Zurückweisung eines Nachprüfungsantrages durch die Vergabekammer

 
Die Kostenentscheidung der Vergabekammer kann der Antragsteller nicht dadurch zu seinem Gunsten verändern, indem er Berufung einlegt und im Berufungsverfahren seinen (gesamten) Nachprüfungsantrag zurücknimmt.

amtlicher Leitsatz:

Hat die Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag zurückgewiesen und dem Antragsteller die Verfahrenskosten – gegebenenfalls einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Auftraggebers – auferlegt, so bleibt diese Kostenentscheidung unberührt, wenn der Antragsteller sein Nachprüfungsbegehren im darauffolgenden Beschwerderechtszug zurücknimmt.
 
OLG Dresden
Beschluss vom 16.11.2006
WVerg 15/06

Keine Zuschlagserteilung bei offensichtlichem Missverhältnis

VK Nordbayern, Beschluss vom 04.12.2006 – 21.VK-3194-39/06

1. Nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A darf auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden. Die Regelung dient dem Schutz des Auftraggebers vor Eingehung eines nicht hinzunehmenden Risikos. Maßgeblich für die Entscheidung ist daher, ob der Auftraggeber nach Überprüfung der eingeholten Auskünfte so erhebliche Zweifel an einer ordnungsgemäßen Vertragerfüllung haben darf, dass ihm bei objektiver Betrachtung ein Zuschlag wegen der damit verbundenen Risiken nicht zugemutet werden kann.*)

2. Zur Feststellung eines unangemessen niedrigen Angebots sind konkrete Anhaltspunkte dafür zu verlangen, dass der niedrige Preis keinen Wettbewerbspreis darstellt, der Ausdruck der konkreten, betriebsindividuellen Verhältnisse und zugleich Reaktion des Unternehmens auf das wettbewerbliche Umfeld ist. Ein niedriger Preis kann bei einer arbeitsintensiven Tätigkeit auf ein niedrigeres Gehaltsniveau zurückzuführen sein. Hierbei handelt es sich um einen legitimen Preisvorteil des Anbieters.*)

3. Nach § 24 Nr. 1 VOL/A darf mit Bietern verhandelt werden, um Zweifel über die Angebote zu beheben. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Aufklärungsverlangen zulässig und die Aufklärungsfrist zumutbar ist.*)

 

Volltext: 

Vergabekammer Nordbayern
Regierung von Mittelfranken

Az.: 21.VK-3194-39/06

Beschluss

vom 04.12.2006

VOL/A § 24 Nr. 1, § 25 Nr. 2 Abs. 3
1. Nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A darf auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden. Die Regelung dient dem Schutz des Auftraggebers vor Eingehung eines nicht hinzunehmenden Risikos. Maßgeblich für die Entscheidung ist daher, ob der Auftraggeber nach Überprüfung der eingeholten Auskünfte so erhebliche Zweifel an einer ordnungsgemäßen Vertragerfüllung haben darf, dass ihm bei objektiver Betrachtung ein Zuschlag wegen der damit verbundenen Risiken nicht zugemutet werden kann.*)
2. Zur Feststellung eines unangemessen niedrigen Angebots sind konkrete Anhaltspunkte dafür zu verlangen, dass der niedrige Preis keinen Wettbewerbspreis darstellt, der Ausdruck der konkreten, betriebsindividuellen Verhältnisse und zugleich Reaktion des Unternehmens auf das wettbewerbliche Umfeld ist. Ein niedriger Preis kann bei einer arbeitsintensiven Tätigkeit auf ein niedrigeres Gehaltsniveau zurückzuführen sein. Hierbei handelt es sich um einen legitimen Preisvorteil des Anbieters.*)
3. Nach § 24 Nr. 1 VOL/A darf mit Bietern verhandelt werden, um Zweifel über die Angebote zu beheben. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Aufklärungsverlangen zulässig und die Aufklärungsfrist zumutbar ist.*)
VK Nordbayern, Beschluss vom 04.12.2006 – 21.VK-3194-39/06 (bestandskräftig)

Nachprüfungsantrag:

Die Vergabekammer Nordbayern bei der Regierung von Mittelfranken erlässt auf die mündliche Verhandlung vom 04.12.2006 durch die Vorsitzende …, den hauptamtlichen Beisitzer … und den ehrenamtlichen Beisitzer …folgenden

B e s c h l u s s :

1. Es wird festgestellt, dass die Durchführung des Vergabeverfahrens die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt.
Das Angebot der Antragstellerin darf nicht als Unterangebot von der Wertung ausgeschlossen werden.
Die Wertung ist unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen.

2. Die Vergabestelle trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der
Antragstellerin.

3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin
war notwendig.

4. Die Gebühr wird auf x.xxx,– € festgesetzt.
Die Vergabestelle ist von der Zahlung der Gebühr befreit.

5. Die Beigeladene trägt ihre Aufwendungen selbst.

S a c h v e r h a l t :

1.
Die VSt schrieb die reprographischen Dienstleistungen ( Reprostelle Rahmenvertrag; Einrichtung eines Document Service Center in …) im Offenen Verfahren nach der VOL/A aus.
Das Verfahren wurde im Amtsblatt der EU am xx.xx.xxxx veröffentlicht.
Die Ausschreibung umfasst das
– Los 1: Einrichtung eines zentralen Document Service Center,
– Los 2: Bereitstellung von Etagen- und Abteilungskopierern,
– Los 3: Mikroverfilmung.
Als Laufzeit des Auftrags ist der Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2008 vorgesehen.

Die Grundlagen für den Betrieb des Service Center sind in einem vorgegebenen Vertragsentwurf festgelegt. Dort werden in Ziffer 10 folgende Mindestanforderungen für das Personal gestellt:
* Deutsch in Wort und Schrift
* umfassende Schulung für den Umgang mit Kopier-, Scann-, Plotgeräten und in der Endverarbeitung
* sehr gute Kenntnisse im Umgang mit Windows XP, Outlook, Word, Excel, Power Point und anderen Anwendungen aus dem Microsoft Office Paket 2003
Zudem muss das Personal Störungen an den eingesetzten Geräten selbst beheben können.
Das Document Service Center ist über die gesamte Öffnungszeit mit 2 Personen gleichzeitig zu besetzen. Der Betreiber darf im Document Service Center keine geringfügig Beschäftigten gem. § 8 SGB einsetzen.

Die Angebotseröffnung erfolgte am xx.xx.2006.
Fristgerecht haben 4 Bieter, darunter die ASt und die BGl, ein Angebot unterbreitet.
Nach rechnerischer Prüfung lag das Angebot der ASt mit xxx.xxx,xx € brutto an erster Stelle, gefolgt von der BGl mit xxx.xxx,xx € brutto, einem 3. Bieter mit xxx.xxx,xx € brutto und einem
4. Bieter mit xxx.xxx,xx € brutto an letzter Stelle.

Im Vergabevermerk hat die VSt den voraussichtlichen Auftragswert mit xxx.xxx,- € brutto angegeben.

Die VSt teilte mit Schreiben vom 11.10.2006 der ASt mit, dass in ihrem Angebot einige Preisangaben im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung als ungewöhnlich niedrig erscheinen würden. Es wurde deshalb um schriftliche Aufklärung und ggf. um Vorlage von Belegen gebeten, die die niedrigen Einheitspreise und auch den niedrigen Gesamtpreis belegen.
Als aufklärungswürdig sah die VSt insbesondere die Positionen:
Los 1: 01.01.01, 01.01.02, 01.01.05, 01.01.23 – 01.01.39, 01.02.07 – 01.02.11
sowie den daraus resultierenden Gesamtpreis
Los 2: 001.01.01, 01.02.01, 01.02.02
Der ASt wurde eine Frist zur Stellungnahme bis zum 20.10.2006 eingeräumt.

Mit E-Mail vom 13.10.2006 bat die ASt um Information, in welcher Form die Preise dargelegt werden sollen bzw. welche Belege für die Preiserklärung ausreichend seien.
Die VSt antwortete mit E-Mail am 16.10.2006, dass eine Offenlegung der Kalkulation erforderlich sei, aus der sich die Auskömmlichkeit der Preise ergeben würde.

Mit Schreiben vom 18.10.2006 legte die ASt verschiedene Unterlagen vor.
Es handelte sich um den Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichtes 2005, sowie die Kostenstellen – Abrechnung von Januar – August 2006.
Zu den angeforderten Einzelpositionen legte die ASt ihre Kalkulation vor. Darin ist der jeweilige Einheitspreis nach den Teilansätzen Zeit, Lohn, Gerät, Material, Betriebsrisiko, Konzernumlage und Gewinn aufgeschlüsselt.
Zudem hat die ASt angeboten, bei Bedarf ihre Lieferantenrechnungen zur Einsichtnahme der Einkaufspreise vorzulegen.

Mit per Telefax vom 26.10.2006 11.31 Uhr übermittelten Schreiben forderte die VSt bis 14.00 Uhr des gleichen Tages die Beantwortung weiterer Fragen:
1. Aus der Kalkulation seien Lohnkosten von xx,xx € ( Personalvollkosten ) ersichtlich. Von unter diesen Bedingungen Beschäftigten könnten die Vorgaben aus Ziffer 10 des Vertrages nicht erfüllt werden. Deshalb seien die Stundensätze detailliert aufzuklären und aufzuschlüsseln.
2. Angabe des Großkopierers bei Pos. 01.01.01 Los 1, sowie dessen Gerätepreis ( mit Nachweis ) und Aufschlüsselung der Abschreibung.
3. Zu Pos. 01.01.25 – 01.01.29 Los 1: Einkaufspreis der Laminierfolien ( mit Nachweis ) und Aufklärung des angesetzten Materialpreises.
4. Aufklärung, wie sich der Stundensatz von xx,xx € für Regiestunden errechnet im Verhältnis zu den xx,xx € Personalvollkosten.

Die ASt antwortete mit Fax um 13.04 Uhr:
Zu 1. Die ASt versichert, dass 95 % ihrer Mitarbeiter eine Ausbildung besitzen würden.
Zum Nachweis der Lohnhöhe ihrer Mitarbeiter legt die ASt 3 anonymisierte Gehaltsabrechnungen von in … und … tätigen Mitarbeiten vor.
Zu 2. Zum Einsatz komme voraussichtlich die …, für die eine 5 jährige Abschreibung angesetzt sei.
Die Leistungsmerkmale des Gerätes werden in einem beigefügten Datenblatt aufgeführt.
Zum Nachweis des Gerätepreises ist ein Angebot der Firma D beigelegt.
Zu 3. Preisliste der Firma R.
Zu 4. Verweis auf Ausführungen zu Punkt 1.

2.
Die VSt teilte im Schreiben vom 25.10.2006 – eingegangen bei der ASt per Fax am 26.10.2006 16.34 Uhr – mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag der BGl zu erteilen.
Auf das Angebot der ASt könne der Zuschlag nicht erteilt werden, weil der Preis in offenbarem Missverhältnis zur Leistung steht und die Aufklärung zu keinem anderen Ergebnis geführt hat.

3.
Am 30.10.2006 rügte die ASt die Zuschlagsversagung auf der Grundlage des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A. Sie habe kein Unterangebot abgegeben, vergleichbare Preise würde sie auch diversen Großkunden unterbreiten.
Im Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 31.10.2006 ließ die ASt nochmals ihre Rüge vortragen und vertiefen.

Die VSt ist mit Schreiben vom 31.10.2006 der Rüge entgegengetreten.
Durch die Angaben der ASt könnten die Bedenken wegen Unterangebotes nicht ausgeräumt werden. Wegen ungenügender Beantwortung der Fragen hätte die Preisbildung nicht aufgeklärt werden können. Dem Angebot der ASt könne der Zuschlag nicht erteilt werden, weil es um mehr als 25 % sowohl unter dem Durchschnittspreis ( gebildet ohne das niedrigste und das höchste Angebot ) als auch unter dem Preis des Zweitplazierten liegen würde.

4.
Mit Schreiben vom 07.11.2006 beantragt die ASt
1. ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten und der VSt aufzugeben, das Vergabeverfahren in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen,
2. der ASt Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,
3. der VSt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Gebühren und Auslagen aufzuerlegen,
4. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigen der ASt notwendig war.

Als wirtschaftlichste Bieterin i.S.d. § 25 Nr. 3 VOL/A sei der ASt der Zuschlag zu erteilen. Ihre Nichtberücksichtigung verletze sie in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB.
Der Tatbestand des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A sei nicht gegeben. Mit einem Preisabstand von etwas mehr als 25 % zum nächstliegenden Bieter könne ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung nicht begründet werden. Die Rechtsprechung würde ein offenbares Missverhältnis mit der Berechtigung zum Angebotsausschluss nur bei ganz extremen preislichen Abweichungen – offensichtlichen Fehlkalkulationen – sehen. Vorliegend sei ein solcher Fall nicht gegeben. Die ASt hätte im Rahmen der Aufklärung nachgewiesen, dass sie die ausgeschriebene Leistung zu den offerierten Preisen in auskömmlicher Weise erbringen könne.

5.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag am 07.11.2006 der VSt zugestellt und um Zusendung der Vergabeakte und Äußerung gebeten.

6.
In ihrer Antragserwiderung vom 14.11.2006, hier eingegangen am 17.11.2006, beantragt die VSt:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der VSt.

Der Antrag sei unbegründet.
Das Angebot der ASt sei zu Recht als Unterangebot bei der Wertung unberücksichtigt geblieben.

Wegen des Preisabstandes von rd. 25 % zum nächstliegenden Bieter und zur eigenen Kostenschätzung musste die VSt ein Unterangebot der ASt vermuten.
Diese Vermutung hätte die ASt nicht widerlegt.
Nach Aufforderung hätte die ASt lediglich Unterlagen vorgelegt, die verbal nicht erläutert gewesen seien. Derartige Erläuterungen wären jedoch erforderlich gewesen, um den niedrigen Angebotspreis zu erklären.
Wegen dem Niedrigpreis sei eine negative Auswirkung auf die Leistungserbringung durch die ASt zu befürchten.
Die Kalkulation der Personalvollkosten und die vorgelegten Lohnabrechnungen hätten Bruttostundensätze von xx,xx € ergeben. Dieser Stundensatz sei nicht marktüblich. Man müsse also davon ausgehen, dass die von der ASt Beschäftigten der in der Ausschreibung geforderten Fachkunde und Qualifikation nicht gerecht werden würden, wodurch Störungen im Betriebsablauf des Service Centers zu erwarten seien. Zudem sei bei dieser Bezahlung eine starke Fluktuation des Personals zu befürchten, wodurch ebenfalls Schlecht- und Falschleistungen auftreten würden.
Die Personalvollkosten stünden auch in Widerspruch zu den im Leistungsverzeichnis angebotenen Regiearbeiten mit xx,- €/Std.
Aufgrund der Erklärung der ASt müsse davon ausgegangen werden, dass für die Position 01.01.29 Heißlaminierfolien verwendet würden. Heißlaminierfolien wären zwar wesentlich kostengünstiger als Kaltlaminatfolien, seien allerdings für Vorlagen ungeeignet, die mit Tintenstrahldrucker erstellt worden sind.

7.
Soweit nach § 111 Abs. 2 GWB kein Geheimnisschutz geboten war, wurden der ASt am
20.11.2006 Auszüge der Vergabeakte zugesandt.

Darin befindet sich als Anlage ein Vermerk vom 31.10.2006, worin die VSt als Ergebnis der Aufklärung folgendes feststellt:

Personalkosten:
Die Kalkulation der Personalkosten hätte Bruttostundensätze ( inkl. Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung und zusätzliche Personalkosten für Betreuung der Arbeitnehmer und Lohnabrechnung der ASt ) von xx,xx €/Std. ergeben. In den vorgelegten Lohnabrechnungen anderer bei der ASt Beschäftigter seien in zwei von drei Fällen Bruttosätze zwischen xx,xx € und xx,xx € dargestellt.
Wegen dieser niedrigen Stundensätze sei zu erwarten, dass das von der ASt bereitgestellte Personal die erforderliche Fachkunde und Qualifikation nicht aufweisen würde, die zur ordnungsgemäßen Erbringung der geforderte Leistung notwendig sei. Zudem sei mit einer erhöhten Fluktuation des Personals zu rechnen, was zu Störungen im Service Center führen würde.

Verhältnis Lohnkosten zu Regiestundensätzen
Trotz Anfrage hätte die ASt den Unterschied zwischen dem geringen Bruttoarbeitsentgelt und dem für Regiestunden angegebenen Betrag von xx,- € nicht beantwortet.

Kosten von Laminaten:
Die Nachfrage hätte ergeben, dass die ASt für alle Laminate Heißlaminierfolien verwenden würde. Heißlaminierfolien seien jedoch für Vorlagen, die mit Tintenstrahldruckern erstellt wurden, nicht geeignet, weil sie zu einem Verschwimmen der Farbe führen können. Da im Hause alle großformatigen Pläne mit Tintenstrahldruckern erstellt würden, könne eine Heißlaminierung nicht zum Einsatz kommen.

8.
Die Firma … wurde am 20.11.2006 zum Verfahren beigeladen.

In ihrer Stellungnahme vom 24.11.2006 führt die BGl zu den Lohnkosten aus. Lohnstunden zu xx,xx € könnten nicht erklärt werden. Sie hätte per Jahresschnitt die Löhne der mit der ausgeschriebenen Leistung derzeit Beschäftigten mit xx,xx €/Std. ermittelt. Dazu müssten noch die administrativen Kosten für Verwaltung hinzuaddiert werden.
Zudem legt die BGl ihre Kalkulation zu einzelnen Hauptpositionen offen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Stellungnahme wird verwiesen.

9.
In ihrer Replik vom 26.11.2006 auf den Inhalt der Vergabeakte und die Stellungnahme der VSt führt die ASt im wesentlichen aus:
Wegen der preislichen Abweichung um 25 % sei der Ausschluss ihres Angebots nicht begründbar. Die Stellungnahme der VSt lasse nicht erkennen, was konkret zur Nichtberücksichtigung ihres Angebots geführt hat.
Es würde nicht zutreffen, dass Personalvollkosten von xx,xx € eine vertragsgemäße Erfüllung der übertragenen Arbeiten nicht erlauben würden. Umgerechnet auf den Monat mit 160 Arbeitsstunden würde sich ein Bruttoarbeitslohn von ca. x.xxx,- € errechnen. Dieser Schnitt, der für gelernte Arbeitskräfte normal wäre, sei von der ASt mit den drei anonymisierten Gehaltsabrechnungen nachgewiesen worden. Damit könnten jedenfalls Bedenken im Hinblick auf eine Unangemessenheit bzw. Unauskömmlichkeit der Kalkulation und der Fachkunde und Qualifikation des eingesetzten Personals nicht begründet werden.
Die Personalregiekosten seien für die Kalkulation nicht relevant und würden daher eine sachfremde Erwägung in Bezug auf die preisliche Angemessenheitsprüfung darstellen.
Das Angebot könne auch wegen der Kalkulation bezüglich der verwendeten Laminate nicht als Unterangebot gewertet werden. Heiß- und Kaltlaminate unterscheiden sich preislich keineswegs so stark, wie die VSt es darstellt.

10.
Im Schriftsatz vom 30.11.2006 wiederholt und vertieft die VSt im Wesentlichen ihre bereits vorgetragen Ausschlussgründe:
Das Angebot der ASt sei auszuscheiden, weil sie in den Positionen 01.01.25 – 01.01.29 entgegen der Vorgabe Heiß- statt Kaltlaminate angeboten hätte.
Zudem sei das Angebot auszuschließen, weil die von der ASt im Zuge der Aufklärung vorgebrachten Erklärungen sowie die vorgelegten Unterlagen nicht geeignet wären, die Vermutung für das Bestehen eines Unterangebotes zu widerlegen.

11.
Auf die Replik der ASt vom 30.11.2006 zur Stellungnahme der BGl und dem Schreiben der VSt vom 30.11.2006 wird verwiesen.

12.
In der mündlichen Verhandlung am 04.12.2006 hatten die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit, sich zum streitgegenständlichen Vergabeverfahren zu äußern. Auf das diesbezügliche Protokoll wird verwiesen.

Die ASt bleibt bei ihren mit Schriftsatz vom 07.11.2006 gestellten Anträgen.
Die VSt beantragt, den Nachprüfungsantrag abzulehnen.
Die BGl stellt keine Anträge.

B e g r ü n d u n g:

1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.

b) Bei dem ausgeschriebenen Vertrag handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 99 GWB.

c) Die VSt ist den Auftraggebern zuzuordnen, welche gemäß § 98 Nr. 1 GWB in Verbindung mit § 4 VgV den 2. Abschnitt der VOL/A anzuwenden haben.

d) Der Schwellenwert von 200.000,- € ist überschritten (§ 100 Abs. 1 GWB).

e) Der Zuschlag an die BGl wurde noch nicht erteilt ( § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB ).

f) Die ASt ist antragsbefugt. Sie hat als beteiligte Bieterin ein Interesse am Auftrag und schlüssig dargetan, dass ihr durch die behauptete Rechtsverletzung ein Schaden entsteht bzw. zu entstehen droht ( § 107 Abs. 2 GWB ).

g) Die ASt hat am 30.10.2006 unverzüglich gerügt, nachdem ihr am 26.10.2006 die Mitteilung über die Nichtberücksichtigung ihres Angebots zugegangen war.

2.
Der Antrag ist begründet.
Die ASt wird in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt.
Das Angebot der ASt darf nicht als Unterangebot von der Wertung ausgeschlossen werden.
Die VSt ist deshalb zu verpflichten, die Wertung der Angebote erneut durchzuführen und nach § 13 VgV das Ergebnis den Bietern mitzuteilen.

Das Angebot der ASt kann nicht nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A unberücksichtigt bleiben.
Ein offenbares Missverhältnis zwischen Angebotspreis und Leistung liegt nicht deswegen vor, weil die ASt Stundenverrechnungssätze mit xx,xx € kalkuliert hat.

a) Nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A darf auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, der Zuschlag nicht erteilt werden.
Die Regelung dient dem Schutz des Auftraggebers vor Eingehung eines nicht hinzunehmenden Risikos. Maßgeblich für die Entscheidung ist daher, ob der Auftraggeber nach Überprüfung der eingeholten Auskünfte so erhebliche Zweifel an einer ordnungsgemäßen Vertragerfüllung haben darf, dass ihm bei objektiver Betrachtung ein Zuschlag wegen der damit verbundenen Risiken nicht zugemutet werden kann.

Zur Beurteilung der Angemessenheit eines Preises dient in der Regel ein Vergleich mit der Kostenschätzung des Auftraggebers.
Vorliegend führt eine solche Gegenüberstellung nicht weiter. Zwar hat die VSt im Vergabevermerk als voraussichtlichen Auftragswert xxx.000,- € brutto angegeben. Diese Zahlenangabe ist jedoch nicht überprüfbar. In der Vergabeakte findet sich keine Kostenschätzung, mit der der genannte Auftragswert belegt ist. In der mündlichen Verhandlung hat die VSt dazu ausgeführt, dass sie ihre Kostenschätzung auf die Preise des bisherigen Vertrages mit der BGl gestützt habe. Deswegen ist die Kostenschätzung der VSt als Vergleichsmaßstab nicht geeignet.

Der VÜA des Bundes hat in seinem Beschluss v. 14.04.1998 ( Vergaberechtsreport 8/98 ) den Standpunkt vertreten, dass auch ein noch so beträchtlicher Preisabstand zwischen dem günstigsten und den nachfolgenden Angeboten für sich genommen noch kein hinreichendes Merkmal für ein unangemessen niedriges Angebot darstellt. Ein Niedrigangebot kann auch wettbewerblich begründet sein. Auf den Gesichtspunkt der Angemessenheit oder gar Auskömmlichkeit kommt es bei der Ermittlung des zulässigen Wettbewerbspreises nicht an. Für die öffentliche Hand besteht kein Hindernis, auch Unterkostenpreise zu akzeptieren, sofern der Anbieter zu diesen Preisen zuverlässig leisten kann ( BGH v. 11.07.2001 1 StR 576/00 ).
Die Kalkulation obliegt ausschließlich dem Aufgabenbereich des Bieters. Eine Angebotskalkulation berührt den Kernbereich unternehmerischen Handelns im Wettbewerb um öffentliche Aufträge und damit die Freiheit des Wettbewerbs im Marktgeschehen schlechthin. Vorschriften, auf welche Weise der Unternehmer zu kalkulieren hat, kann es in einer freien Wirtschaftsordnung nicht geben ( Kammergericht Berlin v. 26.02.2004 – Verg 16/03 ). Der Bieter ist mangels verbindlicher Kalkulationsregeln in seiner Preisgestaltung frei ( BGH v. 18.05.2004 – X ZB 7/04 ).
Zur Feststellung eines unangemessen niedrigen Angebots sind konkrete Anhaltspunkte dafür zu verlangen, dass der niedrige Preis keinen Wettbewerbspreis darstellt, der Ausdruck der konkreten, betriebsindividuellen Verhältnisse und zugleich Reaktion des Unternehmens auf das wettbewerbliche Umfeld ist ( Brinkler/Ohler in Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck´scher VOB-Kommentar, Rdn. 66 zu § 25. ). Ein niedriger Preis kann bei einer arbeitsintensiven Tätigkeit auf ein niedrigeres Gehaltsniveau zurückzuführen sein. Hierbei handelt es sich um einen legitimen Preisvorteil des Anbieters.

Vor diesem Hintergrund kann die ASt nicht deswegen ausgeschlossen werden, weil sie in ihrem Angebot die Personalvollkosten mit xx,xx €/Std. kalkuliert hat.
Unstrittig besteht für die ausgeschriebenen reprographischen Dienstleistungen kein allgemein verbindlicher Tarifvertrag, in dem die zu zahlenden Lohntarife festgelegt sind. Die in den Vergabeunterlagen geforderte Erklärung nach dem Formblatt Erg Ang VOB EG geht schon deshalb ins Leere, weil dort eine Tariftreueerklärung nach dem Bayer. Bauaufträge – Vergabegesetz verlangt ist. Bei der streitgegenständlichen Leistung handelt es sich nicht um die Entlohnung von auf einer Baustelle beschäftigten Arbeitnehmern.

Die VSt kann mit ihrer Befürchtung nicht durchdringen, dass den Beschäftigten der ASt wegen der Entlohnung die geforderte Fachkunde und Qualifikation fehlen würde und durch starke Personalfluktuation Störungen im Betriebsablauf des Service Centers zu erwarten seien.
Die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendige Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit ist nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A zu prüfen und war nicht Gegenstand dieses Nachprüfungsverfahrens.
Die VSt hat ihren Einwand bezüglich der Eignung nicht durch Fakten belegt. Die Berücksichtigung von Umständen, die nicht auf einer gesicherten Erkenntnis des Ausschreibenden beruhen, ist bei der Bewertung der Eignung eines Bieters ausgeschlossen ( BGH v. 26.10.1999 – X ZR 30/98 ). Stattdessen versicherte die ASt in ihrem Vortrag und in der mündlichen Verhandlung glaubhaft, dass 95 % ihrer Mitarbeiter die erforderlichen Kenntnisse für eine fachgerechte Ausführung der streitgegenständlichen Leistung aufweisen würden.

b) Die ASt ist auch der Aufklärungsaufforderung nachgekommen, soweit es ihr zumutbar war.

Nach § 24 Nr. 1 VOL/A darf mit Bietern verhandelt werden, um Zweifel über die Angebote zu beheben. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Aufklärungsverlangen zulässig und die Aufklärungsfrist zumutbar ist.

aa) Die VSt hat am 11.10.2006 Aufklärung zu verschiedenen Positionen mit niedrigen Einheitspreisen verlangt. Die ASt ist dieser Forderung innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen und hat die fraglichen Positionen in die einzelnen Preisbestandteile Zeit, Lohn, Gerät, Material etc. aufgeschlüsselt. Daraus ist ersichtlich, wie und aus welchen Faktoren sich der verlangte Einheitspreis zusammensetzt. Eine anders zu gestaltende Auskunft war für die ASt aus der allgemein gehaltenen Aufklärungsforderung der VSt nicht erkennbar.
Ein weitergehender Einblick in die Kalkulation ist bei objektiver Betrachtung für die Überprüfung der Plausibilität nicht notwendig und auch nicht zulässig. Bieter können nicht dazu verpflichtet werden, interne Kalkulationsunterlagen offen zu legen ( BVerfG v. 14.03.2006 – BvR 2087/03 u. 2111/03 ).

bb) Auch kann die ASt nicht deswegen ausgeschlossen werden, weil sie dem zweiten Aufklärungsverlangen nur unvollständig nachgekommen ist.
Mit Fax vom 26.10.2006, 11.32 Uhr, hat die VSt weitere Aufklärung gefordert. Für die Beantwortung wurden der ASt rd. 2 1/2 Stunden eingeräumt.
Diese Frist war zu kurz bemessen und damit eine vollständige Beantwortung unzumutbar, zumal eine Aufklärung zum Teil zu neuen Positionen verlangt wurde.
In der Regel ist eine Antwortfrist von weniger als eine Woche als unzumutbar anzusehen ( Franke/Grünhagen in Franke Kemper Zanner Grünhagen, VOB-Kommentar, 2. Auflage, Rdn. 520 zu § 25 ).

Aus den dennoch vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine Widersprüche zum Angebot der ASt.

Die von der ASt vorgelegten Lohn-/Gehaltsabrechnungen von Mitarbeitern stehen nicht in Widerspruch zu ihrem Personalvollkostenansatz. Beispielhaft hat die ASt für den Monat September die Gehaltsabrechnung eines Bediensteten in … vorgelegt. Mit der dort angegebenen Bruttolohnhöhe ist nach Zuschlag der Lohnzusatzkosten in Höhe von xx % ein Personalkostenansatz von xx,xx € darstellbar.
Die ASt hat in ihrem Angebot die Lohnzusatzkosten mit xx % angegeben ( Formblatt Erg Ang VOB EG ).

Auch berechtigt das vorgelegte Preisblatt zu den Heißlaminatfolien nicht, das Angebot gemäß § 25 Nr.1 Abs. 1 Buchst. d VOL/A auszuschließen.
Nach § 25 Nr.1 Abs. 1 Buchst. d VOL/A werden Angebote ausgeschlossen, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen worden sind.
Eine solche Änderung oder Ergänzung ist im Angebot der ASt nicht gegeben.
Grundlage für die formale und inhaltliche Prüfung sind die zur Eröffnung vorgelegten Angebote. Das von der ASt zu diesem Termin eingereichte Angebot enthält die verlangten Erklärungen und Preise. Zusätzliche Eintragungen, aus denen ein Abweichen von der geforderten Leistung erkennbar sein könnte, finden sich im Angebot der ASt nicht.
Mit Schreiben vom 26.10.2006 wurde die ASt aufgefordert, sich zum Einkaufs- und Materialpreis der Laminierfolien der Pos. 1.1.25 – 1.1.29 zu erklären. In diesen Positionen sind die Preise für das Laminieren von Vorlagen der Größe DIN A4 bis DIN A0 anzugeben. Unstrittig ist in den Verdingungsunterlagen ein Laminierungsverfahren nicht vorgegeben. Der in der Leistungsbeschreibung auf Seite 5 unter Ziffer 1.5 geforderte Kaltlaminator ist nur als Backup Kapazität für DIN A0 Formate zur Verfügung zu stellen. Für den Normalbetrieb konnte die Heißlamination für alle Formate angeboten werden.
Der ASt könnte deshalb allenfalls der Vorwurf gemacht werden, dass sie bei der zweiten Aufklärung nicht die Preise aller Laminierfolien ( heiß und kalt ) vorgelegt habe. Dies kann aber der ASt wegen der kurzen Frist nicht als Aufklärungsverweigerung im Sinne von § 24 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A angelastet werden.

Die VSt konnte ihre Behauptung nicht belegen, dass Heißlaminate für mit Tintenstrahldruckern gefertigte Vorlagen ungeeignet seien.
In der mündlichen Verhandlung hat die ASt Heißlaminate vorgelegt, aus denen ein Verschwimmen der Tinte nicht ersichtlich war. Auch konnten keine anderen Qualitätsunterschiede zu den ebenfalls vorgelegten Kaltlaminaten festgestellt werden.

3.
Wegen des im GWB festgelegten Amtsermittlungsgrundsatzes ( § 110 Abs. 1 Satz 1 und
§ 114 Abs. 1 GWB ) sieht sich die Vergabekammer zu folgendem Hinweis veranlasst:

Eine Überprüfung des Angebots der BGl hat ergeben, dass es unvollständig ist.
Auf dem Formblatt EFB U EG 317 erklärt die BGl, dass sie die Mikroverfilmung weitervergeben wird. Sie benennt zwar konkret welches Unternehmen sie mit der Leistung beauftragen wolle, die geforderte Verpflichtungserklärung des Nachunternehmers liegt dem Angebot der BGl jedoch nicht bei.
Des Weiteren fehlen im Angebot der BGl die Besonderen Vertragsbedingungen, Zusätzlichen Vertragsbedingungen und das Einheitliche Verdingungsmuster Abfall. Alle diese Anlagen waren im Angebot als Vertragsbestandteile ausgewiesen.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 GWB.

a) Die VSt hat die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der ASt zu tragen, weil sie unterlegen ist ( § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB ).
Im Hinblick auf die streitgegenständliche Auftragssumme von xxx.xxx,xx € brutto und bei Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich nach der entsprechend angewandten Gebührentabelle des Bundeskartellamts eine Gebühr in Höhe von x.xxx,- €.
Die VSt ist nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG von der Zahlung der Gebühr befreit.
Der geleistete Kostenvorschuss in Höhe von 2.500,- € wird nach Bestandskraft dieses Beschlusses an die ASt zurücküberwiesen.

b) Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die ASt notwendig gem. § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entspr. Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es der ASt nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

…..

Ausschreibung bestimmter Produkte nur ausnahmsweise zulässig

VK Hessen, Beschluss vom 11.12.2006 – 69d-VK-60/2006

1. Eine Ausschreibung bestimmter Produkte ist nur ausnahmsweise zulässig.

2. Eine Ausschreibung eines bestimmten Produkts als Substitut für allgemeine Beschreibungen darf nicht ohne den Zusatz „oder gleichwertiger Art“ erfolgen.

3. Die Begründung für die Ausschreibung eines bestimmten Produktes muss in der Vergabeakte dokumentiert werden.

 

Volltext: 

 

2. VERGABEKAMMER des Landes Hessen

bei dem Regierungspräsidium Darmstadt

Beschluss

69 d VK – 60/2006

11.12.2006

 

VOB/A § 9 Nr. 5, § 30
1. Eine Ausschreibung bestimmter Produkte ist nur ausnahmsweise zulässig.
2. Eine Ausschreibung eines bestimmten Produkts als Substitut für allgemeine Beschreibungen darf nicht ohne den Zusatz „oder gleichwertiger Art“ erfolgen.
3. Die Begründung für die Ausschreibung eines bestimmten Produktes muss in der Vergabeakte dokumentiert werden.
VK Hessen, Beschluss vom 11.12.2006 – 69d-VK-60/2006

In dem Nachprüfungsverfahren

Wegen Vergabe von Bauleistungen nach VOB/A, Erweiterung der #####

hat die 2. Vergabekammer des Landes Hessen bei dem Regierungspräsidium in Darmstadt nach mündlicher Verhandlung am 28.11.2006 durch die Vorsitzende ##### den hauptamtlichen Beisitzer ##### sowie den ehrenamtlichen Beisitzer ##### am 11.12.2006 beschlossen:

I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die am 12.07.2006 im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Gemeinschaften (2006-138940-DE) veröffentlichte Ausschreibung über den Einbau von Holzinnentüren im Neubau des Verwaltungsgebäudes aufzuheben und die Bauleistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu auszuschreiben.

II. Im Übrigen wird das Nachprüfungsverfahren eingestellt.

III. Für das Verfahren vor der Vergabekammer wird eine Gebühr von ##### € festgesetzt, hiervon tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner jeweils ##### €.

IV. Von den der Antragstellerin und dem Antragsgegner außerhalb des Verfahrens entstandenen Kosten trägt die Antragstellerin 1/3, der Antragsgegner trägt 2/3; im Übrigen tragen die Beteiligten ihre Kosten selbst.

V. Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.

Sachverhalt

Der Antragsgegner veröffentlichte am 14.07.2006 die Ausschreibungen für 12 Gewerke für den Neubau eines Verwaltungsgebäudes beim Kreishaus in Darmstadt, darunter u.a. die Fassadenarbeiten, Metall- und Holztüren.

Das Leistungsverzeichnis für die Ausschreibung der Holzinnentüren enthielt für mehrere Positionen die Angabe bestimmter Fabrikate und Typbezeichnungen, so u.a. für

– Türdrückergarnituren: (Positionen 02.01.0010, 02.02.0007, 02.02.0008, 02.03.0005; insgesamt 312 St.) Fabrikat "FSB Typ 1005, Objektbeschlag 7205 13 bzw. 7205.15 und 7605 13";

– Türpuffer: (Positionen 02.01.0011 bis 2.01.0013, 02.02.0013; insgesamt 195 St.) "Erzeugnis KWS Türpuffer 2008.82 bzw. 2573.82 und 2001.82 und 2008.82";

– Drückergarnitur, halb: (Position 02.02.0009; 15 St.): "Fabrikat F513 Typ 1005, Objektbeschlag 7205.13";

– Griffstange: (Position 02.02.0010; 6 St.): "Fabrikat FSB 667a38";

– Obentürschließer: (Positionen 02.02.0011 und 02.03.0006; insgesamt 44 St.). "Fabrikat DORMA TS 91 RF bzw. DORMA TS 93 N";

– Drehflügelantrieb (Position 02.02.0012) "Fabrikat DORMA CD 80".

In der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten war unter Zif. 5. 2 die Abgabe von Nebenangeboten nicht zugelassen. Als Zuschlagskriterien waren in Zif. 5.3 das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf den Preis, die Qualität (Referenz), die technische Leistungsfähigkeit sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit genannt, wobei die Kriterien in der Reihenfolge ihrer Bedeutung benannt seien.

Auf Anforderung der Antragstellerin vom 25.07.2006 wurden ihr Anfang August die Ausschreibungsunterlagen übersandt. Mit Schreiben an das mit der Planung beauftragte Architekturbüro vom 08.08.2006 rügte die Antragstellerin die Vorgabe bestimmter Produkte im Leistungsverzeichnis ohne den Zusatz "oder gleichwertiger Art" hinsichtlich der Drückergarnituren, der Türpuffer und der Obentürschließer. Es würden keine gleichwertigen Produkte zugelassen, obwohl diese Produkte mit geringfügigen Abweichungen in der Technik und in den Maßen gleichwertig oder besser durch andere Hersteller lieferbar seien.

Das Planungsbüro antwortete hierauf mit Schreiben vom 10.08.2006, die Ausschreibung sei " VOB konform". Die gemachten Vorgaben dienten der " Vermeidung von Schnittstellenproblematiken zu anderen Gewerken (Elt., Fassaden, Metalltüren) und dem Bestand sowie der Vereinfachung von Wartungsverträgen. Bei dem Projekt handelt es sich um eine Erweiterung (technisch und funktional) der bestehenden Kreisverwaltung)".

Weitere, per Telefax an das Planungsbüro gerichtete Nachfragen der Antragstellerin vom 10.08.2006 und vom 11.08.2006 bezogen sich auf die gewünschte -Unterkonstruktion der Türzargen und die ausgeschriebene Farbwahl und wurden jeweils mit Schreiben des Planungsbüros vom selben Tag beantwortet. in den Akten befinden sich keine Hinweise darauf, dass diese Antworten und Erläuterungen auch anderen Bietern zugänglich gemacht wurden.

Die Antragstellerin übersandte am 16.08.2006 ein Angebot zu einem Gesamtnettopreis von ##### €. In dem Anschreiben wies sie ausdrücklich auf die zuvor erhobenen Rügen hin. Daneben gab sie drei Nebenangebote mit Änderungen bezüglich der Türdrücker, der Türpuffer und der Griffstangen ab.

Neben der Antragstellerin beteiligten sich noch die Beigeladene und sechs weitere Bieter mit Angeboten an der Ausschreibung. Die Submission fand am 22.08.2006 statt.

Mit Schreiben vom 18.10.2006 teilte das vom Antragsgegner beauftragte Architekturbüro der Antragstellerin mit, ihr Angebot habe aus wirtschaftlichen Gründen nicht berücksichtigt werden können. Die Antragstellerin antwortete hierauf mit Schreiben vom 19.10.2006, auf telefonische Nachfrage habe sie erfahren, dass die Beigeladene den Zuschlag erhalten solle, und legte unter Bezugnahme auf die erhobenen Rügen "Einspruch" ein. Sie setzte dem Antragsgegner eine Frist für eine entsprechende Stellungnahme bis zum 23.10.2006.

Nachdem seitens des Antragsgegners keine Reaktion erfolgte, stellte die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 31.10.2006 bei der Vergabekammer den vorliegenden Nachprüfungsantrag.

Zur Begründung vertieft sie im Wesentlichen das Vorbringen der Rügeschreiben und führt weiter aus, die Vorgabe bestimmter Fabrikate durch den Antragsgegner verstoße gegen § 9 Nr. 5 VOB/A. Der Antragsgegner habe gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung noch zusätzlich dadurch verstoßen, dass er bestimmte Bezeichnungen (Leitfabrikate) ohne den zwingenden Zusatz "oder gleichwertiger Art" verwendet habe. Die von der Antragstellerin in ihren Nebenangeboten angebotenen Fabrikate seien gleichwertig zu den von dem Antragsgegner vorgegebenen. Schließlich stelle es einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Antragstellerin dar, dass nur sie detaillierte Angaben über die Unterkonstruktion der Zargen erhalten habe. Das Gleiche gelte für die Vorgabe, die teureren Metallic- Töne zu verwenden. Vermutlich habe nur die Antragstellerin hinsichtlich der werkseitigen Pulverbeschichtung mit den teureren Farbtönen kalkuliert, wodurch wiederum ein Wettbewerbsnachteil entstanden sei.

Nach Übermittlung von Teilen der Vergabeakte durch die Vergabekammer ergänzte die Antragstellerin ihren Vortrag dahin, der Antragsgegner habe die Gründe für eine produktbezogene Ausschreibung nicht im Rahmen eines Vergabevermerks dokumentiert. Gestalterische Gründe seien offensichtlich vorgeschoben. Das Angebot der Beigeladenen sei wegen Unvollständigkeit der Angebotsunterlagen auszuschließen. Schließlich habe der Antragsgegner offensichtlich auch nur den Preis als Wertungskriterium herangezogen, obwohl nach der Ausschreibung vier Kriterien wertungsrelevant sein sollten.

Die Antragstellerin beantragte schriftsätzlich u.a.:

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist;

2. Dem Antragsgegner wird untersagt, den Zuschlag an die Beigeladene zu erteilen;

3. Der Antragsgegner wird angewiesen, den Zuschlag an die Antragstellerin zu erteilen;

4. Hilfsweise: Das Ausschreibungsverfahren wird aufgehoben und die verfahrensgegenständlichen Bauleistungen werden neu ausgeschrieben.

Der Antragsgegner beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Er nahm mit Schreiben vom 09.11.2006 zu dem Antrag Stellung und führte aus, die Fabrikatvorgaben seien zwingend erforderlich, da bei dem Neubau des Verwaltungsgebäudes Türbeschläge bei Holztüren, Stahltüren und in der Fassade (Fenster und Fenstertüren) vorkämen. Sowohl aus gestalterischen Gründen als auch aus Gründen der Vereinfachung von späteren Wartungen, Reparaturen, der Vorhaltung von Verschlussteilen usw. sei eine Produktlinie zwingend notwendig. In einem Flur bzw. einem Raum würden Holztüren, Brandschutztüren aus Stahl und mit Griffen und Beschlägen ausgestattete Elemente der Fassade aufeinander treffen. Es sei daher der Wunsch des Bauherrn bzw. die gestalterische Freiheit des in seinem Auftrag planenden Architekten, ein einheitliches Design einzubauen. Es liege daher ein zwingender Grund vor, in den drei genannten Ausschreibungen Fabrikatvorgaben zur Grundlage einer Wertung der Angebote zu machen.

Die ausgeschriebene Zarge sei eindeutig beschrieben worden. Auf Nachfrage der Antragstellerin sei ihr beispielhaft ein Zargendetail eines Herstellers zugesandt worden, dieses gebe es exakt auch bei anderen Herstellern. Hinsichtlich der Farbtöne seien solche nach NCS (Natural Collour System) und RAL einschließlich der Metallic- Töne RAL 9006 und 9007 ausgeschrieben worden, die Bestandteil der RAL-Karte seien.

Am 28.11.2006 fand die mündliche Verhandlung vor der Vergabekammer mit ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage statt. Auf Bitte der Kammer hatten die Antragstellerin und der Antragsgegner Muster der ausgeschriebenen bzw. im Nebenangebot angebotenen Türdrücker mitgebracht; diese waren Gegenstand der Erörterung.

Die Antragstellerin nahm die Anträge Zif. 1 bis 3 des Nachprüfungsantrages zurück und beantragte, den Antragsgegner zur Aufhebung und Neuausschreibung der streitgegenständlichen Bauleistungen zu verpflichten. Die Beigeladene stellte keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten das Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakte der Kammer sowie auf die Vergabeakte verwiesen.

Gründe:

Der Antrag, den Antragsgegner zur Aufhebung der Ausschreibung der Holzinnentüren für die Erweiterung der ##### und zur erneuten Ausschreibung zu verpflichten, ist zulässig und begründet. Hinsichtlich der übrigen zunächst gestellten Anträge ist das Verfahren nach deren Rücknahme einzustellen und über die Kosten zu entscheiden.

A.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer sowie die formalen und inhaltlichen Voraussetzungen eines Nachprüfungsantrags (§§ 100 Abs. 1, 107, 108 GWB) sind gegeben. Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt (§ 107 Abs. 2 GWB), denn sie hat ein Interesse am Auftrag, wie sie durch die Abgabe eines Angebots deutlich gemacht hat. Sie macht eine Verletzung von Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB geltend, indem sie vorträgt, die Ausschreibung verstoße gegen § 9 Nr. 5 VOB/A. Ihr Sachvortrag lässt damit eine Rechtsverletzung zu Lasten ihrer Zuschlagschancen und damit einen wirtschaftlichen Schaden zumindest als möglich erscheinen. Sie ist auch ihrer Pflicht zur unverzüglichen Rüge mit ihren Schreiben vom 08.08.2006, 10.08.2006 und 19.10.2006 nachgekommen.

B.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Das streitgegenständliche Vergabeverfahren leidet an schwerwiegenden Vergaberechtsverstößen, die die Rechte der Antragstellerin verletzen, und ist daher aufzuheben.

I. Der Antragsgegner hat mit der Ausschreibung "Holzinnentüren" gegen § 9 Nr. 5 VOB/A verstoßen.

1. Nach Abs. 1 der Vorschrift dürfen bestimmte Erzeugnisse, wie hier, für Türdrücker, Türpuffer etc., nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden, wenn dies durch die Art der geforderten Leistung gerechtfertigt ist. Ausschlaggebendes Merkmal hierfür sind die jeweils maßgeblichen technischen und gestalterischen Anforderungen, z. B. sind bei Sanierungen, Um- und Erweiterungsbauten bestimmte gestalterische Anforderungen hinsichtlich eines einheitlichen Erscheinungsbildes oder dergl. denkbar (vgl. Ingenstau/Korbion, Kommentar zur VOB, § 9 VOB/A Rdnr. 81 ff.; VK Hessen, Beschl. vom 05.10.2005; 69d VK 69/2005).

a) Derartige gestalterische Gesichtspunkte sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Zwar hatte das mit der Planung des Neubaus beauftragte Architekturbüro der Antragstellerin auf ihre Rüge mit Schreiben vom 10.08.2006 mitgeteilt, bei dem Projekt handele es sich um eine Erweiterung (technisch und funktional) der bestehenden Kreisverwaltung. Da der Neubau jedoch, wie den Plänen zu entnehmen ist, einen eigenständigen und vom Bestandsgebäude deutlich entfernt liegenden Baukörper bilden wird, sprechen diese Gesichtspunkte nicht für besondere gestalterische Anforderungen an Türdrückergarnituren und andere Teile.

b) Auch die einheitliche Gestaltung der Beschläge an Holztüren, Feuerschutztüren und Fenstern und Türfenstern der Metallfassade machen die Vorgabe eines bestimmten Fabrikats vorliegend nicht erforderlich. Zwar steht dem Auftraggeber hier ein Beurteilungsspielraum zu, in den die Vergabekammer nicht ohne weiteres eingreifen darf. Vorliegend hat der Antragsgegner eine solche Beurteilung in Hinblick auf die Gestaltung aber offensichtlich nicht vorgenommen. Zudem haben der Antragsgegner und das von ihm beauftragte Architekturbüro in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, die von der Antragstellerin angebotenen und die ausgeschriebenen Beschläge seien gestalterisch durchaus kompatibel. Der optische Gesamteindruck werde auch bei gleichzeitiger Verwendung der ausgeschriebenen und der von der Antragstellerin angebotenen Produktlinien nicht gestört.

c) Auch andere technische oder wirtschaftliche Gründe für die Ausschreibung nur eines bestimmten Produktes sind vorliegend nicht gegeben. Die ebenfalls in dem Schreiben vom 10.08.2006 genannten Ziele der "Vereinfachung von Wartungsverträgen" betreffen zwar durchaus berechtigte Interessen des Auftraggebers. Auch diese Kriterien reichen jedoch nicht als Rechtfertigung für die ausnahmsweise Zulassung eines bestimmten Erzeugnisses aus: Die Vergabestelle hat diesbezüglich die Möglichkeit, die eingehenden Angebote (bei Aufnahme entsprechender Wertungskriterien in den Ausschreibungsbedingungen) auch nach der Wartungsfreundlichkeit, der Erforderlichkeit von Schulungen der Hausmeister etc. zu bewerten. Entsprechende Zuschlagskriterien sind beispielsweise Folgekosten, Bedienungsfreundlichkeit, etc..

2. 9 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A sieht darüber hinaus vor, dass Bezeichnungen für bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren ausnahmsweise, jedoch nur mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" verwendet werden dürfen, wenn eine Beschreibung durch hinreichend genaue, allgemein verständliche Bezeichnungen nicht möglich ist. Sinn dieser Vorschrift ist es, den Wettbewerb sicherzustellen. Es soll vermieden werden, dass die Vergabestelle von sich aus Erzeugnisse oder Verfahren bestimmter Hersteller bevorzugt. Vielmehr ist es Sache der Bieter, aufgrund ihrer Sach- und Fachkunde die für die Ausführung der Leistung notwendigen Erzeugnisse oder Verfahren auszuwählen. Eine Ausschreibung für bestimmte Produkte hat, wie sich aus dem Wortlaut "dürfen nur dann" ergibt, die Ausnahme zu sein. Es kann vorliegend offen bleiben, ob die ausgeschriebenen Leistungen hinreichend genau beschreibbar sind oder waren. Denn jedenfalls durfte der Antragsgegner ein bestimmtes Fabrikat als Substitut für allgemeine Beschreibungen der Beschläge etc. nicht ohne den Zusatz "oder gleichwertiger Art" verwenden. Die Bieter hatten also entgegen der Vorschrift des § 9 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A nicht die Möglichkeit, Produkte anzubieten, die hinsichtlich Material, Aussehen, Ausmaßen etc. den ausgeschriebenen Produkten gleichwertig sind. Hierdurch wurden sie in ihren Rechten auf Durchführung eines transparenten und wettbewerbsorientierten Verfahrens und auf Gleichbehandlung der Bieter gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB verletzt.

II. Daneben genügen die in der Vergabeakte enthaltenen Aufzeichnungen des Planungsbüros, der Schriftverkehr zwischen den Parteien und die Beschlussvorlage mit Begründung an den Kreisausschuss nicht den Anforderungen an einen Vergabevermerk. Nach § 30 Nr. 1 VOB/A muss dieser Vermerk die einzelnen Stufen des Verfahrens, die maßgebenden Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthalten. Nach der hierzu entwickelten Rechtsprechung (vgl. z.B. OLG Jena – Vergabesenat – Beschluss vom 26.06.2006 -"Anna- Amalia- Bibliothek"; 9 Verg 2/06; Vergabekammer Niedersachsen, Beschluss vom 22.03.2006; VgK-05/2006) wird diesen Anforderungen nur ein hinsichtlich Planung, Vorbereitung, Entscheidungsphasen und Durchführung des Ausschreibungsverfahrens fortlaufend und chronologisch geführter Vergabevermerk gerecht. Hierzu gehören insbesondere auch Unterlagen, die die Prüfungs- und Willensbildungsprozesse der zuständigen Organe der Vergabestelle dokumentieren.

Im Falle der hier streitigen Ausschreibung muss eine solche Dokumentation insbesondere die zur Ausschöpfung des in § 9 Nr. 5 VOB/A erforderlichen Entscheidungen, also auch Begründungen für die beanstandete produktbezogene Ausschreibung, die Auswahl der einzelnen Produkte, die Nichtzulassung von Nebenangeboten und das angestrebte Zusammenwirken mit den anderen ausgeschriebenen Gewerken enthalten. Darüber hinaus ist auch die Wertung der einzelnen Angebote anhand der in der Bekanntmachung genannten Wertungskriterien unerlässlicher Bestandteil eines Vergabevermerks.

Im vorliegenden Fall besteht der "Vergabevermerk" jedoch lediglich aus der Verdingungsverhandlung, dem Preisspiegel, dem Vergabevorschlag des Architekturbüros und der Beschlussvorlage an den Kreisausschuss. Abgesehen von der für die Produktauswahl fehlenden Begründung ist auch in keiner Weise dokumentiert, ob und in welcher Weise und gegebenenfalls mit welchem Ergebnis die übrigen bekannt gemachten Zuschlagskriterien (Qualität/Referenz, technische Leistungsfähigkeit, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit) bei der Angebotswertung berücksichtigt wurden. Sowohl die dargestellte mangelhafte Dokumentation als auch die möglicherweise entgegen den genannten Kriterien erfolgte Wertung der Angebote bedeutet einen weiteren schwerwiegenden Verstoß gegen die auch die anderen Bieter schützenden Gebote der Transparenz (§ 97 Abs. 1 GWB) und Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) im Vergaberecht (VK Saarland, Beschl. vom 23.01.2006; 1 VK 06/2005).

III. Als Maßnahme zur Behebung der dargestellten Mängel – unzulässige fabrikatsbezogene Ausschreibung und fehlerhafte Dokumentation des Verfahrens – kommt im Nachprüfungsverfahren gem. § 114 Abs. 1 GWB lediglich die Verpflichtung der Vergabestelle zur Aufhebung der Ausschreibung in Betracht (vgl. VK Sachsen; Beschluss vom 07.02.2003; 1/SVK/007-03; VK Berlin, Beschluss vom 15.02.2006; B 1 – 63/05).

Die Vergabestelle ist gehalten, bei der erforderlich Neuausschreibung der Holzinnentüren die Verpflichtung zur produktneutralen Leistungsbeschreibung nach § 9 Nr. 5 VOB/ A und zur Dokumentation des Vergabeverfahrens und der Wertungsentscheidung zu beachten. Als zusätzliche Wertungskriterien können auch Gesichtspunkte der Gestaltung und, wie bereits erwähnt, der Wartung der einzelnen Bauteile als Zuschlagskriterien benannt werden. Dies muss jedoch im Einzelfall auch in der tatsächlichen und zu dokumentierenden Wertung den entsprechenden Niederschlag finden. In Hinblick auf die zurückgenommenen Anträge war das Verfahren einzustellen und lediglich über die Kosten zu entscheiden.

C.

Die Kostenentscheidung wird wie folgt begründet:

I. Gemäß § 128 Abs.1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammer Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben. Die Festsetzung der Gebühr bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens, §128 Abs. 2 Satz 1 GWB. Im vorliegenden Verfahren ist hinsichtlich der Streitwertberechnung zu berücksichtigen, dass zunächst drei Hauptanträge und ein Hilfsantrag gestellt worden waren. Für jeden dieser Anträge ist entsprechend dem Angebot der Antragstellerin von einem Streitwert von ##### € auszugehen. Hinsichtlich der unter Zif. 1 (Feststellung der Rechtsverletzung) und Zif. 3 (Verpflichtung zur Zuschlagserteilung an die Antragstellerin) sind die Streitwerte gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen. Dagegen löst der der unter Zif. 2 gestellte Antrag (Verbot der Zuschlagserteilung an die Beigeladene) keinen eigenen Streitwert aus, da dieses Verbot bereits Folge der Zustellung des Nachprüfungsantrages an den Antragsgegner ist (§ 115 Ab.1 GWB). Der Streitwert für die ursprünglichen Hauptanträge beträgt also insgesamt ##### €. Die zunächst hilfsweise beantragte Aufhebung der Ausschreibung ist entsprechend dem Angebotspreis ebenfalls mit ##### € zu bewerten, jedoch gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nicht gesondert zu berechnen. Unter Berücksichtigung der von der Vergabekammer des Bundes erarbeiteten Gebührentabelle ist für den Streitwert von ##### eine Gebühr von ##### € anzusetzen.

II. Hinsichtlich des auf die auf die Rücknahme der Anträge entfallenden Gebührenanteils ist die Antragstellerin kostenpflichtig, weil sie durch Stellung des Nachprüfungsantrages das Verfahren in Gang gesetzt hat, § 128 Abs.1 S. 2 GWB in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG. Dieser Anteil beträgt 2/3 (##### €/ ##### €) der Gebühr, also #####. Wegen der Rücknahme des Antrages ist diese Gebühr gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 GWB auf die Hälfte, also auf ##### € zu ermäßigen. Dagegen findet eine Erstattung von notwendigen Aufwendungen anderer Verfahrensbeteiligter (die im vorliegenden Verfahren auch nicht beantragt wurde) nicht statt, weil das Verfahren in Bezug auf die Anträge Zif. 1 bis 3 nicht durch eine Entscheidung der Vergabekammer über den Nachprüfungsantrag sondern durch die Rücknahme des Nachprüfungsantrages und die Einstellung des Verfahrens geendet hat (BGH, Beschluss vom 25.10.2005 – X ZB 22/05). Den auf den Antrag auf Aufhebung der Ausschreibung in Höhe von 1/3 entfallenden Gebührenanteil in Höhe von ; ##### € hat der Antragsgegner als unterlegne Partei zu zahlen, § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB.

III. Der Antragsgegner hat, entsprechend den genannten Anteilen zwischen den zurückgenommenen Anträgen und dem erfolgreichem Antrag, die außerhalb des Verfahrens entstandenen Kosten der Antragstellerin zu 1/3 zu tragen (§ 128 Abs. 4 GWB).

IV. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin war angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Falles notwendig, § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB in Verbindung mit § 80 HVwVfG).

Genaue Abgrenzung hinsichtlich des Bauleistungsanteils von Verträgen über Wartung und Instandsetzung

 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.10.2006 – Verg 35/06

1. Verträge über die Wartung und Instandsetzung sind hinsichtlich des Bauleistungsanteils genau abzugrenzen.

2. Allein die Tatsache, dass der Instandsetzungsanteil ca. 25 % beträgt, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die VOB/A Anwendung findet.

3. Wenn der Auftrag neben Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand Nebenarbeiten sind, findet die VOL/A Anwendung.

 

 

Entscheidung im Volltext:

Fundstellen: IBR 2007, 44; IBR 2007, 45
 

18.10.2006

Oberlandesgericht Düsseldorf

Beschluss

Verg 35/06

GWB § 99 Abs. 1, 4, 6 Satz 2, § 107 Abs. 3 Satz 1, 2; VgV § 2 Nr. 2, 4, 5; VOL/A § 1a Nr. 2 Abs. 1, § 7a Nr. 2 Abs. 3, § 17 Nr. 1 Abs. 2

1. Verträge über die Wartung und Instandsetzung sind hinsichtlich des Bauleistungsanteils genau abzugrenzen.
2. Allein die Tatsache, dass der Instandsetzungsanteil ca. 25% beträgt, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die VOB/A Anwendung findet.
3. Wenn der Auftrag neben Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand Nebenarbeiten sind, findet die VOL/A Anwendung.
4. Die falsche Vergabeart unterliegt überhaupt nur dann der Rügeobliegenheit, wenn sie aus der Vergabebekanntmachung erkannt werden konnte.
5. Die Kenntnis der falschen Vergabeart setzt erst mit Hinzuziehung juristischen Sachverstandes ein.
6. Die geforderten Eignungsnachweise sind in der Vergabebekanntmachung anzugeben.
7. Die Forderung eines bereits länger als zwei Jahre gültigen QM-Zertifikates ist unzulässig.
8. Der Ausschluss eines Angebots, trotz eines individuell gesetzten Vertrauenstatbestandes, ist nicht vergaberechtskonform.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.10.2006 – Verg 35/06

Gründe:

I. Als Unternehmen der B…, dem das Gebäudemanagement obliegt, schrieb die Antragsgegnerin im Februar 2006 die Wartung von gefahrenmelde-, informations- und sicherheitstechnischen Anlagen (Brandmeldeanlagen, elektroakustische Anlagen, Einbruchmeldeanlagen, Videoüberwachungsanlagen, Rauch-Wärme-Abzugsanlagen sowie Brand- und Rauschutztüren) in zum Geschäftsbereich der B… gehörenden Gebäuden im Wege einer nationalen Bekanntmachung öffentlich aus. Es sollten bei zehn Losen "Rahmenwartungsverträge" über Wartung und Instandhaltung geschlossen werden. Die Antragsgegnerin legte dem Vergabeverfahren die VOB/A zugrunde. Die Vergabebekanntmachung enthielt u.a. den Hinweis:

Angaben zu Maßnahmen der Qualitätssicherung müssen auf Anforderung erfolgen.

In den Verdingungsunterlagen forderte die Antragsgegnerin in Bezug auf eine Qualitätsmanagementsicherung mit dem Angebot die Vorlage eines

gültigen und seit mehr als zwei Kalenderjahren bestehenden QMS-Zertifikats nach DIN ISO 9001/DIN ISO 9002:1994 bzw. aktueller DIN EN ISO 9001:2000 einer anerkannten Zertifizierungsstelle.

Die Antragstellerin reichte mit ihrem Angebot Zertifikate über ein Qualitätsmanagement (QM-Zertifikate) ein, die – bezogen auf den Zeitpunkt der Vergabebekanntmachung und bei Ablauf der Frist für die Angebotsabgabe – noch nicht zwei Jahre gültig waren.

Die Submission ergab, dass wegen Unvollständigkeit sowie Fehlens geforderter Eignungsnachweise keines der 13 eingegangenen Angebote wertbar war. Aufgrund dessen hob die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren auf und führte – ohne erneute Vergabebekanntmachung – ein beschränktes Verfahren durch. Sie teilte dies den Bietern mit (Schreiben vom 4.4.2006) und forderte sie auf, bestimmte, individuell noch nicht beigebrachte Eignungsnachweise nachzureichen. Auch das an die Antragstellerin gerichtete Schreiben nannte verschiedene, noch beizubringende Eignungsnachweise. Die Vorlage eines (seit mehr als zwei Jahren gültigen) QM-Zertifikats war darin aber nicht aufgeführt.

Anschließend gab die Antragsgegnerin die Verdingungsunterlagen heraus, so u.a. auch an die Antragstellerin. Neben dem Angebot der Antragstellerin gingen elf weitere Angebote ein. Das Angebot der Antragstellerin ist bei allen zehn Losen das preisgünstigste. Nach zwei Bietergesprächen mit der Antragstellerin, deren Gegenstand die Preise und die Kalkulation waren, erteilte die Antragsgegnerin am 9.6.2006 der Beigeladenen zu 1 den Zuschlag auf die Lose 1, 4, 6 und 8, der Beigeladenen zu 2 den Zuschlag auf die Lose 2 und 7 sowie der Beigeladenen zu 3 den Zuschlag auf die Lose 3 und 5. Unterdessen ließ die Antragstellerin durch Anwaltsschreiben vom 23.5.2006 rügen, dass es sich bei den ausgeschriebenen Leistungen nicht um Bau-, sondern um Dienstleistungen handele, so dass – da in diesem Fall der maßgebende Schwellenwert überschritten sei – eine europaweite Bekanntmachung habe erfolgen müssen. Unter dem 12.6.2006 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin, ihr Angebot werde von der Wertung ausgeschlossen, da kein seit zwei Jahren gültiges QM-Zertifikat vorgelegt worden sei. Die Antragstellerin ließ dies mit Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 13.6.2006 beanstanden und stellte am 26.6.2006 einen Nachprüfungsantrag. Nach Zustellung des Nachprüfungsantrags erteilte die Antragsgegnerin unter dem 28.6.2006 der Beigeladenen zu 4 den Zuschlag auf die Lose 9 und 10.

Im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren stritten die Verfahrensbeteiligten über den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin sowie darüber, ob die ausgeschriebenen Leistungen als Bau- oder als Dienstleistungen einzuordnen sind, ob die Antragstellerin insoweit sowie mit Blick auf das gewählte Verfahren einer nationalen Ausschreibung einer Rügeobliegenheit unterlag und ob sie dieser rechtzeitig nachgekommen war. Mit ihrem Hauptantrag begehrte die Antragstellerin die Verpflichtung der Antragsgegnerin, das von ihr eingereichte Angebot zu werten. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene traten dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen und beantragten, den Nachprüfungsantrag zu verwerfen.

Die Vergabekammer verwarf den Nachprüfungsantrag. Nach ausführlicher Prüfung stimmte sie der Antragstellerin zwar darin zu, dass die ausgeschriebenen Leistungen als Dienstleistungen zu qualifizieren seien. Jedoch erkannte die Vergabekammer eine Verletzung der Rügeobliegenheit durch die Antragstellerin, da schon aufgrund der Vergabebekanntmachung im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung zu erkennen gewesen sei, dass die Antragsgegnerin die Rechtsnatur der Verträge fehlerhaft eingeordnet habe. Daraus leitete die Vergabekammer ab, die Antragstellerin sei nicht nur mit der Beanstandung einer unrichtigen rechtlichen Einordnung des Vertrages und der Wahl eines fehlerhaften Verfahrens, sondern zugleich mit allen weiteren Beanstandungen, die mit der Wahl der Verfahrensart bestimmungsgemäß zusammenhingen, ausgeschlossen. Die Vergabekammer folgte darin der Entscheidung des KG vom 17.10.2002 (2 Kart Verg 13/02, NZBau 2003, 338, 339 = VergabeR 2003, 50, 51) und nahm an, die Antragstellerin sei deswegen so zu behandeln, als erreiche der ausgeschriebene Auftrag nicht den für die Anwendung des Vergaberechtsregimes maßgebenden Schwellenwert. Der gerügte Vergaberechtsverstoß könne deswegen mit einem Nachprüfungsantrag nicht zulässig angegriffen werden.

Die Antragstellerin hat gegen die Entscheidung der Vergabekammer sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses nach ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen, mithin insbesondere die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Angebot zu werten.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragsgegnerin hat den Auftrag rechtsfehlerhaft als Bauauftrag verstanden und infolgedessen, und zwar wegen des dann höheren Schwellenwerts, von einer europaweiten Ausschreibung abgesehen. Aufgrund der objektiv gegebenen Sachlage ist das Nachprüfungsverfahren eröffnet, da Gegenstand der Beschaffung Dienstleistungen sind. Die Nachprüfung des Verfahrens ergibt, dass die Antragstellerin oder deren Angebot vergabefehlerhaft von der Wertung ausgeschlossen worden ist.

1. a) Das Nachprüfungsverfahren ist statthaft, da der in Rede stehende öffentliche Auftrag dem Vergaberechtsregime des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterliegt. Dies ist – kurz zusammengefasst – immer dann anzunehmen, wenn von einem öffentlichen Auftraggeber ein öffentlicher Auftrag vergeben werden soll, der den maßgebenden Schwellenwert erreicht oder übersteigt, und keiner der in § 100 Abs. 2 GWB oder sonst normierten Ausnahmetatbestände gegeben ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Maßgebend ist insoweit die objektive Sachlage.

(1.) Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB, da die B…, eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 367 S. 1 SGB III), die Aufsicht über ihre Leitung ausübt.

(2.) Bei den ausgeschriebenen Aufträgen handelt es sich um öffentliche Dienstleistungsaufträge nach § 99 Abs. 1 und 4 GWB, die den maßgebenden Schwellenwert von 130.000 Euro (§ 2 Nr. 2 VgV) um ein Mehrfaches übersteigen. Die Aufträge aus den Losen und die Auftragswerte der Einzelaufträge sind zusammenzurechnen (§ 2 Nr. 5, Nr. 4 VgV). Die Vergabekammer hat die Rechtsnatur der Aufträge im Ergebnis und in der Begründung mit Recht als Dienstleistung und nicht als Bauleistung beurteilt. Insoweit kann auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden (S. 14 bis 20). Zur Vermeidung von Wiederholungen sollen nur die auch dem Senat wesentlich erscheinenden Überlegungen nochmals angegeben werden. Die Begriffsbestimmung bei Bau- und Dienstleistungen ist autonom vorzunehmen. Sie entspricht nicht der im deutschen Recht geltenden Unterscheidung zwischen Werk- und Dienstleistungen, sondern beruht auf dem Begriffsverständnis der EG-Vergaberichtlinie 2004/18/EG und der Vorläuferrichtlinien. Die Abgrenzung richtet sich nach § 99 Abs. 6 S. 2 GWB. Danach gilt ein öffentlicher Auftrag, der neben Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand Nebenarbeiten sind, als Dienstleistungsauftrag. Die Abgrenzung ist einer generalisierenden Bewertung, insbesondere einer solchen anhand bestimmter Anteile von Bau- und Dienstleistungen am Auftragswert entzogen. Die Wertanteile erfüllen insoweit lediglich eine Orientierungs- und Kontrollfunktion. Entscheidend kommt es darauf an, aufgrund einer Analyse der kennzeichnenden und in den Verdingungsunterlagen dokumentierten rechtlichen sowie wirtschaftlichen Gesamtumstände den Schwerpunkt des Auftrags zu ermitteln (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.3.2003 – Verg 49/02, BA 14 ff. m.w.N.). Im Streitfall nehmen nach eigener Schätzung der Antragsgegnerin die – neben reinen Wartungsarbeiten – überhaupt nur als Bauleistungen in Frage kommenden Instandsetzungsarbeiten einen Anteil von etwa 25 % am Gesamtauftragswert ein. Der Wertanteil ist zutreffend in ein Verhältnis zum Gesamtauftragswert zu setzen. Er deutet auf erste Sicht nicht darauf hin, dass Bauleistungen mehr als bloße Nebenleistungen sind. Dies fügt sich darin ein, dass die der Wartung unterliegenden Anlagen bereits vorhanden sind. Gemäß Nr. 2.1.4 des Entwurfs eines Wartungsvertrages soll der Auftragnehmer u.a. Instandsetzungsarbeiten im Zusammenhang mit der Wartung vorzunehmen haben. Der Aufwand soll auf eine Arbeitsstunde und 50 Euro für Material begrenzt sein (Nr. 2.2.3 des Vertragsentwurfs). Nach Art und Umfang scheiden diese Arbeiten für Bauleistungen aus. Daneben sollen nach Nr. 2.1.5 des Vertragsentwurfs Instandsetzungsarbeiten auf Anforderung des Auftraggebers geleistet werden. Solche bei Bedarf und auf besonderen Auftrag auszuführende Instandsetzungsarbeiten können zwar Bauleistungen sein, sofern sie wesentliche Bedeutung für den Bestand baulicher Anlagen haben oder mit deren teilweiser Erneuerung verbunden sind. Jedoch wird daran deutlich, dass Instandsetzungsarbeiten, die als Bauleistungen qualifiziert zu werden verdienen, einen mindestens tendenziell deutlich geringeren Anteil am Gesamtauftragswert haben, als dem geschätzten Anteil der gesamten Instandsetzungsarbeiten daran entspricht. In erster Linie soll der Auftragnehmer durch regelmäßige Wartung, Überprüfung und gegebenenfalls Instandsetzungen geringeren Umfangs einen störungsfreien Betrieb der Anlagen sicherstellen. Daraus folgt die rechtliche Einordnung als Dienstleistungsauftrag. Es handelt sich um Leistungen bei Instandhaltung und Reparatur, die gemäß dem Anhang I A, Kategorie 1, der VOL/A, Abschnitt 2, genauso wie nach Anhang II der Richtlinie 2004/18/EG als Dienstleistungen zu qualifizieren sind. Solche Dienstleistungen sind nach § 1 a Nr. 2 Abs. 1 VOL/A nach den Bestimmungen des zweiten Abschnitts zu vergeben.

(3.) Das Nachprüfungsverfahren ist nicht wegen wirksamer Zuschlagserteilung ausgeschlossen. Der den Beigeladenen zu 1, 2 und 3 jeweils am 9.6.2006 erteilte Zuschlag ist gemäß § 13 S. 6 VgV nichtig, da er erfolgte, bevor die Antragstellerin unter dem 12.6.2006 darüber informiert worden war, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden soll. Der Zuschlag an die Beigeladene zu 4 erging, nachdem der Nachprüfungsantrag am 26.6.2006 zugestellt worden war. Mithin verstieß der am 28.6.2006 erteilte Zuschlag gegen das gesetzliche Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 2 GWB. Er ist gemäß § 134 BGB nichtig.

b) Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt und hat der Rügeobliegenheit genügt.

(1.) Die Antragsbefugnis der Antragstellerin (§ 107 Abs. 2 GWB) ergibt sich aus dem im Angebot dokumentierten Interesse am Auftrag. Außerdem behauptet die Antragstellerin, durch den Ausschluss ihres Angebots von der Wertung in Bieterrechten verletzt zu sein, da die Antragsgegnerin für einen Ausschluss das Fehlen eines länger als zwei Jahre gültigen QM-Zertifikats nicht habe heranziehen dürfen. Infolgedessen droht der Antragstellerin ein Schaden. Ihr Angebot hat wegen des Preisvorsprungs vor Angeboten der Wettbewerber Chancen auf den Zuschlag. Dagegen ist infolge der rechtlich unzutreffenden Einordnung des Auftrags durch die Antragsgegnerin sowie der darauf beruhenden nationalen Bekanntmachung und Anwendung lediglich innerstaatlicher Vorschriften über das Vergabeverfahren im Streitfall ausnahmsweise eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften zu verneinen. Die Antragstellerin hat trotz der genannten Mängel Kenntnis von der Ausschreibung erhalten und hat sich daran durch Einreichen eines Angebots beteiligt. Von Rechtsverstößen beim Ausschluss des Angebots des Antragstellerin sowie bei der Zuschlagserteilung abgesehen ist es im Vergabeverfahren – soweit aufgrund des Sach- und Streitstandes zu erkennen ist – zu keinen Unregelmäßigkeiten gekommen. Die Antragsgegnerin hat ein förmliches Verfahren nach Maßgabe des ersten Abschnitts der VOB/A abgehalten. So betrachtet hat die Antragstellerin wegen der genannten Mängel eine Rechtsverletzung und Beeinträchtigung ihrer Zuschlagschancen folgerichtig selbst ausgeschlossen.

(2.) Die Antragstellerin hat der Rügeobliegenheit entsprochen (§ 107 Abs. 3 S. 1 GWB). Sie hat den von der Antragsgegnerin unter dem 12.6.2006 bekanntgegebenen Ausschluss ihres Angebots unverzüglich am 13.6.2006 beanstanden lassen. Die Antragstellerin hat durch Anwaltsschreiben vom 23.5.2006 auch die rechtlich fehlerhafte Einordnung des Auftrags als Bauauftrag und das Unterbleiben einer europaweiten Vergabebekanntmachung gerügt. Ihr kann weder vorgeworfen werden, jene Rüge nicht innerhalb der dafür vorgesehenen Frist ausgesprochen zu haben (§ 107 Abs. 3 S. 2 GWB), noch sind ihr wegen einer Verletzung der Rügeobliegenheit alle mit dieser Beanstandung zusammenhängenden Rügen abgeschnitten.

aa) Die Antragstellerin unterlag wegen der unzutreffenden rechtlichen Behandlung des Auftrags und der deswegen unterbliebenen europaweiten Bekanntmachung keiner Rügeobliegenheit. Zu rügen sind nach § 107 Abs. 3 GWB nur solche Verstöße gegen Vergabevorschriften, aus denen der Antragsteller im Sinne der Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB eine Verletzung seiner Bieterrechte und eine Beeinträchtigung seiner Zuschlagschancen herleitet. Da in Bezug auf die dargestellten Rechtsverstöße eine Verletzung von Bieterrechten der Antragstellerin ausscheidet, und auch ihre Aussicht auf den Zuschlag nicht beeinträchtigt worden ist, musste die Antragstellerin diese nicht rügen.

bb) Wer dies anders sieht, kann der Antragstellerin nicht entgegenhalten, die Obliegenheit zur Rüge verletzt zu haben. In diesem Zusammenhang kann eine Präklusion nur auf die Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 S. 2 GWB gestützt werden, wonach der Antragsteller die aufgrund der Bekanntmachung erkennbaren Verstöße gegen Vergabevorschriften spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber zu beanstanden hat. In diesem Zusammenhang hat die Vergabekammer mit Recht auf den Inhalt der Bekanntmachung vom Februar 2006 abgestellt. Diese bildet mit dem Verfahren der beschränkten Ausschreibung, richtigerweise mit dem nichtoffenen Verfahren, dem keine erneute Vergabebekanntmachung vorangegangen ist, deren Wertungsergebnis von der Antragstellerin aber beanstandet wird, eine funktionale Einheit. Erst aus den Vergabeunterlagen erkennbare Rechtsverstöße lösen die Rügeobliegenheit hingegen nicht aus. § 107 Abs. 3 S. 2 GWB ist – seinem klaren Wortlaut entsprechend – nicht erweiternd auszulegen.

Eine fehlerhafte Bestimmung der Rechtsnatur des Auftrags und die Folgen waren für die Antragstellerin jedoch nicht feststellbar zu erkennen. Die Vergabekammer hat die Erkennbarkeit nach einem objektiven Maßstab, d.h. anhand einer von einem durchschnittlichen, verständigen Bewerber oder Bieter zu erwartenden üblichen Sorgfalt, beurteilt. Dem ist – auch wenn Solches in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zuweilen vertreten worden ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.7.2000, NZBau 2001, 462; BayObLG, Beschl. v. 23.11.2000 – Verg 12/00) – nicht zuzustimmen. Den Maßstab für die Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes bilden die individuellen Verhältnisse des Antragstellers (vgl. KG, Beschl. v. 11.7.2000, BauR 2000, 1620; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.11.2000 – Verg 18/00; Wiese in Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, § 107 GWB Rn. 85). Der innere Grund dafür ist in dem Umstand zu sehen, dass die Rügeobliegenheit materiell wie prozessual eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) darstellt, der in der durch die Anforderung der Bewerbungs- oder Vergabeunterlagen begründeten schuldrechtlichen Sonderverbindung zum Auftraggeber wurzelt. Der Grundsatz von Treu und Glauben konstituiert Obliegenheiten (und Nebenpflichten) indes nicht ohne Rücksicht darauf, ob eine Erfüllung zumutbar ist. Zumutbarkeit ist stets individuell nach den Verhältnissen des in der Obliegenheit stehenden Beteiligten zu beurteilen. Nur zumutbaren Obliegenheiten ist nachzukommen. Ist das Bestehen einer Obliegenheit nicht individuell erkennbar, ist eine Erfüllung nicht zumutbar und muss auch nicht erfüllt werden. In der Sache führt der abweichende Ansatz der Vergabekammer freilich zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Wer die Erkennbarkeit anhand eines objektivierten Maßstabs prüft, wird tendenziell sogar eher dazu gelangen, diese zu verneinen.

Im vorliegenden Fall waren der Fehler bei der rechtlichen Einordnung des Auftrags und die Folgen für das Vergabeverfahren aufgrund der Bekanntmachung weder bei Anwendung eines objektiven noch eines subjektiven Sorgfaltsmaßstabs zu erkennen. Die Bekanntmachung vom Februar 2006 gab darüber keinen zureichenden Aufschluss. Sie erlaubte nicht zu prüfen und zu beurteilen, ob der ausgeschriebene Auftrag ein Bau- oder Dienstleistungsauftrag war. Eine derartige Prüfung war sowohl einem durchschnittlich versierten, verständigen Bieter als auch der Antragstellerin, gemessen an ihren individuellen Erkenntnismöglichkeiten, unmöglich. Die Vergabebekanntmachung enthielt keine dafür ausreichenden Beurteilungsgrundlagen. Die für eine Abgrenzung erforderlichen Tatsachenangaben gingen erst aus den Verdingungsunterlagen in Verbindung mit dem Entwurf eines Wartungsvertrages hervor. Und auch dann war aber weder von einem durchschnittlich erfahrenen Bieter noch von der Antragstellerin, gemessen an den behaupteten individuellen Unternehmensverhältnissen, zu erwarten, dass die Fehlerhaftigkeit der Bestimmung der Auftragsnatur und des beschrittenen Vergabeverfahrens erkannt werden konnte. Der bloße Hinweis der Beigeladenen darauf, bei der Antragstellerin handele es sich um ein bei Ausschreibungen langjährig erfahrenes Unternehmen, belegt nicht das Gegenteil. Die Rechtsverstöße waren nur unter Aufwendung juristischen Sachverstands erkennbar, ohne dass die Antragstellerin vergaberechtlich gehalten war, solchen Sachverstand durch Zuziehung eines Rechtsanwalts zur Aufklärung über die Erkenntnismöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Ihre Annahme, der Rechtsverstoß sei erkennbar gewesen, hat auch die Vergabekammer lediglich mit Mutmaßungen und Unterstellungen sowie anhand von Kenntnissen begründet, die erst aus den Vergabeunterlagen erworben werden konnten (BA 23 f.).

Die Annahme, dass in einem derartigen Fall vom Bieter zu erkennen und gemäß § 107 Abs. 3 S. 2 GWB auch zu rügen sei, dass die Vergabebekanntmachung entgegen § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. c VOL/A keine zureichenden Angaben über Art und Umfang der Leistung enthalte (so OLG Bremen, Beschl. v. 18.5.2006 – Verg 3/05, VergabeR 2006, 502, 505), ist für praxisfremd zu halten, ohne dass die Ansicht des Senats eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gebietet (§ 124 Abs. 2 GWB). Bei umfangreichen und – wie im Streitfall – vielgestaltigen Aufträgen muss der Auftraggeber nicht sämtliche Leistungsmerkmale, welche erlauben, die Bestimmung der Rechtsnatur des Auftrags nachzuvollziehen, in die Vergabebekanntmachung aufnehmen. Im vorliegenden Fall hätte dies bedeutet, dass großenteils der Inhalt der Vergabeunterlagen und des Entwurfs eines Wartungsvertrags in der Bekanntmachung anzugeben gewesen wäre. Derart umfangreiche Angaben sind bei dem Zweck, den die Vergabebekanntmachung erfüllen soll, nämlich die am Auftrag interessierten Unternehmen über die Umstände zu unterrichten, die für ihre Entschließung, sich am Wettbewerb zu beteiligen, wichtig sein können, nicht geboten. Der Senat ist der Meinung, dass die genannten Einzelheiten im vorliegenden Einzelfall in die Bekanntmachung nicht aufzunehmen waren und die Rüge einer Unvollständigkeit der Vergabebekanntmachung unbegründet war.

Ungeachtet dessen pflichtet der Senat ebensowenig der auf die Entscheidung des KG vom 17.10.2002 – 2 Kart Verg 13/02, NZBau 2003, 338, 339 = VergabeR 2003, 50, 51) gestützten und neuerdings im Vorabentscheidungsersuchen des OLG Bremen (Beschl. v. 18.5.2006 – Verg 3/05, VergabeR 2006, 502, 505) an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wiederholten Rechtsauffassung der Vergabekammer bei, wonach bei Nichtbeachtung der Rügeobliegenheit im Fall einer erkennbar unzutreffenden Wahl des Vergabeverfahrens der Antragsteller nicht nur hinsichtlich dieses Vergabefehlers, sondern mit allen weiteren Beanstandungen präkludiert sei, die mit der Verfahrenswahl bestimmungsgemäß zusammenhängen, dieses mit der Folge, dass ihm das Vergabenachprüfungsverfahren nicht eröffnet sei. Eine derartige Interpretation widerspricht dem Wortlaut und Sinn von § 107 Abs. 3 GWB. Nach dieser Norm ist nur eine Beanstandung solcher konkreten Vergaberechtsverstöße in einem Vergabenachprüfungsverfahren ausgeschlossen, die entgegen einer gesetzlich begründeten Obliegenheit vom Antragsteller nicht unverzüglich oder fristgemäß gerügt worden sind. Diese Auffassung des Senats ist für die Entscheidung freilich nicht tragend, da in Bezug auf den hier behandelten Vergaberechtsverstoß schon das Bestehen einer Rügeobliegenheit zu verneinen ist.

2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

a) Die Forderung eines Nachweises in der Form eines länger als zwei Jahre gültigen QM-Zertifikats betraf die Eignung der Bewerber. Sie war, was mit den Verfahrensbeteiligten im Senatstermin erörtert worden ist, vergaberechtlich unzulässig. Gemäß § 7 a Nr. 2 Abs. 3 VOL/A hat der Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung anzugeben, welche Nachweise zur Darlegung der Eignung von den Bewerbern vorzulegen sind. Nach § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. m, Nr. 3 Abs. 1 lit. l VOL/A hat er danach nur noch die Wahl festzulegen, ob die Nachweise mit dem Angebot oder (erst) auf Anforderung einzureichen sind (vgl. auch die insoweit übereinstimmende Rechtlage nach § 17 Nr. 1 Abs. 1 lit. s, § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A). Der Auftraggeber ist an solche Festlegungen gebunden. Er darf bei den Eignungsanforderungen in den Verdingungsunterlagen keine Nachforderungen stellen, sondern die aufgrund der Vergabebekanntmachung verlangten Eignungsnachweise nur konkretisieren. Darüber ging der Inhalt der Verdingungsunterlagen im Streitfall hinaus. Die Vorlage eines QM-Zertifikats, noch dazu mit einer bestimmten Gültigkeitsdauer, wurde darin von der Antragsgegnerin erstmals gefordert. Die Forderung ist vergaberechtlich zu beanstanden und infolgedessen nicht wirksam, denn sie stellt keine bloße Konkretisierung dar. Insofern ist schon der in der Vergabebekanntmachung enthaltene Hinweise, auf Anforderung seien Angaben zu Maßnahmen der Qualitätssicherung zu machen, unbestimmt und gar nicht konkretisierungsfähig. Da die Antragstellerin einen in ihrem Unternehmen gewahrten Qualitätssicherungsstandard durch Vorlage eines Zertifikats nicht zu belegen hatte, schadet ihr auch nicht, Zertifikate beigebracht zu haben, die den gestellten Anforderungen nicht entsprachen.

b) Ungeachtet des Rechtssatzes, wonach der Auftraggeber wegen zwingender Ausschlussgründe ein Angebot oder einen Bewerber jederzeit, und zwar auch dann, sofern – wie hier – die Angebotswertung im Übrigen darüber bereits hinweggegangen ist, aus der Wertung zu nehmen hat, durfte die Antragsgegnerin die Antragstellerin wegen eines ungenügenden QM-Zertifikats vom Vergabeverfahren ferner nicht ausschließen, weil sie hiermit gegen einen individuell gesetzten Vertrauenstatbestand verstieß. Nach Aufhebung des offenen Verfahrens leitete die Antragsgegnerin das nichtoffene Verfahren mit einem Anschreiben vom 4.4.2006 an die bisherigen Bieter und nun als Bewerber anzusehenden Unternehmen ein, in dessen Anlage unter der Überschrift "noch beizubringende Eignungsnachweise" die Nachreichung bestimmter Eignungsnachweise gefordert wurde. In dem an die Antragstellerin gerichteten Schreiben wurde die Beibringung eines QM-Zertifikats nicht verlangt. Dadurch hat die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin Vertrauen darauf erzeugt, dass – sofern die jetzt noch angeforderten Unterlagen nachgereicht würden – die verlangten Eignungsnachweise vollständig vorlägen. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 4.4.2006 nebst der Anlage war von den Bewerbern, wie von der Antragstellerin, gerade auch vor dem Hintergrund zu lesen und zu verstehen, dass unvollständige Eignungsnachweise und Angebote das vorgeschaltete offene Verfahren hatten scheitern lassen, und von der Antragsgegnerin ersichtlich nunmehr der Versuch unternommen werden sollte, dergleichen Aufhebungsgründe im nichtoffenen Verfahren zu vermeiden. Dass die Bewerber das Schreiben vom 4.4.2006 und die Anlage so verstünden, war für die Antragsgegnerin erkennbar. Die Antragstellerin hat sich dem ihr erteilten Hinweis entsprechend verhalten und hat nur noch die nachgeforderten Unterlagen eingereicht. Dabei durfte sie annehmen, dass die zum Nachweis eines Qualitätssicherungsstandards von ihr vorgelegten Zertifikate von der Antragsgegnerin als ausreichend angesehen wurden, obwohl diese objektiv die geforderte mehr als zweijährige Gültigkeitsdauer nicht aufwiesen. Denn die Antragsgegnerin konnte von dieser ohnedies vergaberechtswidrigen Forderung abgerückt sein und den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum dahin ausgeübt haben, dass die Qualität der Leistung im Unternehmen der Antragstellerin gesichert war. Bei dieser Sachlage war der Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren überraschend. Die Ausschlussentscheidung beruht auf einer vergaberechtlich zu beanstandenden Verletzung in Anspruch genommenen Vertrauens. Infolgedessen hat das Ergebnis der bisherigen Angebotswertung keinen Bestand. Die Wertung ist von der Antragsgegnerin zu wiederholen, wobei die Antragstellerin oder deren Angebot wegen der unterbliebenen Vorlage eines gültigen und seit mehr als zwei Jahren bestehenden QM-Zertifikats nicht ausgeschlossen werden darf. Die darin liegende geringfügige Abschwächung des Hauptantrags der Antragstellerin begründet kein Teilunterliegen. Der Antrag ist im vorgenannten Sinn zu verstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 S. 1 und 2 sowie Abs. 4 S. 1 und 2 GWB sowie auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 159 VwGO und 91, 100 Abs. 1 ZPO. Da die Beigeladene zu 1 sich mit eigenen Anträgen und mit Sachvortrag sowohl am Verfahren der Vergabekammer als auch am Beschwerdeverfahren beteiligt hat, ist es gerechtfertigt, sie als Unterliegende mit zu den Verfahrenskosten und den Aufwendungen und außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin heranzuziehen, dies kraft gesetzlicher Anordnung in § 128 Abs. 3 S. 2 GWB freilich nur bei den Kosten der Vergabekammer als Gesamtschuldner neben der Antragsgegnerin und im Übrigen nach Kopfteilen (vgl. OLG Düsseldorf NZBau 2000, 440, 444).

Die Streitwertfestsetzung gründet sich auf § 50 Abs. 2 GKG.

 

Eine Person des privaten Rechts kann mittelbare Stellvertreterin der öffentlichen Hand sein

Entscheidung im Volltext

BUNDESKARTELLAMT

2.Vergabekammer des Bundes

VK 2-114/05

Beschluss

 

GWB § 98
Eine Person des privaten Rechts, die einen Beschaffungsvorgang ausschreibt, kann mittelbare Stellvertreterin der öffentlichen Hand sein, wenn der Zweck der Beschaffung im öffentlichen Interesse liegt und die Person für Rechnung des Staates handelt. Die Beschaffung ist dem Staat als öffentlichem Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB zuzurechnen. Die Normen des vierten Teils des GWB sind einzuhalten.
VK Bund, Beschluss vom 08.06.2006 – VK 2-114/05

In dem Nachprüfungsverfahren

….

wegen der Vergabe "Lieferung je eines Tiefsee- und Mittelwasser-Fächerecholots für das Forschungsschiff METEOR" hat die 2. Vergabekammer des Bundes durch den Vorsitzenden Direktor beim Bundeskartellamt Burchardi, die hauptamtliche Beisitzerin Regierungsdirektorin Brauer und den ehrenamtlichen Beisitzer Stockhorst auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2006 am 8. Juni 2006 beschlossen:

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in dem Vergabeverfahren "Lieferung je eines Tiefsee- und Mittelwasser-Fächerecholots für das Forschungsschiff METEOR" in ihren Rechten verletzt wurde.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsstellerin.

3. Die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes durch die Antragsstellerin war notwendig.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin (Ag) schrieb im Rahmen eines nichtoffenen Verfahrens Ende 2004 europaweit die Lieferung je eines Tiefsee- und Mittelwasser-Fächerecholots für das Forschungsschiff METEOR aus. Die Ag erteilt nach den "Zusätzlichen Vertragsbedingungen" (Anlage 1 zum Vertrag Fächerecholot FS METEOR) Ziffer 3.2 den Auftrag "im Namen und für Rechnung der R GmbH". Im Ausschreibungstext wurde als zuständige Nachprüfungseinrichtung die Vergabekammer Bremen benannt.

Die Ag ist eine 100 % ige Tochter der L GmbH & Co. KG, …. Deren Gesellschaftsanteile werden von Privatpersonen gehalten. Die Ag ist im Reedereigeschäft sowohl als Charterbetrieb (mit den eigenen Schiffen "…" und "…") als auch als Dienstleister für fremde Schiffsinhaber (z.B. Forschungsschiffe "…" und "METEOR") tätig.

Das Forschungsschiff METEOR steht im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Die Mittel für die Anschaffung des Echolots werden nach Angaben der Ag durch diese bereitgestellt. Die Leitung des Schiffsbetriebs obliegt der Leitstelle FS METEOR im Institut für Meereskunde der Universität H. Nach § 4 Nr. 1 des zugrundeliegenden Bereederungsvertrages (aus dem Jahr 1986) mit der Universität H obliegen dem Vertragsreeder neben der Durchführung des Schiffsbetriebs die Gewährleistung der Ausrüstung und alle nautischen und technischen Aufgaben, die für die Betriebsbereitschaft des Schiffes im weltweiten Einsatz nötig sind, einschließlich der nautischen und technischen Inspektion und der damit verbundenen organisatorischen und administrativen Aufgaben, insbesondere (lit c) die Planung, Veranlassung und Kontrolle von Reparaturen, Instandhaltung und Ausrüstung des Schiffes zum Zweck der ständigen Bereitschaft und Seefähigkeit. Ferner umfasst dieser Auftrag nach § 4 Nr. 1 die Unterstützung des Forschungsbetriebes auf dem Schiff gem. § 7 Ziffer 1. Danach zählen zu den Aufgaben der Besatzung u.a. die Gerätebetreuung und Durchführung von kleineren Reparaturen der Geräte der wissenschaftlichen Arbeitsgruppen, der Einsatz von Mess- und anderen Geräten und die Hilfestellung bei For- schungsarbeiten an Bord. Nach § 4 Ziffer 5.2 der Vertrages hat der Reeder in Abstimmung mit dem Auftraggeber die für den Betrieb und die Bewirtschaftung des Schiffes von der Bauwerft gelieferte Erstausrüstung dem aktuellen Bedarf anzupassen, auf ausreichendem Stand zu halten und zu ergänzen. Nach § 4 Ziffer 5.3 hat der Reeder das Schiff zu proviantieren und gem. § 4 Ziffer 5.4 das Schiff mit Betriebs- und Hilfsstoffen zu versorgen. In Anlage 4.3 des Bereederungsvertrages ("Schiffsinspektion") ist weiter ausgeführt, dass im Rahmen der zur Verfügung gestellten Geldmittel die Ag alle Maßnahmen zur Instandhaltung und Versorgung der METEOR und ihrer technischen Einrichtungen zu veranlassen und kontrollieren hat, um die Seetüchtigkeit, einen sicheren Schiffsbetrieb und die Verfügbarkeit des Schiffes sicherzustellen. Dazu gehören u.a.:

– die Planung und Kontrolle des Umfanges der Schiffsausrüstung,

– die Ausrüstung des Schiffes mit Ersatzteilen, Gebrauchs- und Verbrauchsgütern sowie Proviant und Kantinenwaren und

– die Beratung und Durchführung von baulichen Änderungen, Einbauten und Installation von Geräten für wissenschaftliche Zwecke.

Nach § 4 Nr. 2 des Bereederungsvertrages handelt der Vertragsreeder im Auftrag des Auftraggebers. Er schließt sämtliche Verträge im Rahmen der Bereederung im eigenen Namen. Die Vergabe von Leistungen an Dritte (Fremdleistungen), die 50.000 DM übersteigen, sind nach Anlagen 1 und 3 zustimmungspflichtig und nach VOL auszuschreiben. Zum Ende des Jahres 2005 wurde der Reedereivertrag mit der Ag aufgelöst.

In den Ausschreibungsunterlagen ("Leitfaden") waren als Zuschlagskriterien wissenschaftliche Kriterien (50 %) und der Preis, inkl. Einbauberatung und -begleitung, Inbetriebnahme, Schulungen und Abnahme (50 %) genannt. Die wissenschaftlichen Kriterien waren in "Muss"- und "Kann"-Kriterien gegliedert. Ein nicht vorhandenes Muss-Kriterium führte zum Ausschluss. Kann-Kriterien waren in einer Punkteskala von 1 bis 10 zu bewerten Der Bieter mit der höchsten Gesamtpunktzahl (wissenschaftliche Kriterien und Preis) sollte den Zuschlag erhalten. Beigefügt war als Anlage 3 die Wertungsmatrix für beide Fächerecholote. Einige Kriterien waren als reine "Muss"-Kriterien (ja/nein) definiert. Andere Kriterien waren "Muss"-Kriterien, wurden aber einer weiteren Bewertung im Punktesystem (1 – 10 Punkte) unterworfen. Daneben gab es Kriterien, die einer Bewertung von 1 – 10 Punkten unterzogen wurden, ohne dass sie "Muss"-Kriterien waren.

Neben der Antragstellerin (ASt) bewarben sich drei weitere Unternehmen um die Teilnahme und gaben innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot ab.

Nach der Durchführung der Wertung lag die ASt auf dem dritten Rang. Mit Schreiben vom 27. Mai 2005 informierte die Ag die ASt, dass sie beabsichtige, der K GmbH den Zuschlag zu erteilen, da sie aufgrund der Wertungskriterien die höchste Punktzahl erhalten habe. Die ASt teilte der Ag am 30. Mai 2005 telefonisch mit, dass die Entscheidung für sie nicht nachvollziehbar sei. Mit Fax vom 6. Juni erbat sie, ihr die Bewertungen zukommen zu lassen. Dies erfolgte am 7. Juni 2005. Am 10. Juni 2005 fand ein Gespräch bei der Ag mit Vertretern der ASt statt, in dem Kritik am Vergabeverfahren geübt wurde. Die ASt erklärte, dass sie die Anrufung der Vergabekammer erwäge. Mit Fax vom 10. Juni 2005 stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Bremen, der mit Schriftsatz vom 14. Juni 2005 begründet wurde. Am 14. Juni 2005 erteilte die Ag der K GmbH mit Fax-Schreiben, das um 17.16 Uhr gesendet wurde, den Zuschlag. Die Vergabekammer Bremen stellte den Nachprüfungsantrag mit Begründung erst am 15. Juni 2006 um 11.00 Uhr zu.

Zur Begründung trägt die ASt vor, dass das Vergabeverfahren Anlass zu mehreren sachlichen Rügen gebe. Sie führt diese schriftsätzlich näher aus.

Zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags trägt sie im Einzelnen vor, dass die von ihr vorgebrachte Rüge den gesetzlichen Anforderungen genüge. De facto habe die ASt erst nach Zusendung der Bewertung am 7. Juni 2005 den hier angegriffenen Vergabefehler rügen können. Es habe dann mehrere Gespräche gegeben. In der Besprechung am 10. Juni 2005 habe die ASt den zuständigen Prokurist der Ag, …, spezifisch auf den Wertungsfehler hingewiesen und der Ag somit die Möglichkeit gegeben, eine fehlerfreie Angebotswertung nachzuholen. Eine mündliche Rüge genüge den gesetzlichen Anforderungen nach § 107 GWB. Eine Rüge sei aber jedenfalls entbehrlich gewesen, weil sie wegen des drohenden Ablaufs der Frist nach § 13 VgV zu einer Rechtsschutzverkürzung geführt hätte. Im Übrigen habe die Ag in der Besprechung am 10. Juni 2005 eindeutig erklärt, keine erneute und fehlerfreie Angebotswertung vornehmen zu wollen. Jedenfalls habe die ASt aber die Rüge mit dem Schriftsatz vom 14. Juni 2005 nachgeholt.

Nach Auffassung der ASt ist die Ag öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 GWB. Die Ag gehöre zwar einem Privatunternehmen, der L, B. Sie erfülle indes im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art. Tätigkeitsbereich der Ag sei ausschließlich der Betrieb von Forschungseinrichtungen im öffentlichen Interesse und unter Finanzierung der öffentlichen Hand. Hierzu gehörten neben der FS Meteor auch das … sowie die …. Der Annahme einer nichtgewerblichen Tätigkeit stehe nicht entgegen, dass der Auftraggeber in erheblichem oder sogar überwiegendem Maße gewerbliche Zwecke verfolge und insgesamt mit Gewinnerzielungsabsicht arbeite. Die Ag werde überwiegend durch öffentliche Auftraggeber finanziert. Sowohl der streitige Auftrag selbst als auch der Betrieb der FS Meteor werde von der öffentlichen Hand finanziert und diene der universitären und damit der öffentlichen Forschung. Geldgeber seien das Bundesministerium … und die G e.V. (…). Den Mittelzuweisungen von BM und G stehe überwiegend keine Gegenleistung durch die Ag gegenüber. Nur ein geringer Teil der Zuweisungen an die Ag sei nämlich Entgelt für den Betrieb der o.g. Forschungseinrichtungen, also die Bereederung. Überwiegend gehe die öffentliche Finanzierung in den Erhalt der dem Bund gehörenden Forschungs-Infrastruktur (z.B. die Lieferung von Echoloten) und in den Forschungsbetrieb (Finanzierung von Forschungsreisen). Aus dem Auftrag zur Bereederung des FS Meteor ergebe sich, dass die von der Universität H gezahlte Vergütung auch eine Kostenerstattung enthalte. Daraus sei zu folgern, dass die mit der Bereederung verbundenen Kosten wie z.B. die Anschaffung eines Echolotsystems nur ein durchlaufender Posten für die Ag seien und letztlich von der Universität H getragen würden. Jedenfalls aber sei die Bundesrepublik Deutschland ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 1 GWB. Es sei nicht hinnehmbar, dass sich die Bundesrepublik Deutschland, die den Kauf finanziere, dadurch ihrer vergaberechtlichen Bindung entledige, dass sie ein Privatunternehmen als "Strohmann" einschalte, um das Vergabeverfahren durchzuführen. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Entscheidung über den Beschaffungsvorgang, die Festlegung der Auswahlkriterien und die Wertung und Auswahl – mithin materiell die Zuschlagsentscheidung – inhaltlich nicht von der Ag vorgenommen worden sei, sondern in der Hand der in der "Arbeitsgruppe Beschaffung" vertretenen Wissenschaftler gelegen habe. Hilfsweise komme in Betracht, das Land (L) als öffentlichen Auftraggeber i.S.v. § 98 Nr. 1 GWB anzusehen. Die Ag handele im Rahmen der Vergabe von Leistungen an Dritte "im Auftrag der" L. Sie handele dabei stellvertretend für und unter engster Aufsicht der L, denn sie müsse schon bei der Vergabe von Fremdlieferungen im Wert von 50.000 DM die schriftliche Zustimmung der L als Auftraggeber einholen. Die Vergabekammer dürfe der Ast angesichts der vorgelegten Indizien nicht de facto die Beweislast für das Vorliegen eines "öffentlichen Auftraggebers" aufbürden. Die Ag müsse begründen, weshalb sie entgegen der öffentlichen Ausschreibung nicht öffentlicher Auftraggeber sei. Im Übrigen habe sich Ag selbst als öffentliche Auftraggeberin ausgegeben und damit an das Vergaberecht gebunden. Wenn eine Selbstbindung sogar im Falle einer freiwilligen Ausschreibung gelte, dann müsse dies auch für den Fall gelten, dass ein ausschreibungspflichtiger Lieferauftrag unzweifelhaft vorliege. Die ASt habe während des Vergabeverfahrens auf die Angaben der Ag und damit auf die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer vertraut. Das vorvertragliche Vertrauensverhältnis zu den Bietern müsse im Sinne der EG-Rechtsmittel-Richtlinie zu einer "wirksamen" Nachprüfung von Vergabeentscheidungen führen. Jedenfalls habe sich die Ag einer Aufklärung der Auftraggebereigenschaft bisher verweigert, so dass sie sich grob rechtsmissbräuchlich verhalte. Auch umfasse nicht schon der Bereederungsvertrag zwischen der Uni H und der Ag die Beschaffung der Echolote. Die Ag habe den Auftrag für die Bereederung ohne ordentliches Vergabeverfahren erhalten. Vor 2005 habe es keine EG-weite Ausschreibung für die Bereederung der FS METEOR gegeben. Die vorangehende (Erst-)Vergabe eines größeren Pakets von Leistungen könne der Nachprüfung einer anschließenden (Zweit-)Vergabe von Teilleistungen nur entgegenstehen, wenn die vorgeschaltete (Erst-)Vergabe dem Vergaberecht unterlag und vergaberechtskonform erfolgt sei. Der Bereederungsvertrag decke jedoch auch inhaltlich die streitige Beschaffung nicht ab. § 4 Ziffer 2 des Vertrages i.V.m. Anlage 1 (und Anlage 3), der die Vergabe von Leistungen an Dritte regele, erfasse nicht die Anschaffung von Echoloten. Anlage 1 regele (nur) den Ersatz der bei der Beschaffung entstandenen Kosten. Auch die Abstimmungspflicht mit der Universität H sei ein Beleg dafür, dass es sich hierbei um originäre Beschaffungen der Universität handele. § 4 Ziffer 1 lit. c des Vertrages erstrecke sich nur auf Planung, Veranlassung und Kontrolle von Reparaturen, Instandhaltung und Ausrüstung des Schiffes zum Zwecke der ständigen Bereitschaft und Seefähigkeit. Die Anschaffung der Fächerecholote falle nicht hierunter, weil Fächerecholote nicht der "ständigen Bereitschaft und Seefähigkeit" des Schiffes dienten. Auch die Bereitstellung einer geeigneten, einsatzfähigen Schiffsbesatzung für den laufenden Schiffsbetrieb und die Unterstützung des Forschungsbetriebs umfasse keine Beschaffungsmaßnahmen, sondern lediglich die Bereitstellung einer entsprechenden Schiffsbesatzung. Die Beschaffung sei der Universität H zurechenbar. Die Ag sei als weisungsabhängiges Ausführungsorgan tätig geworden. Die Ag könne schon deshalb kein Auftraggeber sein, weil sie nicht selbst über die Beschaffung entschieden habe, sondern sich ihre Aufgabe auf die Beratung der Wissenschaftler der Universität H über die Einbindung der Echolote in die Schiffstechnik und die Durchführung des Vergabeverfahrens beschränkt habe. Vergaben durch einen "Strohmann" seien der dahinter stehenden Körperschaft zuzurechnen. Ansonsten bestünde die Möglichkeit einer "Flucht aus dem Vergaberecht". Erforderlich wäre dazu lediglich eine Generalvergabe von Beschaffungsvorgängen bzw. Unterhaltungs- und/oder Infrastrukturleistungen, die nachgelagerte Beschaffungsvorgänge mit sich bringen.

Die Ag habe mehrere Verstöße gegen das Vergaberecht begangen. So sei sie bei der Wertung der Angebote zu Lasten der ASt von den zuvor bekannt gemachten Zuschlagskriterien abgewichen. Die "Kann"-Kriterien seien in einer Punkteskala von 1 bis 10 zu bewerten gewesen. Die Wertung sei deshalb in allen Bereichen, in denen ein "Kann"-Kriterium auf ein "Muss"-Kriterium aufsetzte, dann falsch, wenn dort lediglich 0 Punkte vergeben wurden. Jedenfalls dürfe aber im Bereich der "Kann"-Kriterien keine Bewertung mit 0 Punkten vorgenommen werden. Zum anderen habe die Ag bei "aufsetzenden" Kann-Kriterien nicht vorab bekannt gemacht, dass bei Erfüllung nur der Mindestanforderungen lediglich 0 Punkte vergeben würden. Da die ASt in der Kategorie "Tiefwasserecholot" nur 56 erreicht habe, müsse die Ag in Abweichung der bekannt gemachten Punkteskala eine solche von "0 bis 10" zugrunde gelegt haben. Ebenso sei nicht nachvollziehbar, weshalb die ASt beim Mittelwasserecholot 335 Punkte erhalten habe. Tief- und Mittelwasserecholote der ASt seien nicht im Grundsatz, sondern nur in einzelnen Modulen unterschiedlich. Dementsprechend seien die Merkmals-Beschreibungen der ASt für beide Lote sehr ähnlich. Die Ag habe eine gleichartige Performance beider Lote aber vielfach unterschiedlich bewertet. Die ASt vermutet, dass die niedrige Bewertung beim Tiefwasserecholot daraus resultiert, dass die auf Seiten der Ag beteiligten Wissenschaftlicher das System bevorzugen wollten, das sie schon kennen, nämlich das System der Firma Kongsberg.

Im Hinblick auf den deutlich niedrigeren Preis der ASt habe man die wissenschaftliche Bewertung des Tiefwasserecholots so gedrückt, dass am Ende das gewünschte Gesamtergebnis herausgekommen sei.

Zur Wertung trägt die ASt im Einzelnen vor: In Ziffer 1.10 (Beam Steuerung umschaltbar) erfüllten beide Lote das "Kann"-Kriterium, dass die Beam Steuerung zwischen equidistant und equiangle umschaltbar sei sollte. Die ASt habe keine veraltete, sondern eine ausgereifte und geprüfte Schwingertechnologie verwandt. Die Bodendetektion erfolge sowohl über die Amplitude als auch über die Phase. Beim Tiefwasserecholot habe die Ag 0 Punkte vergeben, beim Mittelwasserlot indes 9 Punkte. In Ziffer 1.14 (back scatter-Funktion) habe die ASt die Anforderungen bejaht. Sie habe beim Tiefwasserecholot 0 Punkte, beim Mittelwasserlot 10 Punkte erhalten. Im Bereich der angebotenen Software habe die ASt bei beiden Loten durchgehend nur 0 Punkte erhalten, obwohl die ASt die Anforderungen der Ag jeweils bejaht habe. Sie weist insbesondere auf die Bewertung in Ziffer 2.3 (Windows 2000) hin, die eindeutig mit 10 Punkten habe bewertet werde müssen. Bei Ziffer 1.4 (Abdeckung "Swath width") stellt die ASt dar, dass die Mindestanforderung von 120 Grad Abdeckung bei beiden Loten übererfüllt worden sei (bis zu 140 beim Tiefwasserlot und bis zu 127 beim Mittelwasserlot). Soweit eine geringere Streifenbreite als bei den Wettbewerbern vorläge, werde diese deutlich durch Vorteile der höheren Frequenz für andere Funktionalitäten innerhalb des Lot-Systems kompensiert. In Ziffer 1.5 (mindestens 120 hard beams) habe die ASt jeweils 141 hard beams angeboten. Während sie beim Tiefwasserlot 0 Punkten erhalten habe, habe sie beim Mittelwasserlot 1,2 Punkte bekommen. In Ziffer 1.7 (Interpolationsverfahren für soft beams) habe die ASt ein patentiertes neues Verfahren angeboten, das die Leistungsfähigkeit der Angebote der übrigen Bieter deutlich übersteige. Die ASt habe eine Referenzliste für beide angebotenen Anlagen beigefügt. Die Referenzliste beschreibe die kontinuierliche Weiterentwicklung innerhalb der verschiedenen Generationen von Loten der ASt unter Verwendung gleicher Systemkomponenten. Damit habe die ASt eindeutig Funktionsnachweise für die Anlagen erbracht. Gleichwohl habe sie bei beiden Loten lediglich 0 Punkte erhalten. In Ziffer 1.9 (Angabe zu Pingraten) habe sie maximal 25 Hz beim Tiefseelot und maximal 30 Hz beim Mittelwasserlot angeboten. Auch hier habe sie nur 0 Punkte erhalten. In der Ausschreibung sei nicht zwischen maximalen Pingraten im Flachwasser und – von der Wasserschallgeschwindigkeit abhängigen – Pingraten in größeren Wassertiefen unterschieden worden. Dass die Ag offenbar nunmehr an ein ganz anderes Verfahren denke – nämlich an ein Verfahren, bei dem parallel mehrere Pings (sog. Multi-Ping) in der Wassersäule realisiert werden -, sei den Ausschreibungsunterlagen nicht zu entnehmen gewesen und könne daher vorliegend auch nicht relevant sein. Bei Ziffer 1.12 (Genauigkeit der Tiefenbestimmung – IHO – S44 Standard erfüllt?) habe man nur Ja oder Nein angeben können. Sie habe zutreffend mit Ja geantwortet, aber nur 0 Punkte erhalten. Auch erfülle die ASt das Wertungskriterium 1.17 uneingeschränkt, so dass eine Bewertung mit 0 Punkten rechtswidrig sei. Bei Ziffer 2.3 (Angaben zur Speicherung von Rohdaten) sei mehr als eine vollständige Speicherung der von den Sensoren kommenden Daten technisch nicht möglich. Man könne nur Ja oder Nein angeben. Auch hier habe sie entgegen ihrer Zusicherung der Leistung nur 0 Punkte erhalten. Ferner habe die Ag der Wertung einen Preis von … Euro zugrunde gelegt. Die ASt habe jedoch einen Gesamtpreis von … Euro angeboten. Selbst bei Zugrundelegung der ergänzend angebotenen "alternativ verfügbaren Softwarepakete" und deren Einzelpreise sei nicht nachvollziehbar, wie die Ag auf den Gesamtpreis gekommen sei. Die Annahme eines höheren Preises führe schon zu einem Nachteil von 5 Punkten in der Gesamtbewertung. Die Ag gebe zu, dass sie nicht auf den tatsächlich von der ASt angebotenen Preis, sondern auf einen von ihr selbst fiktiv ermittelten Preis abgestellt habe. Schon diese Änderung des angebotenen Preises durch die Ag sei rechtswidrig.

Ferner habe die Ag rechtswidrig die Wertungsergebnisse der ASt an alle Bieter versandt. Erst nachdem bereits ein Wettbewerber die komplette Wertung erhalten habe, habe die ASt die Wertungsmatrix auch für sich selbst angefordert.

Zudem habe die Ag das § 13 VgV-Schreiben nur mit einer nichtssagenden Blankoformulierung versehen, die es unmöglich mache, die Wertung nachzuvollziehen.

Die ASt hatte mit Schriftsatz vom 14. Juni 2005 ursprünglich beantragt,

1. ein Nachprüfungsverfahren gem. § 107 GWB zur Ausschreibung der Ag, Projekt "Lieferung Tief- und Mittelwasserlot FS METEOR", einzuleiten,

2. die Zustellung des Nachprüfungsantrages der ASt vom 10.6.2005 sowie der vorliegenden Begründung dieses Nachprüfungsantrags an die Ag nach § 110 Abs. 2 sofort vorzunehmen,

3. festzustellen, dass die ASt durch das Vergabeverfahren in ihren Rechten verletzt ist

4. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten der ASt für notwendig zu erklären und

5. der Ag die Kosten dieses Verfahrens, die Kosten für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG, einschließlich der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten, aufzuerlegen.

Ferner hatte sie Akteneinsicht gem. § 111 Abs. 1 GWB beantragt.

Für den Fall, dass der Zuschlag am 14. Juni 2005 erteilt worden ist, hat die ASt hilfsweise gem. § 114 Abs. 2 S. 2 GWB Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt. Soweit die Kammer den Nachprüfungsantrag für unzulässig erachte, weil die Ag kein öffentlicher Auftraggeber sei oder weil der Zuschlag wirksam erteilt sei, hat sie gem. § 128 Abs. 3 S. 4, Abs. 4 S. 3 GWB beantragt, die Kosten des Verfahrens der Ag aufzuerlegen.

Sie führt dazu näher aus, dass es unter den gegebenen Umständen unbillig sei, die ASt mit den Verfahrenskosten zu belasten. Die Ag habe die ASt mehrfach getäuscht. Sie habe sich im Vergabeverfahren durchweg als öffentlicher Auftraggeber dargestellt und im Hinblick auf Rechtsmittel auf die Einreichung eines Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer Bremen hingewiesen. Sie habe der ASt noch am 13. Juni 2004 zugesichert, den Zuschlag nicht sofort zu erteilen, sondern zunächst die Zustellung des Nachprüfungsantrages und die Entscheidung der Vergabekammer abzuwarten. Die Verfahrenskosten wären i.S.v. § 21 GKG analog bei richtiger Behandlung der Sache durch die Ag nicht entstanden.

Die Ag beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag der ASt als unzulässig zu verwerfen.

2. Hilfsweise, den Nachprüfungsantrag der ASt zurückzuweisen.

3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten der Ag für notwendig zu erklären und der ASt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Ag aufzuerlegen.

Der Nachprüfungsantrag sei offensichtlich unzulässig. Die ASt habe ihre Rügepflicht nicht erfüllt. Mit Schreiben vom 6. Juni 2005 habe die ASt eine nähere Erläuterung der Bewertung erbeten, die sie am 7. Juni erhalten habe. Am 10. Juni 2005 habe sodann ein Gespräch mit Vertretern der ASt stattgefunden. In diesem Gespräch habe die ASt allgemein Kritik an dem Vergabeverfahren geübt. Sie habe auch erklärt, dass sie die Anrufung der Vergabekammer erwäge. Es seien jedoch nicht bestimmte Verstöße beanstandet worden und damit auch nicht vor der Anrufung der Vergabekammer die Möglichkeit der Selbstkorrektur gegeben worden.

Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2005 trägt sie erstmals vor, dass nach ihrer Auffassung eine Zuständigkeit der Vergabekammer nicht gegeben sei. Die Ag sei zunächst davon ausgegangen, dass es sich um einen öffentlichen Auftrag handele, da der Auftrag über öffentliche Mittel finanziert werde. Die Bundesrepublik Deutschland stelle die Mittel für die Anschaffung des Echolots zur Verfügung. Dies sei jedoch für die Auftraggebereigenschaft nach § 98 Nr. 2 GWB nicht entscheidend. Die Ag sei kein öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB. Die Ag sei nicht zu dem besonderen Zweck gegründet worden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen. Die Ag sei ein auf Gewinnerzielung gerichtetes privates Unternehmen. Sie stehe vollständig im Eigentum privater Eigentümer. Die Ag sei im Reedereigeschäft sowohl als Charterbetrieb als auch als Dienstleister für fremde Schiffsinhaber tätig. Sie sei aufgrund eines schlichten Dienstleistungsvertrages mit der Bereederung der FS Meteor beauftragt. Auftraggeber sei die L, vertreten durch die Universität H. Die Ag sei ausschließlich privat finanziert, sie erhalte keine Mittel des Bundes oder anderer Stellen der öffentlichen Hand. Die Aufsicht über die Leitung werde allein durch die privaten Gesellschafter ausgeübt. Auch ein Fall des § 98 Nr. 5 GWB liege nicht vor, da der Auftrag für die Echolote nicht dem (abschließenden) Katalog dieser Bestimmung unterfalle. Vielmehr sei die Vergabe der Echolote auf der 2. Stufe des Reedereivertrages erfolgt und falle nicht mehr unter den Begriff des öffentlichen Auftrages. Ebenso wenig wie der Generalunternehmer auf der Baustelle sei der Reeder verpflichtet, seine Lieferanten im Wege der öffentlichen Ausschreibung zu ermitteln. Durch die Vereinbarung von Selbstkostenerstattungspreisen werde lediglich sichergestellt, dass die Vergütung für diese zusätzlichen Fremdlieferungen und Leistungen marktgerecht und angemessen ermittelt werde.

Auf die behaupteten materiellen Vergabeverstöße komme es deshalb nicht an. Die Ag nimmt dazu ergänzend Stellung. Bei der Wertung der Angebote seien die wissenschaftlichen Kriterien in "Muss"- und "Kann"-Kriterien gegliedert worden, wobei das Fehlen eines "Muss"-Kriteriums zum Ausschluss des Angebots geführt habe. Zur Wertung nimmt sie wie folgt Stellung: Die Ag habe eine Mindestqualität mit Muss-Kriterien festgelegt. Darüber hinaus sollten zusätzliche Punkte von 1 – 10 dafür vergeben werden, dass einzelne Qualitätsmerkmale über der Basis lagen. Für die überobligatorische Kriterienerfüllung habe es das Punktespektrum von 1 – 10 gegeben. Hätten alle Anlagen die gleiche Qualitätsbasis, erfüllten also die Muss-Kriterien, so entscheide allein der Preis. Erst zusätzliche Kriterien rechtfertigten es, Unterschiede in der Qualität in die Bewertung mit einzubeziehen. Die unterschiedliche Bewertung gleicher Produktmerkmale beim Mittel- und beim Tiefsee-Echolot rührten daher, dass die Qualität immer nur relativ beurteilbar sei. Gerade im Tiefseewasser-Echolotbereich habe es bei der ASt große qualitative Unterschiede zu den anderen Anbietern gegeben. Das Wertungskriterium 1.10 (Beamsteuerung umschaltbar) sei von der ASt nicht erfüllt worden, weil sie eine alte Schwingertechnologie angeboten habe. Die Bottom-Detection erfolge nur über Amplitude. Dies führe dazu, dass bei der Umschaltung auf "Equidistant" erhebliche Qualitätsverluste aufträten, da nicht alle Strahlen erhalten blieben. Die volle Umschaltbarkeit des Systems könne nicht als erfüllt betrachtet werden. Bei dem Wertungskriterium 1.17 habe das Angebot der ASt mit Abstand den geringsten Kompensationsbereich gehabt. die Bewertungsgruppe habe deshalb entschieden, das Angebot mit 0 Punkten zu bewerten. Damit könne das Wertungskriterium nicht als erfüllt angesehen werden. Zur Systemsoftware (2.3) stellt die Ag fest, dass hier zusätzliche Punkte nicht erreicht werden konnten. Es sei Muss-Voraussetzung gewesen, dass die Systemsoftware auf Windows basiere. In Ziffer 1.4 sei nicht entscheidend, ob das Kriterium der Muss-Abdeckung um einige Grade überschritten werde, sondern wie die Qualität der Vermessungsbreite im Vergleich zu anderen Anlagen gewesen sei. Die von der ASt angebotene niedrige Streifenbreite biete wegen der Schiffskosten keine wirtschaftliche Lösung. Die in Ziffer 1.5 bewerteten Hardbeams seien das schlechteste Ergebnis im gesamten Angebotsspektrum. Es hätten daher keine zusätzlichen Wertungspunkte vergeben werden können. In Ziffer 1.7 sei ein Prototyp angeboten worden, dessen Funktionsweise nicht nachgewiesen worden sei. In Ziffer 1.9 sei eine zusätzliche Qualität über Verfahren, die mehrere Pings unabhängig von der Wassertiefe realisieren, bewertet worden. Derartiges sei durch die ASt aber nicht angeboten worden. Bezüglich Ziffer 1.12 sei festzustellen, dass die ASt nur beschrieben habe, dass sie das Kriterium erfülle. Sie habe jedoch keine Qualität dargelegt, die die Vergabe zusätzlicher Punkte rechtfertige. Dies gelte entsprechend auch für die Ziffer 2.3. Zusätzliche Punkte seien nur bei zusätzlichen Funktionen, die den Nutzwert erhöhten, zu vergeben gewesen. Das sei bei der Anlage der ASt aber nicht der Fall gewesen. Eine Schlechterbehandlung gegenüber anderen Anbietern habe es aber nicht gegeben.

Bei der Wertung der Preise sei für alle Anbieter das wahrscheinlichste Leistungspaket definiert und auf dieser Basis der Gesamtpreis ermittelt worden.

Die Offenlegung der Wertungsmatrix könne nicht beanstandet werden. Die ASt habe diese selbst gefordert. Im Wege der Gleichbehandlung sei gegenüber anderen Bietern entsprechend verfahren worden.

Mit Auflagen- und Hinweisbeschluss vom 5. Juli 2005 wies die Vergabekammer Bremen darauf hin, dass "bisher nicht erkennbar sei, dass die Vorschriften des 4. Teils des GWB zur Anwendung kommen". Mit bestandskräftigem Beschluss vom 15. Juli 2005 hat die Vergabekammer Bremen (VK 07/05) das Nachprüfungsverfahren an die Vergabekammer des Bundes verwiesen. In der Begründung führte sie aus, dass die Finanzierung des Forschungsschiffes METEOR, das im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland steht, überwiegend mit Mitteln des Bundes erfolge. Die Vergabekammer hat dahingestellt sein lassen, ob die Ag überhaupt die richtige Antragsgegnerin sei oder ob dies nicht die Bundesrepublik Deutschland sein müsste. Zur Zulässigkeit des Antrags stellte sie fest, dass die Rügeobliegenheit nicht verletzt sei. Die ASt habe positive Kenntnis der von ihr gerügten Vergabeverstöße erst nach Erhalt der Bewertung mit Schreiben vom 7. Juni 2005 gehabt. Das Nachprüfungsverfahren ist nach Feststellung der Vergabekammer Bremen hinsichtlich des Hauptantrags erledigt, da die Ag den Zuschlag erteilt hat. Der Zuschlag sei nach Beginn des Nachprüfungsverfahrens, das mit dem Tätigwerden der Vergabekammer am 13. Juni 2005 – nämlich der Entscheidung, den Antrag mangels Begründung als offensichtlich unzulässig nicht zuzustellen – anzusetzen sei, wirksam erteilt worden. Ein Zuschlagsverbot gem. § 115 Abs. 1 GWB sei nicht eingetreten, weil die Frist des § 13 VgV abgelaufen war. Anhängig geblieben ist nach dem Beschluss der Vergabekammer Bremen der hilfsweise gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag der ASt.

Auf ein Auskunftsersuchen der Vergabekammer der Bundes hin hat die Universität H mitgeteilt, dass die beschafften Echolote in erster Linie wissenschaftlichen Zwecken (Kartierung des Meeresbodens bei der Erfassung der Morphologie) dienen. Im Gegensatz zu den an Bord von Forschungsschiffen ebenfalls vorhandenen Navigationsecholoten, die Tiefeninformationen bis 100 m lieferten, wiesen Fächerecholote einen Arbeitsbereich von 100 – 10.000 m Wassertiefe auf. Nach Auffassung der Uni H erfasst der Bereederungsvertrag für die FS METEOR die Beschaffung von wissenschaftlichen Geräten durch die Ag. Sie verweist insoweit auf die Anlage 4.3 zum Bereederungsvertrag (6. Spiegelstrich). Die Durchführung der Beschaffungen nach VOL sei in Anlage 3 festgelegt. Beschaffungen – auch wissenschaftlicher Geräte -, die aufgrund des Bereederungsvertrages vorgenommen worden seien, seien auf den Schiffsbetrieb bezogen, da sie speziell für das Schiff METEOR angeschafft würden. Das wissenschaftlich-technische Anforderungsprofil für das hier zu beschaffende Fächerecholot sei in einer Arbeitsgruppe erarbeitet worden, der mehrere Wissenschaftler aus verschiedenen Instituten und Vertreter der Ag angehörten. Da die Ausführung der Leistung erhebliches schiffsbetriebstechnisches Wissen erfordert habe, sei die Beschaffung durch die Ag durchgeführt worden. Bei Geräten, die unabhängig von der Schiffstechnik genutzt würden, werde hingegen die Beschaffung von der zuständigen wissenschaftlichen Einrichtung selbst vorgenommen, die auch für die Finanzierung des Gerätes verantwortlich sei.

Die Kammer hat der ASt antragsgemäß Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren.

Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer, auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen haben, sowie den Verweisungsbeschluss der Vergabekammer Bremen und deren Verfahrensakte wird ergänzend Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung wurde festgestellt, dass die von der Ag überreichten Vergabeakten nur einen Teil des Angebots der ASt enthielten. Die Kammer hat zur Überprüfung der Angebotswertung eine von der ASt übergebene Kopie des Angebotsformulars (datiert am 24. März 2005) zugrunde gelegt.

II.

Der gegen die Ag gerichtete Feststellungsantrag ist zulässig. Die Ag hat im Rahmen ihres Dienstleistungsvertrages die Beschaffung der Fächerecholote stellvertretend für die öffentliche Hand ausgeführt. Der Nachprüfungsantrag ist begründet, weil die ASt bei der Durchführung der Wertung in ihren Bieterrechten verletzt worden ist.

A. Das Nachprüfungsverfahren ist nach dem 4. Teil des GWB statthaft.

1. Ein Nachprüfungsverfahren ist jedoch nicht schon deshalb eröffnet, weil die Ausschreibung den Hinweis darauf enthielt, dass die Vergabekammer Bremen zur Überprüfung der Entscheidung über die Vergabekammer zuständig sein solle. Eine (falsche) Rechtsmittelbelehrung eröffnet keinen Rechtsmittelzug (OLG Celle, Beschluss v. 5. September 2002, 13 Verg 9/02). Zwar hat die europaweite Ausschreibung der Ag im nichtoffenen Verfahren nach VOL/A eine Selbstbindung der Ag im Hinblick auf die Einhaltung dieser Vorschriften bewirkt. Die Ag muss sich folglich bei ihrer Vergabeentscheidung an den Verfahrensregeln der VOL/A festhalten lassen (so OLG Dresden, Urteil v. 9. März 2004, 20 U 1544/03). Das Auftreten als öffentlicher Auftraggeber und die Rechtsmittelbelehrung bewirken aber nicht, dass der 4. Teil des GWB anwendbar wird. Die Anwendbarkeit des GWB bestimmt sich rein objektiv nach dem Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsmerkmale zur Auftraggebereigenschaft und zum öffentlichen Auftrag.

2. Im zu prüfenden Fall liegt allerdings eine Vergabe durch einen öffentlichen Auftraggeber gem. § 97 Abs. 1 i.V.m. § 98 GWB vor. Nach § 97 Abs. 1 GWB beschaffen öffentliche Auftraggeber Waren, Bau- und Dienstleistungen nach Maßgabe der Vorschriften des 4. Teils des GWB. Der Begriff des öffentlichen Auftraggebers ergibt sich aus § 98 GWB. Der Begriff ist nach der Rechtsprechung des EuGH funktionell auszulegen (EuGH, Urteil v. 13.01.2005, Rs. C-84/03; Urteil v. 15.5.2003, Rs. C-214/00). Danach liegt eine Einrichtung des öffentlichen Rechts vor, wenn sie die drei in Art. 1 lit. b Unterabsatz 2 der Richtlinie 93/37 (bzw. Richtlinien 92/50 und 93/36) enthaltenen Tatbestandsmerkmale aufweist, nämlich ihre Gründung zu dem besonderen Zweck, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, Rechtspersönlichkeit und eine enge Verbindung mit dem Staat, Gebietskörperschaften oder anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts vorliegt. § 98 GWB setzt diesen Begriff der öffentlichen Einrichtung in den Auftraggeberbegriff des deutschen Rechts um.

a. Die Ag ist jedoch selbst kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB. Öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB sind juristische Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, wenn Stellen, die unter § 98 Nr. 1 oder 3 GWB fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder wenn sie durch staatliche Stellen beherrscht werden. Im Sinne der Rechtsprechung des EuGH müssen diese Merkmale kumulativ vorliegen (EuGH, Urteil v. 15.5.2003, Rs. C-214/00).

i. Die Ag ist nicht zur Erfüllung einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe nichtgewerblicher Art gegründet worden. Ausreichend ist allerdings, wenn die im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nichtgewerblicher Art später übernommen wurden. Es ist nicht erforderlich, dass die juristische Person von Anfang zu diesem Zweck gegründet wurde (EuGH, Urteil v. 12. Dezember 2002, Rs. C -470/99; Werner in Byok/Jaeger, 2. Aufl., § 98 Rz. 328). Die Ag hat jedoch weder ursprünglich im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art wahrgenommen, noch hat sie dies während der Bereederung der FS METEOR getan. Die Ag war und ist vielmehr ein auf Gewinnerzielung ausgerichtetes Reederei-Unternehmen, das an öffentlichen Aufträgen im Sektor Forschungsschiffe bzw. Forschungsplattformen in Form von Dienstleistungsverträgen partizipiert. Zweifelhaft ist schon, ob die Ag nichtgewerblich tätig ist. Die Ag steht bei ihrer Aufgabe nämlich im Wettbewerb mit anderen gewerblich tätigen Reedern. Jedenfalls stellt aber der Geschäftszweck der Ag keine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe dar. Die Ag beschäftigt sich mit Bau, Erwerb, Charterung, Vercharterung und Bereederung von Forschungsschiffen sowie anderen Einheiten zur Meeresforschung und hiermit in Zusammenhang stehender Consultingtätigkeit sowie mit der Betreuung von Forschungseinrichtungen in Küstennähe und im offenen Meer, ferner mit Handel und Vermietung von Geräten für Meeresforschung und Meerestechnik (so § 2 des Gesellschaftsvertrages der Ag). Die öffentliche Aufgabe "Forschung" (vgl. insoweit Anhang III der Vergabekoordinierungsrichtlinie, Abdruck in Byok/Jaeger, § 98 Rz. 311) ist hingegen nicht Bestandteil des Aufgabenfeldes der Ag. Dementsprechend hat auch nicht die Ag den Forschungsbetrieb des Schiffes METEOR geleitet. Vielmehr obliegt die Leitung des Forschungsbetriebes dem Institut für Meereskunde der Universität H (sog. Leitstelle FS METEOR).

ii. Ferner fehlt es auch an dem Merkmal der "auf sonstige Weise" überwiegenden Finanzierung der Ag. Eine überwiegende Finanzierung wird beispielsweise für den Fall angenommen, dass ein Unternehmen sowohl Personal als auch Liegenschaften nebst Betriebs- und Geschäftsausstattung unentgeltlich von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt bekommt (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30. April 2003, Verg 67/02). Die Ag finanziert jedoch ihr Personal und ihren Geschäftsbetrieb selbst. Die Ag erhält allerdings für die Dienstleistung "Bereederung" von den verschiedenen Auftraggebern jeweils ein Entgelt. Es handelt sich hierbei – soweit die Auftraggeber öffentliche Einrichtungen sind – zwar um öffentliche Gelder, diese werden aber in einem Vertragsverhältnis als Gegenleistung gezahlt. Die Ag erhält somit – selbst wenn man unterstellte, die Ag hätte zu 100 % Vertragspartner der öffentlichen Hand – keine Finanzierung im Sinne einer Bereitstellung von Geldern oder Sachleistungen (vgl. Werner in Byok/Jaeger, § 98 Rz. 351). Es liegen der Vergabekammer darüber hinaus keine Anhaltspunkte vor, dass die Ag neben den vertraglichen Entgelten Zuschüsse und Unterstützungen durch die öffentliche Hand erhält. Auch für den Fall der Erstattung von Kosten für die Beschaffung von Inventar und sonstiger Ausrüstung aufgrund des mit der L abgeschlossenen Vertrages über die Bereederung ergibt sich keine überwiegende Finanzierung der GmbH im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Die Kostenerstattung für die Anschaffung des Echolots bewirkt lediglich ein Durchreichen der bei der Ag bereits entstandenen Kosten für im eigenen Namen angeschafftes Inventar.

iii. Auch wird die Ag nicht durch staatliche Stellen beherrscht. Die Ag steht unstreitig im Eigentum privater Gesellschafter, die keinem Einfluss durch staatliche Stellen ausgesetzt sind. Die Ag ist eine 100 %ige Tochter einer Kommanditgesellschaft, deren Anteile von Privatpersonen gehalten werden.

b. Ferner ist die Ag auch nicht öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 5 GWB. Nach dieser Bestimmung fallen auch solche natürlichen oder juristischen Personen des privaten Rechts unter den Begriff des öffentlichen Auftraggebers, die bestimmte Bauvorhaben durchführen und dabei von Stellen nach § 98 Nr. 1 – 3 GWB öffentliche Mittel erhalten, mit denen die genannten Vorhaben zu mehr als 50 % finanziert werden. Die Vorschrift findet bei sog. Drittvergaben im Falle der abschließend aufgezählten Bauvorhaben, also bei Tiefbaumaßnahmen, Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden Anwendung. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es zu verhindern, dass sich der Staat seinen vergaberechtlichen Verpflichtungen durch Zwischenschaltung von durch ihn subventionierten Auftraggebern entzieht (Werner in Byok/Jaeger, § 98 Rz. 386). Die Finanzierung des Echolots durch die Bundesrepublik Deutschland erfolgt jedoch nicht im Rahmen einer Bau- Vergabe. Sie ist vielmehr eine Beschaffung im Anwendungsbereich der VOL. Die abschließend für bestimmte Bauvorhaben geregelte Auftraggebereigenschaft nach § 98 Nr. 5 GWB ist daher für den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Angesichts des abschließenden Regelungsgehalts scheidet eine analoge Anwendung der Norm zur Begründung der Auftraggebereigenschaft der Ag aus. Voraussetzung für eine analoge Anwendung wäre das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke in § 98 GWB. Der Gesetzgeber hat in der Vorschrift eine Umsetzung des von den EG-Vergaberichtlinien vorgesehenen Auftraggeberbegriffes in deutsches Recht vorgenommen (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 13/9340, zu § 107 GWB-E [§ 98]). Die vom Gesetzgeber vorgenommene Einteilung des Auftraggeberbegriffs in sechs Kategorien ist abschließend (Werner in Byok/Jaeger, § 98 Rn. 296; Eschenbruch in Kulartz/ Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, 2006, § 98, Rn. 42). Gegen das Vorliegen einer Regelungslücke spricht insbesondere, dass der Gesetzgeber den Fall der Finanzierung von Vorhaben bereits besonders erfasst hat (s. § 98 Nr. 5 GWB). Die vorgenommene Einschränkung auf spezielle Bauvorhaben, die zu über 50 % finanziert werden, stellt eine bewusste Eingrenzung des Auftraggeberbegriffs dar. Auch aus der am 30.04.2004 in Kraft getretenen Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (ABl. EG 2004, Nr. L 134/14) lässt sich nichts anderes ableiten.

c. Die Ag ist allerdings stellvertretend für einen öffentlichen Auftraggeber aufgetreten. Die Ag erteilte zwar den Auftrag nach Ziffer 3.2 des der Ausschreibung zu Grunde liegenden Vertragsentwurfes (Anlage 9 der Ausschreibung) im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Damit liegt zwar kein Fall der unmittelbaren Stellvertretung gemäß § 164 BGB vor (hierbei handelt der Vertreter im Namen des Vertretenen). Die Ag hat jedoch die öffentliche Hand mittelbar vertreten. Eine mittelbare Stellvertretung liegt vor, wenn jemand ein Rechtsgeschäft im eigenen Namen, aber im Interesse und für Rechnung eines anderen, des Geschäftsherrn, vornimmt (Heinrichs in Palandt, 65. Aufl. 2006, Einf v § 164 BGB). Die Ag führte die Ausschreibung aufgrund des Beschlusses und der Vorgaben einer mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Instituten sowie einem eigenen Vertreter (Herr …) besetzten Arbeitsgruppe ("…") durch. Die von der Arbeitsgruppe entwickelten Vorstellungen mündeten nach Auskunft der Universität H in eine wissenschaftlich- technische Beschreibung der Echolote als Basis der Beschaffung. Die Fächerecholote wurden auf der FS METEOR allein für den wissenschaftlichen Einsatz benötigt. Sie dienen der Kartierung des Meeresbodens bei der Erfassung der Morphologie. Für nautische Zwecke werden sie nicht eingesetzt, weil auf der FS METEOR für diese Zwecke ein eigenes Echolot vorhanden ist. Nach Auskunft der Universität H hat man die Beschaffung durch die Ag durchführen lassen, weil sie schiffsbetriebstechnisches Wissen erforderte. Die Beschaffung der Fächerecholote lag somit erkennbar nicht im eigenen Interesse der Ag, sondern im Interesse des Schiffseigners (Bundesrepublik Deutschland) bzw. des Betreibers des Forschungsschiffes (der Universität H). Da die Ag ferner die für die Beschaffung der Echolote erforderlichen Mittel nach dem Bereederungsvertrag zum Selbstkostenpreis ersetzt bekam, handelte sie für Rechnung eines Anderen. Die Voraussetzungen für eine mittelbare Stellvertretung liegen demnach vor. Die Ag ist damit zwar im Außenverhältnis alleiniger Auftraggeber, im Innenverhältnis ist die Beschaffung jedoch der Bundesrepublik Deutschland (bzw. dem Bundesland L als Vertragspartner des Bereederungsvertrages) als öffentlichem Auftraggeber gem. § 98 Nr. 1 GWB zuzurechnen (vgl. auch OLG Schleswig, Beschluss v. 13. April 2006, 1 (6) Verg 10/05: materiell-rechtliche Zurechnung der Vergabe zu dem eigentlichen öffentlichen Auftraggeber). Bei der Beschaffung der Echolote waren deshalb die Vergabevorschriften des 4. Teils des GWB einzuhalten. Die Vergabe unterliegt daher grundsätzlich dem Nachprüfungsverfahren.

d. Die Anwendbarkeit der Vergabevorschriften des 4. Teils des GWB scheidet im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise aus, weil die Neubeschaffung der Fächerecholote bereits durch die Beschaffung der Reedereidienstleistung miterfasst worden wäre ("Sperrwirkung der Erstvergabe"). Vergaberechtlich unbedenklich ist allerdings, dass der Reedereivertrag aus dem Jahr 1986 stammt und nicht seinerseits im Rahmen einer förmlichen Vergabe abgeschlossen wurde. Da zu diesem Zeitpunkt das europäische Vergaberecht noch nicht galt, musste der Vertrag nicht europaweit ausgeschrieben werden. Der Vertrag war unbefristet abgeschlossen. Es bestand deshalb keine Verpflichtung, den Vertrag 1999 mit Einführung des europäischen Vergaberechts zu kündigen. Jedoch sperrt der Reedereivertrag inhaltlich nicht die Anwendbarkeit der Vergabevorschriften auf die vorliegende Beschaffung des Echolote. Grundsätzlich kann ein öffentlicher Auftraggeber Gesamtleistungen ausschreiben (z.B. bei dem Bau einer Autobahn, eines Schiffes). Durch die Verlagerung von "Unterbeschaffungen" bzw. Nachunternehmerleistungen auf den Auftragnehmer der Gesamtleistung kann er weitere Ausschreibungen einzelner Gewerke vermeiden (zur Beschaffung eines Echolots im Rahmen des Neubaus eines Forschungsschiffes: OLG Rostock, Beschluss v. 5. Februar 2003, 17 Verg 14/02; vgl. auch OLG Celle, Beschluss v. 5. September 2002, 13 Verg 9/02). In der hier zu beurteilenden Sachverhaltskonstellation liegt allerdings nicht die Beschaffung von Teilleistungen im Rahmen einer Gesamtleistung vor. Der zugrundeliegende Reedereivertrag ermächtigt die Ag zwar zur Beschaffung von Proviant, Betriebs- und Hilfsstoffen (§ 4 Ziffer 5.3 und 5.4). Eine Ergänzung der Ausrüstung des Schiffes ist aber gem. § 4 Ziffer 5.2 nur in Abstimmung mit dem Auftraggeber des Bereederungsvertrages vorzunehmen. Insoweit ist die Ag nicht eigenständig zur Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen ermächtigt, sondern auf eine gesonderte Vergabeentscheidung der Universität H angewiesen. Bestätigt wird dies dadurch, dass die Universität im Reedervertrag ab einem Auftragswert von 50.000 DM eine Vergabe im Wettbewerb durch Einhaltung der Vorgaben der VOL vorschreibt und gleichzeitig ein Zustimmungserfordernis vor Auftragserteilung begründet (s. Anlage 1 lit. I. B des Reedereivertrages). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Reedereivertrag Ersatz- oder Neubeschaffungen von Ausrüstungsgegenständen "sperrt" und der öffentliche Auftraggeber diese nicht mehr in einem förmlichen Verfahren nach den Vergabevorschriften des 4. Teils des GWB auszuschreiben hätte. Anders hingegen sieht es bei der Beschaffung von Proviant oder Betriebs- und Hilfsstoffen aus. Hier deckt der Reedereivertrag die laufende Beschaffung durch den Reeder ab. Diese Beschaffungen sind Bestandteil der typischen Tätigkeit eines Reeders beim Betrieb eines Schiffes. Die Fächerecholote waren im vorliegenden Fall deshalb öffentlich auszuschreiben. Die Kammer merkt in diesem Zusammenhang an, dass selbst bei einer ausdrücklichen vertraglichen Verlagerung der Beschaffung von wissenschaftlicher Ausrüstung auf den Reeder Zweifel bestehen, ob dies die Ausschreibungspflicht der öffentlichen Hand entfallen ließe. Solange die Leitung des Forschungsbetriebs bei einem öffentlichen Auftraggeber verbleibt, dürfte die pauschale Ermächtigung zur Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen zu Forschungszwecken, die nicht im Zusammenhang mit dem laufenden – vom Reeder zu gewährleistenden – Schiffsbetrieb stehen, vergaberechtlich zu weitgehend sein. Eine generelle Verlagerung der Einkaufstätigkeit der Universität H auf den Reeder würde zu einer Umgehung des Vergaberechts durch die öffentliche Hand führen.

B. Der Feststellungsantrag ist statthaft und im Übrigen zulässig.

1. Nachdem sich das Vergabeverfahren nach seiner Einleitung am 10. Juni 2005 durch die Erteilung des Zuschlags vor Zustellung des Antrags erledigt hat, ist der Antrag auf Feststellung einer Rechtsverletzung gemäß § 114 Abs. 2 S. 2 GWB statthaft. Da eine solche Feststellung wegen der Bindungswirkung nach § 124 Abs. 1 GWB der Vorbereitung eines möglichen Schadensersatzprozesses dient, hat die Antragstellerin grundsätzlich ein Feststellungsinteresse. Sie hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass sie zur weiteren "Schadensbegrenzung" insbesondere ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens im Hinblick auf zukünftige Vergabeentscheidungen anderer Auftraggeber habe.

2. Die ASt war im Hinblick auf den zunächst eingereichten Nachprüfungsantrag gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie hat geltend gemacht, durch einen Vergaberechtsverstoß in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt zu sein. Durch die Abgabe eines Angebots war das Interesse der ASt am Auftrag hinreichend dokumentiert, so dass ihr durch die Nichtberücksichtigung ihres Angebots auch ein wirtschaftlicher Schaden drohte.

3. Die ASt hat die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße auch rechtzeitig gemäß § 107 Abs. 3 GWB, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, gerügt. Die Rüge gem. § 107 Abs. 2 GWB ist formlos möglich. Sie ist deshalb auch mündlich oder fernmündlich zulässig (Wiese in Kulartz/ Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 107 Rn. 92). Die ASt hatte der Ag bereits telefonisch am 30. Mai 2005 mitgeteilt, dass die mit Schreiben vom 27. Mai mitgeteilte Zuschlagsentscheidung nicht nachvollziehbar sei. Eine inhaltlich aufbereitete Rüge war der ASt allerdings erst mit Erhalt der Bewertung, die zuvor bereits an einen dritten Bewerber verschickt worden war, am 7. Juni 2005 möglich. In der Besprechung am 10. Juni 2005 habe sie sich – so ihr Vortrag in der mündlichen Verhandlung – von der Ag die Vergabeentscheidung im Hinblick auf die Vergabe der Wertungspunkte (1 – 10 Punkte bzw. 0 – 10 Punkte), die ungeschwärzte Veröffentlichung der Bewertung und die Berücksichtigung der Preise erläutern lassen und mitgeteilt, dass sie die Anrufung der Vergabekammer erwäge. Die Ag räumt ein, dass die ASt die Anrufung der Vergabekammer erwogen habe, bestreitet aber den Inhalt der Rügen. Es erscheint der Kammer allerdings lebensfremd, dass die ASt im Gespräch die Anrufung der Vergabekammer erwähnt habe, ohne dass über Inhalte eines solchen Vorgehens gesprochen worden sein soll. Die Kammer ist von der Richtigkeit des Vortrags der ASt überzeugt. Jene hat damit die Beseitigung der aufgezeigten Vergaberechtsfehler geltend gemacht und ist somit ihrer Rügeverpflichtung nachgekommen.

4. Die Vergabekammer des Bundes ist nach dem Verweis des Feststellungsverfahrens durch die Vergabekammer Bremen zur Entscheidung zuständig. Es kann dabei letztlich dahin stehen, ob dieser Auftrag dem Bund (wegen der Finanzierung der Echolote aus Bundesmitteln) oder dem Bundesland L zuzurechnen ist; denn die Kammer sieht sich durch den Verweisungsbeschluss der Vergabekammer Bremen zur Entscheidung über dieses Nachprüfungsverfahren berufen.

C. Der Feststellungsantrag ist begründet. Die ASt ist bei der Durchführung der Wertung durch die Ag in ihren Bieterrechten verletzt worden.

1. Die durchgehende Verwendung einer Punkteskala von 0 – 10 Punkten ist angesichts der von der Ag veröffentlichten Bewertungsskala von 1 – 10 Punkten für "Kann"-Kriterien nicht plausibel. Die Ag hatte in den Verdingungsunterlagen die wissenschaftlichen Kriterien in "Muss"- und "Kann"-Kriterien gegliedert. Ferner war vorgegeben, dass "Kann"- Kriterien in einer Punkteskala von 1 bis 10 bewertet würden. Nicht vorhandene "Muss"- Kriterien sollten zum Ausschluss führen. In der den Bietern mitgeteilten Wertungsmatrix finden sich mehrere "Muss"-Kriterien, die mit "Kann"-Kriterien kombiniert sind. Der Matrix kann jedoch nicht in der notwendigen Klarheit entnommen werden, dass für den Fall, dass ein Bieter, der lediglich ein "Muss"-Kriterium erfüllt, für die Nicht-Erfüllung des weitergehenden "Kann"-Kriteriums keine Punkte, also 0 Punkte, erhält. Die "Kann"-Kriterien bewerten zwar teilweise eine Übererfüllung, d.h. eine Leistung, die über die reine "Muss"- Leistung hinausgeht (Ziffern 1.4, 1.5). Eine Bewertung mit 0 Punkten wäre in diesen Fällen denkbar. Nicht schlüssig ist hingegen eine Vergabe von 0 Punkten, wenn dem "Kann"- Kriterium keine Übererfüllung entnommen werden kann (siehe Ziffern 1.10, 1.13, 1.14, 1.15, 1.17, 1.20, 1.23, 2.2, 2.4, 2.7). Letztendlich kann die Differenzierung im Einzelnen aber dahinstehen, da sich die Ag durch die Veröffentlichung der Bewertungsskala von 1 – 10 Punkten selbst gebunden und dabei die Bewertung mit 0 Punkten im Einzelfall nicht vorgesehen hat.

2. Die Vergabe der Wertungspunkte ist in einer Reihe von Ziffern der Matrix als auch in dem zugrunde gelegten Angebotspreis der ASt nicht nachvollziehbar. Grundsätzlich ist die Ermessensentscheidung des Auftraggebers bei der Bewertung von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar. Sie kommt – von Rechtsverstößen abgesehen – nur in den Fällen einer Ermessensunterschreitung, -überschreitung oder eines Ermessensfehlgebrauchs in Betracht (OLG Düsseldorf, 12. Oktober 2005, Verg 37/05). Es bestehen vorliegend Anhaltpunkte für eine Überschreitung des der Ag zustehenden Entscheidungsermessens. Die Vergabe von 0 Wertungspunkten in den Ziffern 1.4 und 1.5 ist nicht nachvollziehbar, weil die ASt hier gemäß ihren Angaben in den Technischen Datenblättern ihres Angebots, eine Erfüllung über das "Muss"-Kriterium hinaus gewährleistet. Die Ag hätte dies gemäß ihrer Vorgabe in den Verdingungsunterlagen mit mindestens 1 Punkt bewerten müssen. Bei den Ziffern 1.10, 1.14, 1.15, 1.17, 1.23, 2.2, 2.4, 2.7 ist eine Bewertung mit 0 Punkten nicht nachvollziehbar, weil dem "Kann"-Kriterium keine Übererfüllung im Hinblick auf die Mindestanforderung ("Muss"-Kriterium) entnommen werden kann (s. unter C.1.). Nicht plausibel ist ferner die z.T. sehr unterschiedliche Bewertung derselben Funktionalität beim Tiefsee- und beim Mittelwasserlot. So hat die Ag beispielsweise in Ziffer 1.6 (zusätzliche Softbeams) einmal 10 Punkte, einmal 5 Punkte vergeben. Sie hat die Abweichung mit den unterschiedlichen Qualitäten der jeweils für sich zu bewertenden Vergleichsprodukte der Wettbewerber begründet. Eine derart starke Abweichung ist für die Vergabekammer aber ohne weitere Nachweise oder Begründung seitens der Vergabestelle nicht nachvollziehbar. Dies gilt ebenfalls für die Wertung der Ziffer 1.10 (Beamsteuerung umschaltbar). Hier erhielt die ASt einmal 9 Punkte, einmal 0 Punkte. Die Bewertung mit "nicht erfüllt" des Tiefseelots ist schon aus dem vorgenannten Grund mit mindestens 1 Punkt vorzunehmen. Die Vergabe von 9 Punkten beim Mittelwasserlot bedeutet aber eine fast vollständige Leistungserfüllung. Der Verweis auf die Qualität der übrigen Angebote kann den eklatanten Unterschied in der Bewertung derselben Funktion nicht zufriedenstellend erklären. Ähnliches gilt für Ziffer 1.13 (Side-Scan-Funktion). Hier wurde das Tiefseelot mit 1 Punkt, das Mittelwasserlot hingegen mit 8 Punkten bewertet. In Ziffer 1.14 (Backscatter-Funktion) wurde das Tiefseelot unzulässigerweise mit 0 Punkten, das Mittelwasserlot mit 10 Punkten bewertet. Die großen Unterschiede in der Bewertung sind für die Vergabekammer nicht nachvollziehbar, so dass sie Anhaltpunkte einer Überschreitung des der Ag zustehenden Entscheidungsermessens sieht. Die unzulässige Bewertung mit 0 Punkten führt zu einer Verzerrung des Wertungsergebnisses, da aufgrund der Multiplikation mit einem Gewichtungsfaktor die entsprechenden Wertungspunkte vollständig ausfallen.

Ferner hat die Ag die Ziffer 2. (Software) bei allen Bietern nicht bewertet, so dass ein mit 35 % angesetzter Teilbereich gar nicht berücksichtigt wurde. Dies kann ebenfalls zu Verzerrungen in der Endwertung führen, da der mit 65 % zu berücksichtigende Wert mit 100 % in das Verhältnis zum Preis gesetzt wurde. Zumindest hat die Ag aber ihr Ermessen entgegen der bekannt gemachten Wertungskriterien in fehlerhafter Weise überhaupt nicht ausgeübt, obwohl Ziffer 2. nicht nur "Muss"-Kriterien, sondern auch aufgesetzte und reine "Kann"-Kriterien enthielt.

Zudem ist der von der Ag zugrunde gelegte Angebotspreis der ASt aufgrund der eingereichten Unterlagen nicht nachvollziehbar. Die Ag hat vorgetragen, dass sie bei allen Bietern gleichermaßen eine von ihr als sinnvoll unterstellte Konfiguration der Echolote zugrunde gelegt hat. Die Rechenmethode ist jedoch der Vergabeakte nicht zu entnehmen. Eine Kontrollrechnung der Vergabekammer hat zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Festlegung des zu wertenden Angebotspreises von ASt und der Bieterin K GmbH geführt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Ag der Wertung einen ca. 80.000 Euro höheren Preis als in den Angebotsunterlagen enthalten zugrunde gelegt hat. Damit verzerrt sich aber die Punktewertung um 5 Punkte zu Lasten der ASt.

3. Es ist nicht auszuschließen, dass sich bei einer Neubewertung durch die Ag unter Zugrundelegung des korrekt ermittelten Preises die Punktebewertung zugunsten der ASt verschoben und sich hierdurch ihre Chance auf den Erhalt des Zuschlags verbessert hätte, obwohl bei der Neuwertung auch andere Bieter bei einzelnen Kriterien eine andere Punktzahl als 0 bekommen müssten. Die Neuwertung wäre allerdings grundsätzlich wieder dem Beurteilungsspielraum der Vergabestelle unterlegen. Aufgrund des rechtswirksam erteilten Zuschlags an einen Dritten bleibt der Kammer nur noch die Feststellung, dass die ASt durch die vorliegende Wertung ihres Angebots in ihren Rechten gem. § 97 Abs. 7 GWB verletzt worden ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 GWB.

Die Ag hat als Unterliegende die Kosten des Verfahrens gem. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB zu tragen. Die Ag hat ferner gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten der ASt zu tragen.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die ASt war wegen der im Nachprüfungsverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen notwendig.

IV.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Oberlandesgericht Düsseldorf – Vergabesenat -, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.

Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

Bei Doppelangeboten ist der Bieter auszuschließen

Hat die Vergabestelle eindeutig aufgefordert, ein Angebot entweder für ein Misch- oder Gesamtlos oder für ein Einzellos getrennt abzugeben, muss der Bieter ausgeschlossen werden, wenn er für beides Angebote abgibt. Bei Doppelangeboten ist dann ein eindeutiger Wille des Anbietenden nicht mehr sicher ermittelbar, wenn der Angebotsinhalt grundsätzlich differieren kann.

VK Arnsberg, Beschluss vom 23.06.2005 – VK 05/05

 

Volltext:

Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg

Beschluss

VK 05/05

GWB § 107 Abs. 2; VOB/A § 21 Nr. 2
Da bei Doppelangeboten der Wille des Anbieters nicht mehr eindeutig für die Vergabestelle ermittelbar ist, sind diese Angebote zwingend auszuschliessen.*)
VK Arnsberg, Beschluss vom 23.06.2005 – VK 05/05

In dem Nachprüfungsverfahren

….

wegen

fehlerhafter Wertung von Nebenangeboten im Rahmen des Verfahrens zum Ausbau der A 1 im Bereich Hagen/Schwerte von Station 62,4 bis 64,32 (Autobahnkreuz Westhofen), Baulos A 1.9 b III, Fachlos A Strecke sowie Fachlos B Lärmschutz

hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg durch die Vorsitzende Frau Regierungsdirektorin Hugenroth, das hauptamtliche Mitglied Herrn Dipl.-Ing. Wiegard und das ehrenamtliche Mitglied Herrn Assessor Meinolf Niemand, Handwerkskammer Arnsberg, Brückenplatz 1, 59821 Arnsberg, aufgrund der Aktenlage am 23.06.2005 beschlossen:

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens und die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin.

3. Die Gebühr der Vergabekammer wird aufxxxx€ festgesetzt. Sie ist mit Bestandskraft dieser Entscheidung fällig und unter Angabe des
…. einzuzahlen.

I.
Sachverhalt::

Die Antragsgegnerin hat die Leistung des Ausbaus im o.g. Steckenabschnitt in zwei Fachlosen (Fachlos A: "Streckenbau" und Fachlos B: "Lärmschutzwandarbeiten") im offenen Verfahren nach Abschnitt 2 der VOB/A im Juni 2004 ausgeschrieben. Hinsichtlich der Abgabemodalitäten für das Angebot enthielt die Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Ziffer 12 folgenden Wortlaut: "Die Baumaßnahme ist in das Fachlos A "Strecke" und das Fachlos B "Lärmschutz" aufgeteilt. Der Bieter/die Bietergemeinschaft kann die Bauleistungen entweder als Mischlos (Fachlos A und B) oder als einzelnes Fachlos (Fachlos A oder B) anbieten."
Die Ausschreibungsunterlagen enthielten entsprechende vorbereitete Angebotsschreiben zu der Variante eines Gesamtloses sowohl als auch zu der Variante der Abgabe von einzelnen Fachlosen. Die Antragstellerin hat sämtliche Angebotsschreiben ausgefüllt und unterschrieben und abgegeben. Dabei sind die Preise des Gesamtangebotes und die Preise der einzelnen Fachlose identisch. Darüber hinaus hat die Antragstellerin insgesamt sieben Nebenangebote vorgelegt, von denen lediglich die Angebot Nr. 1 und 7 als gleichwertig und brauchbar gewertet worden sind. Die Nebenangebote 3 und 4 wurden als nicht gleichwertig und nicht brauchbar betrachtet von Seiten der Vergabestelle, da das angebotene Material (Schmelzkammergranulat 0/8 als Filtermaterial) aufgrund seiner Sieblinie 0/8 mm schlechtere Filtereigenschaften als das ausgeschriebene gebrochene Naturstein 2/32 mm besitze. Die Vergabestelle hat der Antragstellerin im Rahmen der Informationsschreiben nach § 13 VgV mitgeteilt, dass sie beabsichtige den Zuschlag an eine andere Bieterin zu erteilen, weil aufgrund der durchgeführten Wertung das Angebot nicht als das wirtschaftlichste zu betrachten sei. Die Antragstellerin hat diese Vorgehensweise mit Schreiben vom 28.04.2005 gerügt mit der Begründung, dass die Nebenangebote 3 und 4 aufgrund der Gleichwertigkeit, die sich wiederum aus der beigelegenen Eignungsnachweisprüfung der S. GmbH vom 30.04.2005 ergeben solle, zu Unrecht aus der Wertung ausgeschlossen worden seien.

Nach Zurückweisung der Rüge mit Schreiben vom 03.05.2005 durch die Vergabestelle hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11.05.2005 Antrag auf Nachprüfung bei der Vergabekammer in Arnsberg gestellt, den diese mit Schriftsatz vom gleichen Tage der Vergabestelle zugestellt hat.

Nach Vorlage der Akten und dem Eingang der Stellungnahme der Vergabestelle vom 20.05.2005 hat die Vergabekammer sodann die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei ohne Anberaumung eines mündlichen Termins aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, da ausweislich der vorgelegten Akten die Antragstellerin sowohl ein Gesamtangebot als auch dasselbe Hauptangebot aufgeteilt in die Teillose A und B vorgelegt habe.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass bei Wertung von ihr, insbesondere der von ihr vorgelegten Nebenangebote Nr. 3 und 4, das preisgünstigste Angebot vorgelegt worden sei. Diese Nebenangebote müssten aufgrund der als gleichwertig nachgewiesenen Materialien auch gewertet werden. Entgegen der Auffassung der Vergabestelle sei der Eignungsnachweis des unabhängigen Prüfungsbüros S. vom 30.04.2005 definitiv beim Angebot dabei gewesen, hierzu benennt die Antragstellerin einen Zeugen, der als Kalkulator bei der Antragstellerin tätig ist und persönlich den Eignungsnachweis in das Kuvert mit den Angebotsunterlagen gesteckt haben soll.
Im Übrigen sei die Antragstellerin aufgrund der in Ziffer 12 der Ausschreibungsbedingungen niedergelegten Formulierung im Zusammenhang mit den Vorschriften der Ziffer 3.5 zur Rückgabepflicht der EFB-Blätter gehalten gewesen alle den Ausschreibungsunterlagen zugehörigen Blätter zurückzugeben. Die gewählte Form der Ausschreibung durch die Antragsgegnerin entspräche der einer zulässigen Parallelausschreibung. Andernfalls hätte die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin ausschließen müssen. Auch die in einander greifende Art der Nebenangebote insbesondere des Nebenangebots Nr. 6 und 7 der Antragstellerin zeige, dass kein sachlicher Grund darin bestände, ein Gesamtlosangebot als Alternative zu einer Fachlosvergabe vorzusehen. Die Eindeutigkeit des Angebots der Antragstellerin ergäbe sich auch daraus, dass die Angebotsteile A und B identische Preise wie die entsprechenden Teile des Gesamtloses enthielten. Vertrete man aber die Auffassung, dass das Angebot der Antragstellerin unbestimmt sei, dann sei dieses auf die unklare Form der Ausschreibung zurückzuführen, so dass hierin eher ein Aufhebungsgrund zu sehen sei.
Hinsichtlich des Ausschlusses der Nebenangebote 3 und 4 legt die Antragstellerin unter dem Angebot weiterer Sachverständigengutachten als Beweis dar, dass das geforderte Material des Natursteins in der Körnung 2/32 mm regelmäßig einen entsprechend hohen Feinkornanteil habe, dem gegenüber das angebotene Schmelzkammergranulat mindestens als gleichwertig anzusehen sei. Die von der Vergabestelle zusätzlich benannte Belastbarkeit des Materials sei als nachträglich eingeführtes Wertungskriterium nicht zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Abläufe im Eröffnungstermin vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass der Eignungsnachweis (Gleichwertigkeitsnachweis des Ingenieurbüros Schniering) versehentlich vom Angebot getrennt worden sei während der Eröffnung des Angebots.

Die Antragstellerin beantragt:

1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Zuschlag im offenen Verfahren bezüglich des Auftrages "Sechsstreifiger Ausbau der A 1 im Bereich Hagen / Schwerte von Stat. 62,400 bis Stat. 64,320 (AK Westhofen) – Baulos A 1.9 b III. Fachlose A "Strecke" (Erd-, Entwässerungs-, Straßenoberbau-, Brückenbau- und Teilausstattungsarbeiten) Fachlos B "Lärmschutz": Lärmschutzwandarbeiten an die Bietergemeinschaft Bickhardt Bau AG, 36257 Kirchheim, zu erteilen.

2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet den Zuschlag an die Antragstellerin zu erteilen.

3. Hilfsweise für die Fälle des § 114 Abs. 2 GWB:
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Bieterrechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt wurde.

4. Die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin wird gemäß § 128 Abs. 2 GWB für notwendig erklärt.

5. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Antragsgegnerin beantragt

den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Nebenangebote Nr. 3 und 4 der Antragstellerin nicht gewertet werden können, da die Gleichwertigkeit nicht nachgewiesen ist und da insbesondere der fehlende Eignungsnachweis der S. GmbH nicht dem Angebot beigelegen habe. Sie verweist hierzu auf die Lochung des Angebots und die Verfahrensweise bei der Öffnung der Angebote die sicherstelle, dass die vorgelegten Unterlagen lückenlos dokumentiert sind. Darüber hinaus sei das beschriebene Material ungeeignet, was dazu führen könne, dass die ausgeschriebenen Sickerstränge auf diese Art und Weise verstopfen.
Die Vergabestelle vertritt im Hinblick auf den weiteren Sachvortrag der Antragstellerin ferner die Auffassung, dass die Antragstellerin seinerzeit eindeutig drei Angebote abgegeben habe in Form eines Angebots für das Fachlos A, eines Angebots für das Fachlos B und ein Gesamtangebot für beide Fachlose. Da dies nach dem eindeutigen Wortlaut der Ausschreibung nicht zulässig gewesen wäre, habe das Angebot ausgeschlossen werden müssen und im übrigen widersprächen sich die abgegebenen Angebote auch, da der Wertungsvorteil bei Fachlosangebot A nur mit einer Bauzeitverkürzung von 16 Tagen habe berücksichtigt werden können, während bei der Mischlosvergabe ein Wertungsvorteil von 17 Tagen zu berücksichtigen gewesen wäre. Aus diesem Grunde seien die Erklärungen des Bieters auch nicht als eindeutig anzusehen und daher auszuschließen.
Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.
Gründe:

1. Zulässigkeit

1.1 Zuständigkeit der Vergabekammer
Die Vergabekammer in Arnsberg ist für die Entscheidung über den Antrag gem. § 2 Abs. 2 u. 3 der Zuständigkeitsverordnung für Nachprüfungsverfahren des Landes Nordrhein-Westfalen (ZuStVONpV NRW) vom 23.02.1999 (SGV. NW. Nr. 630) zuständig, weil die Vergabestelle als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich der Kammer -Regierungsbezirk Arnsberg- hat .

1.2. Öffentlicher Auftraggeber
Auftraggeber ist die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das das Land Nordrhein-Westfalen – ein öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 1 GWB -, hier handelnd durch einen nicht selbständigen Landesbetrieb.

1.3 Auftrag nach § 99 GWB
Der für Bauaufträge, wie dem hier vorliegenden Auftrag nach § 99 Abs. 3 GWB, geltende Schwellenwert von 5 Mio. Euro (§ 2 Nr. 4 VgV i.V.m. § 100 Abs. 1 GWB) ist bei der Angebotssumme überschritten.
Ein Zuschlag ist noch nicht erteilt (§ 114 Abs. 2 Satz 1 GWB).

1.4 Antragsbefugnis
Die Antragstellerin ist nicht antragsbefugt.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags erforderlich, "aber auch ausreichend, dass der den Nachprüfungsantrag stellende Bieter schlüssig behauptet, welche vergaberechtlichen Vorschriften im Verlauf des Vergabeverfahrens verletzt worden sein sollen und er ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf die Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften zurück zu führen ist." (Leitsatz Nr. a im Beschluss des BGH vom 18.05.2004, Az.: XZB 7/04)
Der BGH kommentiert in dieser Entscheidung die Grundlage der Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB.

Die Antragstellerin hat die fehlerhafte Wertung ihrer Nebenangebote 3 und 4 gerügt und darlegt, dass ihr aufgrund dieser fehlerhaften Wertung ein Schaden erwächst, wenn sie nicht den Zuschlag erhält (Verstoß gegen § 25 Nr. 4 i.V.m. § 21 Nr. 2 VOB/A).

Das Angebot der Antragstellerin ist jedoch aus einem anderen Grund auszuschließen. Mit der Abgabe des Doppelangebots A/B als Misch- oder Gesamtlos und der getrennten Angebote für die einzelnen Fachlose A und B hat die Antragstellerin ein Doppelangebot abgegeben, das gegen § 21 Nr. 1 Abs. 1 u. 2 VOB/A verstößt.
Nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A sollen die Angebote nur die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten. Hier war eindeutig für das Angebot entweder die Abgabe eines Angebots für ein Misch- oder Gesamtlos oder für eins der beiden Einzellose getrennt abzugeben. Der Bieter hatte mithin die Wahl, seine Preise für ein Gesamtangebot zu kalkulieren oder Angebote für die einzelnen Fachlose abzugeben.

Die Vergabestelle hat dies auch eindeutig mit dem Wort "oder" formuliert. Sie wollte und musste bei allem Bestreben möglichst viele Kombinationsmöglichkeiten zu erschließen vermeiden, dass Doppelangebote für dieselbe Leistung abgegeben würden, die ggf. noch hätten im Preis differieren können (was für das Angebot der Antragstellerin nicht zutrifft).

Bei Doppelangeboten ist ein eindeutiger Wille des Anbietenden nicht mehr sicher ermittelbar, wenn der Angebotsinhalt grundsätzlich differieren kann. Dies wird auch im vorliegenden Fall sichtbar:
Obwohl das Zahlenwerk der Hauptangebote identisch ist, differieren die Nebenangebote insbesondere die Nebenangebote 6 und 7, die mal für das Fachlos A eine Bauzeitverkürzung von 16 Werktagen und mal eine Bauzeitverkürzung von 17 Werktagen anbieten.

Da nach der Ausschreibung die Nebenangebote zur Bauzeitverkürzung sich nur auf das Fachlos A beziehen dürfen und die Ausführungszeiten des Fachloses B nicht tangieren dürfen, ist mithin die Zuordnungbarkeit und Wertbarkeit des Nebenangebotes Nr. 7 zweifelhaft.

Gleichzeitig würden diese Art Doppelangebote auch zu unterschiedlichen Vertragsinhalten führen können, so dass sie grundsätzlich nicht zugelassen werden können. Anders als in der von der Antragstellerin beschriebenen Parallelausschreibung handelt es sich im vorliegenden Fall auch nur um ein Verfahren mit einem Leistungsgegenstand. Die von der Antragstellerin als u. U. zulässig beschriebenen Parallelverfahren jedoch beziehen sich auf zwei Vergabeverfahren.

Aus diesem Grund liegt in der Abgabe des Doppelangebotes zugleich ein Verstoß gegen § 21 Nr. 2 VOB/A, weil damit die Verdingungsunterlagen verändert worden sind. Die Vorgehensweise der Vergabestelle, sich eine Version herauszusuchen oder grundsätzlich nur auf die Gesamtangebote abzustellen, ist willkürlich und auch nicht zulässig, was die Vergabestelle in ihrem Schriftsatz vom 07.06.2005 auch einräumt.

Zu dieser Sach- und Rechtslage hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 18.02.2003, Az.: XZB 43/02, folgendes ausgeführt:
"Ist aber ein Angebot nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A Abschnitt 2 auszuschließen, so kann die Aufhebung der Ausschreibung Interessen der Antragstellerin nicht mehr berühren…"
und "es wird deshalb keine Rolle spielen können, dass der Antragsgegner möglicherweise den nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A Abschnitt 2 gegebenen Ausschlusstatbestand zunächst nicht erkannt und/oder bei früheren Wertungen der abgegebenen Angeboten nicht berücksichtigt hatte."
Auf der Basis dieser rechtlichen Zuordnung fehlt der Antragstellerin bereits die Antragsbefugnis, da ihr Angebot aus ganz anderen Gründen als den von ihr oder der Vergabestelle angenommenen ausgeschlossen werden muss.
Selbst wenn man den Vortrag der Antragstellerin zur Frage der Wertbarkeit der Nebenangebote als richtig und erwiesen unterstellte, wäre ein Zuschlag auf ihr Angebot aus den oben skizzierten Gründen ausgeschlossen.
Sie kann durch den Fortgang des Verfahrens grundsätzlich nicht mehr in ihren Rechten verletzt sein und einen Schaden erleiden.
Eine Ausnahme wäre nur anzunehmen, wenn das Verfahren mit einem so schwerwiegenden Fehler behaftet ist, dass es aufzuheben ist oder eine Neuausschreibung erforderlich wird, weil alle anderen Angebote ebenfalls auszuschließen wären. Die von der Antragstellerin hier angedachte Aufhebung mangelnder Eindeutigkeit der Ausschreibungsunterlagen sieht die Kammer nicht. Die Begründung der Antragstellerin, sie sei aufgrund der Formulierungen der Angebotsunterlagen gehalten gewesen alle Formblätter mithin auch alle Angebotsvariante abzugeben, ist nicht haltbar. Die Angebotsschreiben sind klar als Alternativen gekennzeichnet. Wie die Antragstellerin richtig zitiert, wird aus Ziffer 12 der Aufforderung zur Angebotsabgabe auch klar, wie die LV-Teile zu betrachten sind.
Die Ziffer 3.5 der Bewerbungsbedingungen bezieht sich auf Formblätter zur Preisaufgliederung, die mit den Formblättern Angebotsschreiben [HVA B-StB – Angebot 2 (12/02) -LS.NRW] nichts zu tun haben und nicht Vertragsbestandteil werden. Diese Formblätter dienen entsprechend der jeweiligen Kalkulationsmethode der Bieter der Erläuterung der Preisbildung und haben nichts mit der Frage zu tun, ob die Antragstellerin sich zur Abgabe eines Gesamtangebots oder eines fachlosbezogenen Angebots entschließt. Darüber hinaus waren sie im vorliegenden Fall den Verdingungsunterlagen nicht beigefügt. Eine Aufhebung aus Gründen der mangelnden Bestimmtheit der Ausschreibung auf dieser Basis ist nicht möglich.

2. Fehlende Begründetheit
Der Nachprüfungsantrag wäre allerdings aus Sicht der Kammer auch unbegründet.
Unabhängig von der Frage, ob die Zeugenaussage auch erweisen könnte, dass die Stellungnahme des Ingenieurbüros S. bei der Angebotsabgabe vorgelegen hätte, hat die Vergabestelle bei der Beurteilung des Vortrags zur Gleichwertigkeit eines Nebenangebots nach § 21 Nr. 2 VOB/A einen weiten Beurteilungsspielraum.

Sie ist keineswegs verpflichtet, dieselbe Fachmeinung zu dem Material zu vertreten, wie das Ingenieurbüro S.. Unstreitig ist darüber hinaus, dass das angebotene Austauschmaterial einen hohen Feinkornanteil hat und die Antragsgegnerin trägt vor, dass bei der Ausschreibung mit der Körnung 2/32 mm ein Material "ohne die Anteile von 0 bis 2 mm" zu erwarten gewesen sei, so dass die Sickerrohre weniger belastet würden.

Zum einen ist die Vergabestelle insoweit auch an die Ausschreibungsunterlagen gebunden, sie ist aber auch nicht verpflichtet, bei Zweifeln diese gutachtlich klären zu lassen. Entscheidend ist, dass ihre Zweifel nicht sachfremd oder willkürlich begründet werden.

Die gutachterliche Bewertung S. des angebotenen Materials liegt den gelochten Unterlagen eindeutig nicht bei. Inhaltlich hätte sie den Nebenangeboten zugeordnet sein müssen, also in der Nähe der Nebenangebote 6 und 7 eingeordnet sein müssen, also etwa als Seite 40 nach dem Nebenangebot 7 (bei sachgerechter Ordnung der Angebotsunterlagen).

Die Antragstellerin trägt vor, dass der benannte Zeuge das mehrseitige Papier in das Kuvert mit den Antragsunterlagen als letztes Dokument der Unterlagen gesteckt habe. Die Aussage des Zeugen kann somit in keinem Fall erweisen, dass die Unterlage tatsächlich in den Herrschaftsbereich der Antragsgegnerin mit dem Angebot gelangt ist. Aufgrund der nicht zu beanstandenden Verfahrensweise der Antragsgegnerin bei der Eröffnung der Angebote ist kein Anlass gegeben, anzunehmen, dass das Gutachten entfernt worden sei. Letztlich kommt es aber vor dem Beurteilungsspielraum der Antragsgegnerin auch nicht darauf an, da sie unter keinem Gesichtspunkt verpflichtet wäre, das angebotene Material zu akzeptieren.

Die Vergabekammer war auch berechtigt, ohne mündlichen Termin nach Aktenlage zu entscheiden.
Nach § 112 GWB ist eine solche Entscheidung zulässig bei unzulässigen Anträgen oder mit Zustimmung aller Beteiligten. Die Vergabekammer ist der Auffassung, dass der vorliegende Antrag unzulässig ist. Die Antragstellerin hatte aber auch dem Verfahren zugestimmt. Die Antragstellerin ist mit Schreiben vom 01.06.2005 aufgefordert worden, sich dazu zu erklären. Die Antwort vom 03.06.2005 enthielt keinen Widerspruch zu dieser Absicht, sondern sie verhält sich ausschließlich zur Frage des doppelten Angebots und der Auslegung der Ausschreibungsunterlagen, so dass die Kammer auch hier von einer Zustimmung der Antragstellerin zur Entscheidung nach Aktenlage ausgehen konnte.

Erst mit dem nachgereichten Schreiben vom 08.06.2005 lässt die Antragstellerin diesbezüglich unter Punkt 1 Zweifel anklingen. Diese betrachtet die Kammer als verspätet.

III.
Kostenentscheidung:

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 128 Abs. 1 und 3 GWB.
Gem. § 128 Abs. 1 sind für Amtshandlungen der Vergabekammer Kosten zur Deckung des Verwaltungsaufwands zu erheben. Die Höhe der Gebühren bestimmt sich nach § 128 Abs. 2 GWB nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Dieser wiederum ergibt sich aus dem Angebot der Antragstellerin .
Der Gebührenrahmen wurde vom Gesetzgeber auf eine Mindestgebühr von 2.500,00 € und eine Höchstgebühr von 25.000,00 € festgesetzt, wobei im Einzelfall bei außergewöhnlich hohem Aufwand oder entsprechend hoher wirtschaftlicher Bedeutung eine Erhöhung auf 50.000,00 € möglich ist (Gesetz zur Umstellung von Gesetzen und Verordnungen im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf Euro (9. Euroeinführungsgesetz) vom 10.11.2001 – BGBl. I. S. 2992, Art. 7, Ziff. 5).

Die Tabelle des Bundeskartellamtes zur Gebührenhöhe in Abhängigkeit vom Ausschreibungswert, d.h. im Regelfall dem geschätzten Auftragswert bzw. dem strittigen Angebotspreis endet bei einem Auftragsvolumen von 150 Mill. € und sieht dafür eine Gebühr von 25.000 € vor.
Für das hier in Rede stehende Angebot von xxx€ sieht die Tabelle eine Gebühr von xxxx€ vor.

Gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB hat der Antragsteller, der vor einer Vergabekammer unterliegt, die Kosten zu tragen. Mithin hat die Antragstellerin diese Kosten zu tragen. Entsprechendes gilt grundsätzlich für die Kosten der Antragsgegnerin gemäß §128 Abs. 4 S. 2 GWB.

IV.
Rechtsmittelbelehrung:

…..

Kostenfestsetzung im Vergabeprüfverfahren

Leitsätze:

1. Der Kostenfestsetzungsbescheid der Vergabekammer ist als selbstständiger Verwaltungsakt selbstständig anfechtbar.

2. Die fehlende dritte Unterschrift unter einem Kostenfestsetzungsbescheid kann nachgeholt werden.

3. Auftragssumme nach § 12 a Abs. 2 GKG ist regelmäßig der Bruttobetrag des Angebots, das der Antragsteller des Vergabenachprüfungsverfahren abgegeben hat.

OLG Dresden
Beschluss vom 05.04.2001
Az.: WVerg 8/00

 

Auszug aus den Gründen:

Die Beschwerdeführerin ist in einem Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer unterlegen; nach dem bestandskräftigen Beschluss der Vergabekammer vom 03.07.2000 hat sie die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (einschließlich der Kosten des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, dessen Hinzuziehung die Vergabekammer als notwendig angesehen hat) zu tragen. Mit dem nunmehr angegriffenen Kostenfestsetzungsbescheid hat die Vergabekammer die von der Beschwerdeführerin zu erstattenden Kosten mit DM 3.995,00 berechnet. Die Beschwerdeführerin hält den Beschluss schon deshalb für unwirksam, weil er (ursprünglich) nur von zwei Mitgliedern der Vergabekammer unterzeichnet war, während die Unterschrift der hauptamtlichen Beisitzerin der Kammer fehlte. In der Sache rügt die Beschwerdeführerin, die Vergabekammer sei bei ihrer Berechnung von einem zu hohen Gegenstandswert des Nachprüfungsverfahrens ausgegangen; überdies seien Reisekosten des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zu Unrecht als erstattungsfähig einbezogen worden.

Zuschlagsverbot während des Nachprüfungsverfahrens

1. Wird gegen eine ablehnende Entscheidung der Vergabekammer sofortige Beschwerde erhoben, so endet das Zuschlagsverbot erst mit Ablauf der weiteren 14-Tage-Frist des § 118 Abs. 1 GWB, soweit die Frist nicht durch Entscheidung des Beschwerdegerichts noch einmal verlängert wird. Das Zuschlagsverbot besteht unabhängig davon, ob die Vergabestelle bereits Kenntnis von der sofortigen Beschwerde hat.

2. Der Senat schließt sich nicht der Auffassung des OLG Naumburg an, wonach ein Zuschlag, der nach Ablauf der Frist des § 115 Abs. 1 GWB erteilt wird, wirksam ist, wenn der Beschwerdeführer seiner Pflicht nach § 117 Abs. 4 GWB nicht nachkommt und die Vergabestelle auch nicht in anderer Weise Kenntnis von der Einlegung der sofortigen Beschwerde erlangt hat. Der Senat wird deshalb gem. § 124 Abs. 2 GWB die Sache dem BGH vorlegen.

 

OLG Frankfurt
Beschluss vom 20.02.2003
Az.: 11 Verg 1/02

Entbehrlichkeit einer separaten Rüge

Eine separate und nochmalige Rüge nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB ist entbehrlich, wenn der Auftraggeber seine Auswahlentscheidung über den im Vorinformationsschreiben schon genannten Grund hinaus auf weitere, neue Gesichtspunkte stützt, der Antragsteller bei nochmaliger Rüge dieser nachgeschobenen Begründungen aber befürchten müsste, dass die vierzehntägige Schutzfrist des § 13 VgV ohne sofortige Einschaltung der Vergabekammer abzulaufen droht.

VK Sachsen
Beschluß vom 09.05.2003