preiskalkulation, da die Vorgaben des Leitfadens zur Planung und Ausführung der Montage von Fenstern und Haustüren nicht eingehalten würden.

a) Beispielsweise bei den Verglasungssprossen (Position 027.8, Bl. 88 f. d.A.) werde der Hersteller "BUG" und das Fabrikat "3 IV 68" angegeben, ohne dass der Zusatz "oder gleichwertig" zugesetzt worden sei, § 9 Nr. 10 VOB/A. Zudem könnten diese Sprossen nicht mehr geliefert werden, da es sich um veraltete Vorgaben handle, die am Markt nicht mehr erhältlich seien. Zudem beinhalteten die Angaben ein ungewöhnliches Wagnis iSv § 9 Nr.2 VOB/A, da sich der Wärmedurchgangskoeffizient der Fenster (1.1,) mangels Berechnung anhand aller Bauteile des Fensters nicht errechnen lasse und daher die Einhaltung des Wertes der EnEV, Anhang 3, Tabelle 1 von max. 1,7 W/m2k nicht überprüfen lasse.
Aus der jetzt vorgelegten Energiebedarfsberechnung ergebe sich zudem, dass der Wärmedurchgangskoeffizient mit 1,6 W/m2k angesetzt worden sei, ohne dies bekannt zu geben. Bei Abnahme bestehe die Gefahr der Mängelrüge.

b) Es fehlten Planungsvorgaben / Ausführungsplanungen
aa) beispielsweise für den Regelanschluss: im Fließtext der Ausschreibung werde eine "innere umlaufende Verleistung aus Holz bis zur Fensterlaibung" gefordert (Seite 4 LV), was nach dem RAL-Leitfaden, Checkliste Position 1. planerisch dargestellt werden müsse. In Bezug auf die Anpassung des Rahmenunterstrichs sei nicht erkennbar, dass eine Aussparung zu kalkulieren sei.
bb) Auch würden Angaben zum Wärme- und Feuchteschutz fehlen: angegeben werde "Montage nach RAL, innen dicht, außen offen", ohne dass detaillierte Angaben zum Wärme-und Feuchteschutz unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Altbaus (physikalische Anforderungen, konstruktive Details) entsprechend Position 5 der RAL-Leitfaden Checkliste gemacht worden seien.
cc) Ebenfalls fehlen würden Vorgaben zum zu verwendenden Dichtvlies, von dem es verschiedene Arten mit unterschiedlichen Dampfdurchlässigkeitswerten zu unterschiedlichen Preisen gebe. Die DIN 4108 Beiblatt 2 enthalte für Altbauten keine Vorgaben. Damit fehle es an Angaben entsprechend Position 9 des RAL-Leitfadens, Checkliste.

c) Fehlen würden Angaben zu baulichen Vorleistungen anderer Gewerke, da es beim Abbruch der Fenster zu Unebenheiten im Mauerwerk komme und unklar sei, ob der sog. Glattstrich mitgeschuldet sei.

d) Ein ungewöhnliches Wagnis iSv § 9 Nr. 2 VOB/A und umfangreiche Vorarbeiten iSv § 9 Nr. 1 VOB/A stelle es dar, wenn die "Leistung nach örtlichem Aufmaß herstellen, liefern und fachgerecht einbauen, einschließlich aller notwendigen Vorleistungen und Befestigungsmittel" ausgeschrieben werde. Das Aufmaß werde erst nach dem Zuschlag genommen.

e) Ein ungewöhnliches Wagnis durch eine unzureichende Leistungsbeschreibung sei auch darin zu sehen, dass Altbaufenster (Position 027.8 bis 27.17) nicht hinreichend beschrieben seien und in einer Höhe von 5 m auch nicht ohne erheblichen Aufwand in Augenschein genommen werden könnten.

f) Es fehlten zudem planerische Vorgaben (Ausführungsplanungen) zu der Ausführung der Innenfensterbänke (Position 027.18 und 027.19), da es insoweit Unterschiede bedingt durch den Baubestand und der Befestigungstechnik gebe.

2. fachliche Mängel in der Leistungsbeschreibung

a) Die Angaben zum sichtbaren Rahmenanteil (Position 027.8) seien widersprüchlich. Es werde angegeben, dass dieser maximal 1 cm betragen dürfe, während sich aus den Lichtmaßen und Rahmen ergebe, dass mindestens 3 cm Überstand entstehen. Blatt D.2.1 sehe sogar ein Lichtmaß von nur 1,24 cm vor.
b) Es bestehe die Gefahr der Schimmelpilzbildung, da die Mindesttemperatur von 12,6 C am Innenmauerwerk nicht eingehalten werde. Es würden nur Temperaturen von 11,86 bzw. 11,98 C erreicht.
c) Die Fensterfugen des Innenbereichs sei nicht komplett tauwasserfrei (vgl. Mähnert: Isothermen- und Feuchteberechnung).
d) Der Mindestwärmeschutz im gesamten Gebäude fordere Temperaturen von 13 C, die beim Wandanschluss nicht erreicht würden.
e) Die Art und Weise der Fugendämmung sei nicht vorgegeben und weder durch Bauschaum noch durch Wolle würden die Wärmedämmwerte erreicht. Erforderlich seien zusätzliche Dämmplatten im Innenbereich.

Wegen der Einzelheiten der Berechnung zu den Punkten 2 b – d) wird auf die Isothermenberechnung des Dipl. Ing. ### vom 21. Oktober 2007 Bezug genommen (Bl. 153 ff d.A.)

Die Verfügungsklägerin beantragt,

1. der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung bis auf Weiteres zu untersagen, das Vergabeverfahren Nr. 65/152/M/07/Ö zur Baumaßnahme ### – Instandsetzung Dach/Fassade, Los 4 – Tischlerarbeiten – Erneuerung Holzfenster fortzusetzen, insbesondere den Zuschlag zu erteilen.

2. für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gegen diese einstweilige Verfügung der Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass der Verfügungsklägerin die Rechtsschutzmöglichkeit zu versagen sei, da § 9 VOB/A kein Schutzgesetz darstelle. Für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch aus culpa in contrahende fehle es daran, dass die Verfügungsklägerin den Zuschlag erhalten würde. Es ist beabsichtigt diesen dem Angebot Nr. 8 zu erteilen. Auch ein Schaden könne nicht eintreten, da die Verfügungsklägerin bei angemeldeten Bedenken keine Gewährleistung übernehmen müsse.
Bei der RAL-Richtlinie handle es sich um eine freiwillige Industrieübereinkunft und keine gültige Verordnung, sodass ihr nur Empfehlungscharakter zukomme.
Detailzeichnungen der Ausführungsplanung seien erst für die Leistungsphase 6 vorzulegen, nicht bereits für die Ausschreibung. Zudem seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Einholung eines bauphysikalischen Gutachtens sei unverhältnismäßig.

Zu den Beanstandungen führt sie aus:

• Die Angabe BUG sei wegen des Denkmalschutzcharakters gewählt worden. Da die Sprosse besonders schmal zu wählen sei, habe auf vorgefertigte Elemente zurückgegriffen werden müssen. Es bestehe daher ein besonderes Interesse an der gewählten Bezeichnung. Alle Bieter hätten die Ausschreibung richtig verstanden und ein gleichwertes Produkt angeboten (BGH, MDR 1997, 636).
Der Uw-Wert sei berechenbar: Der Ug-Wert sei mit 1,1 angegeben, der Uw -Höchstwert von 1,7 ergebe sich aus der EnEV.

• Eine Randdetailplanung sei nicht erforderlich, da sich die Fräsung aus dem Ausschreibungstext ergebe: "Aussparung im Rahmenunterstrich zur Aufnahme der bauseitig äußeren Fensterbankabdeckung aus vorhandenen Klinkerplatten".

• Ein Glattstrich sei nicht gewollt. Neben dem Dichtband ergebe sich zusätzlicher Schutz aus der umlaufenden dauereleastischen Versiegelung der Fuge.

• Die Fenstermaße seien vorgegeben; Abweichungen seien in Höhe von max. 1 cm zu erwarten;

• Die Altbaufenster würden kein Wagnis begründen.

• Der Einbau der Innenfensterbänke sei hinreichend beschrieben mit "Regelanschluss".

• Die Außenfensterbänke seien aus Metall im Rahmen der Klempnerarbeiten anzubringen: Der Anschluss werde beschrieben: "mit Sägeschnitt im Rahmenunterstück zur Aufnahme der bauseitigen äußeren Fensterabdeckung aus Titanzinkblech".

• Die Anforderungen der DIN 68121 sei gezielt eingeschränkt worden von 8 cm auf 6 cm Rahmenbreite: Die abweichende Vorgabe betreffe nur den Plan Altbestand, nicht den Neubau.

• Die unzureichende Temperatur werde bestritten. Eine Dämmung sei aus denkmalschutzrechtlichen Vorgaben nicht möglich.

• Eine Tauwasserbildung werde nicht erwartet: Die Stellungnahme basiere nicht auf einer konkreten Messung, sondern einer Rechnung anhand der Materialkenndaten. Bedenken seien nicht angegeben worden. Jedenfalls sei aufgrund des großen Luftvolumens und der flachen Laibung und die hierdurch bedingte ständige Luftumspülung kein Bauschaden zu erwarten.

• Beide seitens der Verfügungsklägerin benannten Baustoffe seien möglich und erfüllten die Anforderungen.

In Bezug auf die Beanstandungen könne nicht auf die gutachterliche Stellungnahme des Büros ### verwiesen werden, da der andere Sachverständige Gesellschafter der Verfügungsklägerin sei, sodass es sich um ein Gefälligkeitsgutachten handle, zumal er nicht öffentlich bestellt und vereidigt sei.
Die Stellungnahme des Herrn ### beziehe sich auf das Vorhaben Tunnelstraße. Alle drei Bauvorhaben würden unterschiedliche Anforderungen stellen.

Auch fehle der Verfügungsgrund, nämlich erhebliche wirtschaftliche Nachteile für Verfügungsklägerin in der Form einer irreparablen, eine Notlage verursachende Schädigung. Diese könne nur auf Seiten der Verfügungsbeklagten eintreten, da bei fehlender Vergabe bis zum Jahresende Fördergelder in Höhe von 216.412,61 EUR verloren gingen. Bei einer Neuausschreibung könne der Zuschlag nicht mehr bis zum 31. Dezember 2007 erteilt werden. Auch seien andere Gewerke bereits vergeben, wie z.B. die Gerüststellung, Fassadenarbeiten und das Dach, sodass Mehrkosten entstünden. Auch sei beabsichtigt, die Arbeiten in möglichst weitgehendem Umfang während der Schulferienzeit auszuführen, um den laufenden Schulbetrieb in möglichst geringem Maße zu beeinträchtigen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

1.

Der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit ist eröffnet, da es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit nach § 13 GVG, Art. 19 Abs.4 Satz 2 GG handelt. Bei Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte sind die Zivilgerichte zuständig, sofern keine gesetzliche Verpflichtung zu bevorzugter Berücksichtigung eines bestimmten Personenkreises zu beachten ist. Allein die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatz führt nicht zu einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit iSv § 40 VwGO (BVerwG, NJW '2007, 2275 ff; LG Bad Kreuznach, 1BR 2007, 386; Pietzcker, NJW 2005, 2881 ff).

Der Verfügungsklägerin ist im Einklang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2006 auch eine Primärrechtsschutzmöglichkeit nach den §§ 935, 940 ZPO einzuräumen, die lediglich aus tatsächlichen Gründen vielfach nicht wahrgenommen werden kann. "Das Ob und inwieweit den Interessenten Primäransprüche im laufenden Vergabeverfahren zustehen, hängt mangels besonderer Regeln von den Vorgaben der allgemeinen Rechtsordnung ab (vgl. Rudolf, in: Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl., 2005, Rn. 80 ff., m.w.N.)". Entsprechende Ansprüche können sich aus § 823 Abs.2 BGB iVm einem Schutzgesetz sowie aus einem anerkanntermaßen bestehenden vorvertraglichen Schuldverhältnis nach §§ 311 Abs.2, 241 Abs.2 BGB ergeben.

Die Gegenansicht, wonach nach Art 19 Abs.4 GG aufgrund der historischen Erfahrung lediglich Rechtsschutz gegen die Missachtung des Rechts durch ein Handeln der dem Bürger übergeordneten und ggf. mit Mitteln des Zwangs arbeitenden Exekutive zustehen soll, d.h. sich der Einzelne sich zu den Träger staatlicher Gewalt in einem Verhältnis typischer Abhängigkeit und Unterordnung befindet (Weyand, Vergaberecht, 2007, Rn 1243), kann nicht gefolgt werden. Auch wenn die Vergabestelle als Nachfrager am Markt tätig wird, um den Bedarf an bestimmten Gütern oder Leistungen zu decken, ohne bei der Vergabeentscheidung auf eine übergeordnete öffentliche Rechtsmacht zurückzugreifen, lässt sich damit ein quasi rechtsfreier Raum bis zur Zuschlagserteilung in Ausschreibungen unterhalb der Schwellenwerte des § 100 GWB, § 2 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) nicht rechtfertigen. (Weyand, a.a.O., Rn 1247 f a.A.; OLG Oldenburg vom 16. Mai 2002, Az. 5 0 1319/02; Weyand, Vergaberecht, 2007, Rn 1478 und 1244, 1238).

2.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet.

Die Verfügungsklägerin kann nach § 823 Abs.2 BGB in Verbindung mit Art. 3 GG verlangen, dass die Zuschlagserteilung zu dem derzeit maßgeblichen Leistungsverzeichnis unterlassen wird.

Insoweit genügt nicht bereits jede Verletzung der Vergabevorschrift des § 9 VOB/A, da die VOB/A bei Vergabeverfahren unterhalb der vorgenannten Schwellenwerte rein verwaltungsinternen Charakter haben. Ausgangspunkt des nationalen öffentlichen Vergaberechts ist bei dieser Ausschreibung wegen der Nichtgeltung der §§ 97 ff GWB weiterhin nur die haushaltsrechtliche Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Einhaltung der VOB/A bei der Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen (Ingenstau/Korbion-Vygen, HOAI, Einl. Rn.33, BGH, NJW 1997, 61, 61 zu § 27 GWB a.F.; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn 290 m.w.N.) § 9 VOB/A ist daher kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs.2 BGB (BGH VersR 1995, 764; BauR 1994, 236, 238; BGH VersR 1965, 764, Schleswig-Holsteinisches OLG NZBau 2000, 207, 208; OLG Stuttgart, NZBau 2004, 395, 396; Leinemann, a.a.O., Rn 258).1

Ob die tatsächliche Vergabepraxis mit dem Hinweis auf die VOB/A allein unter der Überschrift "Bewerbungsbedingungen" (Bl. 73 d.A.) zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt, kann dahinstehen. Die Verdingungsordnungen als verwaltungsinterne Regelungen über Verfahren und Kriterien der Vergabe können zwar zu einer unmittelbaren Rechtsrundlage werden, jedoch befindet sich in der Ausschreibung bei den angeführten Vertragsbestandteilen gerade kein entsprechender Hinweis auf die VOB/A (Bl. 67 R d.A.). Ob für eine Selbstbindung der Verwaltung der Hinweis auf die Verdingungsordnung unter der Rubrik Bewerbungsbedingungen genügt, braucht nicht entschieden zu werden, da jedenfalls ein Verstoß gegen Art. 3 GG vorliegt.

Voraussetzung für einen Verstoß gegen Art. 3 GG ist, dass der öffentliche Auftraggeber willkürlich, mithin ohne sachlich rechtfertigenden Grund, Vergabevorschriften verletzt und durch die Verletzung dem Bieter deswegen ein Schaden droht (Schleswig-Holsteinisches OLG, BauR 2000, 1046, 1048). Der staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es daher verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen (Weyand, a.a.0, Rn. 1248). Eine willkürliche Diskriminierung von Bietern im Wege der Leistungsbeschreibung liegt vor, wenn die Leistungsbeschreibung in einem solchem Maße fehlerhaft ist, dass eine Vergleichbarkeit der auf ihr basierenden Angebote schlechterdings ausgeschlossen erscheint (1.VK Bund vom 6. März 2002, Az.: VK 1-05/02; VK Lüneburg vom 18. Dezember 2003, Az. 203-VgK-35/2003; Weyand, a.a.O., Rn. 4063).

a)

Die Fehlerhaftigkeit der Ausschreibung beruht im Ergebnis der Beweisaufnahme darin, dass die Anforderungen des Feuchtigkeits- und Wärmeschutzes der EnEV entweder unter Zugrundelegung der üblichen Parameter nicht eingehalten werden, oder aber ohne Hinweis im Leistungsverzeichnis nicht vorausgesetzt werden. Da diese Anforderungen an die • zu verwendenden Materialien bzw. Einbauvarianten für die Fenster Auswirkungen auf die Preiskalkulation haben, ist eine vergleichbare Preiskalkulation insgesamt und nicht nur in Bezug auf einen einzelnen Punkt ausgeschlossen.

Aufgrund der Vernehmung der Sachverständigen ### und der dies im Grundsatz bestätigenden Aussage des Zeugen ### ("Die Berechnungsangaben sind nicht von der Hand zu weisen") steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass entsprechend der Isothermenberechnung des Privatgutachters ### vom 21. Oktober 2007 die Anforderungen der DIN 4108 Teil 2 und Teil 3, in Bezug auf die Mindesttemperatur von 12,6 C im Gebäude, am Innenmauerwerk und am Wandanschluss nicht eingehalten werden (Bl. 153 ff d.A.) und damit im Bereich der Mineralfaserwolle als Dichtmaterial und dem Mörtel die Gefahr der Tauwasserbildung bestehe (Bl. 166 d.A.). Ausgeschrieben ist daher eine Leistung, die mangels anderer Anhaltspunkte im Leistungsverzeichnis bei Ausführung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspräche und daher mangelhaft wäre. Der unabhängige Sachverständige ### hat aufgrund seiner Fachkunde die Berechnungsweise bestätigt und bekundet, dass die angesetzten Materialkenndaten bereits in Bezug auf verschiedene Punkte eine hochwertige Ausführung beinhalten und jedenfalls keine höherwertigen Mindesttemperaturen erreicht würden. Auch der Zeuge ### verweist darauf, dass die in die Berechnung einbezogene Innendämmung gar nicht ausgeschrieben sei.

Zwar kann ein Verstoß gegen die Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (EnEV, Stand 1. 10. 2007) nicht festgestellt werden, da nach § 28 dieses Gesetzes diese für Vorhaben mit einem Bauantrag vor dem 1. Oktober 2007 keine Anwendung findet. Hiervon ist bei einer Ausschreibung bereits im September 2007 auszugehen. Auch findet § 7 EnEV a.F. nur auf zu errichtende Gebäude Anwendung, Die Ausnahmeregelung des § 8 Abs.2 EnEV a.F: (jetzt § 9 Abs.1 EnEV n.F.) berechtigen nur zu einer Abweichung in Bezug auf den Jahres-Primärenergiebedarf um nicht mehr als 40 %, berechtigen jedoch nicht zur Nichteinhaltung der anerkannten Regeln der Technik in Bezug auf den Wärme- und Feuchtigkeitsschutz, die der Vermeidung der Gefahr einer Schimmelbildung dienen. Auf das tatsächliche Auftreten von Schimmel und Tauwasser bzw. Folgeerscheinungen kommt es nicht an.

Die Verfügungsbeklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass allein anhand des streitgegenständlichen Leistungsverzeichnisses – Tischlerarbeiten – eine Isothermenberechnung nicht möglich sei. Vielmehr ergibt sich aus den entsprechenden Bestätigungen sowohl des Sachverständigen ### als auch des sachverständigen Zeugen ###, dass das Leistungsverzeichnis lückenhaft und damit mangelhaft ist. Die Bieter müssen anhand der angegebenen Parameter überprüfen können, ob eine mit den gesetzlichen Anforderungen der DIN 4108 Teil 2 und 3 im Einklang stehende Leistung erreicht wird.

Die Verfügungsbeklagte war auch bereits auf die fehlen DIN-Gerechtheit in Bezug auf den Wärme- und Feuchteschutz aufmerksam gemacht worden. Im Schreiben der Handwerkskammer vom 14. Februar 2007 wird auf unzureichende Materialangaben zur Überprüfbarkeit der DIN-Gemäßheit und die zu wählende Abdichtungsfolie hingewiesen.
In Bezug auf die Ausschreibung weist die Verfügungsklägerin im Angebot vom 14. August 2007 (Bl. 242 d.A.) darauf hin, dass das die ausgeschriebenen Leistungen die Mindestoberflächentemperatur nicht sicherstellen und eine Tauwasserbildung nicht ausschließen würden. Dennoch wurde – wie der Zeuge ### bestätigte – im hiesigen Ausschreibungsverfahren zielgerichtet von der Erstellung zur Überprüfung der Einwendung einer Isothermenberechnung abgesehen. Es handelt sich mithin nicht um ein einmaliges, ggf. entschuldbares Versehen.

Keinen tragfähigen Einwand stellen auch der Hinweis auf den Denkmalschutz und in Bezug auf diesen erfolgte Absprachen mit der unteren Denkmalschutzbehörde dar. Abgesehen davon, dass die Ausnahme und Befreiungstatbestände der §§ 24 Abs.2, 25 Abs.1 n.F. EnEV stets einen entsprechenden Bescheid der zuständigen Behörde voraussetzen, der nicht erkennbar ist, greifen auch die dort angeführten Gesichtspunkte hier nicht erkennbar ein. Weder ist erkennbar, dass die Einhaltung der Anforderungen zwingend die Substanz oder das Erscheinungsbild beeinträchtigt, noch einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern bzw. eine unbillige Härte bedeuten. Entsprechende konkrete Darlegungen fehlen seitens der Verfügungsbeklagten. Jedenfalls wären derartige Umstände den Bietern mitzuteilen, was nicht geschehen ist.

Mit der Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik ist auch eine Vergleichbarkeit der eingegangenen Angebote ausgeschlossen. Die bietenden Fachunternehmen müssen – sofern sie nicht den Hinweis erhalten haben, dass die Anforderungen nicht gelten sollen – mangels entsprechenden Hinweises im Leistungsverzeichnis davon ausgehen, dass eine DIN-Gemäßheit der Leistungen dem Angebot zugrunde zu legen ist. Wie sie diese sicherstellen, lässt sich dann dem Angebot nicht entnehmen. Die Vergleichbarkeit der Leistungen ist daher bereits im Ansatz nicht mehr gegeben, was die Annahme von Willkür rechtfertigt.

b)

Dass es sich um eine systematische Mangelhaftigkeit der Ausschreibung handelt, wird dadurch verstärkt, dass die Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben auch an einem weiteren Punkt nicht bekannt gegeben wurde, nämlich der Rahmenbreite. Bereits nach der Einlassung der Verfügungsbeklagten sei mit den angegebenen Zahlen bewusst von den Angaben der DIN 68121 abgewichen worden. Auch dies kann ein Bieter nicht erkennen, der seine Leistungen unter Einhaltung der allgemeinen Regeln der Technik, wozu insbesondere die DIN-Vorschriften gehören, anbieten muss.

c)

Darüber hinaus liegt im Hinblick auf die Ausschreibung der Verglasungssprossen (Position 027.8, Bl. 88 f. d.A.) infolge der Herstellerbezeichnung "BUG" und Fabrikatangabe mit "3 IV 68" ohne Zusatz "oder gleichwertig" ein Verstoß gegen europäische Grundrechte vor. Vergabestellen müssen nach der Entscheidung des EuGH auch bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte das primäre Europarecht, insbesondere das Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot sowie auch das Diskriminierungsverbot beachten (EUGH, Urteil vom 20. Oktober 2005, Az.: C-264/03). Eine diskriminierungsfreie Beschreibung des Auftraggegenstand erfordert, dass – soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist – in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder Marke, Patente, Typen eines bestimmten Ursprungs oder einer bestimmten Produktion verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. Selbst wenn der Auftragsgegenstand eine solche Angabe rechtfertigt, muss der Zusatz "oder gleichwertig" enthalten sein. Auch die von der Verfügungsbeklagten angeführten denkmalschutzrechtlichen Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere Auffassung, wenn insbesondere die ausgeschriebenen Sprossen am Markt nicht mehr erhältlich sind. Enthält das Leistungsverzeichnis eine unerfüllbare Forderung, muss der Auftraggeber grundsätzlich das eingeleitete Vergabeverfahren entweder gemäß § 26 Nr.1 VOB/A aufheben oder diskriminierungsfrei das Leistungsprogramm, soweit zur Beseitigung unerfüllbarer Anforderungen erforderlich ist, ändern und den Bietern angemessene Gelegenheit zur Abgabe neuer Angebote auf der Basis der veränderten Leistungsprogramm geben (BGH vom 26. September 2006, Az.: X ZR 14/06; vom 1, August 2006, Az. X ZR 115/04).

d)

Auf etwaige weitere Ausschreibungsfehler (insbesondere wegen unzureichender Planungsangaben und den fachlichen Fehler in Bezug auf die Fugendämmung) kann sich die Verfügungsklägerin hingegen nicht berufen, da entsprechend Ziffer 1 der Bewerbungsbedingungen (Bl. 73 d.A.) im Einklang mit § 17 VOB/A bei erkannten Fehlern grundsätzlich zunächst ein Klärungsversuch zu erfolgen hat. Der Bieter muss Erkundigungen einholen und versuchen, als notwendig erkannte Konkretisierungen durch eine Kontaktaufnahme zu erhalten (OLG Frankfurt Beschluss vom 23 Dezember 2005, Az.: 11 Verg 13/05; VK Schleswig Holstein, Beschluss 21.12.2005, VK-SH 29/05; VK Sachsen vom 7. Juli 2005, Az 1/SVK/061-05). Geschieht dies — wie vorliegend — nicht, muss der Bieter die versäumte Sachaufklärung gegen sich gelten lassen (zu § 17 V013/A: Weyand, a.a.O., Rn 4713).

e)

Soweit sich die Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung zusätzlich auf eine drohende Mängelrüge beruft, da die nicht zu den Ausschreibungsunterlagen gehörenden Berechnungsunterlagen der Verfügungsbeklagten zum Wärmedurchgangskoeffizienten (B1. 359 d.A.) abweichend von dem nach der EnEV einen einzuhaltenden Wert von 1,60 ansetzt, rechtfertigt dies keine Verfahrensunterbrechung. Diese Berechnung gehört nicht zum Vertragsgegenstand und begründet daher keine Anforderungen an die Mängelfreiheit. Eine Ungleichbehandlung der Bieter lässt sich nicht erkennen. Alle Bieter gehen mangels abweichender Angaben vom gesetzlichen Maximalwert Uw von 1,7 aus.

3.

Ob ein entsprechender Unterlassungsanspruch aus §§ 280 Abs.1, 311 Abs.2 BGB abgeleitet werden kann, kann offen bleiben. Die Beteiligung an einer erfolgten Ausschreibung begründet zwischen den Parteien ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis (VG Potsdam, NZBau 2006, 68 m.w.N., BGH, IBR 2007, 576), das mit der Einreichung eines Angebotes und dessen Prüfung bis zur Erteilung des Zuschlages (§ 28 VOB/A) an einen Auftragsbewerber fortdauert (Schleswig-Holsteinisches OLG, NZBau 2000, 207), aber eine weitergehendere Kontrolle der Ausschreibung kommt auch insoweit nicht in Betracht.

II.

Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten fehlt es auch nicht am Verfügungsgrund. Abgesehen davon, dass das Erfordernis eines irreparablen Schadens nur bei einer Vorwegnahme der Hauptsache mittels Leistungsverfügung verlangt wird, können diese strengen Anforderungen bei der streitgegenständlichen Unterlassungsverfügung nicht gestellt werden. Bei der hier begehrten Unterlassung handelt es sich in erster Linie um ein Sicherungsmittel. Mit der Verhinderung des Zuschlages zu einem mit gravierenden Fehlern behafteten Leistungsverzeichnis wird der bestehende Status Quo gesichert, ohne dass eine bestimmte Ausschreibung verlangt wird und werden kann.
Auch überwiegt vorliegend das "Aussetzungsinteresse" der Verfügungsklägerin gegenüber dem "Fortsetzungsinteresse der Verfügungsbeklagten". Nach den vorausgehenden Ausführungen hat die Verfügungsbeklagte in der gesamten Ausschreibung nicht ansatzweise
zu erkennen gegeben, dass sie die gesetzlichen Anforderungen – trotz entsprechender vorausgegangener Hinweise in anderen Ausschreibungen – an den Feuchte- und Wärmeschutz nach § 7 EnEV, DIN 4108 als nicht maßgeblich ansieht. Da sich bekanntermaßen besondere Anforderungen in besonders hochwertigen Materialien oder zusätzlichen Leistungen niederschlägt, ist die Vergleichbarkeit der Angebote bereits vom Ansatz her nicht mehr gewährleistet. Bereits das Problembewusstsein der Verfügungsbeklagten in Bezug auf diesen Punkt konnte die Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht feststellen. Das Interesse der Verfügungsbeklagten an der Einhaltung die Bedingungen der Fördermittelzusage tritt trotz der möglichen erheblichen finanziellen Auswirkungen – auch im Hinblick auf andere Gewerke- und dem ausgearbeiteten Zeitplan zurück. Die Verfügungsbeklagte wird durch die vorliegende Entscheidung im Übrigen nicht gezwungen, die Ausschreibung zu verändern oder neu auszuschreiben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO analog. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst.

Landgericht Frankfurt (Oder)
Urteil vom 14.11.2007
Az.: 13 O 360/07

Kurze Fristen im Vergaberecht – Rügefrist

VK Lüneburg, Beschluss vom 11.12.2006 – VgK-31/2006

1. Schreibt die Vergabestelle einen Auftrag gemäß § 3a VOB/A aus und gibt als zuständige Stelle für das Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung die VK Lüneburg an, so ist sie hieran gebunden, auch wenn die maßgeblichen Schwellenwerte nicht erreicht werden sollten.

2. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.

3. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen. Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

 

Volltext: 

 

Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium
für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
– Regierungsvertretung Lüneburg –

Az.: VgK-31/2006

Lüneburg, den 11.12.2006

B e s c h l u s s

GWB § 107 Abs. 3
1. Schreibt die Vergabestelle einen Auftrag gemäß § 3a VOB/A aus und gibt als zuständige Stelle für das Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung die VK Lüneburg an, so ist sie hieran gebunden, auch wenn die maßgeblichen Schwellenwerte nicht erreicht werden sollten.
2. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.
3. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen. Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.
VK Lüneburg, Beschluss vom 11.12.2006 – VgK-31/2006 (nicht bestandskräftig)

In dem Nachprüfungsverfahren

wegen
Vergabeverfahren Landschaftsgärtnerische Arbeiten im Baugebiet xxxxxxx

hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann beschlossen:

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

3. Die Kosten werden auf 2.500 € festgesetzt.

Begründung:

I.

Die Auftraggeberin hat den Auftrag für die landschaftsgärtnerischen Bauleistungen für Grünanlagen mit Datum vom 06.10.2006 europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben, nachdem sie mit Vorinformation vom 03.07.2006 bereits auf diese Ausschreibung hingewiesen hatte. Die Bekanntmachung wurde am 13.10.2006, also 7 Tage nach der Absendung im Amtsblatt veröffentlicht.

Als Kontaktstelle hatte die Auftraggeberin ihren Fachbereich Stadtgrün genannt. Als zuständige Stelle, die weitere Auskünfte erteilt, war der Fachbereich Tiefbau und Verkehr genannt worden. Bei dieser Stelle konnten nach der Veröffentlichung auch die Verdingungs-/Ausschreibungs- und ergänzenden Unterlagen angefordert werden. Als Ansprechpartner war in diesem Fachbereich Tiefbau und Verkehr unter Angabe der Adresse des Fachbereichs Herr xxxxxxx genannt. Von ihm waren auch die Telefon- und Faxnummer sowie seine E-Mail-Adresse veröffentlicht.

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit wurden die Bewerber darauf hingewiesen, dass Eignungsnachweise gemäß § 8 VOB/A vorzulegen seien. Einziges Zuschlagskriterium sollte der Preis sein.

Der Bekanntmachung ist zu entnehmen, dass Schlusstermin für die Anforderung von Unterlagen der 20.10.2006, 12.00 Uhr, war. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass die Verdingungsunterlagen nur versandt werden, wenn der Nachweis über die Einzahlung der Auftraggeberin vorliegt.

Schlusstermin für den Eingang der Angebote sollte der 14.11.2006, 11.00 Uhr, sein. Dieser Termin war auch als Termin für die Öffnung der Angebote genannt. Versehen hatte sich die Auftraggeberin offenbar mit ihrer Angabe: "Tag der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe 13.12.2006".

Mit Datum vom 18.10.2006, Eingang bei der von der Auftraggeberin genannten Kontaktstelle "Fachbereich Stadtgrün" am 26.10.2006, forderte die Antragstellerin die Verdingungsunterlagen an. Diesem Schreiben war ein schlecht lesbarer Überweisungsträger beigefügt, auf dem deutlich aufgedruckt "bezahlt 20.10.2006" stand.

Die von der Auftraggeberin genannte Stelle, bei der die Verdingungs-/Ausschreibungs- und ergänzenden Unterlagen angefordert werden konnten und die auch Auskünfte erteilt, hat lt. einem Vermerk vom 27.10.2006 die Antragstellerin angerufen und sie darauf hingewiesen, dass ihre Anforderung der Unterlagen erst nach dem Schlusstermin am 20.10.2006, 12.00 Uhr, bei ihr eingegangen sei. Eine Übersendung der Unterlagen könne nicht mehr erfolgen, da dies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße.

Ferner wurde festgehalten, dass die Antragstellerin erklärt habe, sie hätte am 20.10.2006 versucht, die Unterlagen von der Auftraggeberin per Fax unter der Nummer xxxxxxx anzufordern. Das Fax-Gerät unter dieser Nummer sei wohl defekt gewesen. Der Mitarbeiter des Fachbereichs Tiefbau und Verkehr habe der Antragstellerin erklärt, dass der Fax-Anschluss des zuständigen Fachbereichs unter der Nummer xxxxxxx auch an dem besagten Tag erreichbar gewesen sei. Ein Vermerk über eine Rüge der Antragstellerin befindet sich in der Vergabeakte der Auftraggeberin nicht.

Die Feststellungen aus dem dokumentierten Vermerk teilte der zuständige Mitarbeiter der Auftraggeberin auch der Antragstellerin mit Schreiben vom 27.10.2006 mit.

Mit Schreiben vom 03.11.2006 wandte sich die Antragstellerin an die "VOB-Vergabeprüfstelle des Landes Niedersachsen, 38023 Braunschweig" und erhob Beschwerde und Widerspruch gegen die Fristsetzung zur Abholung der Unterlagen bzw. den letzten Anforderungstag. Dieses Schreiben ging am 08.11.2006 bei der Nachprüfungsstelle gemäß § 31 VOB/A des Nds. Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in der Regierungsvertretung Braunschweig ein, die das Schreiben am 08.11.2006, Eingang im Behördenzentrum Lüneburg am 10.11.2006, an die Vergabekammer weiterleitete, da es sich um eine europaweite Ausschreibung handelt.

Da die Antragstellerin auf telefonische Nachfrage am 14.11.2006 gegenüber der Vergabekammer erklärte, dass sie den Sachverhalt vorher gegenüber der Auftraggeberin gerügt habe und um Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bat, stellte die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der Auftraggeberin zu.

Die Antragstellerin führt ohne nähere Angaben aus, dass eine Fristsetzung zur Abholung der Unterlagen oder Nennung eines letzten Anforderungstages unzulässig sei, was durch verschiedene Länderprüfstellen festgestellt worden sei. Diese Auffassung sei auch vom BGH bestätigt worden. Der BGH hätte festgelegt, dass die Ausschreibungsunterlagen bis einschließlich 1 – 2 Tage vor Submission zur Verfügung stehen müssten. Es komme lt. BGH dabei nicht darauf an, ob der Interessent die Unterlagen selbst abhole oder nicht bzw. diese noch versandt werden können. Zwei Tage seien somit das Limit.

Ferner führt die Antragstellerin aus, dass die von der Auftraggeberin veröffentlichte Fax-Nummer sich nicht als verwertbar dargestellt habe.

Die Antragstellerin beantragt,

ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten.

Die Auftraggeberin beantragt,

1. den Antrag der Antragstellerin auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens abzuweisen,

2. die Kosten dieses Verfahrens gem. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB der Antragstellerin aufzuerlegen.

Sie vertritt die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig und unbegründet sei.

Die Antragstellerin habe den im Vergabeverfahren erkannten Verstoß nicht unverzüglich gerügt. Weder der Inhaber der Antragstellerin persönlich noch ein sonstiger Vertreter ihrer Firma habe zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Einschaltung der Vergabekammer ihr, der Auftraggeberin, gegenüber den nunmehr geltend gemachten Sachverhalt gerügt. Es liege weder ein entsprechendes Schreiben vor noch habe eine mündliche Rüge stattgefunden.

Vielmehr habe sie selbst die Antragstellerin am 27.10.2006 angerufen, weil ihr aufgefallen sei, dass es der Antragstellerin bereits in zwei vorhergehenden Vergabeverfahren nicht gelungen war, sich so rechtzeitig mit der Vergabestelle in Verbindung zu setzen, um die Unterlagen anzufordern. Ihr sei bei den vorhergehenden Verfahren aufgefallen, dass die Antragstellerin versucht habe, Telefaxe an den Telefonanschluss eines städtischen Mitarbeiters zu senden, was zu zahlreichen Fehlerberichten beim Faxgerät der Antragstellerin geführt habe, die nicht auf einem fehlerhaften Faxanschluss der Auftraggeberin basierten.

Ferner sei der Nachprüfungsantrag auch unbegründet, da sie in der europaweiten Bekanntmachung unter Punkt IV.3.3. darauf hingewiesen habe, dass die Verdingungsunterlagen bis zum 20.10.2006, 12.00 Uhr, angefordert werden konnten. Voraussetzung sei gewesen, dass die Kosten für die Unterlagen auf ein entsprechendes Konto eingegangen seien oder aber die Bieter einen Nachweis über die Einzahlung vorlegten. Außerdem habe sie auch von dem zuständigen Mitarbeiter der zentralen Vergabestelle für diesen Bereich neben der Telefon- auch die Faxnummer und E-Mail-Adresse angegeben.

Da die Bitte der Antragstellerin um Übersendung der Verdingungsunterlagen erst am 26.10.2006 auf dem Postweg und damit eindeutig verspätet eingegangen sei, habe sie die Unterlagen aus Gründen der Gleichbehandlung der anderen Bieter nicht mehr versandt. Hintergrund der von ihr gewählten Frist für die Anforderung der Verdingungsunterlagen sei, allen Bietern gleichermaßen ausreichend Zeit zur Bearbeitung des Angebots zu bieten.

Im Zuge des weiteren Nachprüfungsverfahrens wurde die Antragstellerin zunächst telefonisch, dann mit Übersendung der Erwiderung der Auftraggeberin von der Vergabekammer am 21.11.2006 gebeten, mitzuteilen, wann sie die gesetzte Frist zur Anforderung der Angebotsunterlagen erstmalig bei dieser Ausschreibung gerügt habe. Diese Bitte wurde mit verfahrensbegleitendem Schreiben vom 27.11.2006 unter Fristsetzung wiederholt. Dieser Aufforderung der Vergabekammer kam die Antragstellerin jedoch nicht nach.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Die Antragstellerin hat es versäumt, die von ihr als Vergaberechtsverstoß beanstandete Festsetzung eines Schlusstermins für die Anforderung der Vergabeunterlagen vor Stellung des Nachprüfungsantrags rechtzeitig im laufenden Vergabeverfahren gem. § 107 Abs. 3 GWB gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Mangels eines zulässigen Nachprüfungsantrags ist es der Vergabekammer verwehrt, die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Fristsetzung und insbesondere ihre Vereinbarkeit mit § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. i VOB/A und § 17 a Nr. 5 VOB/A zu prüfen.

Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag i. S. d. § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. €. Der streitbefangene Auftrag ist nach Auskunft der Auftraggeberin Teil einer den Schwellenwert überschreitenden Gesamtbaumaßnahme Erschließung des Baugebiets xxxxxxx. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. € oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. € deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung erreicht der Wert der landschaftsgärtnerischen Arbeiten im Baugebiet xxxxxxx zwar weder den Schwellenwert von 5 Mio. € noch den Wert von 1 Mio. €. Gleichwohl hat die Auftraggeberin das hier streitbefangene Los EU-weit im offenen Verfahren gem. § 3 a VOB/A ausgeschrieben und die Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr – Regierungsvertretung Lüneburg – als zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung angegeben. Dadurch hat die Auftraggeberin den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung besteht in einer Selbstbindung der Auftraggeberin, dass sie das verfahrensgegenständliche Los nicht im 20%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss v. 20.08.2001, Az.: Verg 9/01; BGH NJW 1998, S. 3636 ff., 3638). Der Wert des streitbefangenen Auftrags steht daher einer Nachprüfung durch die Vergabekammer nicht entgegen.

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Fachunternehmen auf dem Gebiet des Garten- und Landschaftsbaus eine potenzielle Bieterin im streitbefangenen Vergabeverfahren ist, die ihr Interesse am Auftrag durch die Anforderung der Vergabeunterlagen bekundet hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht hat, indem sie unter Berufung auf – allerdings nicht näher bezeichnete – vergaberechtliche Rechtsprechung des BGH und verschiedener Landesvergabeprüfstellen vorträgt, die Auftraggeberin habe ihr zu Unrecht die Zusendung der Vergabeunterlagen unter Hinweis auf den bekannt gemachten Schlusstermin verweigert. Eine derartige Fristsetzung sei unzulässig. Vielmehr müssten die Ausschreibungsunterlagen bis einschließlich 1 – 2 Tage vor Submissionstermin zur Verfügung gestellt werden. Da § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. i VOB/A im Gegensatz zu früheren Fassungen der VOB/A keine Regelungen mehr hinsichtlich der Nennung eines Schlusstermins für die Anforderung von Vergabeunterlagen enthält (in der Fassung der VOB/A von 1992 hieß es in § 17 Nr. 1 Abs. 1 lit. i VOB/A ausdrücklich noch: "… sowie Termin, bis zu dem diese Unterlagen spätestens angefordert werden können") und § 17 a Nr. 5 VOB/A ausdrücklich regelt, dass rechtzeitig angeforderte Unterlagen den Bewerbern innerhalb von 6 Kalendertagen nach Eingang des Antrags zugesandt werden müssen, ist es möglich, dass die enge Fristsetzung der Auftraggeberin im vorliegenden Fall die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Da die Bekanntmachung im vorliegenden Fall am 13.10.2006 im Amtsblatt es Amtes für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften erfolgte und die Auftraggeberin den Schlusstermin für die Anforderung der Vergabeunterlagen auf den 20.10.2006 festgelegt hatte, blieb den potenziellen Bietern nur eine Woche Zeit, die Vergabeunterlagen anzufordern. Diese Frist dürfte auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Auftraggeberin bereits mit Vorab-Information vom 03.07.2006 auf die bevorstehende Ausschreibung hingewiesen hatte, zu kurz bemessen sein. Eine derartig enge Fristsetzung ist zumindest unüblich. So sieht etwa das Vergabehandbuch des Bundes für den Bereich des Straßenbaus (HVA B-StB) für die Bekanntmachung vor, dass unter IV.3.3 als Schlusstermin für die Anforderung von Unterlagen ein Termin 7 Kalendertage vor Ablauf der Frist für die Angebotsabgabe (24 Uhr) einzutragen ist. Nach diesem Termin eingehende Anforderungen sollen nach Möglichkeit dennoch erfüllt werden.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Die Antragstellerin hat mit ihrem Vortrag ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Zumindest die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ist vorliegend dargetan. Diesbezügliche Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107, Rdnr. 954). Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

Die Antragstellerin ist jedoch nicht ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im laufenden Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin überhaupt, geschweige denn rechtzeitig, zu rügen. Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB muss der Bieter vor Stellung des Nachprüfungsantrags im Vergabeverfahren positiv erkannte Vergaberechtsverstöße unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Diese Rügepflicht entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für diese positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003), Az.: 1 Verg 4/00; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin trotz mehrfacher Aufforderung seitens der Vergabekammer nicht belegt, dass sie den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß in Form der von ihr im Nachprüfungsverfahren beanstandeten Ausschlussfrist für die Anforderung von Vergabeunterlagen überhaupt gegenüber der Auftraggeberin gerügt hat. Da die Antragstellerin mit Schreiben vom 18.10.2006, eingegangen bei der Auftraggeberin am 26.10.2006 (Eingangsstempel), die Vergabeunterlagen angefordert hat, hatte sie spätestens seit diesem Zeitpunkt positive Kenntnis von dem unter Ziffer IV.3.3 der Bekanntmachung vom 13.10.2006 festgesetzten Schlusstermin für die Anforderung von oder Einsicht in die Unterlagen (20.10.2006 – 12.00 Uhr). Die Antragstellerin war daher gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gehalten und in der Lage, innerhalb weniger Tage den nunmehr beanstandeten Schlusstermin für die Unterlagenanforderung gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Eine entsprechende – telefonische oder schriftliche – Rüge, die die Auftraggeberin bestreitet, hat die Antragstellerin jedoch nicht belegt. Auch die vorliegende Vergabeakte enthält keine Hinweise auf eine derartige Rüge. Aus einem in der Vergabeakte enthaltenen Vermerk des Fachbereichs 66 der Auftraggeberin vom 27.10.2006 über ein Telefongespräch vom 27.10.2006, 10.15 Uhr, zwischen dem Mitarbeiter der Auftraggeberin, Herrn xxxxxxx, und dem Inhaber der Antragstellerin, Herrn xxxxxxx, geht vielmehr lediglich hervor, dass die Auftraggeberin selbst die Antragstellerin angerufen hat, weil sie im vorliegenden Vergabeverfahren wie auch schon bei anderen Vergabeverfahren die Verdingungsunterlagen erst nach Ablauf der festgesetzten Frist zur Anforderung der Verdingungsunterlagen angefordert hat. Ferner geht aus dem Vermerk hervor, dass Herr xxxxxxx gefragt habe, wie lange denn ein Schreiben auf dem Postwege zur Stadt xxxxxxx benötigen würde. Das Schreiben sei schließlich vom 18.10.2006, da müsse es doch wohl am 20.10.2006 bei der Stadt xxxxxxx eingegangen sein. Der Mitarbeiter der Auftraggeberin, Herr xxxxxxx, hat ausweislich des Vermerks daraufhin angemerkt, dass dem auf den 18.10.2006 datierten Schreiben ein Einzahlungsbeleg von 20.10.2006 beigefügt war. Daher müsse man annehmen, dass er das Schreiben nicht vor dem 20.10.2006 habe zur Post bringen können und es schon daher nicht mehr rechtzeitig bei der Stadt xxxxxxx habe eingehen können. Da der 20. Oktober ein Freitag war, lasse sich nachvollziehen, dass sein Anforderungsschreiben letztlich erst am 26.10.2006 beim Fachbereich Stadtgrün eingegangen sei, da dieser in einer Außenstelle außerhalb des Rathauses untergebracht sei. Herr xxxxxxx habe ferner erklärt, er habe das Schreiben am 20.10.2006 auch per Fax zusenden wollen an eine Fax-Nummer xxxxxxx und dann ginge die mit xxx weiter. Das empfangende Fax-Gerät sei jedoch wohl defekt gewesen. Dazu habe der Unterzeichner erklärt, die richtige Fax-Nummer sei xxxxxxx. Bereits bei der Anforderung der Vergabeunterlagen für die Maßnahmen "xxxxxxx" und "xxxxxxx" habe Herr xxxxxxx versucht, sein Fax an eine Telefon-Nummer im Fachbereich Stadtgrün zu faxen. Das Fax-Gerät der Vergabestelle mit der Nummer xxxxxxx, welche auch zu den Angaben zur Stelle, bei der die Vergabeunterlagen angefordert werden können, angegeben wurde, habe auch am 20.10.2006 störungsfrei funktioniert.

Auch aus diesem Telefonvermerk ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Antragstellerin wenigstens anlässlich dieses Telefongesprächs den von der Auftraggeberin gesetzten Schlusstermin für die Anforderung der Angebotsunterlagen in irgendeiner Weise gerügt hat.

Selbst wenn die Antragstellerin in diesem Zusammenhang bis zur Stellung des Nachprüfungsantrags keine positive Kenntnis von einem vermeintlichen Vergaberechtsverstoß gehabt hätte, greift im vorliegenden Fall die Präklusionsvorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB. Danach ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Erkennbarkeit des nunmehr beanstandeten Schlusstermins für die Anforderung der Vergabeunterlagen war für einen fachkundigen Bieter aus Ziffer IV.3.3 der Vergabebekanntmachung vom 13.10.2006 ohne weiteres gegeben. Eine Rüge gegenüber der Auftraggeberin innerhalb der Angebotsfrist (14.11.2006 – 11.00 Uhr) erfolgte jedoch nicht. Vielmehr wandte sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 03.11.2006 unmittelbar an die – unzuständige – Nachprüfungsstelle nach § 31 VOB/A in der Regierungsvertretung Braunschweig (dort eingegangen am 08.11.2006), die das Beschwerdeschreiben zuständigkeitshalber mit Schreiben vom gleichen Tage an die Vergabekammer weitergeleitet hat. Dort ist der als "Beschwerde und Widerspruch" bezeichnete Antrag der Antragstellerin am Freitag, den 10.11.2006 in der Poststelle des Behördenzentrums eingegangen und der Vergabekammer Montag, den 13.11.2006 zugeleitet worden. Auf telefonische Nachfrage des Vorsitzenden der Vergabekammer vom 14.11.2006 erklärte die Antragstellerin, sie habe vor Absetzung des Beschwerdeschreibens den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß gegenüber der Auftraggeberin gerügt. Einen Beleg für diese Rüge legte sie jedoch nicht vor, obwohl sie dazu mit Verfügung der Vergabekammer vom 21.11.2006 und noch einmal mit verfahrensbegleitendem Hinweis vom 27.11.2006 unter Fristsetzung bis zum 29.11.2006 aufgefordert wurde. Der Eingang der beiden verfahrensbegleitenden Verfügungen wurde auf telefonische Nachfrage der Vergabekammer vom 24.11. und vom 28.11. ausdrücklich von der Antragstellerin bestätigt.

Der Nachprüfungsantrag war daher mangels vorheriger Rüge gegenüber der Auftraggeberin gem. § 107 Abs. 3 GWB wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen. Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es daher gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GWB nicht.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-
Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 €, die Höchstgebühr 25.000 € bzw. in Ausnahmefällen 50.000 € beträgt.

Es wird eine Gebühr in Höhe der gesetzlichen Mindestgebühr von 2.500 € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von 2.500 € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxxxxxxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxxxxxxxxxx.

IV. Rechtsbehelf

….