Rechtsschutz bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte

Rechtsschutz bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte 

amtlicher Leitsatz:

1. Bei Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte sind die Zivilgerichte zuständig, sofern keine gesetzliche Verpflichtung zu bevorzugter Berücksichtigung eines bestimmten Personenkreises zu beachten ist. Allein die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes führt nicht zu einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit im Sinne von § 40 VwGO.


2. Voraussetzung für einen Verstoß gegen Art. 3 GG ist, dass der öffentliche Auftraggeber willkürlich, mithin ohne sachlich rechtfertigenden Grund, Vergabevorschriften verletzt und durch die Verletzung dem Bieter deswegen ein Schaden droht. Der staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es daher verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen.


3. Eine willkürliche Diskriminierung von Bietern im Wege der Leistungsbeschreibung liegt vor, wenn die Leistungsbeschreibung in einem solchem Maße fehlerhaft ist, dass eine Vergleichbarkeit der auf ihr basierenden Angebote schlechterdings ausgeschlossen erscheint (hier: Verstoß gegen EnEV).


4. Der Bieter muss Erkundigungen einholen und versuchen, als notwendig erkannte Konkretisierungen durch eine Kontaktaufnahme zu erhalten. Geschieht dies nicht, muss der Bieter die versäumte Sachaufklärung gegen sich gelten lassen.

 

Entscheidung im Volltext:

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder)
auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2007
durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Behnert und die Richter am Landgericht Scheel und Suder,
als beisitzende Richter

für Recht erkannt:

1. Der Verfügungsbeklagten wird es im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, in dem Vergabeverfahren Nr. 65/152/M/07/Ö zur Baumaßnahme ### Instandsetzung Dach/Fassade, Los 4 – Tischlerarbeiten – Erneuerung Holzfenster – auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses LV-Nr.: 07-08-04 vom 25. September 2007 (Bi. 86 – 112 d.A.) des Architekturbüros ### den Zuschlag zu erteilen.

2. Für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gegen diese einstweilige Verfügung wird der Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, angedroht.

3. Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf einen Gebührenwert bis 20.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin begehrt die Untersagung der Fortsetzung, insbesondere der Zuschlagerteilung, des Ausschreibungsverfahrens betreffend die Erneuerung der Holzfenster der Turnhalle am ### – LOS 4. Vorausgegangen waren zwei Ausschreibungen (Mehrfamilienhaus ### 30/31 und unter Denkmalschutz stehende ### Gymnasium BL 242 – 260), an denen sich ebenfalls die Verfügungsklägerin beteiligte.

Im Angebotsschreiben bzgl. der ### (Bl. 231 f.) rügte die Verfügungsklägerin drei Umstände:

• Mit der im Vortext angegebenen Berechnungsmethode des Uw-Wertes und den Glasangaben könne die Anforderungen der DIN EN ISO 10077-1 nicht erfüllt werden;

• Mangels Materialangaben könne nicht geprüft werden, ob die bauphysikalischen Kenndaten nach DIN 4108-2, -3 und -6 erfüllt werden; hiervon sei auch der erforderlich SD-Wert der Abdichtungsfolie abhängig.

• Die Einhaltung der DIN 12208 (Schlagdichtheit) könne mit den Kastenfenstern nicht eingehalten werden.

In Bezug auf die vorausgegangene Ausschreibung des Fensteraustausches ### 30/31 beanstandete die Handwerkskammer im Schreiben vom 14. Februar 2007 (Bl. 233), dass die Anforderungen der VOB/A nicht eingehalten würden. Insbesondere würden zahlreiche Positionen den Anforderungen der EnEV nicht gerecht. Als Beispiel wurde auf die gewählte Einfach- bzw. Isolierverglasung der Positionen 27.1.001 und 27.1.000 verwiesen. Auch der Anschluss der Fenster an das Mauerwerk entspreche nicht den Vorgaben des Wärmeschutzes. Die Mindestoberflächentemperatur von 12,6 C werde nicht – jedenfalls nicht ohne zusätzliche planerische Maßnahmen und Festlegungen zur Art der Abdichtung – eingehalten.

Im Angebotsschreiben für die Arbeiten ### (Bl. 261) findet sich der Hinweis, dass die Anforderungen des RAL-Leitfadens nicht eingehalten werden. Die Gefahr der Schimmelbildung sei nicht ausgeschlossen, da die Oberflächentemperatur zu niedrig sei und die Tauwasserfreiheit der Fugen nicht sichergestellt werde.

Aufgrund von Streitigkeiten fand ein Gespräch statt, über dessen Inhalt im Protokoll vom 12. Juni 2007 (Bl. 239 f) festgehalten wird, dass die Verfügungsbeklagte drei Planungsbüros beauftragt hat, die zugesagt hätten, die WärmeschutzVO eingehalten zu haben. Es bestünden jedoch bekanntermaßen bundesweit Probleme mit der Einhaltung der Anforderungen.

Der Wärmeschutz- und Energieeinsparnachweis des Planungsbüros ### (Bl. 356 – 402 d.A.) stellt fest, dass der Primärenergiebedarf anstelle der angegebenen 30,84 kWh/m3a mit 41,94 kWh/m3a anzusetzen sei, die Abeichung um bis zu 40 % jedoch nach § 8 Abs.2 EnEV gestattet werde (357). Hier belaufe sich die Überschreitung auf 36,7 %. Er wurde von der unteren Baubehörde unter dem 23. Juli 2007 geprüft (Bl. 352 ff). Dabei wurde festgestellt, dass der Wärmedurchgangskoeffizient der geänderten Bauteile Fenster und oberste Geschossdecke unter den Höchstwerten laut Tabelle 1 des Anhangs 3 der EnEV liege.

Die Angebotsfrist endete am 25.0ktober 2007, die Zuschlagfrist am 8. November 2007, die im Hinblick auf das hiesige Verfahren bis zum 16. November 2007 verlängert wurde. Wegen der Einzelheiten der Angebotsunterlagen wird auf diese (Bl. 67 – 112 d.A.) verwiesen. Die Verfügungsklägerin hat an diesem Tag ihr Hauptangebot über 55.586,09 EUR brutto sowie ein Nebenangebot zur Ausführung der Leistung entsprechend den anerkannten Regeln .der Technik abweichend vom Leistungsverzeichnis über 62.199,52 EUR abgegeben (113 ff) und rügte die Ausschreibung, da das Leistungsverzeichnis nicht die nach § 9 VOB/A nötigen Angaben enthalte. Zudem werde die erforderliche schimmelpilzrelevante Oberflächentemperatur der Fenster nicht erreicht werden. Auch die Tauwasserfreiheit der Fensterfuge sei nicht zu erreichen. Schließlich werde der Mindestwärmeschutz nicht erreicht.

Kein anderer Bieter äußerte vergaberechtliche Bedenken. Anfragen erfolgten keine.

Insgesamt gaben 9 Bieter folgende Angebote ab:

1.) 66.480,54 EUR – geprüft

2.) 66.024,16 EUR – geprüft

3.) 70.982,31 EUR – geprüft 66.024,16 EUR

4.) 64.634,80 EUR – geprüft

5.) 51.220,72 EUR + Nebenangebot – geprüft

6.) 179.273,21 EUR – geprüft

7.) 57.012,45 EUR – geprüft

8.) 51.010,13 EUR – geprüft 51.010,14 EUR

9.) 55.586,09 EUR – geprüft

Die Verfügungsklägerin rügt Fehler im Bauleistungsverzeichnis, die in den Ausschreibungen der Verfügungsbeklagten wiederholt und systematisch enthalten seien.

1. unzureichende Leistungsbeschreibung
Die Leistungsbeschreibung enthaltene keine ausreichenden Angaben für die Preiskalkulation, da die Vorgaben des Leitfadens zur Planung und Ausführung der Montage von Fenstern und Haustüren nicht eingehalten würden.

a) Beispielsweise bei den Verglasungssprossen (Position 027.8, Bl. 88 f. d.A.) werde der Hersteller "BUG" und das Fabrikat "3 IV 68" angegeben, ohne dass der Zusatz "oder gleichwertig" zugesetzt worden sei, § 9 Nr. 10 VOB/A. Zudem könnten diese Sprossen nicht mehr geliefert werden, da es sich um veraltete Vorgaben handle, die am Markt nicht mehr erhältlich seien. Zudem beinhalteten die Angaben ein ungewöhnliches Wagnis iSv § 9 Nr.2 VOB/A, da sich der Wärmedurchgangskoeffizient der Fenster (1.1,) mangels Berechnung anhand aller Bauteile des Fensters nicht errechnen lasse und daher die Einhaltung des Wertes der EnEV, Anhang 3, Tabelle 1 von max. 1,7 W/m2k nicht überprüfen lasse.
Aus der jetzt vorgelegten Energiebedarfsberechnung ergebe sich zudem, dass der Wärmedurchgangskoeffizient mit 1,6 W/m2k angesetzt worden sei, ohne dies bekannt zu geben. Bei Abnahme bestehe die Gefahr der Mängelrüge.

b) Es fehlten Planungsvorgaben / Ausführungsplanungen
aa) beispielsweise für den Regelanschluss: im Fließtext der Ausschreibung werde eine "innere umlaufende Verleistung aus Holz bis zur Fensterlaibung" gefordert (Seite 4 LV), was nach dem RAL-Leitfaden, Checkliste Position 1. planerisch dargestellt werden müsse. In Bezug auf die Anpassung des Rahmenunterstrichs sei nicht erkennbar, dass eine Aussparung zu kalkulieren sei.
bb) Auch würden Angaben zum Wärme- und Feuchteschutz fehlen: angegeben werde "Montage nach RAL, innen dicht, außen offen", ohne dass detaillierte Angaben zum Wärme-und Feuchteschutz unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Altbaus (physikalische Anforderungen, konstruktive Details) entsprechend Position 5 der RAL-Leitfaden Checkliste gemacht worden seien.
cc) Ebenfalls fehlen würden Vorgaben zum zu verwendenden Dichtvlies, von dem es verschiedene Arten mit unterschiedlichen Dampfdurchlässigkeitswerten zu unterschiedlichen Preisen gebe. Die DIN 4108 Beiblatt 2 enthalte für Altbauten keine Vorgaben. Damit fehle es an Angaben entsprechend Position 9 des RAL-Leitfadens, Checkliste.

c) Fehlen würden Angaben zu baulichen Vorleistungen anderer Gewerke, da es beim Abbruch der Fenster zu Unebenheiten im Mauerwerk komme und unklar sei, ob der sog. Glattstrich mitgeschuldet sei.

d) Ein ungewöhnliches Wagnis iSv § 9 Nr. 2 VOB/A und umfangreiche Vorarbeiten iSv § 9 Nr. 1 VOB/A stelle es dar, wenn die "Leistung nach örtlichem Aufmaß herstellen, liefern und fachgerecht einbauen, einschließlich aller notwendigen Vorleistungen und Befestigungsmittel" ausgeschrieben werde. Das Aufmaß werde erst nach dem Zuschlag genommen.

e) Ein ungewöhnliches Wagnis durch eine unzureichende Leistungsbeschreibung sei auch darin zu sehen, dass Altbaufenster (Position 027.8 bis 27.17) nicht hinreichend beschrieben seien und in einer Höhe von 5 m auch nicht ohne erheblichen Aufwand in Augenschein genommen werden könnten.

f) Es fehlten zudem planerische Vorgaben (Ausführungsplanungen) zu der Ausführung der Innenfensterbänke (Position 027.18 und 027.19), da es insoweit Unterschiede bedingt durch den Baubestand und der Befestigungstechnik gebe.

2. fachliche Mängel in der Leistungsbeschreibung

a) Die Angaben zum sichtbaren Rahmenanteil (Position 027.8) seien widersprüchlich. Es werde angegeben, dass dieser maximal 1 cm betragen dürfe, während sich aus den Lichtmaßen und Rahmen ergebe, dass mindestens 3 cm Überstand entstehen. Blatt D.2.1 sehe sogar ein Lichtmaß von nur 1,24 cm vor.
b) Es bestehe die Gefahr der Schimmelpilzbildung, da die Mindesttemperatur von 12,6 C am Innenmauerwerk nicht eingehalten werde. Es würden nur Temperaturen von 11,86 bzw. 11,98 C erreicht.
c) Die Fensterfugen des Innenbereichs sei nicht komplett tauwasserfrei (vgl. Mähnert: Isothermen- und Feuchteberechnung).
d) Der Mindestwärmeschutz im gesamten Gebäude fordere Temperaturen von 13 C, die beim Wandanschluss nicht erreicht würden.
e) Die Art und Weise der Fugendämmung sei nicht vorgegeben und weder durch Bauschaum noch durch Wolle würden die Wärmedämmwerte erreicht. Erforderlich seien zusätzliche Dämmplatten im Innenbereich.

Wegen der Einzelheiten der Berechnung zu den Punkten 2 b – d) wird auf die Isothermenberechnung des Dipl. Ing. ### vom 21. Oktober 2007 Bezug genommen (Bl. 153 ff d.A.)

Die Verfügungsklägerin beantragt,

1. der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung bis auf Weiteres zu untersagen, das Vergabeverfahren Nr. 65/152/M/07/Ö zur Baumaßnahme ### – Instandsetzung Dach/Fassade, Los 4 – Tischlerarbeiten – Erneuerung Holzfenster fortzusetzen, insbesondere den Zuschlag zu erteilen.

2. für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gegen diese einstweilige Verfügung der Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass der Verfügungsklägerin die Rechtsschutzmöglichkeit zu versagen sei, da § 9 VOB/A kein Schutzgesetz darstelle. Für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch aus culpa in contrahende fehle es daran, dass die Verfügungsklägerin den Zuschlag erhalten würde. Es ist beabsichtigt diesen dem Angebot Nr. 8 zu erteilen. Auch ein Schaden könne nicht eintreten, da die Verfügungsklägerin bei angemeldeten Bedenken keine Gewährleistung übernehmen müsse.
Bei der RAL-Richtlinie handle es sich um eine freiwillige Industrieübereinkunft und keine gültige Verordnung, sodass ihr nur Empfehlungscharakter zukomme.
Detailzeichnungen der Ausführungsplanung seien erst für die Leistungsphase 6 vorzulegen, nicht bereits für die Ausschreibung. Zudem seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Einholung eines bauphysikalischen Gutachtens sei unverhältnismäßig.

Zu den Beanstandungen führt sie aus:

• Die Angabe BUG sei wegen des Denkmalschutzcharakters gewählt worden. Da die Sprosse besonders schmal zu wählen sei, habe auf vorgefertigte Elemente zurückgegriffen werden müssen. Es bestehe daher ein besonderes Interesse an der gewählten Bezeichnung. Alle Bieter hätten die Ausschreibung richtig verstanden und ein gleichwertes Produkt angeboten (BGH, MDR 1997, 636).
Der Uw-Wert sei berechenbar: Der Ug-Wert sei mit 1,1 angegeben, der Uw -Höchstwert von 1,7 ergebe sich aus der EnEV.

• Eine Randdetailplanung sei nicht erforderlich, da sich die Fräsung aus dem Ausschreibungstext ergebe: "Aussparung im Rahmenunterstrich zur Aufnahme der bauseitig äußeren Fensterbankabdeckung aus vorhandenen Klinkerplatten".

• Ein Glattstrich sei nicht gewollt. Neben dem Dichtband ergebe sich zusätzlicher Schutz aus der umlaufenden dauereleastischen Versiegelung der Fuge.

• Die Fenstermaße seien vorgegeben; Abweichungen seien in Höhe von max. 1 cm zu erwarten;

• Die Altbaufenster würden kein Wagnis begründen.

• Der Einbau der Innenfensterbänke sei hinreichend beschrieben mit "Regelanschluss".

• Die Außenfensterbänke seien aus Metall im Rahmen der Klempnerarbeiten anzubringen: Der Anschluss werde beschrieben: "mit Sägeschnitt im Rahmenunterstück zur Aufnahme der bauseitigen äußeren Fensterabdeckung aus Titanzinkblech".

• Die Anforderungen der DIN 68121 sei gezielt eingeschränkt worden von 8 cm auf 6 cm Rahmenbreite: Die abweichende Vorgabe betreffe nur den Plan Altbestand, nicht den Neubau.

• Die unzureichende Temperatur werde bestritten. Eine Dämmung sei aus denkmalschutzrechtlichen Vorgaben nicht möglich.

• Eine Tauwasserbildung werde nicht erwartet: Die Stellungnahme basiere nicht auf einer konkreten Messung, sondern einer Rechnung anhand der Materialkenndaten. Bedenken seien nicht angegeben worden. Jedenfalls sei aufgrund des großen Luftvolumens und der flachen Laibung und die hierdurch bedingte ständige Luftumspülung kein Bauschaden zu erwarten.

• Beide seitens der Verfügungsklägerin benannten Baustoffe seien möglich und erfüllten die Anforderungen.

In Bezug auf die Beanstandungen könne nicht auf die gutachterliche Stellungnahme des Büros ### verwiesen werden, da der andere Sachverständige Gesellschafter der Verfügungsklägerin sei, sodass es sich um ein Gefälligkeitsgutachten handle, zumal er nicht öffentlich bestellt und vereidigt sei.
Die Stellungnahme des Herrn ### beziehe sich auf das Vorhaben Tunnelstraße. Alle drei Bauvorhaben würden unterschiedliche Anforderungen stellen.

Auch fehle der Verfügungsgrund, nämlich erhebliche wirtschaftliche Nachteile für Verfügungsklägerin in der Form einer irreparablen, eine Notlage verursachende Schädigung. Diese könne nur auf Seiten der Verfügungsbeklagten eintreten, da bei fehlender Vergabe bis zum Jahresende Fördergelder in Höhe von 216.412,61 EUR verloren gingen. Bei einer Neuausschreibung könne der Zuschlag nicht mehr bis zum 31. Dezember 2007 erteilt werden. Auch seien andere Gewerke bereits vergeben, wie z.B. die Gerüststellung, Fassadenarbeiten und das Dach, sodass Mehrkosten entstünden. Auch sei beabsichtigt, die Arbeiten in möglichst weitgehendem Umfang während der Schulferienzeit auszuführen, um den laufenden Schulbetrieb in möglichst geringem Maße zu beeinträchtigen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

1.

Der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit ist eröffnet, da es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit nach § 13 GVG, Art. 19 Abs.4 Satz 2 GG handelt. Bei Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte sind die Zivilgerichte zuständig, sofern keine gesetzliche Verpflichtung zu bevorzugter Berücksichtigung eines bestimmten Personenkreises zu beachten ist. Allein die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatz führt nicht zu einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit iSv § 40 VwGO (BVerwG, NJW '2007, 2275 ff; LG Bad Kreuznach, 1BR 2007, 386; Pietzcker, NJW 2005, 2881 ff).

Der Verfügungsklägerin ist im Einklang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2006 auch eine Primärrechtsschutzmöglichkeit nach den §§ 935, 940 ZPO einzuräumen, die lediglich aus tatsächlichen Gründen vielfach nicht wahrgenommen werden kann. "Das Ob und inwieweit den Interessenten Primäransprüche im laufenden Vergabeverfahren zustehen, hängt mangels besonderer Regeln von den Vorgaben der allgemeinen Rechtsordnung ab (vgl. Rudolf, in: Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl., 2005, Rn. 80 ff., m.w.N.)". Entsprechende Ansprüche können sich aus § 823 Abs.2 BGB iVm einem Schutzgesetz sowie aus einem anerkanntermaßen bestehenden vorvertraglichen Schuldverhältnis nach §§ 311 Abs.2, 241 Abs.2 BGB ergeben.

Die Gegenansicht, wonach nach Art 19 Abs.4 GG aufgrund der historischen Erfahrung lediglich Rechtsschutz gegen die Missachtung des Rechts durch ein Handeln der dem Bürger übergeordneten und ggf. mit Mitteln des Zwangs arbeitenden Exekutive zustehen soll, d.h. sich der Einzelne sich zu den Träger staatlicher Gewalt in einem Verhältnis typischer Abhängigkeit und Unterordnung befindet (Weyand, Vergaberecht, 2007, Rn 1243), kann nicht gefolgt werden. Auch wenn die Vergabestelle als Nachfrager am Markt tätig wird, um den Bedarf an bestimmten Gütern oder Leistungen zu decken, ohne bei der Vergabeentscheidung auf eine übergeordnete öffentliche Rechtsmacht zurückzugreifen, lässt sich damit ein quasi rechtsfreier Raum bis zur Zuschlagserteilung in Ausschreibungen unterhalb der Schwellenwerte des § 100 GWB, § 2 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) nicht rechtfertigen. (Weyand, a.a.O., Rn 1247 f a.A.; OLG Oldenburg vom 16. Mai 2002, Az. 5 0 1319/02; Weyand, Vergaberecht, 2007, Rn 1478 und 1244, 1238).

2.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet.

Die Verfügungsklägerin kann nach § 823 Abs.2 BGB in Verbindung mit Art. 3 GG verlangen, dass die Zuschlagserteilung zu dem derzeit maßgeblichen Leistungsverzeichnis unterlassen wird.

Insoweit genügt nicht bereits jede Verletzung der Vergabevorschrift des § 9 VOB/A, da die VOB/A bei Vergabeverfahren unterhalb der vorgenannten Schwellenwerte rein verwaltungsinternen Charakter haben. Ausgangspunkt des nationalen öffentlichen Vergaberechts ist bei dieser Ausschreibung wegen der Nichtgeltung der §§ 97 ff GWB weiterhin nur die haushaltsrechtliche Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Einhaltung der VOB/A bei der Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen (Ingenstau/Korbion-Vygen, HOAI, Einl. Rn.33, BGH, NJW 1997, 61, 61 zu § 27 GWB a.F.; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn 290 m.w.N.) § 9 VOB/A ist daher kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs.2 BGB (BGH VersR 1995, 764; BauR 1994, 236, 238; BGH VersR 1965, 764, Schleswig-Holsteinisches OLG NZBau 2000, 207, 208; OLG Stuttgart, NZBau 2004, 395, 396; Leinemann, a.a.O., Rn 258).1

Ob die tatsächliche Vergabepraxis mit dem Hinweis auf die VOB/A allein unter der Überschrift "Bewerbungsbedingungen" (Bl. 73 d.A.) zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt, kann dahinstehen. Die Verdingungsordnungen als verwaltungsinterne Regelungen über Verfahren und Kriterien der Vergabe können zwar zu einer unmittelbaren Rechtsrundlage werden, jedoch befindet sich in der Ausschreibung bei den angeführten Vertragsbestandteilen gerade kein entsprechender Hinweis auf die VOB/A (Bl. 67 R d.A.). Ob für eine Selbstbindung der Verwaltung der Hinweis auf die Verdingungsordnung unter der Rubrik Bewerbungsbedingungen genügt, braucht nicht entschieden zu werden, da jedenfalls ein Verstoß gegen Art. 3 GG vorliegt.

Voraussetzung für einen Verstoß gegen Art. 3 GG ist, dass der öffentliche Auftraggeber willkürlich, mithin ohne sachlich rechtfertigenden Grund, Vergabevorschriften verletzt und durch die Verletzung dem Bieter deswegen ein Schaden droht (Schleswig-Holsteinisches OLG, BauR 2000, 1046, 1048). Der staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es daher verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen (Weyand, a.a.0, Rn. 1248). Eine willkürliche Diskriminierung von Bietern im Wege der Leistungsbeschreibung liegt vor, wenn die Leistungsbeschreibung in einem solchem Maße fehlerhaft ist, dass eine Vergleichbarkeit der auf ihr basierenden Angebote schlechterdings ausgeschlossen erscheint (1.VK Bund vom 6. März 2002, Az.: VK 1-05/02; VK Lüneburg vom 18. Dezember 2003, Az. 203-VgK-35/2003; Weyand, a.a.O., Rn. 4063).

a)

Die Fehlerhaftigkeit der Ausschreibung beruht im Ergebnis der Beweisaufnahme darin, dass die Anforderungen des Feuchtigkeits- und Wärmeschutzes der EnEV entweder unter Zugrundelegung der üblichen Parameter nicht eingehalten werden, oder aber ohne Hinweis im Leistungsverzeichnis nicht vorausgesetzt werden. Da diese Anforderungen an die • zu verwendenden Materialien bzw. Einbauvarianten für die Fenster Auswirkungen auf die Preiskalkulation haben, ist eine vergleichbare Preiskalkulation insgesamt und nicht nur in Bezug auf einen einzelnen Punkt ausgeschlossen.

Aufgrund der Vernehmung der Sachverständigen ### und der dies im Grundsatz bestätigenden Aussage des Zeugen ### ("Die Berechnungsangaben sind nicht von der Hand zu weisen") steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass entsprechend der Isothermenberechnung des Privatgutachters ### vom 21. Oktober 2007 die Anforderungen der DIN 4108 Teil 2 und Teil 3, in Bezug auf die Mindesttemperatur von 12,6 C im Gebäude, am Innenmauerwerk und am Wandanschluss nicht eingehalten werden (Bl. 153 ff d.A.) und damit im Bereich der Mineralfaserwolle als Dichtmaterial und dem Mörtel die Gefahr der Tauwasserbildung bestehe (Bl. 166 d.A.). Ausgeschrieben ist daher eine Leistung, die mangels anderer Anhaltspunkte im Leistungsverzeichnis bei Ausführung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspräche und daher mangelhaft wäre. Der unabhängige Sachverständige ### hat aufgrund seiner Fachkunde die Berechnungsweise bestätigt und bekundet, dass die angesetzten Materialkenndaten bereits in Bezug auf verschiedene Punkte eine hochwertige Ausführung beinhalten und jedenfalls keine höherwertigen Mindesttemperaturen erreicht würden. Auch der Zeuge ### verweist darauf, dass die in die Berechnung einbezogene Innendämmung gar nicht ausgeschrieben sei.

Zwar kann ein Verstoß gegen die Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (EnEV, Stand 1. 10. 2007) nicht festgestellt werden, da nach § 28 dieses Gesetzes diese für Vorhaben mit einem Bauantrag vor dem 1. Oktober 2007 keine Anwendung findet. Hiervon ist bei einer Ausschreibung bereits im September 2007 auszugehen. Auch findet § 7 EnEV a.F. nur auf zu errichtende Gebäude Anwendung, Die Ausnahmeregelung des § 8 Abs.2 EnEV a.F: (jetzt § 9 Abs.1 EnEV n.F.) berechtigen nur zu einer Abweichung in Bezug auf den Jahres-Primärenergiebedarf um nicht mehr als 40 %, berechtigen jedoch nicht zur Nichteinhaltung der anerkannten Regeln der Technik in Bezug auf den Wärme- und Feuchtigkeitsschutz, die der Vermeidung der Gefahr einer Schimmelbildung dienen. Auf das tatsächliche Auftreten von Schimmel und Tauwasser bzw. Folgeerscheinungen kommt es nicht an.

Die Verfügungsbeklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass allein anhand des streitgegenständlichen Leistungsverzeichnisses – Tischlerarbeiten – eine Isothermenberechnung nicht möglich sei. Vielmehr ergibt sich aus den entsprechenden Bestätigungen sowohl des Sachverständigen ### als auch des sachverständigen Zeugen ###, dass das Leistungsverzeichnis lückenhaft und damit mangelhaft ist. Die Bieter müssen anhand der angegebenen Parameter überprüfen können, ob eine mit den gesetzlichen Anforderungen der DIN 4108 Teil 2 und 3 im Einklang stehende Leistung erreicht wird.

Die Verfügungsbeklagte war auch bereits auf die fehlen DIN-Gerechtheit in Bezug auf den Wärme- und Feuchteschutz aufmerksam gemacht worden. Im Schreiben der Handwerkskammer vom 14. Februar 2007 wird auf unzureichende Materialangaben zur Überprüfbarkeit der DIN-Gemäßheit und die zu wählende Abdichtungsfolie hingewiesen.
In Bezug auf die Ausschreibung weist die Verfügungsklägerin im Angebot vom 14. August 2007 (Bl. 242 d.A.) darauf hin, dass das die ausgeschriebenen Leistungen die Mindestoberflächentemperatur nicht sicherstellen und eine Tauwasserbildung nicht ausschließen würden. Dennoch wurde – wie der Zeuge ### bestätigte – im hiesigen Ausschreibungsverfahren zielgerichtet von der Erstellung zur Überprüfung der Einwendung einer Isothermenberechnung abgesehen. Es handelt sich mithin nicht um ein einmaliges, ggf. entschuldbares Versehen.

Keinen tragfähigen Einwand stellen auch der Hinweis auf den Denkmalschutz und in Bezug auf diesen erfolgte Absprachen mit der unteren Denkmalschutzbehörde dar. Abgesehen davon, dass die Ausnahme und Befreiungstatbestände der §§ 24 Abs.2, 25 Abs.1 n.F. EnEV stets einen entsprechenden Bescheid der zuständigen Behörde voraussetzen, der nicht erkennbar ist, greifen auch die dort angeführten Gesichtspunkte hier nicht erkennbar ein. Weder ist erkennbar, dass die Einhaltung der Anforderungen zwingend die Substanz oder das Erscheinungsbild beeinträchtigt, noch einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern bzw. eine unbillige Härte bedeuten. Entsprechende konkrete Darlegungen fehlen seitens der Verfügungsbeklagten. Jedenfalls wären derartige Umstände den Bietern mitzuteilen, was nicht geschehen ist.

Mit der Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik ist auch eine Vergleichbarkeit der eingegangenen Angebote ausgeschlossen. Die bietenden Fachunternehmen müssen – sofern sie nicht den Hinweis erhalten haben, dass die Anforderungen nicht gelten sollen – mangels entsprechenden Hinweises im Leistungsverzeichnis davon ausgehen, dass eine DIN-Gemäßheit der Leistungen dem Angebot zugrunde zu legen ist. Wie sie diese sicherstellen, lässt sich dann dem Angebot nicht entnehmen. Die Vergleichbarkeit der Leistungen ist daher bereits im Ansatz nicht mehr gegeben, was die Annahme von Willkür rechtfertigt.

b)

Dass es sich um eine systematische Mangelhaftigkeit der Ausschreibung handelt, wird dadurch verstärkt, dass die Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben auch an einem weiteren Punkt nicht bekannt gegeben wurde, nämlich der Rahmenbreite. Bereits nach der Einlassung der Verfügungsbeklagten sei mit den angegebenen Zahlen bewusst von den Angaben der DIN 68121 abgewichen worden. Auch dies kann ein Bieter nicht erkennen, der seine Leistungen unter Einhaltung der allgemeinen Regeln der Technik, wozu insbesondere die DIN-Vorschriften gehören, anbieten muss.

c)

Darüber hinaus liegt im Hinblick auf die Ausschreibung der Verglasungssprossen (Position 027.8, Bl. 88 f. d.A.) infolge der Herstellerbezeichnung "BUG" und Fabrikatangabe mit "3 IV 68" ohne Zusatz "oder gleichwertig" ein Verstoß gegen europäische Grundrechte vor. Vergabestellen müssen nach der Entscheidung des EuGH auch bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte das primäre Europarecht, insbesondere das Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot sowie auch das Diskriminierungsverbot beachten (EUGH, Urteil vom 20. Oktober 2005, Az.: C-264/03). Eine diskriminierungsfreie Beschreibung des Auftraggegenstand erfordert, dass – soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist – in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder Marke, Patente, Typen eines bestimmten Ursprungs oder einer bestimmten Produktion verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. Selbst wenn der Auftragsgegenstand eine solche Angabe rechtfertigt, muss der Zusatz "oder gleichwertig" enthalten sein. Auch die von der Verfügungsbeklagten angeführten denkmalschutzrechtlichen Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere Auffassung, wenn insbesondere die ausgeschriebenen Sprossen am Markt nicht mehr erhältlich sind. Enthält das Leistungsverzeichnis eine unerfüllbare Forderung, muss der Auftraggeber grundsätzlich das eingeleitete Vergabeverfahren entweder gemäß § 26 Nr.1 VOB/A aufheben oder diskriminierungsfrei das Leistungsprogramm, soweit zur Beseitigung unerfüllbarer Anforderungen erforderlich ist, ändern und den Bietern angemessene Gelegenheit zur Abgabe neuer Angebote auf der Basis der veränderten Leistungsprogramm geben (BGH vom 26. September 2006, Az.: X ZR 14/06; vom 1, August 2006, Az. X ZR 115/04).

d)

Auf etwaige weitere Ausschreibungsfehler (insbesondere wegen unzureichender Planungsangaben und den fachlichen Fehler in Bezug auf die Fugendämmung) kann sich die Verfügungsklägerin hingegen nicht berufen, da entsprechend Ziffer 1 der Bewerbungsbedingungen (Bl. 73 d.A.) im Einklang mit § 17 VOB/A bei erkannten Fehlern grundsätzlich zunächst ein Klärungsversuch zu erfolgen hat. Der Bieter muss Erkundigungen einholen und versuchen, als notwendig erkannte Konkretisierungen durch eine Kontaktaufnahme zu erhalten (OLG Frankfurt Beschluss vom 23 Dezember 2005, Az.: 11 Verg 13/05; VK Schleswig Holstein, Beschluss 21.12.2005, VK-SH 29/05; VK Sachsen vom 7. Juli 2005, Az 1/SVK/061-05). Geschieht dies — wie vorliegend — nicht, muss der Bieter die versäumte Sachaufklärung gegen sich gelten lassen (zu § 17 V013/A: Weyand, a.a.O., Rn 4713).

e)

Soweit sich die Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung zusätzlich auf eine drohende Mängelrüge beruft, da die nicht zu den Ausschreibungsunterlagen gehörenden Berechnungsunterlagen der Verfügungsbeklagten zum Wärmedurchgangskoeffizienten (B1. 359 d.A.) abweichend von dem nach der EnEV einen einzuhaltenden Wert von 1,60 ansetzt, rechtfertigt dies keine Verfahrensunterbrechung. Diese Berechnung gehört nicht zum Vertragsgegenstand und begründet daher keine Anforderungen an die Mängelfreiheit. Eine Ungleichbehandlung der Bieter lässt sich nicht erkennen. Alle Bieter gehen mangels abweichender Angaben vom gesetzlichen Maximalwert Uw von 1,7 aus.

3.

Ob ein entsprechender Unterlassungsanspruch aus §§ 280 Abs.1, 311 Abs.2 BGB abgeleitet werden kann, kann offen bleiben. Die Beteiligung an einer erfolgten Ausschreibung begründet zwischen den Parteien ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis (VG Potsdam, NZBau 2006, 68 m.w.N., BGH, IBR 2007, 576), das mit der Einreichung eines Angebotes und dessen Prüfung bis zur Erteilung des Zuschlages (§ 28 VOB/A) an einen Auftragsbewerber fortdauert (Schleswig-Holsteinisches OLG, NZBau 2000, 207), aber eine weitergehendere Kontrolle der Ausschreibung kommt auch insoweit nicht in Betracht.

II.

Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten fehlt es auch nicht am Verfügungsgrund. Abgesehen davon, dass das Erfordernis eines irreparablen Schadens nur bei einer Vorwegnahme der Hauptsache mittels Leistungsverfügung verlangt wird, können diese strengen Anforderungen bei der streitgegenständlichen Unterlassungsverfügung nicht gestellt werden. Bei der hier begehrten Unterlassung handelt es sich in erster Linie um ein Sicherungsmittel. Mit der Verhinderung des Zuschlages zu einem mit gravierenden Fehlern behafteten Leistungsverzeichnis wird der bestehende Status Quo gesichert, ohne dass eine bestimmte Ausschreibung verlangt wird und werden kann.
Auch überwiegt vorliegend das "Aussetzungsinteresse" der Verfügungsklägerin gegenüber dem "Fortsetzungsinteresse der Verfügungsbeklagten". Nach den vorausgehenden Ausführungen hat die Verfügungsbeklagte in der gesamten Ausschreibung nicht ansatzweise
zu erkennen gegeben, dass sie die gesetzlichen Anforderungen – trotz entsprechender vorausgegangener Hinweise in anderen Ausschreibungen – an den Feuchte- und Wärmeschutz nach § 7 EnEV, DIN 4108 als nicht maßgeblich ansieht. Da sich bekanntermaßen besondere Anforderungen in besonders hochwertigen Materialien oder zusätzlichen Leistungen niederschlägt, ist die Vergleichbarkeit der Angebote bereits vom Ansatz her nicht mehr gewährleistet. Bereits das Problembewusstsein der Verfügungsbeklagten in Bezug auf diesen Punkt konnte die Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht feststellen. Das Interesse der Verfügungsbeklagten an der Einhaltung die Bedingungen der Fördermittelzusage tritt trotz der möglichen erheblichen finanziellen Auswirkungen – auch im Hinblick auf andere Gewerke- und dem ausgearbeiteten Zeitplan zurück. Die Verfügungsbeklagte wird durch die vorliegende Entscheidung im Übrigen nicht gezwungen, die Ausschreibung zu verändern oder neu auszuschreiben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO analog. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst.

Landgericht Frankfurt (Oder)
Urteil vom 14.11.2007
Az.: 13 O 360/07

Eigenverantwortliche Entscheidung der Vergabestelle notwendig

Die Verantwortung der Vergabestelle kann nicht zu 100 % auf externe Berater abgewälzt werden. Sie muss vielmehr die wesentlichen Entscheidungen des Vergabeverfahrens selbst treffen.

Entscheidung im Volltext: 

2. Vergabekammer des Landes Brandenburg

beim Ministerium für Wirtschaft

GWB § 97 Abs. 1, 2, 5; VOB/A § 7 Nr. 1, § 9 Nr. 3 Abs. 1, § 21 Nr. 1, 2, § 22 Nr. 3 Abs. 2, § 25 Nr. 1

1. Die Auftraggeberin kann im Vergabeverfahren eine Beratung durch Sachverständige in Anspruch nehmen. Sie darf aber nicht alle Entscheidungen in dem Verfahren an den Berater delegieren und ihre Mitwirkung an dem Verfahren auf das "Abnicken" beschränken. Sie muss die Angebote prüfen und über eigenverantwortlich mögliche Ausschlussgründe und den Zuschlag entscheiden.*)

2. Der Auftraggeberin obliegen auch Sorgfaltspflichten einerseits den Bietern gegenüber, andererseits der öffentlichen Hand oder denen, die auf seine Dienstleistung angewiesen sind, keine Alternative haben und deshalb die geforderten Preise zahlen müssen. Ihr obliegt die Durchführung eines ordentlichen Vergabeverfahrens, das vor allem sichern soll, dass die geforderte Leistung zu einem möglichst günstigen Preis erbracht wird.*)

3. Die Forderung der Wiederholung der Produktbezeichnung eines vorgegebenen Leitproduktes, wenn dieses angeboten wird, hat keinen Informationswert und sollte deshalb auch den Ausschluss eines solchen Angebotes nicht rechtfertigen. Der Grundsatz der Klarheit des Angebotes kann konterkariert werden, wenn die Auftraggeberin Erklärungen fordert, die überflüssig und für die Wertung des Angebotes nicht erforderlich sind.*)

4. Müssen zehn von elf Bietern aufgrund der an der BGH-Rechtsprechung orientierten, hohen formalen Anforderungen des Auftraggebers ausgeschlossen werden, so muss dem Auftraggeber ein Ermessen offen bleiben, den Auftrag an den letzten verbleibenden, bei Angebotseröffnung an achter Stelle liegenden Bieter zu vergeben oder im Hinblick auf die Anforderungen des § 97 Abs. 5 GWB und des Haushaltsrechts die Ausschreibung aufzuheben.*)

In dem Nachprüfungsverfahren betreffend das Vergabeverfahren "Sanierung der Aufbereitung im Wasserwerk …

Verfahrensbeteiligte: 

….

hat die 2. Vergabekammer auf die mündliche Verhandlung am 7. April 2006 durch den Vorsitzenden Ministerialrat Wolf, die hauptamtliche Beisitzerin Ministerialrätin Herrmann und den stellvertretenden ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Meyer beschlossen:

1. Die Antragstellerin ist in ihren Rechten verletzt worden. Die Entscheidung der Auftraggeberin über den Zuschlag an die Beigeladene wird aufgehoben.

2. Der Auftraggeberin wird aufgegeben, das Angebot der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu werten.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin.

4. Die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes war aufseiten der Antragstellerin erforderlich.

5. Der von der Antragstellerin eingezahlte Kostenvorschuss in Höhe von 2.500,00 EUR wird an sie zurückgezahlt.

 

Gründe

I.

Die Auftraggeberin hat u.a. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom … 2005 die Ausschreibung der "Sanierung der Aufbereitung im Wasserwerk … – aufgeteilt in vier Lose – im Wege eines Offenen Verfahrens bekannt gemacht. Der geschätzte Auftragswert des Bauvorhabens lag bei ca. X Mio. EUR. Von mehreren Unternehmen wurden die Verdingungsunterlagen abgefordert.

Die Ausschreibungsunterlagen einschließlich eines Bauablaufplanes mit den vorgesehenen Arbeitszeiten insgesamt und bezüglich der Teillose, waren von dem von der Auftraggeberin beauftragten Beratungsbüro C… erarbeitet und laut Schreiben der Auftraggeberin vom 26.10.2005 wegen Zeitmangels nur "stichprobenartig" durchgesehen und geprüft worden. Das Formular EVM (B) BwB/E 212 "Bewerbungsbedingungen" war den Verdingungsunterlagen beigefügt. Für die Lose waren neben den allgemeinen Teilnahmebedingungen – persönliche Lage des Wirtschaftsteilnehmers, wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit – jeweils als besondere Teilnahmebedingungen insbesondere zur technischen Leistungsfähigkeit unter III.2.3) gefordert.

"Los 2: Anlagentechnik: Lebenslauf Bauleiter (Ingenieur), Lebenslauf Montageleiter (Ingenieur), Lebenslauf Polier, Lebenslauf Obermonteur, Großer Eignungsnachweis (Schweißtechnik)/Schweißerzeugnisse, Führungspersonal spricht Projektsprache (Deutsch), Zulassung als Fachbetrieb gem. § 19 l WHG, Nachweise zur technischen Leitung oder Qualitätskontrolle, Nachweis Mitgliedschaften BG, Regionale Erfahrung in Brandenburg/Berlin, Spezifische Erfahrungen im Anlagenbau Trinkwasser unter laufenden Betriebsbedingungen, Spezifische Erfahrungen im Rohrleitungsbau Lüftungstechnik, Spezifische Erfahrungen mit Arbeiten in der Wasserschutzzone II, Anzahl der Kunden ähnlicher Projekte, Anzahl der vergleichbaren Projekte, Referenzschreiben von Kunden, DVGW-Bescheinigung W1, DVGW-Bescheinigung G1, Fachbetrieb nach § 19 (2) 2 WHG."

Im Leistungsverzeichnis (LV) zu Los 2 wurde in der Position 1.1.130 – Leitendes Ingenieur-Personal – eine Zeitangabe und ein Geldbetrag zu folgender Beschreibung gefordert:

"… Dabei darf sich seine Anwesenheit vor Ort nicht nur auf Stichproben beschränken, sondern er hat die Pflicht, die wichtigen Bauabschnitte von denen das Gelingen des Anlagenbaus abhängt, persönlich unmittelbar zu überwachen und sich während, sowie nach der Ausführung der Arbeiten von deren Ordnungsmäßigkeit zu überzeugen.

Der Ingenieur hat an mindestens drei Tagen der Kalenderwoche auf der Baustelle ganztägig anwesend zu sein. …"

In Position 1.1.140 – Leitender Obermonteur – wurde die Forderung eines Geldbetrages wie folgt umschrieben:

"ist ganztätig während der Baumaßnahmen vor Ort anwesend."

Im Übrigen waren im LV für eine große Zahl einzelner Positionen Produkte gefordert, für die ein Leitprodukt angegeben war, es aber den Bietern freigestellt wurde, gleichwertige Produkte anzubieten. Sowohl bei der Wahl des Leitproduktes wie bei dem Angebot eines gleichwertigen Produktes waren diese mit Hersteller- und Typ-Angabe zu bezeichnen. Neben dem in Preisen ausgedrückten Angebot forderte der Auftraggeber mit Formschreiben EVM(B) A EG 211 EG vom 21.11.2005 die Qualifikation durch entsprechende Nachweise zu belegen. Sie verlangte weiter ergänzende Erklärungen überwiegend auf Formblättern, u.a. zu den beteiligten Nachunternehmern, deren Qualifikation und für jeden eine Tariftreuevereinbarung. Im Formblatt 317 b war dazu gefordert, die eingeplanten Nachunternehmer bereits bei der Angebotsabgabe anzugeben. Den Verdingungsunterlagen lag auch ein Formular für einen Gewährleistungsvertrag bei, das nur für den Bieter Raum für eine Unterschrift vorsah und der mit der Auftragserteilung wirksam werden sollte. Außerdem war den Verdingungsunterlagen ein "Merkblatt zur Angebotsgestaltung und zum Verfahren" der Auftraggeberin beigefügt, in dem es heißt:

" 1. Es gelten die gesetzlichen zwingenden Ausschlussgründe … Danach sind Angebote auszuschließen, die nicht die geforderten Preisangaben und Erklärungen enthalten. Beispielhaft sind vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs … folgende Gründe zu nennen:

– …

– Fehlen von geforderten Angaben zu Parametern, die zur Kennzeichnung der angebotenen Leistung erforderlich sind, etwa geforderte Angaben zu Fabrikat, Hersteller und/oder Produkttyp.

2. Fehlen Nachweise, die nicht unter Zif. 1 fallen, also namentlich Eignungsnachweise …, ist die Eignung nicht nachgewiesen, sodass die Angebote unvollständig sind und, sofern sie nicht nach einer kurzen Nachforderungsfrist immer noch fehlen, ausgeschlossen werden. Satz 1 gilt nicht für solche Eignungsnachweise, deren Vorlage gemäß der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes zwingend innerhalb der Angebotsfrist gefordert war. …"

Fristgerecht reichten 23 Bieter ihre Angebote ein, die zum Submissionstermin am 20.12.2005 eröffnet wurden. Vertreter der Antragstellerin und der Beigeladenen waren dabei anwesend. Auf das Los 2 entfielen elf Angebote. Die Angebote weisen keine Kennzeichnungen auf, die nach der Öffnung erfolgen soll.

Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben jeweils ein Angebot nur auf das Los 2 – Anlagentechnik – ab. Danach lag das Angebot der Beigeladenen im Preis mit X.XXX.XXX,XX EUR an 5. Stelle, das der Antragstellerin mit X.XXX.XXX,XX EUR an 8. Stelle.

Die Angebote wurden von der C… ausgewertet. Dabei kam diese zu dem Ergebnis, dass nur zwei Angebote den Anforderungen der Verdingungsunterlagen entsprachen. Auch die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen waren danach bei der Abgabe unvollständig, jedoch in Bezug auf Angaben, die nachgefordert werden konnten und wurden.

Nachgefordert wurde von der Beigeladenen mit Schreiben vom 27.01.2006 die Erläuterung der Kalkulation wegen des Verdachts der Mischkalkulation zu diversen Positionen des LV sowie folgende Nachweise:

o eine DVGW-Bescheinigung W1, die auch von einem einzusetzenden Nachunternehmer erbracht werden konnte,

o die Erklärung, dass kein Insolvenzverfahren gegen den Bieter läuft und

o die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes.

Die Antragstellerin erläuterte ihre Kalkulation in den nachgefragten Positionen, u.a. zu Position 1.1.140 und reichte die nachgeforderten Informationen mit Schreiben vom 30.01.2006 fristgerecht nach. Die Beigeladene benannte einen zusätzlichen Nachunternehmer, die Firma T…, weil sie nach eigenen Angaben nicht über eine DVGW-Bescheinigung W 1 verfügte.

Bei der Antragstellerin wurde ebenfalls die Erläuterung diverser Angebotspositionen und die Übergabe von folgenden Nachweisen gefordert:

o die Zulassung als Fachbetrieb gem. § 19 l WHG,

o den Nachweis zur technischen Leitung oder Qualitätskontrolle,

o den Nachweis zur Mitgliedschaft in einer Berufsgenossenschaft,

o die DVGW-Bescheinigung W1 sowie

o einen Auszug aus dem Berufsregister.

In ihrem Schreiben vom 1.02.2006 erläuterte die Antragstellerin ihren Zeitansatz in der Position 1.1.140, erklärte, dass die geforderten Nachweise einschließlich einer DVGW-Bescheingung W 3 für einen ihrer Mitarbeiter bereits im Angebot vorlägen und fügte diese nochmals in Kopie bei. Die DVGW-Bescheinigung W 1 von den Firmen B… und L…, die jedoch nicht als Nachunternehmer im Angebot benannt waren, reichte sie nach.

Nur die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen wurden von der C… in den folgenden Stufen bewertet. In der 2. Wertungsstufe wurden die verbliebenen Bieter, die Beigeladene und die Antragstellerin, in Bezug auf Fachkunde und Leistungsfähigkeit verglichen und die Ergebnisse in einem undatierten Vermerk erläutert. In dieser Wertung wurden vor allem die Referenzprojekte insgesamt und zu den einzelnen Gewerken, die Erfahrungen in der Hauptstadtregion, die Umsätze, die Zahl der Mitarbeiter und die technische Ausrüstung des Betriebes berücksichtigt. Dabei erhielt die Beigeladene 311, die Antragstellerin u.a. wegen der fehlenden Referenzprojekte in der Hauptstadtregion, der fehlenden spezifischen Erfahrungen in den unterschiedlichen Gewerken, und der schlechteren Ausstattung mit Fachpersonal 250 von 410 möglichen Punkten. Das Bewertungsraster war den Bietern weder in der Vergabebekanntmachung noch in den Verdingungsunterlagen bekannt gemacht worden.

In der Position 1.1.130 unterscheiden sich die Angebote der Beigeladenen und der Antragstellerin erheblich. Das Angebot der Beigeladenen geht angesichts der klaren Zeitvorgaben im Leistungsverzeichnis von einer Anwesenheit des leitenden Ingenieur-Personals auf der Baustelle von 400 Stunden aus und nennt XX.XXX,XX EUR als Angebot, während die Antragstellerin von 1.248 Stunden ausgeht und die Position mit XX.XXX,XX EUR anbietet. Ähnlich ist der Unterschied bei der Position 1.1.140, die von der Beigeladenen mit XX.XXX,XX EUR auf der Basis von 600 Stunden Anwesenheit während der vorgegebenen Bauzeit für die Anlagentechnik vom 5.02.2007 – 25.05.2007 (16 Wochen) ausweislich ihres Schreibens vom 30.01.2006 angeboten wird, während die Antragstellerin, wie sie im Schreiben vom 1.02.2006 darlegt, von einer anderen Berechnung, nämlich einer Bauzeit von 14 Monaten bei 165 Arbeitsstunden/M, d.h. insgesamt von 2.310 Stunden Anwesenheit ausgeht und entsprechend die Position mit XXX.XXX,XX EUR anbietet. Die Antragstellerin benannte auf dem Formblatt 317 b nur einen Nachunternehmer und überreichte für diesen eine von beiden unterzeichnete Tariftreuevereinbarung, während die Beigeladene fünf Nachunternehmer benannte, jedoch nur für vier eine Tariftreuevereinbarung in Kopie beifügte. Für den Nachunternehmer S… lag die Tariftreuevereinbarung nicht vor. Außerdem war im Angebot der Antragstellerin das Formular für den Gewährleistungsvertrag rechtsverbindlich unterzeichnet, während die Beigeladene das Blankoformular zurück reichte. Daneben fehlten im Angebot der Beigeladenen die geforderte DVGW-Bescheinigung W 1 und im LV an verschiedenen Stellen die geforderten Hersteller-/Typ-Angaben.

Nach der Prüfung der angebotenen Preise ergab sich, dass das Angebot der Beigeladenen auch unter Berücksichtigung des von der Antragstellerin angebotenen 6%igen Abschlages deutlich – ca. 10 % – billiger war.

Unter dem Datum "Februar 2006" wurde ein "Bericht zur Angebotsprüfung und Vergabeempfehlung" von der C… erarbeitet und vorgelegt. In dem Bericht werden die Angebote mit Angebotssumme, Datum und Nebenangeboten genannt und jeweils pauschal das Ergebnis der Wertungsstufen 1 bis 4 dargestellt. Als Anlagen waren dem Bericht eine Tabelle "Ungeprüfte Angebotssummen", Positionsweiser Preisspiegel, die Tabelle "Geprüfte Angebotssummen" und die Tabelle "Übersicht geprüfte Angebotssummen" und Übersichten und Nachforderungsschreiben zu den Wertungsstufen 1 und 2 beigefügt. Weitere Verfahrensschritte oder Aufklärungsgespräche enthält der Bericht nicht. Im Ergebnis wird empfohlen, die Angebote von neun Bietern auf der ersten Wertungsstufe – überwiegend, aber nicht im Einzelnen erläutert, wegen fehlender Hersteller- oder Typenangaben – auszuschließen und dem preisgünstigsten Bieter, d. h. für das Los 2 dem Angebot der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen.

Nach einer Besprechung mit C… am 7.02.2006 bestätigte die Auftraggeberin mit Schreiben vom 8.02.2006 "…nach Prüfung der von Ihnen dargelegten Gründe …" den Ausschluss von neun der elf Bieter auf der 1. Wertungsstufe. Am 14.02.2006 wurde die Auswertung der weiter geprüften Angebote zu Losen 1 und 2 der Auftraggeberin gegenüber erläutert. Mit Schreiben vom 15.02.2006 wurde der C… mitgeteilt, dass die Auftraggeberin den Empfehlungen des Beraters folgen und die verbleibenden Bieter zu Los 2 – Beigeladene und Antragstellerin – zu einem Klärungsgespräch einladen werde. Die Einladung dazu wurde am gleichen Tag an die Bieter versandt. Darin wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Gespräch allein der Klärung des Angebotes, nicht aber für Nachverhandlungen dienen sollte.

Bei dem Gespräch der Auftraggeberin und der C… mit der Beigeladenen am 23.02.2006 wurden laut Protokoll der Beratungsfirma die Auskömmlichkeit der Preise, die Fähigkeit, den Bauablaufplan einzuhalten, der Ausschluss von Nachforderungen, die Hinterlegung der Urkalkulation, Rolle und Anwesenheit des verantwortlichen Bauleiters und Poliers, das grundsätzliche Verbot und die Vermeidung von Unregelmäßigkeiten, die Verbindlichkeit von Entscheidungen der Bauüberwachung durch die C…, die Koordinierung auf der Baustelle etc. erörtert und von der Beigeladenen bestätigt. Die Beigeladene legte darüber hinaus die Kalkulation und Durchführung einiger Positionen wie die Abrede eines Gewährleistungsvertrages bis zur Bauablaufberatung, die "saubere" Verarbeitung des Edelstahls, die Anerkennung der geprüften Angebotssumme als Auftragswert und dessen Auskömmlichkeit sowie einer größeren Zahl von Einzelpositionen dar und erklärte sie zur Zufriedenheit der Auftraggeberin.

Im Klärungsgespräch mit der Antragstellerin am gleichen Tage wurden laut Protokoll der C… im Wesentlichen die gleichen Punkte von der Auftraggeberin angesprochen. Weiter wurden auch von der Antragstellerin einzelne Positionen des LV dargelegt und zur Zufriedenheit der Auftraggeberin erklärt: die Ausführung der Edelstahlarbeiten, die Prüfung der Zulieferteile, Umfang und Auskömmlichkeit der Baustelleneinrichtung und der Werkstatt und Montageplanung etc.

Am 27.02.2006 wurde die Vergabekommission bei der Auftraggeberin, die mit deren Mitarbeitern besetzt war, über das Vergabeverfahren informiert. Die Empfehlungen der C… wurden ausweislich eines kurzen Protokolls beraten und es wurde entschieden, der Beigeladenen den Zuschlag beim Los 2 zum nachgerechneten Gesamtpreis von X.XXX.XXX,XX EUR brutto zu erteilen.

Am 27.02.2006 wurde von der Auftraggeberin zunächst ein unrichtiges, am 28.02.2006 dann das richtige Informationsschreiben nach § 13 VgV versandt und der Antragstellerin mitgeteilt, dass der Zuschlag nicht auf ihr Angebot, sondern das preislich günstigere der Beigeladenen erfolgen werde. Ihre Nebenangebote seien nicht gewertet worden, weil diese ausweislich der Vergabebekanntmachung nicht zugelassen worden seien.

Diese Entscheidung hat die Antragstellerin zunächst mit Fax vom 7.03.2006 gerügt und anschließend die Nachprüfung beantragt, nachdem die Verfahrensbevollmächtigte der Auftraggeberin die Rüge zurückgewiesen hatte.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Beigeladene zwingend auszuschließen sei, weil sie nicht über die für die ausgeschriebenen Arbeiten erforderliche und geforderte fachliche und technische Leistungsfähigkeit und Erfahrungen mit vergleichbaren Projekten, insbesondere nicht bei Trinkwasseranlagenbau verfüge. Ihr fehlten Erfahrungen bei der Montage von Edelstahlrohrleitungen und Edelstahltrinkwasserbauteilen, die bei dem ausgeschriebenen Vorhaben den großen Teil der Leistung ausmachten. Der von der Beigeladenen vorgesehene Bauleiter sei, gemessen an den Anforderungen, nicht hinreichend qualifiziert. Außerdem fehlten unter dem Gewährleistungsvertrag die für die Wirksamkeit notwendigen Unterschriften, sodass das Angebot unvollständig sei. Die Beigeladene habe auch nicht die Verfügbarkeit der von ihr vorgesehenen Nachunternehmer nachgewiesen. Auch die Angebote in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 – Entgelt für Bauleiter und Obermonteur – entsprächen nicht den Anforderungen, weil die Geldforderungen nicht der objektiv erforderlichen Arbeitszeit entsprächen, sondern von einem sehr viel geringeren zeitlichen Einsatz ausgingen. In Bezug auf die Facharbeiter würden trotz der geforderten Tariftreue-Erklärung unter dem regionalen Tariflohn liegende Löhne angeboten. Sollte die Tariftreue-Erklärung selbst nicht abgegeben worden sein, müsse das Angebot der Beigeladenen auch aus diesem Grunde ausgeschlossen werden. Wären die Löhne und Zeiten den Anforderungen entsprechend berechnet, müsste das Angebot der Beigeladenen teurer sein als das der Antragstellerin und mithin der Zuschlag auf ihr Angebot erfolgen, weil der Preis ausweislich der Vergabebekanntmachung das einzige Zuschlagskriterium sei. Ihre Rüge sei unverzüglich nach dem Einholen von Informationen über die Beigeladene an die Auftraggeberin gerichtet worden.

Nach der Akteneinsicht hat die Antragstellerin ihren Vortrag dadurch ergänzt, dass die Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht eigenverantwortlich geführt, sondern die Entscheidungen über Ausschlüsse der anderen Bieter und den Zuschlag allein der C… überlassen und diese nur "abgenickt" habe. 

Die Antragstellerin beantragt nunmehr in der mündlichen Verhandlung,

1. die Auftraggeberin anzuweisen, die Wertung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,

2. hilfsweise, die Auftraggeberin anzuweisen, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen,

3. weiter hilfsweise, die Aufhebung des Vergabeverfahrens anzuordnen,

4. der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen,

5. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war. 

Die Auftraggeberin beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

2. die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen,

3. die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes auch durch die Auftraggeberin für notwendig zu erklären. 

Der Nachprüfungsantrag sei nicht zulässig, weil die Vergabeentscheidung nicht unverzüglich gerügt worden sei. Die Antragstellerin habe eine Woche verstreichen lassen, obwohl ihr die Beigeladene bekannt gewesen sei.

Der Antrag sei aber auch unbegründet, weil die Beigeladene die in der Ausschreibung definierten Anforderungen an die fachliche und technische Leistungsfähigkeit nach einer strengen Prüfung ihres Angebotes erfülle. Dabei sei wesentlich, ob und inwieweit die vorgelegten Nachweise die Prognose erlaubten, dass der Bieter auf der Grundlage der definierten Mindestanforderungen die ausgeschriebenen Leistungen vertragsgerecht erbringen könne. Sowohl für das Unternehmen wie für den Fachbauleiter sei die Qualifikation hinreichend dargetan worden. Die Unterschrift unter den Gewährleistungsvertrag sei nicht mit dem Angebot erforderlich gewesen. Das Vertragsformular müsse erst nach Auftragserteilung unterschrieben werden. Den Nachweis der Verfügbarkeit der Nachunternehmer habe die Beigeladene im erforderlichen Umfang durch entsprechende Leistungsnachweise und Erklärungen der ausgewählten Nachunternehmer erbracht. Auch in einer von den Modellrechnungen der Antragstellerin abweichenden Kalkulation des Angebotes in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 liege kein Verstoß gegen die Vorgabe des LV, soweit die Vorgaben daraus eingehalten werden könnten. Allenfalls stelle sich die Frage des angemessenen Preises. Dieser sei allerdings nicht an den Einzelpositionen, sondern nur anhand des Gesamtpreises zu bewerten. Nachdem ursprünglich drei billigere Angebote vorgelegen hätten, habe es keinen Anlass zur Prüfung der Angemessenheit des Angebotes der Beigeladenen gegeben.

Auf Nachfrage der Vergabekammer hat die Auftraggeberin ergänzend darauf hingewiesen, dass die Auftraggeberin auch Herrin des Vergabeverfahrens gewesen sei und die Schritte des Verfahrens eigenverantwortlich im ständigen Dialog mit dem Beratungsbüro gesteuert und dessen Empfehlungen sorgfältig geprüft und beschieden habe. Schließlich habe eine Vergabekommission über den Zuschlag entschieden. Auch seien die Anforderungen in den Pos. 1.1.130 und 1.1.140 eindeutig gewesen. Ausweislich des Bauplanes fänden für die Arbeiten vor Ort bei Los 2 nicht an 324, sondern nur an 147 Tagen statt, davon seien 31 der Lieferphase zuzuordnen. Einen Beurteilungsspielraum für die Bieter habe es insoweit nicht gegeben. Etwaige Unklarheiten, die offensichtlich nur die Antragstellerin gehabt habe, hätten durch eine Bieteranfrage geklärt werden müssen. Im Klärungsgespräch sei nur die Beigeladene zu ihrer Kalkulation zu diesen Positionen befragt worden. Auch das Angebot einer geringeren Anwesenheit wäre kein Verstoß gegen das Leistungsverzeichnis, wenn die geforderten Zeiten in anderen Positionen verrechnet worden seien. Fehlende Hersteller- bzw. Typangaben im Angebot der Beigeladenen seien unbeachtlich, weil die angebotenen Produkte insbesondere durch die im Angebot an anderer Stelle befindlichen Nachweise zur Gleichwertigkeit identifizierbar gewesen seien. Im Angebot der Beigeladenen fehlten auch keine Unterschriften, weil die rechtsverbindliche Unterzeichnung nur auf dem Formblatt EVM 213 mit Wirkung für alle Erklärungen im Angebot erforderlich gewesen und rechtsverbindlich für die Beigeladene geleistet worden sei. Schließlich sei auch der nachgereichte Nachweis der DVGW-Bescheinigung W 1 durch die Benennung eines Nachunternehmers, der die Arbeiten verantwortlich beaufsichtigen solle, unbedenklich. Dabei handele es sich auch nicht um einen Nachunternehmer, der auf dem Formblatt 317 b hätte benannt werden müssen, weil dieser keine spezifizierbaren Arbeiten durchführen, sondern nur beaufsichtigen solle. Im Übrigen sei die Vorlage einer DVGW-Bescheinigung W 1 aus technischen Gründen von vornherein nicht erforderlich gewesen. Schließlich habe auch die Antragstellerin nicht die W1-Bescheinigung im Angebot vorgelegt, sodass auch deren Angebot hätte ausgeschlossen werden müssen.

Durch Beschluss vom 16.03.2006 ist das von der Auftraggeberin begünstigte Unternehmen zum Nachprüfungsverfahren beigeladen worden. Die Beigeladene hat sich in der Sache nicht geäußert und an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen. Mit Schreiben vom 3.04.2006 hat sie ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Die Antragstellerin hat Einsicht in die Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer übergeben worden sind jedoch mit Ausnahme der Angebote der Mitbieter, erhalten.

In der mündlichen Verhandlung hat das Mitglied des Vorstandes der Antragstellerin, Herr …, auf Befragen der Vergabekammer erklärt, die im Rügeschreiben und der Antragsschrift bezeichneten detaillierten Angaben über das Angebot der Beigeladenen habe er aus Andeutungen der Auftraggeberseite beim Klärungsgespräch am 23.02.2006 entnommen. Angebote anderer Bieter des Vergabeverfahrens seien ihm unbekannt.

Auf die Vergabeakten sowie die Schriftsätze der Beteiligten wird Bezug genommen.

II.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

1.1. Die Auftraggeberin ist zwar eine privatrechtliche Gesellschaft, aber als Wasserversorgungsunternehmen öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 4 GWB. Der geschätzte Auftragswert für die Sanierung des Wasserwerkes … liegt über den Schwellenwerten des § 2 VgV.

1.2. Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt, denn sie macht eine Verletzung ihrer Rechte als Bieter im Vergabeverfahren zur öffentlichen Ausschreibung der Sanierung des Wasserwerkes … geltend, nachdem der Zuschlag, um den sie sich beworben hatte, nicht an sie, sondern auf ein nach ihrer Auffassung zwingend auszuschließendes Angebot der Beigeladenen erfolgen soll. Ihr droht durch die Vergabeentscheidung der Auftraggeberin ein Schaden im Umfang des Auftragswertes.

1.3. Der angenommene Verstoß gegen das Vergaberecht wurde von der Antragstellerin nach Einholung von Informationen über die Beigeladene unverzüglich, wenn auch erst eine Woche nach dem Eingang des Informationsschreibens über die Absichten der Auftraggeberin gerügt.

Das Gesetz für die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens verlangt eine unverzügliche Rüge, um nicht die Vergabe öffentlicher Aufträge willkürlich aufzuhalten. Die Rechtsprechung anerkennt Rügen bis zu 14 Tagen nach der Informationsmitteilung unter besonderen Umständen noch als unverzüglich, selbst wenn in der Regel der Begriff enger ausgelegt wird und bei einfachen Sachverhalten dafür sogar nur ein bis drei Tage zugebilligt werden (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2005 – Verg W 11/04). Diese kurze Frist beginnt aber erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der Bieter über alle Informationen verfügt, die für die Entscheidung über den Nachprüfungsantrag aus dessen Sicht objektiv erforderlich sind. Eine kurze Frist kann dann angemessen sein, wenn die Rüge auf Umstände gestützt wird, die in der Person des Antragstellers liegen, etwa der Rüge wegen eines ungerechtfertigten Ausschlusses, oder wenn die erforderlichen Informationen jedermann, etwa über das Internet verfügbar sind (vgl. VK Berlin, Beschluss vom 9.02.2006 – VK-B1-02/06). Anders liegt der Fall jedoch, wenn die Rüge auf Umstände gestützt werden muss, die dem Antragsteller nicht eindeutig bekannt sind. Hier muss ihm Zeit bleiben, erforderliche Informationen ggf. zu ermitteln und Chancen und Risiken einer Nachprüfung zu bewerten.

Im vorliegenden Fall stützt die Antragstellerin ihren Antrag auf Umstände der technischen und fachlichen Leistungsfähigkeit der Beigeladenen. Zunächst ergab sich aus dem Informationsschreiben kein Hinweis auf die Angreifbarkeit der Vergabeentscheidung. Dass das Angebot der Beigeladenen unter dem der Antragstellerin lag, konnte ihr zwar seit der Angebotseröffnung bekannt sein; dass das Angebot der Beigeladenen und keines der niedrigeren Angebote aber bis zur letzten Wertungsstufe und für den Zuschlag berücksichtigt wurde, war ihr vermutlich nicht bekannt. Erst als sie dies erfuhr, gab es Veranlassung die Vergabeentscheidung infrage zu stellen mit Argumenten, die nur in der Person der Beigeladenen liegen konnten. Denn der Verlauf des Vergabeverfahrens war der Antragstellerin nicht bekannt. Zur Klärung der Gründe und der Erfolgsaussichten einer Rüge bzw. eines Nachprüfungsverfahrens muss ihr aber eine gewisse Zeit eingeräumt werden, selbst wenn die Antragstellerin in früheren Jahren mit der Beigeladenen unter anderem Namen und in anderem Zusammenhang Verbindung hatte. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie von der Vergabeentscheidung bereits am 28.02. oder erst am 1.03.2006 Kenntnis erlangte. – Wenig überzeugend ist allerdings ihr Vorgehen bei der Ermittlung der Beigeladenen über eine Internet-Recherche bei Google. Hier hätte eine richtige Frage, worauf die Auftraggeberin zurecht hinweist, schnell einen Hinweis auf die Beigeladene erbracht. Allein damit hätte die Antragstellerin aber keine Basis für ihre Entscheidung über eine Rüge gehabt.

Richtig ist dagegen der Hinweis der Auftraggeberin, dass die Rüge eher vage war und pauschale Behauptungen enthielt. Diese Unsicherheit auch gegen Ende der legitimen Rügefrist – auch im Hinblick auf den Ablauf der Zuschlagsfrist des § 13 VgV – macht eher deutlich, wie schwach die Stellung eines Bieters ist, wenn er sich nicht auf Umstände berufen kann, die sein eigenes Angebot betreffen, wie etwa im Falle eines Ausschlusses. Diese strukturell schwache Ausgangsposition darf nicht zu einer Einschränkung seiner Rechte führen.

2. Der Antrag ist auch insoweit begründet, als die Voraussetzung dafür, nämlich die Rechtswidrigkeit der getroffenen Vergabeentscheidung festgestellt und diese aufgehoben wird.

Denn die Auftraggeberin hat den Grundsatz der Transparenz des Vergabeverfahrens und der Gleichbehandlung der Bieter verletzt, § 97 Abs. 1 und 2 GWB. Auch das Angebot der Beigeladenen hätte zwingend ausgeschlossen werden müssen.

2.1. Die Vergabeentscheidung der Auftraggeberin kann keinen Bestand haben, weil das Vergabeverfahren nicht mit der erforderlichen Transparenz und Sorgfalt durchgeführt worden ist.

2.1.1. Die Auftraggeberin verstößt gegen ihre Sorgfaltspflichten gegenüber den Bietern, wenn sie es de facto dem Berater überlässt zu entscheiden, wem der Zuschlag erteilt werden soll, § 7 Nr.1 letzter Halbsatz VOB/A.

Zwar kann sich die Auftraggeberin auch im Vergabeverfahren eine Beratung durch Sachverständige in Anspruch nehmen. Sie darf aber nicht alle Entscheidungen in dem Verfahren an den Berater delegieren und ihre Mitwirkung an dem Verfahren auf das "Abnicken" beschränken. Sie muss eigenverantwortlich das Vergabeverfahren durchführen, also auch die Angebote prüfen und eigenverantwortlich über mögliche Ausschlussgründe und den Zuschlag entscheiden.

Die – möglicherweise unvollständig übergebene, jedenfalls zu der eigenverantwortlichen Verfahrensführung der Auftraggeberin wenig aussagekräftige – Vergabeakte lässt nicht erkennen, dass sich die Auftraggeberin mit der gebotenen Sorgfalt mit den Angeboten beschäftigt, sie bewertet und aufgrund dieser Kenntnis eine Entscheidung über den Zuschlag getroffen hat. So hat ausweislich der Vergabeakte allein die C… über den Ausschluss von neun der elf Bieter entschieden und die Wertung nur noch mit der Antragstellerin und der Beigeladenen fortgeführt. Denn diese Entscheidung war schon getroffen und wurde am 27.01.2006 durch die Nachfrage bei nur zwei Bietern umgesetzt bevor sie die Auftraggeberin über ihr Ergebnis der ersten Wertungsstufe am 7.02.2006 informierte. Die Auftraggeberin hat auch nach der Unterrichtung über das Gesamtergebnis der Wertung der sehr umfangreichen Angebote zu den Losen 1 und 2 den Empfehlungen C… zugestimmt ohne sich die Angebote im Einzelnen anzusehen. Denn auch sie hätte, wie die Vergabekammer, die fehlenden Angaben und Unterlagen im Angebot der Beigeladenen feststellen können und müssen, um sich dann eine Meinung über den Umgang damit zu bilden und dies zu dokumentieren.

Soweit die Auftraggeberin auf Nachfrage der Vergabekammer nachträglich diverse Protokolle und Notizen überreicht hat, die sich auf die Planung der Durchführung der auszuschreibenden Arbeiten beziehen, können diese nicht als Beweis für die führende Beschäftigung mit dem Vergabeverfahren angesehen werden, sondern als notwendige technische Abstimmungen zur Durchführung des Bauvorhabens. – Interessant und als Hinweis auf ihren guten Willen kann allein das Schreiben der Auftraggeberin vom 26.10.2005 angesehen werden, in dem sie mitteilt, dass sie anstelle der vorgesehenen 14 Tage wegen des Zeitablaufs die Verdingungsunterlagen nur "stichprobenartig durchsehen bzw. prüfen" kann. Geht man von diesem geplanten Zeitaufwand für die Prüfung der Verdingungsunterlagen aus, so erscheint es naheliegend, dass die Auftraggeberin nicht an einem Tag elf umfangreiche Angebote mit der gebotenen Sorgfalt prüfen und (nach-)bewerten konnte, um eine fundierte Entscheidung über Ausschlussgründe und den Zuschlag zu treffen.

2.1.2. Der Auftraggeberin obliegen auch Sorgfaltspflichten einerseits den Bietern gegenüber, andererseits dem Zahler der Rechnungen, sei es der öffentlichen Hand oder denen, die auf seine Dienstleistung angewiesen sind, keine Alternative haben und deshalb die geforderten Preise zahlen müssen, bzw. den Fördermittelgebern gegenüber. Ihr obliegt die Durchführung eines ordentlichen Vergabeverfahrens, das sichern soll, dass die geforderte Leistung zu einem möglichst günstigen Preis erbracht wird.

Dazu kann es erforderlich sein, eingehend zu prüfen, ob die Empfehlung, neun von elf Angeboten auszuschließen und dem zunächst an fünfter Stelle liegenden Bieter den Zuschlag zu erteilen, wirklich sachgerecht ist. Ebenso kann es geboten sein, mit Bietern ein Aufklärungsgespräch gem. § 24 VOB/A zu führen, wenn erkennbar ist, dass der Bieter bei der Kalkulation seines Angebotes von einem falschen Verständnis der Anforderungen ausgegangen ist.

Die Auftraggeberin verkennt ihre Mitwirkungspflicht an einem transparenten Vergabeverfahren, wenn sie vor diesem Submissionsergebnis ihre Untätigkeit damit rechtfertigt, dass im Falle einer Unklarheit die Bieter hätten nachfragen müssen, was gemeint war. Das konnten die Bieter nicht, solange jeder Bieter von einem aufgrund der Unterlagen plausiblen, scheinbar klaren Verständnis der Anforderungen ausgegangen ist. Nur die Auftraggeberin konnte erkennen, dass die Positionen ganz unterschiedlich interpretiert worden sind. Die Auftraggeberin durfte sich auch nicht darauf beschränken, nur bei der Beigeladenen den Kalkulationsansatz zur Position 1.1.140 nachzufragen, den im Lichte seiner nachträglichen Erklärung aber völlig überzogenen Ansatz der Antragstellerin in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 des LV einfach akzeptieren. Sie hätte vielmehr nachfragen müssen, warum in dieser Position das Angebot der Antragstellerin weit aus dem Rahmen der übrigen Angebote fällt. Denn Grundlage der Angebotssumme konnte im Gegensatz zur Auffassung des Auftraggebers nicht allein eine in der Disposition des Bieters stehende Kalkulation sein – diese beschränkte sich zumindest in der Position 1.1.140 auf den Lohn-Faktor -, sondern das richtige Verständnis des Angebotes.

2.1.3. Die Auftraggeberin hat auch mit der unzulänglichen Dokumentation des Vergabeverfahrens die Rechte der Antragstellerin beschnitten. Zu einem transparenten Vergabeverfahren gehört auch die umfassende Dokumentation des Verfahrens.

Dazu zählen laut den vom BMI veröffentlichten "Unterlagen für die Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen" – UfAB – beispielweise folgende Informationen:

– Festlegung der Vergabeart,

– Verdingungsunterlagen ggf. Bewertungsmatrix für die Leistungen,

– Namen und Anschriften der Bieter,

– Jeglicher Kontakt zu den Bewerbern,

– Niederschrift der Angebotseröffnung,

– Ergebnis der Angebotsprüfung,

– Begründung der Zuschlagserteilung,

– Dokumentation der Prüfung und Wertung der Angebote,

– Erstellen eines Vergabevermerks nach Zuschlagserteilung.

Diese hier genannten auch im Grundsatz für andere Ausschreibungen erforderlichen Informationen und Dokumente sind in der Vergabekammer übergebenen Vergabeakte nicht umfassend enthalten.

Die Angebote der Bieter waren auch nicht besonders gekennzeichnet oder zusammengeheftet, um nachträgliche Änderungen der Angebote zu verhindern, § 22 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A. Es fehlen trotz mehrfacher Nachfrage der Vergabekammer die Dokumentation der eigenverantwortlichen Prüfung und Wertung der Angebote, die Begründung der Zuschlagserteilung und der Vergabevermerk § 30 VOB/A, der das gesamte Vergabeverfahren nachvollziehbar dokumentieren soll.

Diesen Anforderungen wird der auf den Februar 2006 datierte, von der C… erarbeitete "Bericht über die Wertung der Angebote" nicht gerecht. Zwar werden darin die Angebote summarisch beschrieben und zu den unterschiedlichen Wertungsstufen bewertet. Es werden aber nur Ergebnisse vermerkt und die Angebote nicht so aufbereitet, dass sich die Auftraggeberin ein eigenes Bild davon machen und die genauen Gründe der Entscheidungen nachvollziehen konnte. Nur selten sind Entscheidungen eindeutig. Aus der Vergabeakte müssen auch die Erwägungen der Auftraggeberin nachvollziehbar werden.

2.2. Die gebotene Transparenz und Gleichbehandlung der Bieter kann nur gewährleistet werden, wenn die Leistungsverzeichnisse den Anforderungen der §§ 9 ff. VOB/A gerecht werden und daher nicht zu unklaren Angeboten führen, die nach den immer formaleren Kriterien der Rechtsprechung ausgeschlossen werden müssen.

Um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, sind alle sie beeinflussenden Umstände festzustellen, § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A. In mindestens zwei Positionen ist der Auftraggeberin bzw. das von ihr beauftragte Beratungsbüro C… diesen Anforderungen nicht gerecht geworden.

2.2.1. Bei der Position 1.1.130 wird gefordert, dass der leitende Ingenieur "an mindestens drei Tagen der Kalenderwoche auf der Baustelle ganztätig anwesend ist". Die Bieter sollten den "geschätzten Zeitaufwand auf der Baustelle (über die gesamte Bauzeit)" angeben. In Position 1.1.140 sollte ein Geldbetrag für die durchgängige Anwesenheit des Obermonteurs geboten werden.

Beide Positionen setzen eine Vorstellung des Auftraggebers über die entsprechende Bauzeit voraus, die aber nicht direkt, sondern nur mittelbar in einem an die Bieter verteilten Bauplan festgelegt worden ist. Als Beginn und Ende der Auftragsausführung war in der Vergabebekanntmachung unter II.3 LOS-Nr. 2 Zif. 4) der Zeitraum vom 14.02.2006 bis zum 14.09.2007 angegeben, d.h. 19 Monate. Ausweislich des den Bietern überlassenen Bauzeitenplanes, Zeile 122 war für das Los 2 eine Bauzeit von 324 Tagen in der Zeit vom 1.03.2006 bis zum 28.05.2007 vorgesehen. Die Bauphase wird dann unterteilt in vier Blöcke – Lieferung der Anlagentechnik (31 Tage), Stahlbau (feuerverzinkt) (60Tage), Edelstahlverrohrung Filter 1 – 6 (40 Tage) und sonstige anlagentechnische Arbeiten (16 Tage). Welche genaue Zeit aber für die Kalkulation der Positionen 1.1.130 und 1.1.140 zugrunde zu legen war, bleibt unklar. Während die Beigeladene von der reinen Bauzeit auf der Baustelle ausgegangen ist, die von der Auftraggeberin mit 147 Tagen benannt worden ist, hat die Antragstellerin offenbar die gesamte in Zeile 122 genannte 324 zugrunde gelegt. Beides ist von der Auftraggeberin akzeptiert worden.

Obwohl bei der Auswertung der Angebote offenbar erkannt wurde, dass es in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 Unstimmigkeiten gab, zu denen die nicht ausgeschlossenen Bieter von dem Beratungsbüro mit Schreiben vom 27.01.2006 befragt wurden und wozu diese dann Stellung genommen haben, war auch das für die beratende C… oder die Auftraggeberin kein Anlass für ein klärendes Gespräch mit den Bietern, wie es § 24 Nr. 1 VOB/A nahegelegen hätte, über die zeitlichen Anforderungen zur Anwesenheit der leitenden Mitarbeiter auf der Baustelle, um mindestens die Vergleichbarkeit der Angebote herzustellen.

2.2.2. Vergleichbar unklar sind die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses formuliert, bei denen ein Leitprodukt vorgeschlagen und den Bietern die Option eröffnet wird, ein gleichartiges Produkt anzubieten. Offenbar wurden neun von elf Bietern zu Los 2 ausgeschlossen, weil sie in einzelnen Positionen die Angaben nicht gemacht, möglicherweise auch die Bezeichnung des Leitproduktes nicht vollständig wiederholt hatten. – Die Gründe für die Ausschlüsse können allerdings dahinstehen, weil von den Bietern keine Rügen geltend gemacht bzw. Nachprüfungsverfahren eingeleitet worden sind.

Anstatt auf die Wiederholung des Leitproduktes zu verzichten und – wie im Klärungsgespräch – davon auszugehen, dass fehlende Produktangaben als Angebot des Leitproduktes zu verstehen sind, also nur beim Angebot eines gleichwertigen Produktes die Nennung von Hersteller oder Fabrikat und Typ zu verlangen, sollten scheinbar in das Leistungsverzeichnis, wo immer gefordert, Hersteller oder Fabrikat und Typ eingetragen werden, auch wenn nur die im Leistungsverzeichnis als Leitprodukt genannten Produkte angeboten werden sollen. Hier hat die Forderung der Wiederholung der Produktbezeichnung keinen Informationswert und sollte deshalb auch den Ausschluss eines solchen Angebotes nicht rechtfertigen. Der Grundsatz der Klarheit des Angebotes kann konterkariert werden, wenn die Auftraggeberin Erklärungen fordert, die überflüssig und für die Wertung des Angebotes nicht erforderlich sind. So verhält es sich, wenn lediglich Angaben wiederholt werden sollen, obwohl die Absicht des Bieters eigentlich klar ist und ausweislich des Merkblattes der Auftraggeberin nachdrücklich der zwingende Ausschluss beim Fehlen dieser Angaben angedroht wird.

2.3. Das Angebot der Beigeladenen hätte zudem zwingend ausgeschlossen werden müssen, weil es auch aus anderen Gründen unvollständig war und trotz der Nachforderungen der C… geblieben ist.

Ein Zwang zum Ausschluss eines Angebotes besteht nach §§ 25 Nr. 1 i.V.m. 21 Nr. 1 und 2 VOB/A immer dann, wenn das Angebot nicht die geforderten Erklärungen enthält, jedenfalls nicht die Erklärungen, die für die inhaltliche Wertung des Angebotes von Bedeutung sind (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 10.03.2006 – 1(6)Verg 13/05). Damit wird der Auftraggeberin ein großer Spielraum eingeräumt zu definieren, welche Erklärungen der Bieter fordern will. Maßstab dafür sollte sein, welche Erklärungen erforderlich sind, um eindeutige vergleichbare Angebote zu erhalten. Die Auftraggeberin entscheidet darüber, was angeboten werden soll und in welchem Umfang sie Alternativen zu ihren Vorstellungen akzeptiert.

2.3.1. Das Angebot der Beigeladenen war unvollständig, weil der von der Auftraggeberin geforderte Gewährleistungsvertrag nicht rechtsverbindlich unterschrieben war.

Zwar hat die Auftraggeberin erklärt, dass diese Unterschrift nicht erforderlich war, weil die Beigeladene sich durch Ihre Unterschrift auf dem Angebotsschreiben Formblatt 213 für alle später abgegebenen Erklärungen, so auch zur Bereitschaft zum Abschluss des Gewährleistungsvertrages im Auftragsfall, verpflichtet hatte.

Das mag so sein, entbindet den Bieter aber nicht davon, auch an anderer Stelle, wenn dies in den Verdingungsunterlagen vorgesehen ist, rechtsverbindlich besondere Erklärungen zu unterschreiben. Dass im Falle des Gewährleistungsvertrages vom Bieter eine rechtsverbindliche Unterschrift gefordert wurde, ergibt sich auch aus dem Umstand, worauf die Antragstellerin zu Recht hinweist, dass nur die Unterschrift des Bieters unter dem Vertragstext vorgesehen war, weil dieses Papier als verpflichtendes Angebot zum Abschluss des Gewährleistungsvertrages anzusehen war, der unmittelbar mit der Auftragserteilung und ohne weitere Verhandlungen in Kraft treten sollte.

2.3.2. Das Angebot der Beigeladenen war auch unvollständig, weil die von der Auftraggeberin geforderten Vereinbarungen mit den Nachunternehmern zur Tariftreue – Anlage EVM Erg Ang Tarif NU 251.2 – nicht von allen Nachunternehmern unterschrieben vorgelegt wurden.

Die Auftraggeberin hat aus besonderem Grund von den Bietern verlangt, die Nachunternehmen, die er zur Erfüllung des Auftrages einsetzen wollte und ihre Arbeiten zu benennen. Er hat von den Bietern auch verlangt, sich der Tariftreue der Nachunternehmer durch eine entsprechende Vereinbarung zu versichern. Die Vereinbarung der Tariftreue zwischen Bieter und Nachunternehmer stellt eine wesentliche Voraussetzung dafür dar, den Bieter mit seinen Nachunternehmern für den Zuschlag auszuwählen. Es wäre im Interesse der Auftraggeberin wenig förderlich, wenn er den Zuschlag einem Bieter erteilen würde, dem es nicht gelingt, die Tariftreue seiner Nachunternehmer im Nachhinein sicherzustellen, und dem daraufhin der Zuschlag wieder entzogen werden müsste.

Mit der von der Beigeladenen als Nachunternehmer benannten Firma S… liegt eine solche Erklärung in den Vergabeakten nicht vor und ist auch nicht nachgeliefert worden.

2.3.3. Im Blankett fehlen an verschiedenen Stellen die – vielleicht unnötig – geforderten Hersteller- oder Typangaben – vgl. Positionen 2.1.150, 2.1.190, 3.1.350, 3.3.180, 3.7.20, 3.7.40, 4.4.10, 4.4.70, 4.5.10, 4.5.20.

Nach ihrem Merkblatt, das die Auftraggeberin unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH entwickelt hat, waren Angebote dann zwingend auszuschließen, wenn Hersteller- oder Typ-Angaben fehlten. Zwar kann die Vergabekammer dieser sehr formalistischen Auslegung der Rechtsprechung nicht folgen, weil die Anwendung der §§ 21 Nr. 1, 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A sich nicht in einer schematischen "Vollständigkeitskontrolle" der Angebote erschöpfen kann (vgl. OLG Schleswig, a.a.O.), sondern auf die Erheblichkeit der fehlenden Angaben für das Verständnis des Gesamtangebotes achten und ggf. Unklarheiten im Interesse des wirtschaftlichen Ergebnisses der Ausschreibung gem. § 97 Abs. 5 GWB achten sollte. Die Auftraggeberin kann nicht ohne Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einmal beim Fehlen von Hersteller- und/oder Typ-Angabe Angebote ausschließen, bei anderen Angeboten aber die fehlenden Erklärungen durch die eigene – wahrscheinlich sogar richtige – Deutung ersetzen. Sie darf aber nicht "mit zweierlei Maß" die unbestritten auch im Angebot der Beigeladenen fehlenden Hersteller- und Typ-Angaben werten. Erläuterungen zu dem Umgang mit fehlenden Hersteller- und Typ-Angaben waren der Vergabeakte nicht zu entnehmen.

Dazu hat die Auftraggeberin allerdings nunmehr erklärt, dass an diesen Stellen die geforderten Angaben nicht wirklich erforderlich gewesen seien, um das Angebot richtig zu verstehen. Sie hat dafür an sich plausible, wenn auch nicht zwingende Erklärungen abgegeben. Diese für die einzelnen Positionen im Detail unterschiedliche Stellungnahme kann aber die unbestritten gegenüber den formalen Anforderungen fehlenden Angaben nicht heilen, sondern belegt nur die Unklarheit des LV.

Die Vergabekammer hat nicht im Einzelnen geprüft, ob nicht auch die Angebote der ausgeschlossenen Bieter bei Anwendung dieses Maßstabes hätte richtig verstanden werden können. Dies ist auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung von der Auftraggeberin verneint worden. Die Vergabekammer ist aber insbesondere wegen des den Verdingungsunterlagen beigefügten Merkblattes der Auffassung und dem Gebot der Gleichbehandlung der Bieter folgend, dass von der Auftraggeberin geforderte Hersteller- und Typ-Angaben von den Bietern gemacht werden müssen, auch wenn sie für das Verständnis des Angebotes überflüssig sind.

Die Auftraggeberin hätte im Übrigen zumindest beim Bieter im Rahmen des § 24 Nr. 1 VOB/A rückfragen müssen, was dieser anbieten wollte. Sie kann nicht ihre Interpretation der Angaben an die Stelle des unklaren Angebotes setzen, selbst wenn diese dem Willen des Bieters entsprechen sollte.

Die Auftraggeberin kann nicht ohne Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einmal beim Fehlen von Hersteller- und/oder Typ-Angabe Angebote ausschließen, bei anderen Angeboten aber die fehlenden Erklärungen durch die eigene – wahrscheinlich sogar richtige – Deutung ersetzen. Sie darf aber nicht "mit zweierlei Maß" die unbestritten auch im Angebot der Beigeladenen fehlenden Hersteller- und Typ-Angaben werten. Erläuterungen zu dem Umgang mit fehlenden Hersteller- und Typ-Angaben waren der Vergabeakte nicht zu entnehmen.

2.3.4. In Pos. 4.1.30 fehlt eine geforderte Angabe zum Druckverlust.

Auch insoweit gilt der – zwar sehr formale – Grundsatz, dass eine geforderte Erklärung abgegeben werden muss, selbst wenn sie nicht erforderlich ist. Eine solche fehlende Erklärung wird aber nicht ausreichen, um einen zwingenden Ausschluss zu rechtfertigen, wenn das Angebot im Übrigen klar ist.

2.3.5. Die Beigeladene hat bei Abgabe des Angebotes auch nicht die bereits in der Vergabebekanntmachung geforderte DVGW-Bescheinigung W 1 vorlegen können, weil sie nach eigener Erklärung im Schreiben vom 30.01.2006 nicht in deren Besitz war. Erst auf Nachfrage der C… hat sie mit der Benennung eines zusätzlichen Nachunternehmers, der Fa. T…, die im Besitz dieser Bescheinigung ist und damit die geforderte Qualifikation nachweisen wollen.

Nachdem in dem Schreiben der Auftraggeberin Formblatt EVM (B) EG 211 EG vom 21.11.2005 gefordert war, dass alle einzusetzenden Nachunternehmen auf dem Formblatt 317 b zu benennen sind, war eine Nachmeldung von Subunternehmern wohl ausgeschlossen.

Die von der Auftraggeberin nunmehr vorgetragenen Erwägungen, dass diese Nachbenennung zulässig sei, weil der neue Subunternehmer selber keine Arbeiten verrichten und deshalb nicht auf dem Formblatt 317 b zu benennen war, sondern nur die Durchführung der Arbeiten beaufsichtigen sollte, und dass die Auftraggeberin den Verweis auf das Drittunternehmen nicht als Nachunternehmer-Nachbenennung angesehen habe, kann die Vergabekammer nicht überzeugen. Gerade ein Unternehmen, das die Aufsicht über bestimmte Arbeiten bei einem so sensiblen Bauvorhaben wie einem Trinkwasserwerk führen muss, hätte im Angebot vor der Submission benannt werden müssen.

Zu berücksichtigen ist aber, dass die DVGW-Bescheinigung W 1 sich auf Arbeiten bezieht, die im Rahmen dieses Bauvorhabens praktisch nicht anfallen. Insoweit wäre vermutlich allein aufgrund der fehlenden Bescheinigung ein Ausschluss des Angebotes kaum zu rechtfertigen.

2.3.6. Diese Abweichungen des Angebotes der Beigeladenen von den Anforderungen der Auftraggeberin – zumindest in Bezug auf die fehlende Unterzeichnung des Gewährleistungsvertrages und die fehlende Nachunternehmer-Tariftreue-Vereinbarung – führen zwingend zum Ausschluss des Angebotes, §§ 25 Nr. 1 i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A. Aufgrund der angeführten Mängel hätte das Angebot der Beigeladenen bereits in der 1. Wertungsstufe ausgeschlossen werden müssen. Eine weitere Berücksichtigung des Angebotes war unzulässig und verletzte die Rechte der Bieter, die ein vollständiges Angebot abgegeben hatten, weil deren Chancen für einen Zuschlag dadurch beeinträchtigt wurden.

3. Unbegründet ist dagegen das Vorbringen der Antragstellerin im Übrigen.

3.1. Zwar ist es richtig, dass Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige Unternehmen vergeben werden sollen, § 97 Abs. 4 GWB. So umfassend, wie von der Antragstellerin behauptet, kann die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen jedoch nicht infrage gestellt werden. Sie hat die geforderten Nachweise, Referenzen etc. erbracht und offensichtlich die Anforderungen der Auftraggeberin erfüllt.

Die Antragstellerin hat in ihrem Vortrag die Anforderungen der Auftraggeberin zum Leistungsverzeichnis des Unternehmens zudem überzogen. Die Auftraggeberin hat den Erfahrungsnachweis für unterschiedliche Kompetenzen gefordert und nicht – wie die Antragstellerin zu meinen scheint – den kumulativen Nachweis aller geforderten Kompetenzen an einem Referenzobjekt. Wenn ein Unternehmen grundsätzlich qualifiziert ist, besondere Arbeiten – hier die Edelstahlarbeiten – durchzuführen, so muss sie diese Erfahrungen nicht bei vergleichbar großen Projekten gewonnen haben. Auch in der Vergabebekanntmachung Zif. III.2.3) zu Los 2 sind nur Angaben über die Anzahl der Kunden ähnlicher Projekte gefordert worden.

Die Vergabekammer ist auch nicht hinreichend sachkundig, um diese Wertung der Auftraggeberin und ihrer fachkundigen Berater nachzuprüfen. Zwar ist auch ihr bekannt, welche hohen Anforderungen an die Unternehmen gestellt werden müssen, die an Trinkwasseraufbereitungsanlagen arbeiten. Die Kompetenz und Erfahrung der Beigeladenen zu prüfen anhand der genannten zahlreichen Bauvorhaben im Wasser und auch Trinkwasser-Bereich, muss der Auftraggeberin überlassen bleiben.

Allerdings ist aus der Vergabeakte nicht nachvollziehbar, inwieweit die Auftraggeberin den benannten Kompetenznachweisen wirklich nachgegangen ist, um sich ein eigenes Urteil über die Beigeladene zu bilden.

3.2. Ähnliches gilt für den Qualifikationsnachweis des von der Beigeladenen vorgesehenen Bauleiters. Auch hier sind die geforderten Nachweise geliefert und von der Auftraggeberin bzw. der C… gewertet worden.

Die Antragstellerin überzieht ihre Rechte insoweit als sie aus ihrer Kenntnis der Beigeladenen ableitet, dass der von ihr benannte Bauleiter die geforderten Qualifikationen nicht haben könne, weil das Unternehmen über diese Erfahrungen nicht verfüge. Diesem unsubstantiierten, von der Person des vorgesehenen Bauleiters unabhängigen Schluss kann die Vergabekammer nicht folgen.

3.3. Die Beurteilung der Verfügbarkeit der im Angebot gemeldeten Nachunternehmer der Beigeladenen durch die Antragstellerin war der Vergabekammer nicht nachvollziehbar. Die Beigeladene hat die Nachunternehmer im Angebot auf dem Formblatt 317 b einzeln benannt und deren Beitrag beschrieben. – Die "Nachmeldung" der Fa. T… ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.

3.4. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sieht die Vergabekammer auch in den niedrigen Zeitansätzen der Beigeladenen in den Positionen 1.1.130 und 1.1.140 keine Veränderung der Verdingungsunterlagen im Sinne des § 21 Nr. 1 VOB/A.

Zwar ist sie, wie oben ausgeführt, der Auffassung, dass die Anforderung zu diesen Positionen nicht hinreichend eindeutig waren. Dass die Beigeladene diese Anforderung anders als die Antragstellerin – und im Sinne der Auftraggeberin möglicherweise richtig – verstanden hat, rechtfertigt nicht den Schluss, dass die Beigeladene die Anforderungen des LV durch eigene Vorstellungen ersetzen wollte.

3.5. Angesichts der wiederholten und detaillierten Bezugnahme auf das Angebot der Beigeladenen hat sich der Vergabekammer die Frage gestellt, woher die Antragstellerin ihre detaillierten Kenntnisse über das Angebot der Beigeladenen nimmt, um ihre Behauptungen zu belegen. Sollte nämlich die Antragstellerin nachweislich Kenntnis vom Angebot der Beigeladenen erlangt haben, würde das ihr Rechtsschutzinteresse erheblich infrage stellen, weil sie damit gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbes verstoßen hätte (vgl. 1 VK Brandenburg, Beschluss vom 25.04.2005 – VK 13/05; OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.08.2005 – Verg W 7/05).

Auf Befragen der Vergabekammer hat die Antragstellerin dazu nachvollziehbar erklärt, dass ihre Informationen über das Angebot der Beigeladenen aus Andeutungen der Auftraggeberin im Klärungsgespräch einerseits und aus ihren Recherchen über die Beigeladene nach dem Eingang des Informationsschreibens stammen. Sie hat ausdrücklich versichert, dass ihr das Angebot der Beigeladenen nicht bekannt war.

4. Obwohl nach den Feststellungen der Vergabekammer auch der zehnte von elf Bietern auszuschließen war, ist sie nicht dem Hauptantrag der Antragstellerin in vollem Umfang gefolgt und hat nicht den Zuschlag auf ihr ursprünglich an achter Stelle liegendes Angebot angeordnet. Die Vergabekammer konnte auch den hilfsweise gestellten Anträgen nicht folgen, weil einerseits nach dem Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen kein Raum für eine erneute Wertung von deren Angebot bestand, andererseits angesichts auch nur eines verbleibenden Angebotes eine Aufhebung der Ausschreibung nicht zwingend geboten ist. Es obliegt der Auftraggeberin, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer das Angebot der Antragstellerin erneut zu prüfen und über den Zuschlag darauf oder eine Aufhebung der Ausschreibung gem. § 26 Nr.1 VOB/A zu entscheiden.

Anders als in der Entscheidung des BayObLG (Beschluss vom 5.11.2002 – Verg 22/02) ist die Auftraggeberin – und damit die Vergabekammer – im vorliegenden Fall nicht in seiner Ermessensausübung gebunden, weil bisher die Antragstellerin nicht die begünstigte war. Ein Zuschlag an sie wird erst durch die Aufhebung der im Schreiben vom 28.02.2006 bekannt gemachten Vergabeentscheidung möglich. Der Zuschlag an die Antragstellerin wird auch deshalb nicht erforderlich, weil sie nicht das preisgünstigste Angebot abgegeben hat (so VK Brandenburg, Beschluss vom 1.03.2005 – VK 8/05). Vielmehr lag das Angebot der Antragstellerin nur an 8. Stelle.

Sollte die Auftraggeberin die Ausschreibung gem. § 26 Nr. 1 VOB/A aufheben, sollte sie bei der Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens die Bieter in diesem Verfahren zur Abgabe eines neuen Angebotes auffordern. Dabei sollte sie verstärkt auf die unmissverständliche Gestaltung des Leistungsverzeichnisses achten, um unklare Forderungen auszuschließen und damit die Interpretationsmöglichkeiten der Bieter, die zum Ausschluss ihrer Angebote führen könnten, einzuschränken. Für die Preiskalkulation müssen alle Bieter die gleichen Grundlagen haben, um vergleichbare Angebote abzugeben.

 

III.

Die Kosten des Verfahrens werden der Auftraggeberin auferlegt; sie ist aber von der Zahlung der Gebühr gem. § 8 VwKG befreit. Die Kosten des Verfahrens umfassen daher vor allem die Kosten für die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin.

Die Vertretung durch einen Rechtsbeistand war aufseiten der Antragstellerin notwendig. Aufseiten der Auftraggeberin war diese nicht erforderlich, weil eine sorgfältige Begleitung des Vergabeverfahrens den Rechtstreit wahrscheinlich gar nicht erforderlich gemacht hätte und die Auftraggeberin offenbar bereits vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens anwaltlich vertreten war, wie sich aus der Erwiderung auf die Rüge der Antragstellerin ergibt.


IV.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht, Gertrud-Piter-Platz 11, 14770 Brandenburg, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 117 Abs. 3 GWB).

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4 GWB).

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern (§ 118 Abs. 1 GWB).

Gemäß § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Vergabekammern des Landes Brandenburg vom 30. Juni 1999, AAnz. S. 898 ist die Unterzeichnung des Beschlusses durch den ehrenamtlichen Beisitzer nicht erforderlich.

VK Brandenburg
Beschluss vom 07.04.2006
Az.: 2 VK 10/06

Kurze Fristen im Vergaberecht – Rügefrist

VK Lüneburg, Beschluss vom 11.12.2006 – VgK-31/2006

1. Schreibt die Vergabestelle einen Auftrag gemäß § 3a VOB/A aus und gibt als zuständige Stelle für das Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung die VK Lüneburg an, so ist sie hieran gebunden, auch wenn die maßgeblichen Schwellenwerte nicht erreicht werden sollten.

2. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.

3. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen. Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

 

Volltext: 

 

Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium
für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
– Regierungsvertretung Lüneburg –

Az.: VgK-31/2006

Lüneburg, den 11.12.2006

B e s c h l u s s

GWB § 107 Abs. 3
1. Schreibt die Vergabestelle einen Auftrag gemäß § 3a VOB/A aus und gibt als zuständige Stelle für das Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung die VK Lüneburg an, so ist sie hieran gebunden, auch wenn die maßgeblichen Schwellenwerte nicht erreicht werden sollten.
2. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.
3. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen. Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.
VK Lüneburg, Beschluss vom 11.12.2006 – VgK-31/2006 (nicht bestandskräftig)

In dem Nachprüfungsverfahren

wegen
Vergabeverfahren Landschaftsgärtnerische Arbeiten im Baugebiet xxxxxxx

hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann beschlossen:

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

3. Die Kosten werden auf 2.500 € festgesetzt.

Begründung:

I.

Die Auftraggeberin hat den Auftrag für die landschaftsgärtnerischen Bauleistungen für Grünanlagen mit Datum vom 06.10.2006 europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben, nachdem sie mit Vorinformation vom 03.07.2006 bereits auf diese Ausschreibung hingewiesen hatte. Die Bekanntmachung wurde am 13.10.2006, also 7 Tage nach der Absendung im Amtsblatt veröffentlicht.

Als Kontaktstelle hatte die Auftraggeberin ihren Fachbereich Stadtgrün genannt. Als zuständige Stelle, die weitere Auskünfte erteilt, war der Fachbereich Tiefbau und Verkehr genannt worden. Bei dieser Stelle konnten nach der Veröffentlichung auch die Verdingungs-/Ausschreibungs- und ergänzenden Unterlagen angefordert werden. Als Ansprechpartner war in diesem Fachbereich Tiefbau und Verkehr unter Angabe der Adresse des Fachbereichs Herr xxxxxxx genannt. Von ihm waren auch die Telefon- und Faxnummer sowie seine E-Mail-Adresse veröffentlicht.

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit wurden die Bewerber darauf hingewiesen, dass Eignungsnachweise gemäß § 8 VOB/A vorzulegen seien. Einziges Zuschlagskriterium sollte der Preis sein.

Der Bekanntmachung ist zu entnehmen, dass Schlusstermin für die Anforderung von Unterlagen der 20.10.2006, 12.00 Uhr, war. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass die Verdingungsunterlagen nur versandt werden, wenn der Nachweis über die Einzahlung der Auftraggeberin vorliegt.

Schlusstermin für den Eingang der Angebote sollte der 14.11.2006, 11.00 Uhr, sein. Dieser Termin war auch als Termin für die Öffnung der Angebote genannt. Versehen hatte sich die Auftraggeberin offenbar mit ihrer Angabe: "Tag der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe 13.12.2006".

Mit Datum vom 18.10.2006, Eingang bei der von der Auftraggeberin genannten Kontaktstelle "Fachbereich Stadtgrün" am 26.10.2006, forderte die Antragstellerin die Verdingungsunterlagen an. Diesem Schreiben war ein schlecht lesbarer Überweisungsträger beigefügt, auf dem deutlich aufgedruckt "bezahlt 20.10.2006" stand.

Die von der Auftraggeberin genannte Stelle, bei der die Verdingungs-/Ausschreibungs- und ergänzenden Unterlagen angefordert werden konnten und die auch Auskünfte erteilt, hat lt. einem Vermerk vom 27.10.2006 die Antragstellerin angerufen und sie darauf hingewiesen, dass ihre Anforderung der Unterlagen erst nach dem Schlusstermin am 20.10.2006, 12.00 Uhr, bei ihr eingegangen sei. Eine Übersendung der Unterlagen könne nicht mehr erfolgen, da dies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße.

Ferner wurde festgehalten, dass die Antragstellerin erklärt habe, sie hätte am 20.10.2006 versucht, die Unterlagen von der Auftraggeberin per Fax unter der Nummer xxxxxxx anzufordern. Das Fax-Gerät unter dieser Nummer sei wohl defekt gewesen. Der Mitarbeiter des Fachbereichs Tiefbau und Verkehr habe der Antragstellerin erklärt, dass der Fax-Anschluss des zuständigen Fachbereichs unter der Nummer xxxxxxx auch an dem besagten Tag erreichbar gewesen sei. Ein Vermerk über eine Rüge der Antragstellerin befindet sich in der Vergabeakte der Auftraggeberin nicht.

Die Feststellungen aus dem dokumentierten Vermerk teilte der zuständige Mitarbeiter der Auftraggeberin auch der Antragstellerin mit Schreiben vom 27.10.2006 mit.

Mit Schreiben vom 03.11.2006 wandte sich die Antragstellerin an die "VOB-Vergabeprüfstelle des Landes Niedersachsen, 38023 Braunschweig" und erhob Beschwerde und Widerspruch gegen die Fristsetzung zur Abholung der Unterlagen bzw. den letzten Anforderungstag. Dieses Schreiben ging am 08.11.2006 bei der Nachprüfungsstelle gemäß § 31 VOB/A des Nds. Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in der Regierungsvertretung Braunschweig ein, die das Schreiben am 08.11.2006, Eingang im Behördenzentrum Lüneburg am 10.11.2006, an die Vergabekammer weiterleitete, da es sich um eine europaweite Ausschreibung handelt.

Da die Antragstellerin auf telefonische Nachfrage am 14.11.2006 gegenüber der Vergabekammer erklärte, dass sie den Sachverhalt vorher gegenüber der Auftraggeberin gerügt habe und um Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bat, stellte die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der Auftraggeberin zu.

Die Antragstellerin führt ohne nähere Angaben aus, dass eine Fristsetzung zur Abholung der Unterlagen oder Nennung eines letzten Anforderungstages unzulässig sei, was durch verschiedene Länderprüfstellen festgestellt worden sei. Diese Auffassung sei auch vom BGH bestätigt worden. Der BGH hätte festgelegt, dass die Ausschreibungsunterlagen bis einschließlich 1 – 2 Tage vor Submission zur Verfügung stehen müssten. Es komme lt. BGH dabei nicht darauf an, ob der Interessent die Unterlagen selbst abhole oder nicht bzw. diese noch versandt werden können. Zwei Tage seien somit das Limit.

Ferner führt die Antragstellerin aus, dass die von der Auftraggeberin veröffentlichte Fax-Nummer sich nicht als verwertbar dargestellt habe.

Die Antragstellerin beantragt,

ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten.

Die Auftraggeberin beantragt,

1. den Antrag der Antragstellerin auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens abzuweisen,

2. die Kosten dieses Verfahrens gem. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB der Antragstellerin aufzuerlegen.

Sie vertritt die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig und unbegründet sei.

Die Antragstellerin habe den im Vergabeverfahren erkannten Verstoß nicht unverzüglich gerügt. Weder der Inhaber der Antragstellerin persönlich noch ein sonstiger Vertreter ihrer Firma habe zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Einschaltung der Vergabekammer ihr, der Auftraggeberin, gegenüber den nunmehr geltend gemachten Sachverhalt gerügt. Es liege weder ein entsprechendes Schreiben vor noch habe eine mündliche Rüge stattgefunden.

Vielmehr habe sie selbst die Antragstellerin am 27.10.2006 angerufen, weil ihr aufgefallen sei, dass es der Antragstellerin bereits in zwei vorhergehenden Vergabeverfahren nicht gelungen war, sich so rechtzeitig mit der Vergabestelle in Verbindung zu setzen, um die Unterlagen anzufordern. Ihr sei bei den vorhergehenden Verfahren aufgefallen, dass die Antragstellerin versucht habe, Telefaxe an den Telefonanschluss eines städtischen Mitarbeiters zu senden, was zu zahlreichen Fehlerberichten beim Faxgerät der Antragstellerin geführt habe, die nicht auf einem fehlerhaften Faxanschluss der Auftraggeberin basierten.

Ferner sei der Nachprüfungsantrag auch unbegründet, da sie in der europaweiten Bekanntmachung unter Punkt IV.3.3. darauf hingewiesen habe, dass die Verdingungsunterlagen bis zum 20.10.2006, 12.00 Uhr, angefordert werden konnten. Voraussetzung sei gewesen, dass die Kosten für die Unterlagen auf ein entsprechendes Konto eingegangen seien oder aber die Bieter einen Nachweis über die Einzahlung vorlegten. Außerdem habe sie auch von dem zuständigen Mitarbeiter der zentralen Vergabestelle für diesen Bereich neben der Telefon- auch die Faxnummer und E-Mail-Adresse angegeben.

Da die Bitte der Antragstellerin um Übersendung der Verdingungsunterlagen erst am 26.10.2006 auf dem Postweg und damit eindeutig verspätet eingegangen sei, habe sie die Unterlagen aus Gründen der Gleichbehandlung der anderen Bieter nicht mehr versandt. Hintergrund der von ihr gewählten Frist für die Anforderung der Verdingungsunterlagen sei, allen Bietern gleichermaßen ausreichend Zeit zur Bearbeitung des Angebots zu bieten.

Im Zuge des weiteren Nachprüfungsverfahrens wurde die Antragstellerin zunächst telefonisch, dann mit Übersendung der Erwiderung der Auftraggeberin von der Vergabekammer am 21.11.2006 gebeten, mitzuteilen, wann sie die gesetzte Frist zur Anforderung der Angebotsunterlagen erstmalig bei dieser Ausschreibung gerügt habe. Diese Bitte wurde mit verfahrensbegleitendem Schreiben vom 27.11.2006 unter Fristsetzung wiederholt. Dieser Aufforderung der Vergabekammer kam die Antragstellerin jedoch nicht nach.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Die Antragstellerin hat es versäumt, die von ihr als Vergaberechtsverstoß beanstandete Festsetzung eines Schlusstermins für die Anforderung der Vergabeunterlagen vor Stellung des Nachprüfungsantrags rechtzeitig im laufenden Vergabeverfahren gem. § 107 Abs. 3 GWB gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Mangels eines zulässigen Nachprüfungsantrags ist es der Vergabekammer verwehrt, die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Fristsetzung und insbesondere ihre Vereinbarkeit mit § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. i VOB/A und § 17 a Nr. 5 VOB/A zu prüfen.

Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag i. S. d. § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. €. Der streitbefangene Auftrag ist nach Auskunft der Auftraggeberin Teil einer den Schwellenwert überschreitenden Gesamtbaumaßnahme Erschließung des Baugebiets xxxxxxx. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. € oder bei Losen unterhalb von 1 Mio. € deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung erreicht der Wert der landschaftsgärtnerischen Arbeiten im Baugebiet xxxxxxx zwar weder den Schwellenwert von 5 Mio. € noch den Wert von 1 Mio. €. Gleichwohl hat die Auftraggeberin das hier streitbefangene Los EU-weit im offenen Verfahren gem. § 3 a VOB/A ausgeschrieben und die Vergabekammer beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr – Regierungsvertretung Lüneburg – als zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren bei der europaweiten Bekanntmachung angegeben. Dadurch hat die Auftraggeberin den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung besteht in einer Selbstbindung der Auftraggeberin, dass sie das verfahrensgegenständliche Los nicht im 20%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss v. 20.08.2001, Az.: Verg 9/01; BGH NJW 1998, S. 3636 ff., 3638). Der Wert des streitbefangenen Auftrags steht daher einer Nachprüfung durch die Vergabekammer nicht entgegen.

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Fachunternehmen auf dem Gebiet des Garten- und Landschaftsbaus eine potenzielle Bieterin im streitbefangenen Vergabeverfahren ist, die ihr Interesse am Auftrag durch die Anforderung der Vergabeunterlagen bekundet hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht hat, indem sie unter Berufung auf – allerdings nicht näher bezeichnete – vergaberechtliche Rechtsprechung des BGH und verschiedener Landesvergabeprüfstellen vorträgt, die Auftraggeberin habe ihr zu Unrecht die Zusendung der Vergabeunterlagen unter Hinweis auf den bekannt gemachten Schlusstermin verweigert. Eine derartige Fristsetzung sei unzulässig. Vielmehr müssten die Ausschreibungsunterlagen bis einschließlich 1 – 2 Tage vor Submissionstermin zur Verfügung gestellt werden. Da § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. i VOB/A im Gegensatz zu früheren Fassungen der VOB/A keine Regelungen mehr hinsichtlich der Nennung eines Schlusstermins für die Anforderung von Vergabeunterlagen enthält (in der Fassung der VOB/A von 1992 hieß es in § 17 Nr. 1 Abs. 1 lit. i VOB/A ausdrücklich noch: "… sowie Termin, bis zu dem diese Unterlagen spätestens angefordert werden können") und § 17 a Nr. 5 VOB/A ausdrücklich regelt, dass rechtzeitig angeforderte Unterlagen den Bewerbern innerhalb von 6 Kalendertagen nach Eingang des Antrags zugesandt werden müssen, ist es möglich, dass die enge Fristsetzung der Auftraggeberin im vorliegenden Fall die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Da die Bekanntmachung im vorliegenden Fall am 13.10.2006 im Amtsblatt es Amtes für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften erfolgte und die Auftraggeberin den Schlusstermin für die Anforderung der Vergabeunterlagen auf den 20.10.2006 festgelegt hatte, blieb den potenziellen Bietern nur eine Woche Zeit, die Vergabeunterlagen anzufordern. Diese Frist dürfte auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Auftraggeberin bereits mit Vorab-Information vom 03.07.2006 auf die bevorstehende Ausschreibung hingewiesen hatte, zu kurz bemessen sein. Eine derartig enge Fristsetzung ist zumindest unüblich. So sieht etwa das Vergabehandbuch des Bundes für den Bereich des Straßenbaus (HVA B-StB) für die Bekanntmachung vor, dass unter IV.3.3 als Schlusstermin für die Anforderung von Unterlagen ein Termin 7 Kalendertage vor Ablauf der Frist für die Angebotsabgabe (24 Uhr) einzutragen ist. Nach diesem Termin eingehende Anforderungen sollen nach Möglichkeit dennoch erfüllt werden.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Die Antragstellerin hat mit ihrem Vortrag ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Zumindest die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ist vorliegend dargetan. Diesbezügliche Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107, Rdnr. 954). Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

Die Antragstellerin ist jedoch nicht ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im laufenden Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin überhaupt, geschweige denn rechtzeitig, zu rügen. Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB muss der Bieter vor Stellung des Nachprüfungsantrags im Vergabeverfahren positiv erkannte Vergaberechtsverstöße unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Diese Rügepflicht entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für diese positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betracht gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 – 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003), Az.: 1 Verg 4/00; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin trotz mehrfacher Aufforderung seitens der Vergabekammer nicht belegt, dass sie den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß in Form der von ihr im Nachprüfungsverfahren beanstandeten Ausschlussfrist für die Anforderung von Vergabeunterlagen überhaupt gegenüber der Auftraggeberin gerügt hat. Da die Antragstellerin mit Schreiben vom 18.10.2006, eingegangen bei der Auftraggeberin am 26.10.2006 (Eingangsstempel), die Vergabeunterlagen angefordert hat, hatte sie spätestens seit diesem Zeitpunkt positive Kenntnis von dem unter Ziffer IV.3.3 der Bekanntmachung vom 13.10.2006 festgesetzten Schlusstermin für die Anforderung von oder Einsicht in die Unterlagen (20.10.2006 – 12.00 Uhr). Die Antragstellerin war daher gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gehalten und in der Lage, innerhalb weniger Tage den nunmehr beanstandeten Schlusstermin für die Unterlagenanforderung gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Eine entsprechende – telefonische oder schriftliche – Rüge, die die Auftraggeberin bestreitet, hat die Antragstellerin jedoch nicht belegt. Auch die vorliegende Vergabeakte enthält keine Hinweise auf eine derartige Rüge. Aus einem in der Vergabeakte enthaltenen Vermerk des Fachbereichs 66 der Auftraggeberin vom 27.10.2006 über ein Telefongespräch vom 27.10.2006, 10.15 Uhr, zwischen dem Mitarbeiter der Auftraggeberin, Herrn xxxxxxx, und dem Inhaber der Antragstellerin, Herrn xxxxxxx, geht vielmehr lediglich hervor, dass die Auftraggeberin selbst die Antragstellerin angerufen hat, weil sie im vorliegenden Vergabeverfahren wie auch schon bei anderen Vergabeverfahren die Verdingungsunterlagen erst nach Ablauf der festgesetzten Frist zur Anforderung der Verdingungsunterlagen angefordert hat. Ferner geht aus dem Vermerk hervor, dass Herr xxxxxxx gefragt habe, wie lange denn ein Schreiben auf dem Postwege zur Stadt xxxxxxx benötigen würde. Das Schreiben sei schließlich vom 18.10.2006, da müsse es doch wohl am 20.10.2006 bei der Stadt xxxxxxx eingegangen sein. Der Mitarbeiter der Auftraggeberin, Herr xxxxxxx, hat ausweislich des Vermerks daraufhin angemerkt, dass dem auf den 18.10.2006 datierten Schreiben ein Einzahlungsbeleg von 20.10.2006 beigefügt war. Daher müsse man annehmen, dass er das Schreiben nicht vor dem 20.10.2006 habe zur Post bringen können und es schon daher nicht mehr rechtzeitig bei der Stadt xxxxxxx habe eingehen können. Da der 20. Oktober ein Freitag war, lasse sich nachvollziehen, dass sein Anforderungsschreiben letztlich erst am 26.10.2006 beim Fachbereich Stadtgrün eingegangen sei, da dieser in einer Außenstelle außerhalb des Rathauses untergebracht sei. Herr xxxxxxx habe ferner erklärt, er habe das Schreiben am 20.10.2006 auch per Fax zusenden wollen an eine Fax-Nummer xxxxxxx und dann ginge die mit xxx weiter. Das empfangende Fax-Gerät sei jedoch wohl defekt gewesen. Dazu habe der Unterzeichner erklärt, die richtige Fax-Nummer sei xxxxxxx. Bereits bei der Anforderung der Vergabeunterlagen für die Maßnahmen "xxxxxxx" und "xxxxxxx" habe Herr xxxxxxx versucht, sein Fax an eine Telefon-Nummer im Fachbereich Stadtgrün zu faxen. Das Fax-Gerät der Vergabestelle mit der Nummer xxxxxxx, welche auch zu den Angaben zur Stelle, bei der die Vergabeunterlagen angefordert werden können, angegeben wurde, habe auch am 20.10.2006 störungsfrei funktioniert.

Auch aus diesem Telefonvermerk ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Antragstellerin wenigstens anlässlich dieses Telefongesprächs den von der Auftraggeberin gesetzten Schlusstermin für die Anforderung der Angebotsunterlagen in irgendeiner Weise gerügt hat.

Selbst wenn die Antragstellerin in diesem Zusammenhang bis zur Stellung des Nachprüfungsantrags keine positive Kenntnis von einem vermeintlichen Vergaberechtsverstoß gehabt hätte, greift im vorliegenden Fall die Präklusionsvorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB. Danach ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Erkennbarkeit des nunmehr beanstandeten Schlusstermins für die Anforderung der Vergabeunterlagen war für einen fachkundigen Bieter aus Ziffer IV.3.3 der Vergabebekanntmachung vom 13.10.2006 ohne weiteres gegeben. Eine Rüge gegenüber der Auftraggeberin innerhalb der Angebotsfrist (14.11.2006 – 11.00 Uhr) erfolgte jedoch nicht. Vielmehr wandte sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 03.11.2006 unmittelbar an die – unzuständige – Nachprüfungsstelle nach § 31 VOB/A in der Regierungsvertretung Braunschweig (dort eingegangen am 08.11.2006), die das Beschwerdeschreiben zuständigkeitshalber mit Schreiben vom gleichen Tage an die Vergabekammer weitergeleitet hat. Dort ist der als "Beschwerde und Widerspruch" bezeichnete Antrag der Antragstellerin am Freitag, den 10.11.2006 in der Poststelle des Behördenzentrums eingegangen und der Vergabekammer Montag, den 13.11.2006 zugeleitet worden. Auf telefonische Nachfrage des Vorsitzenden der Vergabekammer vom 14.11.2006 erklärte die Antragstellerin, sie habe vor Absetzung des Beschwerdeschreibens den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß gegenüber der Auftraggeberin gerügt. Einen Beleg für diese Rüge legte sie jedoch nicht vor, obwohl sie dazu mit Verfügung der Vergabekammer vom 21.11.2006 und noch einmal mit verfahrensbegleitendem Hinweis vom 27.11.2006 unter Fristsetzung bis zum 29.11.2006 aufgefordert wurde. Der Eingang der beiden verfahrensbegleitenden Verfügungen wurde auf telefonische Nachfrage der Vergabekammer vom 24.11. und vom 28.11. ausdrücklich von der Antragstellerin bestätigt.

Der Nachprüfungsantrag war daher mangels vorheriger Rüge gegenüber der Auftraggeberin gem. § 107 Abs. 3 GWB wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen. Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es daher gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GWB nicht.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-
Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 €, die Höchstgebühr 25.000 € bzw. in Ausnahmefällen 50.000 € beträgt.

Es wird eine Gebühr in Höhe der gesetzlichen Mindestgebühr von 2.500 € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von 2.500 € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxxxxxxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxxxxxxxxxx.

IV. Rechtsbehelf

….

Rügeobliegenheit

 
Der Bieter muss auch bei mehrstufigem Verwaltungshandeln frühzeitig (gegebenenfalls auf der erste Stufe) rügen.
 

amtlicher Leitsatz:

1. Vollzieht sich auf Seiten einer kommunalen Vergabestelle der Prozess zur Auswahl eines Bieters in einem Verhandlungsverfahren in mehreren aufeinander aufbauenden Stufen (hier: Verabschiedung einer Beschlussvorlage durch die Verwaltungsspitze der Antragsgegnerin und spätere Beschlussfassung des Stadtrats hierüber), so wird die Rügeobliegenheit des § 107 Abs. 3 GWB nicht erst durch den Abschluss des Auswahlverfahrens auf der letzten Stufe bestimmt, sondern bereits durch zur Kenntnis des Bieters gelangtes fehlerhaftes Vergabeverhalten auf der früheren Stufe ausgelöst.

2. Eine zulässige Rüge setzt die Bezeichnung konkreter Tatsachen voraus, aus denen sich – zumindest schlüssig – die Behauptung des Bieters ableiten lässt, dass sich darin ein Vergabeverstoß des Auftraggebers verwirklicht.

3. Der Ablauf der Informationsfrist nach § 13 VgV beendet das Vergabeverfahren nicht, solange der Auftraggeber von der ihm danach freistehenden Möglichkeit, den Vertrag über die ausgeschriebenen Leistungen abzuschließen, tatsächlich keinen Gebrauch gemacht hat.

4. Verhandlungen über den Inhalt der zu erbringenden Leistung sind in einem Verhandlungsverfahren nach VOF, auch soweit dadurch von Vorgaben der Ausschreibung abgewichen wird, zulässig, solange die Vergabestelle nicht an die beteiligten Verhandlungspartner unterschiedliche Änderungswünsche heranträgt und der nach wirtschaftlichen und technischen Kriterien zu beurteilende Wesenskern der Ausschreibung gewahrt bleibt (im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 03.12.2003, VergR 2004, 225).

 
OLG Dresden
Beschluss vom 21.10.2005
WVerg 5/05

Eine Person des privaten Rechts kann mittelbare Stellvertreterin der öffentlichen Hand sein

Entscheidung im Volltext

BUNDESKARTELLAMT

2.Vergabekammer des Bundes

VK 2-114/05

Beschluss

 

GWB § 98
Eine Person des privaten Rechts, die einen Beschaffungsvorgang ausschreibt, kann mittelbare Stellvertreterin der öffentlichen Hand sein, wenn der Zweck der Beschaffung im öffentlichen Interesse liegt und die Person für Rechnung des Staates handelt. Die Beschaffung ist dem Staat als öffentlichem Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB zuzurechnen. Die Normen des vierten Teils des GWB sind einzuhalten.
VK Bund, Beschluss vom 08.06.2006 – VK 2-114/05

In dem Nachprüfungsverfahren

….

wegen der Vergabe "Lieferung je eines Tiefsee- und Mittelwasser-Fächerecholots für das Forschungsschiff METEOR" hat die 2. Vergabekammer des Bundes durch den Vorsitzenden Direktor beim Bundeskartellamt Burchardi, die hauptamtliche Beisitzerin Regierungsdirektorin Brauer und den ehrenamtlichen Beisitzer Stockhorst auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2006 am 8. Juni 2006 beschlossen:

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in dem Vergabeverfahren "Lieferung je eines Tiefsee- und Mittelwasser-Fächerecholots für das Forschungsschiff METEOR" in ihren Rechten verletzt wurde.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsstellerin.

3. Die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes durch die Antragsstellerin war notwendig.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin (Ag) schrieb im Rahmen eines nichtoffenen Verfahrens Ende 2004 europaweit die Lieferung je eines Tiefsee- und Mittelwasser-Fächerecholots für das Forschungsschiff METEOR aus. Die Ag erteilt nach den "Zusätzlichen Vertragsbedingungen" (Anlage 1 zum Vertrag Fächerecholot FS METEOR) Ziffer 3.2 den Auftrag "im Namen und für Rechnung der R GmbH". Im Ausschreibungstext wurde als zuständige Nachprüfungseinrichtung die Vergabekammer Bremen benannt.

Die Ag ist eine 100 % ige Tochter der L GmbH & Co. KG, …. Deren Gesellschaftsanteile werden von Privatpersonen gehalten. Die Ag ist im Reedereigeschäft sowohl als Charterbetrieb (mit den eigenen Schiffen "…" und "…") als auch als Dienstleister für fremde Schiffsinhaber (z.B. Forschungsschiffe "…" und "METEOR") tätig.

Das Forschungsschiff METEOR steht im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Die Mittel für die Anschaffung des Echolots werden nach Angaben der Ag durch diese bereitgestellt. Die Leitung des Schiffsbetriebs obliegt der Leitstelle FS METEOR im Institut für Meereskunde der Universität H. Nach § 4 Nr. 1 des zugrundeliegenden Bereederungsvertrages (aus dem Jahr 1986) mit der Universität H obliegen dem Vertragsreeder neben der Durchführung des Schiffsbetriebs die Gewährleistung der Ausrüstung und alle nautischen und technischen Aufgaben, die für die Betriebsbereitschaft des Schiffes im weltweiten Einsatz nötig sind, einschließlich der nautischen und technischen Inspektion und der damit verbundenen organisatorischen und administrativen Aufgaben, insbesondere (lit c) die Planung, Veranlassung und Kontrolle von Reparaturen, Instandhaltung und Ausrüstung des Schiffes zum Zweck der ständigen Bereitschaft und Seefähigkeit. Ferner umfasst dieser Auftrag nach § 4 Nr. 1 die Unterstützung des Forschungsbetriebes auf dem Schiff gem. § 7 Ziffer 1. Danach zählen zu den Aufgaben der Besatzung u.a. die Gerätebetreuung und Durchführung von kleineren Reparaturen der Geräte der wissenschaftlichen Arbeitsgruppen, der Einsatz von Mess- und anderen Geräten und die Hilfestellung bei For- schungsarbeiten an Bord. Nach § 4 Ziffer 5.2 der Vertrages hat der Reeder in Abstimmung mit dem Auftraggeber die für den Betrieb und die Bewirtschaftung des Schiffes von der Bauwerft gelieferte Erstausrüstung dem aktuellen Bedarf anzupassen, auf ausreichendem Stand zu halten und zu ergänzen. Nach § 4 Ziffer 5.3 hat der Reeder das Schiff zu proviantieren und gem. § 4 Ziffer 5.4 das Schiff mit Betriebs- und Hilfsstoffen zu versorgen. In Anlage 4.3 des Bereederungsvertrages ("Schiffsinspektion") ist weiter ausgeführt, dass im Rahmen der zur Verfügung gestellten Geldmittel die Ag alle Maßnahmen zur Instandhaltung und Versorgung der METEOR und ihrer technischen Einrichtungen zu veranlassen und kontrollieren hat, um die Seetüchtigkeit, einen sicheren Schiffsbetrieb und die Verfügbarkeit des Schiffes sicherzustellen. Dazu gehören u.a.:

– die Planung und Kontrolle des Umfanges der Schiffsausrüstung,

– die Ausrüstung des Schiffes mit Ersatzteilen, Gebrauchs- und Verbrauchsgütern sowie Proviant und Kantinenwaren und

– die Beratung und Durchführung von baulichen Änderungen, Einbauten und Installation von Geräten für wissenschaftliche Zwecke.

Nach § 4 Nr. 2 des Bereederungsvertrages handelt der Vertragsreeder im Auftrag des Auftraggebers. Er schließt sämtliche Verträge im Rahmen der Bereederung im eigenen Namen. Die Vergabe von Leistungen an Dritte (Fremdleistungen), die 50.000 DM übersteigen, sind nach Anlagen 1 und 3 zustimmungspflichtig und nach VOL auszuschreiben. Zum Ende des Jahres 2005 wurde der Reedereivertrag mit der Ag aufgelöst.

In den Ausschreibungsunterlagen ("Leitfaden") waren als Zuschlagskriterien wissenschaftliche Kriterien (50 %) und der Preis, inkl. Einbauberatung und -begleitung, Inbetriebnahme, Schulungen und Abnahme (50 %) genannt. Die wissenschaftlichen Kriterien waren in "Muss"- und "Kann"-Kriterien gegliedert. Ein nicht vorhandenes Muss-Kriterium führte zum Ausschluss. Kann-Kriterien waren in einer Punkteskala von 1 bis 10 zu bewerten Der Bieter mit der höchsten Gesamtpunktzahl (wissenschaftliche Kriterien und Preis) sollte den Zuschlag erhalten. Beigefügt war als Anlage 3 die Wertungsmatrix für beide Fächerecholote. Einige Kriterien waren als reine "Muss"-Kriterien (ja/nein) definiert. Andere Kriterien waren "Muss"-Kriterien, wurden aber einer weiteren Bewertung im Punktesystem (1 – 10 Punkte) unterworfen. Daneben gab es Kriterien, die einer Bewertung von 1 – 10 Punkten unterzogen wurden, ohne dass sie "Muss"-Kriterien waren.

Neben der Antragstellerin (ASt) bewarben sich drei weitere Unternehmen um die Teilnahme und gaben innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot ab.

Nach der Durchführung der Wertung lag die ASt auf dem dritten Rang. Mit Schreiben vom 27. Mai 2005 informierte die Ag die ASt, dass sie beabsichtige, der K GmbH den Zuschlag zu erteilen, da sie aufgrund der Wertungskriterien die höchste Punktzahl erhalten habe. Die ASt teilte der Ag am 30. Mai 2005 telefonisch mit, dass die Entscheidung für sie nicht nachvollziehbar sei. Mit Fax vom 6. Juni erbat sie, ihr die Bewertungen zukommen zu lassen. Dies erfolgte am 7. Juni 2005. Am 10. Juni 2005 fand ein Gespräch bei der Ag mit Vertretern der ASt statt, in dem Kritik am Vergabeverfahren geübt wurde. Die ASt erklärte, dass sie die Anrufung der Vergabekammer erwäge. Mit Fax vom 10. Juni 2005 stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Bremen, der mit Schriftsatz vom 14. Juni 2005 begründet wurde. Am 14. Juni 2005 erteilte die Ag der K GmbH mit Fax-Schreiben, das um 17.16 Uhr gesendet wurde, den Zuschlag. Die Vergabekammer Bremen stellte den Nachprüfungsantrag mit Begründung erst am 15. Juni 2006 um 11.00 Uhr zu.

Zur Begründung trägt die ASt vor, dass das Vergabeverfahren Anlass zu mehreren sachlichen Rügen gebe. Sie führt diese schriftsätzlich näher aus.

Zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags trägt sie im Einzelnen vor, dass die von ihr vorgebrachte Rüge den gesetzlichen Anforderungen genüge. De facto habe die ASt erst nach Zusendung der Bewertung am 7. Juni 2005 den hier angegriffenen Vergabefehler rügen können. Es habe dann mehrere Gespräche gegeben. In der Besprechung am 10. Juni 2005 habe die ASt den zuständigen Prokurist der Ag, …, spezifisch auf den Wertungsfehler hingewiesen und der Ag somit die Möglichkeit gegeben, eine fehlerfreie Angebotswertung nachzuholen. Eine mündliche Rüge genüge den gesetzlichen Anforderungen nach § 107 GWB. Eine Rüge sei aber jedenfalls entbehrlich gewesen, weil sie wegen des drohenden Ablaufs der Frist nach § 13 VgV zu einer Rechtsschutzverkürzung geführt hätte. Im Übrigen habe die Ag in der Besprechung am 10. Juni 2005 eindeutig erklärt, keine erneute und fehlerfreie Angebotswertung vornehmen zu wollen. Jedenfalls habe die ASt aber die Rüge mit dem Schriftsatz vom 14. Juni 2005 nachgeholt.

Nach Auffassung der ASt ist die Ag öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 GWB. Die Ag gehöre zwar einem Privatunternehmen, der L, B. Sie erfülle indes im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art. Tätigkeitsbereich der Ag sei ausschließlich der Betrieb von Forschungseinrichtungen im öffentlichen Interesse und unter Finanzierung der öffentlichen Hand. Hierzu gehörten neben der FS Meteor auch das … sowie die …. Der Annahme einer nichtgewerblichen Tätigkeit stehe nicht entgegen, dass der Auftraggeber in erheblichem oder sogar überwiegendem Maße gewerbliche Zwecke verfolge und insgesamt mit Gewinnerzielungsabsicht arbeite. Die Ag werde überwiegend durch öffentliche Auftraggeber finanziert. Sowohl der streitige Auftrag selbst als auch der Betrieb der FS Meteor werde von der öffentlichen Hand finanziert und diene der universitären und damit der öffentlichen Forschung. Geldgeber seien das Bundesministerium … und die G e.V. (…). Den Mittelzuweisungen von BM und G stehe überwiegend keine Gegenleistung durch die Ag gegenüber. Nur ein geringer Teil der Zuweisungen an die Ag sei nämlich Entgelt für den Betrieb der o.g. Forschungseinrichtungen, also die Bereederung. Überwiegend gehe die öffentliche Finanzierung in den Erhalt der dem Bund gehörenden Forschungs-Infrastruktur (z.B. die Lieferung von Echoloten) und in den Forschungsbetrieb (Finanzierung von Forschungsreisen). Aus dem Auftrag zur Bereederung des FS Meteor ergebe sich, dass die von der Universität H gezahlte Vergütung auch eine Kostenerstattung enthalte. Daraus sei zu folgern, dass die mit der Bereederung verbundenen Kosten wie z.B. die Anschaffung eines Echolotsystems nur ein durchlaufender Posten für die Ag seien und letztlich von der Universität H getragen würden. Jedenfalls aber sei die Bundesrepublik Deutschland ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 1 GWB. Es sei nicht hinnehmbar, dass sich die Bundesrepublik Deutschland, die den Kauf finanziere, dadurch ihrer vergaberechtlichen Bindung entledige, dass sie ein Privatunternehmen als "Strohmann" einschalte, um das Vergabeverfahren durchzuführen. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Entscheidung über den Beschaffungsvorgang, die Festlegung der Auswahlkriterien und die Wertung und Auswahl – mithin materiell die Zuschlagsentscheidung – inhaltlich nicht von der Ag vorgenommen worden sei, sondern in der Hand der in der "Arbeitsgruppe Beschaffung" vertretenen Wissenschaftler gelegen habe. Hilfsweise komme in Betracht, das Land (L) als öffentlichen Auftraggeber i.S.v. § 98 Nr. 1 GWB anzusehen. Die Ag handele im Rahmen der Vergabe von Leistungen an Dritte "im Auftrag der" L. Sie handele dabei stellvertretend für und unter engster Aufsicht der L, denn sie müsse schon bei der Vergabe von Fremdlieferungen im Wert von 50.000 DM die schriftliche Zustimmung der L als Auftraggeber einholen. Die Vergabekammer dürfe der Ast angesichts der vorgelegten Indizien nicht de facto die Beweislast für das Vorliegen eines "öffentlichen Auftraggebers" aufbürden. Die Ag müsse begründen, weshalb sie entgegen der öffentlichen Ausschreibung nicht öffentlicher Auftraggeber sei. Im Übrigen habe sich Ag selbst als öffentliche Auftraggeberin ausgegeben und damit an das Vergaberecht gebunden. Wenn eine Selbstbindung sogar im Falle einer freiwilligen Ausschreibung gelte, dann müsse dies auch für den Fall gelten, dass ein ausschreibungspflichtiger Lieferauftrag unzweifelhaft vorliege. Die ASt habe während des Vergabeverfahrens auf die Angaben der Ag und damit auf die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer vertraut. Das vorvertragliche Vertrauensverhältnis zu den Bietern müsse im Sinne der EG-Rechtsmittel-Richtlinie zu einer "wirksamen" Nachprüfung von Vergabeentscheidungen führen. Jedenfalls habe sich die Ag einer Aufklärung der Auftraggebereigenschaft bisher verweigert, so dass sie sich grob rechtsmissbräuchlich verhalte. Auch umfasse nicht schon der Bereederungsvertrag zwischen der Uni H und der Ag die Beschaffung der Echolote. Die Ag habe den Auftrag für die Bereederung ohne ordentliches Vergabeverfahren erhalten. Vor 2005 habe es keine EG-weite Ausschreibung für die Bereederung der FS METEOR gegeben. Die vorangehende (Erst-)Vergabe eines größeren Pakets von Leistungen könne der Nachprüfung einer anschließenden (Zweit-)Vergabe von Teilleistungen nur entgegenstehen, wenn die vorgeschaltete (Erst-)Vergabe dem Vergaberecht unterlag und vergaberechtskonform erfolgt sei. Der Bereederungsvertrag decke jedoch auch inhaltlich die streitige Beschaffung nicht ab. § 4 Ziffer 2 des Vertrages i.V.m. Anlage 1 (und Anlage 3), der die Vergabe von Leistungen an Dritte regele, erfasse nicht die Anschaffung von Echoloten. Anlage 1 regele (nur) den Ersatz der bei der Beschaffung entstandenen Kosten. Auch die Abstimmungspflicht mit der Universität H sei ein Beleg dafür, dass es sich hierbei um originäre Beschaffungen der Universität handele. § 4 Ziffer 1 lit. c des Vertrages erstrecke sich nur auf Planung, Veranlassung und Kontrolle von Reparaturen, Instandhaltung und Ausrüstung des Schiffes zum Zwecke der ständigen Bereitschaft und Seefähigkeit. Die Anschaffung der Fächerecholote falle nicht hierunter, weil Fächerecholote nicht der "ständigen Bereitschaft und Seefähigkeit" des Schiffes dienten. Auch die Bereitstellung einer geeigneten, einsatzfähigen Schiffsbesatzung für den laufenden Schiffsbetrieb und die Unterstützung des Forschungsbetriebs umfasse keine Beschaffungsmaßnahmen, sondern lediglich die Bereitstellung einer entsprechenden Schiffsbesatzung. Die Beschaffung sei der Universität H zurechenbar. Die Ag sei als weisungsabhängiges Ausführungsorgan tätig geworden. Die Ag könne schon deshalb kein Auftraggeber sein, weil sie nicht selbst über die Beschaffung entschieden habe, sondern sich ihre Aufgabe auf die Beratung der Wissenschaftler der Universität H über die Einbindung der Echolote in die Schiffstechnik und die Durchführung des Vergabeverfahrens beschränkt habe. Vergaben durch einen "Strohmann" seien der dahinter stehenden Körperschaft zuzurechnen. Ansonsten bestünde die Möglichkeit einer "Flucht aus dem Vergaberecht". Erforderlich wäre dazu lediglich eine Generalvergabe von Beschaffungsvorgängen bzw. Unterhaltungs- und/oder Infrastrukturleistungen, die nachgelagerte Beschaffungsvorgänge mit sich bringen.

Die Ag habe mehrere Verstöße gegen das Vergaberecht begangen. So sei sie bei der Wertung der Angebote zu Lasten der ASt von den zuvor bekannt gemachten Zuschlagskriterien abgewichen. Die "Kann"-Kriterien seien in einer Punkteskala von 1 bis 10 zu bewerten gewesen. Die Wertung sei deshalb in allen Bereichen, in denen ein "Kann"-Kriterium auf ein "Muss"-Kriterium aufsetzte, dann falsch, wenn dort lediglich 0 Punkte vergeben wurden. Jedenfalls dürfe aber im Bereich der "Kann"-Kriterien keine Bewertung mit 0 Punkten vorgenommen werden. Zum anderen habe die Ag bei "aufsetzenden" Kann-Kriterien nicht vorab bekannt gemacht, dass bei Erfüllung nur der Mindestanforderungen lediglich 0 Punkte vergeben würden. Da die ASt in der Kategorie "Tiefwasserecholot" nur 56 erreicht habe, müsse die Ag in Abweichung der bekannt gemachten Punkteskala eine solche von "0 bis 10" zugrunde gelegt haben. Ebenso sei nicht nachvollziehbar, weshalb die ASt beim Mittelwasserecholot 335 Punkte erhalten habe. Tief- und Mittelwasserecholote der ASt seien nicht im Grundsatz, sondern nur in einzelnen Modulen unterschiedlich. Dementsprechend seien die Merkmals-Beschreibungen der ASt für beide Lote sehr ähnlich. Die Ag habe eine gleichartige Performance beider Lote aber vielfach unterschiedlich bewertet. Die ASt vermutet, dass die niedrige Bewertung beim Tiefwasserecholot daraus resultiert, dass die auf Seiten der Ag beteiligten Wissenschaftlicher das System bevorzugen wollten, das sie schon kennen, nämlich das System der Firma Kongsberg.

Im Hinblick auf den deutlich niedrigeren Preis der ASt habe man die wissenschaftliche Bewertung des Tiefwasserecholots so gedrückt, dass am Ende das gewünschte Gesamtergebnis herausgekommen sei.

Zur Wertung trägt die ASt im Einzelnen vor: In Ziffer 1.10 (Beam Steuerung umschaltbar) erfüllten beide Lote das "Kann"-Kriterium, dass die Beam Steuerung zwischen equidistant und equiangle umschaltbar sei sollte. Die ASt habe keine veraltete, sondern eine ausgereifte und geprüfte Schwingertechnologie verwandt. Die Bodendetektion erfolge sowohl über die Amplitude als auch über die Phase. Beim Tiefwasserecholot habe die Ag 0 Punkte vergeben, beim Mittelwasserlot indes 9 Punkte. In Ziffer 1.14 (back scatter-Funktion) habe die ASt die Anforderungen bejaht. Sie habe beim Tiefwasserecholot 0 Punkte, beim Mittelwasserlot 10 Punkte erhalten. Im Bereich der angebotenen Software habe die ASt bei beiden Loten durchgehend nur 0 Punkte erhalten, obwohl die ASt die Anforderungen der Ag jeweils bejaht habe. Sie weist insbesondere auf die Bewertung in Ziffer 2.3 (Windows 2000) hin, die eindeutig mit 10 Punkten habe bewertet werde müssen. Bei Ziffer 1.4 (Abdeckung "Swath width") stellt die ASt dar, dass die Mindestanforderung von 120 Grad Abdeckung bei beiden Loten übererfüllt worden sei (bis zu 140 beim Tiefwasserlot und bis zu 127 beim Mittelwasserlot). Soweit eine geringere Streifenbreite als bei den Wettbewerbern vorläge, werde diese deutlich durch Vorteile der höheren Frequenz für andere Funktionalitäten innerhalb des Lot-Systems kompensiert. In Ziffer 1.5 (mindestens 120 hard beams) habe die ASt jeweils 141 hard beams angeboten. Während sie beim Tiefwasserlot 0 Punkten erhalten habe, habe sie beim Mittelwasserlot 1,2 Punkte bekommen. In Ziffer 1.7 (Interpolationsverfahren für soft beams) habe die ASt ein patentiertes neues Verfahren angeboten, das die Leistungsfähigkeit der Angebote der übrigen Bieter deutlich übersteige. Die ASt habe eine Referenzliste für beide angebotenen Anlagen beigefügt. Die Referenzliste beschreibe die kontinuierliche Weiterentwicklung innerhalb der verschiedenen Generationen von Loten der ASt unter Verwendung gleicher Systemkomponenten. Damit habe die ASt eindeutig Funktionsnachweise für die Anlagen erbracht. Gleichwohl habe sie bei beiden Loten lediglich 0 Punkte erhalten. In Ziffer 1.9 (Angabe zu Pingraten) habe sie maximal 25 Hz beim Tiefseelot und maximal 30 Hz beim Mittelwasserlot angeboten. Auch hier habe sie nur 0 Punkte erhalten. In der Ausschreibung sei nicht zwischen maximalen Pingraten im Flachwasser und – von der Wasserschallgeschwindigkeit abhängigen – Pingraten in größeren Wassertiefen unterschieden worden. Dass die Ag offenbar nunmehr an ein ganz anderes Verfahren denke – nämlich an ein Verfahren, bei dem parallel mehrere Pings (sog. Multi-Ping) in der Wassersäule realisiert werden -, sei den Ausschreibungsunterlagen nicht zu entnehmen gewesen und könne daher vorliegend auch nicht relevant sein. Bei Ziffer 1.12 (Genauigkeit der Tiefenbestimmung – IHO – S44 Standard erfüllt?) habe man nur Ja oder Nein angeben können. Sie habe zutreffend mit Ja geantwortet, aber nur 0 Punkte erhalten. Auch erfülle die ASt das Wertungskriterium 1.17 uneingeschränkt, so dass eine Bewertung mit 0 Punkten rechtswidrig sei. Bei Ziffer 2.3 (Angaben zur Speicherung von Rohdaten) sei mehr als eine vollständige Speicherung der von den Sensoren kommenden Daten technisch nicht möglich. Man könne nur Ja oder Nein angeben. Auch hier habe sie entgegen ihrer Zusicherung der Leistung nur 0 Punkte erhalten. Ferner habe die Ag der Wertung einen Preis von … Euro zugrunde gelegt. Die ASt habe jedoch einen Gesamtpreis von … Euro angeboten. Selbst bei Zugrundelegung der ergänzend angebotenen "alternativ verfügbaren Softwarepakete" und deren Einzelpreise sei nicht nachvollziehbar, wie die Ag auf den Gesamtpreis gekommen sei. Die Annahme eines höheren Preises führe schon zu einem Nachteil von 5 Punkten in der Gesamtbewertung. Die Ag gebe zu, dass sie nicht auf den tatsächlich von der ASt angebotenen Preis, sondern auf einen von ihr selbst fiktiv ermittelten Preis abgestellt habe. Schon diese Änderung des angebotenen Preises durch die Ag sei rechtswidrig.

Ferner habe die Ag rechtswidrig die Wertungsergebnisse der ASt an alle Bieter versandt. Erst nachdem bereits ein Wettbewerber die komplette Wertung erhalten habe, habe die ASt die Wertungsmatrix auch für sich selbst angefordert.

Zudem habe die Ag das § 13 VgV-Schreiben nur mit einer nichtssagenden Blankoformulierung versehen, die es unmöglich mache, die Wertung nachzuvollziehen.

Die ASt hatte mit Schriftsatz vom 14. Juni 2005 ursprünglich beantragt,

1. ein Nachprüfungsverfahren gem. § 107 GWB zur Ausschreibung der Ag, Projekt "Lieferung Tief- und Mittelwasserlot FS METEOR", einzuleiten,

2. die Zustellung des Nachprüfungsantrages der ASt vom 10.6.2005 sowie der vorliegenden Begründung dieses Nachprüfungsantrags an die Ag nach § 110 Abs. 2 sofort vorzunehmen,

3. festzustellen, dass die ASt durch das Vergabeverfahren in ihren Rechten verletzt ist

4. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten der ASt für notwendig zu erklären und

5. der Ag die Kosten dieses Verfahrens, die Kosten für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG, einschließlich der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten, aufzuerlegen.

Ferner hatte sie Akteneinsicht gem. § 111 Abs. 1 GWB beantragt.

Für den Fall, dass der Zuschlag am 14. Juni 2005 erteilt worden ist, hat die ASt hilfsweise gem. § 114 Abs. 2 S. 2 GWB Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt. Soweit die Kammer den Nachprüfungsantrag für unzulässig erachte, weil die Ag kein öffentlicher Auftraggeber sei oder weil der Zuschlag wirksam erteilt sei, hat sie gem. § 128 Abs. 3 S. 4, Abs. 4 S. 3 GWB beantragt, die Kosten des Verfahrens der Ag aufzuerlegen.

Sie führt dazu näher aus, dass es unter den gegebenen Umständen unbillig sei, die ASt mit den Verfahrenskosten zu belasten. Die Ag habe die ASt mehrfach getäuscht. Sie habe sich im Vergabeverfahren durchweg als öffentlicher Auftraggeber dargestellt und im Hinblick auf Rechtsmittel auf die Einreichung eines Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer Bremen hingewiesen. Sie habe der ASt noch am 13. Juni 2004 zugesichert, den Zuschlag nicht sofort zu erteilen, sondern zunächst die Zustellung des Nachprüfungsantrages und die Entscheidung der Vergabekammer abzuwarten. Die Verfahrenskosten wären i.S.v. § 21 GKG analog bei richtiger Behandlung der Sache durch die Ag nicht entstanden.

Die Ag beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag der ASt als unzulässig zu verwerfen.

2. Hilfsweise, den Nachprüfungsantrag der ASt zurückzuweisen.

3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten der Ag für notwendig zu erklären und der ASt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Ag aufzuerlegen.

Der Nachprüfungsantrag sei offensichtlich unzulässig. Die ASt habe ihre Rügepflicht nicht erfüllt. Mit Schreiben vom 6. Juni 2005 habe die ASt eine nähere Erläuterung der Bewertung erbeten, die sie am 7. Juni erhalten habe. Am 10. Juni 2005 habe sodann ein Gespräch mit Vertretern der ASt stattgefunden. In diesem Gespräch habe die ASt allgemein Kritik an dem Vergabeverfahren geübt. Sie habe auch erklärt, dass sie die Anrufung der Vergabekammer erwäge. Es seien jedoch nicht bestimmte Verstöße beanstandet worden und damit auch nicht vor der Anrufung der Vergabekammer die Möglichkeit der Selbstkorrektur gegeben worden.

Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2005 trägt sie erstmals vor, dass nach ihrer Auffassung eine Zuständigkeit der Vergabekammer nicht gegeben sei. Die Ag sei zunächst davon ausgegangen, dass es sich um einen öffentlichen Auftrag handele, da der Auftrag über öffentliche Mittel finanziert werde. Die Bundesrepublik Deutschland stelle die Mittel für die Anschaffung des Echolots zur Verfügung. Dies sei jedoch für die Auftraggebereigenschaft nach § 98 Nr. 2 GWB nicht entscheidend. Die Ag sei kein öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB. Die Ag sei nicht zu dem besonderen Zweck gegründet worden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen. Die Ag sei ein auf Gewinnerzielung gerichtetes privates Unternehmen. Sie stehe vollständig im Eigentum privater Eigentümer. Die Ag sei im Reedereigeschäft sowohl als Charterbetrieb als auch als Dienstleister für fremde Schiffsinhaber tätig. Sie sei aufgrund eines schlichten Dienstleistungsvertrages mit der Bereederung der FS Meteor beauftragt. Auftraggeber sei die L, vertreten durch die Universität H. Die Ag sei ausschließlich privat finanziert, sie erhalte keine Mittel des Bundes oder anderer Stellen der öffentlichen Hand. Die Aufsicht über die Leitung werde allein durch die privaten Gesellschafter ausgeübt. Auch ein Fall des § 98 Nr. 5 GWB liege nicht vor, da der Auftrag für die Echolote nicht dem (abschließenden) Katalog dieser Bestimmung unterfalle. Vielmehr sei die Vergabe der Echolote auf der 2. Stufe des Reedereivertrages erfolgt und falle nicht mehr unter den Begriff des öffentlichen Auftrages. Ebenso wenig wie der Generalunternehmer auf der Baustelle sei der Reeder verpflichtet, seine Lieferanten im Wege der öffentlichen Ausschreibung zu ermitteln. Durch die Vereinbarung von Selbstkostenerstattungspreisen werde lediglich sichergestellt, dass die Vergütung für diese zusätzlichen Fremdlieferungen und Leistungen marktgerecht und angemessen ermittelt werde.

Auf die behaupteten materiellen Vergabeverstöße komme es deshalb nicht an. Die Ag nimmt dazu ergänzend Stellung. Bei der Wertung der Angebote seien die wissenschaftlichen Kriterien in "Muss"- und "Kann"-Kriterien gegliedert worden, wobei das Fehlen eines "Muss"-Kriteriums zum Ausschluss des Angebots geführt habe. Zur Wertung nimmt sie wie folgt Stellung: Die Ag habe eine Mindestqualität mit Muss-Kriterien festgelegt. Darüber hinaus sollten zusätzliche Punkte von 1 – 10 dafür vergeben werden, dass einzelne Qualitätsmerkmale über der Basis lagen. Für die überobligatorische Kriterienerfüllung habe es das Punktespektrum von 1 – 10 gegeben. Hätten alle Anlagen die gleiche Qualitätsbasis, erfüllten also die Muss-Kriterien, so entscheide allein der Preis. Erst zusätzliche Kriterien rechtfertigten es, Unterschiede in der Qualität in die Bewertung mit einzubeziehen. Die unterschiedliche Bewertung gleicher Produktmerkmale beim Mittel- und beim Tiefsee-Echolot rührten daher, dass die Qualität immer nur relativ beurteilbar sei. Gerade im Tiefseewasser-Echolotbereich habe es bei der ASt große qualitative Unterschiede zu den anderen Anbietern gegeben. Das Wertungskriterium 1.10 (Beamsteuerung umschaltbar) sei von der ASt nicht erfüllt worden, weil sie eine alte Schwingertechnologie angeboten habe. Die Bottom-Detection erfolge nur über Amplitude. Dies führe dazu, dass bei der Umschaltung auf "Equidistant" erhebliche Qualitätsverluste aufträten, da nicht alle Strahlen erhalten blieben. Die volle Umschaltbarkeit des Systems könne nicht als erfüllt betrachtet werden. Bei dem Wertungskriterium 1.17 habe das Angebot der ASt mit Abstand den geringsten Kompensationsbereich gehabt. die Bewertungsgruppe habe deshalb entschieden, das Angebot mit 0 Punkten zu bewerten. Damit könne das Wertungskriterium nicht als erfüllt angesehen werden. Zur Systemsoftware (2.3) stellt die Ag fest, dass hier zusätzliche Punkte nicht erreicht werden konnten. Es sei Muss-Voraussetzung gewesen, dass die Systemsoftware auf Windows basiere. In Ziffer 1.4 sei nicht entscheidend, ob das Kriterium der Muss-Abdeckung um einige Grade überschritten werde, sondern wie die Qualität der Vermessungsbreite im Vergleich zu anderen Anlagen gewesen sei. Die von der ASt angebotene niedrige Streifenbreite biete wegen der Schiffskosten keine wirtschaftliche Lösung. Die in Ziffer 1.5 bewerteten Hardbeams seien das schlechteste Ergebnis im gesamten Angebotsspektrum. Es hätten daher keine zusätzlichen Wertungspunkte vergeben werden können. In Ziffer 1.7 sei ein Prototyp angeboten worden, dessen Funktionsweise nicht nachgewiesen worden sei. In Ziffer 1.9 sei eine zusätzliche Qualität über Verfahren, die mehrere Pings unabhängig von der Wassertiefe realisieren, bewertet worden. Derartiges sei durch die ASt aber nicht angeboten worden. Bezüglich Ziffer 1.12 sei festzustellen, dass die ASt nur beschrieben habe, dass sie das Kriterium erfülle. Sie habe jedoch keine Qualität dargelegt, die die Vergabe zusätzlicher Punkte rechtfertige. Dies gelte entsprechend auch für die Ziffer 2.3. Zusätzliche Punkte seien nur bei zusätzlichen Funktionen, die den Nutzwert erhöhten, zu vergeben gewesen. Das sei bei der Anlage der ASt aber nicht der Fall gewesen. Eine Schlechterbehandlung gegenüber anderen Anbietern habe es aber nicht gegeben.

Bei der Wertung der Preise sei für alle Anbieter das wahrscheinlichste Leistungspaket definiert und auf dieser Basis der Gesamtpreis ermittelt worden.

Die Offenlegung der Wertungsmatrix könne nicht beanstandet werden. Die ASt habe diese selbst gefordert. Im Wege der Gleichbehandlung sei gegenüber anderen Bietern entsprechend verfahren worden.

Mit Auflagen- und Hinweisbeschluss vom 5. Juli 2005 wies die Vergabekammer Bremen darauf hin, dass "bisher nicht erkennbar sei, dass die Vorschriften des 4. Teils des GWB zur Anwendung kommen". Mit bestandskräftigem Beschluss vom 15. Juli 2005 hat die Vergabekammer Bremen (VK 07/05) das Nachprüfungsverfahren an die Vergabekammer des Bundes verwiesen. In der Begründung führte sie aus, dass die Finanzierung des Forschungsschiffes METEOR, das im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland steht, überwiegend mit Mitteln des Bundes erfolge. Die Vergabekammer hat dahingestellt sein lassen, ob die Ag überhaupt die richtige Antragsgegnerin sei oder ob dies nicht die Bundesrepublik Deutschland sein müsste. Zur Zulässigkeit des Antrags stellte sie fest, dass die Rügeobliegenheit nicht verletzt sei. Die ASt habe positive Kenntnis der von ihr gerügten Vergabeverstöße erst nach Erhalt der Bewertung mit Schreiben vom 7. Juni 2005 gehabt. Das Nachprüfungsverfahren ist nach Feststellung der Vergabekammer Bremen hinsichtlich des Hauptantrags erledigt, da die Ag den Zuschlag erteilt hat. Der Zuschlag sei nach Beginn des Nachprüfungsverfahrens, das mit dem Tätigwerden der Vergabekammer am 13. Juni 2005 – nämlich der Entscheidung, den Antrag mangels Begründung als offensichtlich unzulässig nicht zuzustellen – anzusetzen sei, wirksam erteilt worden. Ein Zuschlagsverbot gem. § 115 Abs. 1 GWB sei nicht eingetreten, weil die Frist des § 13 VgV abgelaufen war. Anhängig geblieben ist nach dem Beschluss der Vergabekammer Bremen der hilfsweise gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag der ASt.

Auf ein Auskunftsersuchen der Vergabekammer der Bundes hin hat die Universität H mitgeteilt, dass die beschafften Echolote in erster Linie wissenschaftlichen Zwecken (Kartierung des Meeresbodens bei der Erfassung der Morphologie) dienen. Im Gegensatz zu den an Bord von Forschungsschiffen ebenfalls vorhandenen Navigationsecholoten, die Tiefeninformationen bis 100 m lieferten, wiesen Fächerecholote einen Arbeitsbereich von 100 – 10.000 m Wassertiefe auf. Nach Auffassung der Uni H erfasst der Bereederungsvertrag für die FS METEOR die Beschaffung von wissenschaftlichen Geräten durch die Ag. Sie verweist insoweit auf die Anlage 4.3 zum Bereederungsvertrag (6. Spiegelstrich). Die Durchführung der Beschaffungen nach VOL sei in Anlage 3 festgelegt. Beschaffungen – auch wissenschaftlicher Geräte -, die aufgrund des Bereederungsvertrages vorgenommen worden seien, seien auf den Schiffsbetrieb bezogen, da sie speziell für das Schiff METEOR angeschafft würden. Das wissenschaftlich-technische Anforderungsprofil für das hier zu beschaffende Fächerecholot sei in einer Arbeitsgruppe erarbeitet worden, der mehrere Wissenschaftler aus verschiedenen Instituten und Vertreter der Ag angehörten. Da die Ausführung der Leistung erhebliches schiffsbetriebstechnisches Wissen erfordert habe, sei die Beschaffung durch die Ag durchgeführt worden. Bei Geräten, die unabhängig von der Schiffstechnik genutzt würden, werde hingegen die Beschaffung von der zuständigen wissenschaftlichen Einrichtung selbst vorgenommen, die auch für die Finanzierung des Gerätes verantwortlich sei.

Die Kammer hat der ASt antragsgemäß Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren.

Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer, auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen haben, sowie den Verweisungsbeschluss der Vergabekammer Bremen und deren Verfahrensakte wird ergänzend Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung wurde festgestellt, dass die von der Ag überreichten Vergabeakten nur einen Teil des Angebots der ASt enthielten. Die Kammer hat zur Überprüfung der Angebotswertung eine von der ASt übergebene Kopie des Angebotsformulars (datiert am 24. März 2005) zugrunde gelegt.

II.

Der gegen die Ag gerichtete Feststellungsantrag ist zulässig. Die Ag hat im Rahmen ihres Dienstleistungsvertrages die Beschaffung der Fächerecholote stellvertretend für die öffentliche Hand ausgeführt. Der Nachprüfungsantrag ist begründet, weil die ASt bei der Durchführung der Wertung in ihren Bieterrechten verletzt worden ist.

A. Das Nachprüfungsverfahren ist nach dem 4. Teil des GWB statthaft.

1. Ein Nachprüfungsverfahren ist jedoch nicht schon deshalb eröffnet, weil die Ausschreibung den Hinweis darauf enthielt, dass die Vergabekammer Bremen zur Überprüfung der Entscheidung über die Vergabekammer zuständig sein solle. Eine (falsche) Rechtsmittelbelehrung eröffnet keinen Rechtsmittelzug (OLG Celle, Beschluss v. 5. September 2002, 13 Verg 9/02). Zwar hat die europaweite Ausschreibung der Ag im nichtoffenen Verfahren nach VOL/A eine Selbstbindung der Ag im Hinblick auf die Einhaltung dieser Vorschriften bewirkt. Die Ag muss sich folglich bei ihrer Vergabeentscheidung an den Verfahrensregeln der VOL/A festhalten lassen (so OLG Dresden, Urteil v. 9. März 2004, 20 U 1544/03). Das Auftreten als öffentlicher Auftraggeber und die Rechtsmittelbelehrung bewirken aber nicht, dass der 4. Teil des GWB anwendbar wird. Die Anwendbarkeit des GWB bestimmt sich rein objektiv nach dem Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsmerkmale zur Auftraggebereigenschaft und zum öffentlichen Auftrag.

2. Im zu prüfenden Fall liegt allerdings eine Vergabe durch einen öffentlichen Auftraggeber gem. § 97 Abs. 1 i.V.m. § 98 GWB vor. Nach § 97 Abs. 1 GWB beschaffen öffentliche Auftraggeber Waren, Bau- und Dienstleistungen nach Maßgabe der Vorschriften des 4. Teils des GWB. Der Begriff des öffentlichen Auftraggebers ergibt sich aus § 98 GWB. Der Begriff ist nach der Rechtsprechung des EuGH funktionell auszulegen (EuGH, Urteil v. 13.01.2005, Rs. C-84/03; Urteil v. 15.5.2003, Rs. C-214/00). Danach liegt eine Einrichtung des öffentlichen Rechts vor, wenn sie die drei in Art. 1 lit. b Unterabsatz 2 der Richtlinie 93/37 (bzw. Richtlinien 92/50 und 93/36) enthaltenen Tatbestandsmerkmale aufweist, nämlich ihre Gründung zu dem besonderen Zweck, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, Rechtspersönlichkeit und eine enge Verbindung mit dem Staat, Gebietskörperschaften oder anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts vorliegt. § 98 GWB setzt diesen Begriff der öffentlichen Einrichtung in den Auftraggeberbegriff des deutschen Rechts um.

a. Die Ag ist jedoch selbst kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB. Öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB sind juristische Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, wenn Stellen, die unter § 98 Nr. 1 oder 3 GWB fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder wenn sie durch staatliche Stellen beherrscht werden. Im Sinne der Rechtsprechung des EuGH müssen diese Merkmale kumulativ vorliegen (EuGH, Urteil v. 15.5.2003, Rs. C-214/00).

i. Die Ag ist nicht zur Erfüllung einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe nichtgewerblicher Art gegründet worden. Ausreichend ist allerdings, wenn die im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nichtgewerblicher Art später übernommen wurden. Es ist nicht erforderlich, dass die juristische Person von Anfang zu diesem Zweck gegründet wurde (EuGH, Urteil v. 12. Dezember 2002, Rs. C -470/99; Werner in Byok/Jaeger, 2. Aufl., § 98 Rz. 328). Die Ag hat jedoch weder ursprünglich im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art wahrgenommen, noch hat sie dies während der Bereederung der FS METEOR getan. Die Ag war und ist vielmehr ein auf Gewinnerzielung ausgerichtetes Reederei-Unternehmen, das an öffentlichen Aufträgen im Sektor Forschungsschiffe bzw. Forschungsplattformen in Form von Dienstleistungsverträgen partizipiert. Zweifelhaft ist schon, ob die Ag nichtgewerblich tätig ist. Die Ag steht bei ihrer Aufgabe nämlich im Wettbewerb mit anderen gewerblich tätigen Reedern. Jedenfalls stellt aber der Geschäftszweck der Ag keine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe dar. Die Ag beschäftigt sich mit Bau, Erwerb, Charterung, Vercharterung und Bereederung von Forschungsschiffen sowie anderen Einheiten zur Meeresforschung und hiermit in Zusammenhang stehender Consultingtätigkeit sowie mit der Betreuung von Forschungseinrichtungen in Küstennähe und im offenen Meer, ferner mit Handel und Vermietung von Geräten für Meeresforschung und Meerestechnik (so § 2 des Gesellschaftsvertrages der Ag). Die öffentliche Aufgabe "Forschung" (vgl. insoweit Anhang III der Vergabekoordinierungsrichtlinie, Abdruck in Byok/Jaeger, § 98 Rz. 311) ist hingegen nicht Bestandteil des Aufgabenfeldes der Ag. Dementsprechend hat auch nicht die Ag den Forschungsbetrieb des Schiffes METEOR geleitet. Vielmehr obliegt die Leitung des Forschungsbetriebes dem Institut für Meereskunde der Universität H (sog. Leitstelle FS METEOR).

ii. Ferner fehlt es auch an dem Merkmal der "auf sonstige Weise" überwiegenden Finanzierung der Ag. Eine überwiegende Finanzierung wird beispielsweise für den Fall angenommen, dass ein Unternehmen sowohl Personal als auch Liegenschaften nebst Betriebs- und Geschäftsausstattung unentgeltlich von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt bekommt (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30. April 2003, Verg 67/02). Die Ag finanziert jedoch ihr Personal und ihren Geschäftsbetrieb selbst. Die Ag erhält allerdings für die Dienstleistung "Bereederung" von den verschiedenen Auftraggebern jeweils ein Entgelt. Es handelt sich hierbei – soweit die Auftraggeber öffentliche Einrichtungen sind – zwar um öffentliche Gelder, diese werden aber in einem Vertragsverhältnis als Gegenleistung gezahlt. Die Ag erhält somit – selbst wenn man unterstellte, die Ag hätte zu 100 % Vertragspartner der öffentlichen Hand – keine Finanzierung im Sinne einer Bereitstellung von Geldern oder Sachleistungen (vgl. Werner in Byok/Jaeger, § 98 Rz. 351). Es liegen der Vergabekammer darüber hinaus keine Anhaltspunkte vor, dass die Ag neben den vertraglichen Entgelten Zuschüsse und Unterstützungen durch die öffentliche Hand erhält. Auch für den Fall der Erstattung von Kosten für die Beschaffung von Inventar und sonstiger Ausrüstung aufgrund des mit der L abgeschlossenen Vertrages über die Bereederung ergibt sich keine überwiegende Finanzierung der GmbH im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Die Kostenerstattung für die Anschaffung des Echolots bewirkt lediglich ein Durchreichen der bei der Ag bereits entstandenen Kosten für im eigenen Namen angeschafftes Inventar.

iii. Auch wird die Ag nicht durch staatliche Stellen beherrscht. Die Ag steht unstreitig im Eigentum privater Gesellschafter, die keinem Einfluss durch staatliche Stellen ausgesetzt sind. Die Ag ist eine 100 %ige Tochter einer Kommanditgesellschaft, deren Anteile von Privatpersonen gehalten werden.

b. Ferner ist die Ag auch nicht öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 5 GWB. Nach dieser Bestimmung fallen auch solche natürlichen oder juristischen Personen des privaten Rechts unter den Begriff des öffentlichen Auftraggebers, die bestimmte Bauvorhaben durchführen und dabei von Stellen nach § 98 Nr. 1 – 3 GWB öffentliche Mittel erhalten, mit denen die genannten Vorhaben zu mehr als 50 % finanziert werden. Die Vorschrift findet bei sog. Drittvergaben im Falle der abschließend aufgezählten Bauvorhaben, also bei Tiefbaumaßnahmen, Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden Anwendung. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es zu verhindern, dass sich der Staat seinen vergaberechtlichen Verpflichtungen durch Zwischenschaltung von durch ihn subventionierten Auftraggebern entzieht (Werner in Byok/Jaeger, § 98 Rz. 386). Die Finanzierung des Echolots durch die Bundesrepublik Deutschland erfolgt jedoch nicht im Rahmen einer Bau- Vergabe. Sie ist vielmehr eine Beschaffung im Anwendungsbereich der VOL. Die abschließend für bestimmte Bauvorhaben geregelte Auftraggebereigenschaft nach § 98 Nr. 5 GWB ist daher für den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Angesichts des abschließenden Regelungsgehalts scheidet eine analoge Anwendung der Norm zur Begründung der Auftraggebereigenschaft der Ag aus. Voraussetzung für eine analoge Anwendung wäre das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke in § 98 GWB. Der Gesetzgeber hat in der Vorschrift eine Umsetzung des von den EG-Vergaberichtlinien vorgesehenen Auftraggeberbegriffes in deutsches Recht vorgenommen (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 13/9340, zu § 107 GWB-E [§ 98]). Die vom Gesetzgeber vorgenommene Einteilung des Auftraggeberbegriffs in sechs Kategorien ist abschließend (Werner in Byok/Jaeger, § 98 Rn. 296; Eschenbruch in Kulartz/ Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, 2006, § 98, Rn. 42). Gegen das Vorliegen einer Regelungslücke spricht insbesondere, dass der Gesetzgeber den Fall der Finanzierung von Vorhaben bereits besonders erfasst hat (s. § 98 Nr. 5 GWB). Die vorgenommene Einschränkung auf spezielle Bauvorhaben, die zu über 50 % finanziert werden, stellt eine bewusste Eingrenzung des Auftraggeberbegriffs dar. Auch aus der am 30.04.2004 in Kraft getretenen Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (ABl. EG 2004, Nr. L 134/14) lässt sich nichts anderes ableiten.

c. Die Ag ist allerdings stellvertretend für einen öffentlichen Auftraggeber aufgetreten. Die Ag erteilte zwar den Auftrag nach Ziffer 3.2 des der Ausschreibung zu Grunde liegenden Vertragsentwurfes (Anlage 9 der Ausschreibung) im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Damit liegt zwar kein Fall der unmittelbaren Stellvertretung gemäß § 164 BGB vor (hierbei handelt der Vertreter im Namen des Vertretenen). Die Ag hat jedoch die öffentliche Hand mittelbar vertreten. Eine mittelbare Stellvertretung liegt vor, wenn jemand ein Rechtsgeschäft im eigenen Namen, aber im Interesse und für Rechnung eines anderen, des Geschäftsherrn, vornimmt (Heinrichs in Palandt, 65. Aufl. 2006, Einf v § 164 BGB). Die Ag führte die Ausschreibung aufgrund des Beschlusses und der Vorgaben einer mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Instituten sowie einem eigenen Vertreter (Herr …) besetzten Arbeitsgruppe ("…") durch. Die von der Arbeitsgruppe entwickelten Vorstellungen mündeten nach Auskunft der Universität H in eine wissenschaftlich- technische Beschreibung der Echolote als Basis der Beschaffung. Die Fächerecholote wurden auf der FS METEOR allein für den wissenschaftlichen Einsatz benötigt. Sie dienen der Kartierung des Meeresbodens bei der Erfassung der Morphologie. Für nautische Zwecke werden sie nicht eingesetzt, weil auf der FS METEOR für diese Zwecke ein eigenes Echolot vorhanden ist. Nach Auskunft der Universität H hat man die Beschaffung durch die Ag durchführen lassen, weil sie schiffsbetriebstechnisches Wissen erforderte. Die Beschaffung der Fächerecholote lag somit erkennbar nicht im eigenen Interesse der Ag, sondern im Interesse des Schiffseigners (Bundesrepublik Deutschland) bzw. des Betreibers des Forschungsschiffes (der Universität H). Da die Ag ferner die für die Beschaffung der Echolote erforderlichen Mittel nach dem Bereederungsvertrag zum Selbstkostenpreis ersetzt bekam, handelte sie für Rechnung eines Anderen. Die Voraussetzungen für eine mittelbare Stellvertretung liegen demnach vor. Die Ag ist damit zwar im Außenverhältnis alleiniger Auftraggeber, im Innenverhältnis ist die Beschaffung jedoch der Bundesrepublik Deutschland (bzw. dem Bundesland L als Vertragspartner des Bereederungsvertrages) als öffentlichem Auftraggeber gem. § 98 Nr. 1 GWB zuzurechnen (vgl. auch OLG Schleswig, Beschluss v. 13. April 2006, 1 (6) Verg 10/05: materiell-rechtliche Zurechnung der Vergabe zu dem eigentlichen öffentlichen Auftraggeber). Bei der Beschaffung der Echolote waren deshalb die Vergabevorschriften des 4. Teils des GWB einzuhalten. Die Vergabe unterliegt daher grundsätzlich dem Nachprüfungsverfahren.

d. Die Anwendbarkeit der Vergabevorschriften des 4. Teils des GWB scheidet im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise aus, weil die Neubeschaffung der Fächerecholote bereits durch die Beschaffung der Reedereidienstleistung miterfasst worden wäre ("Sperrwirkung der Erstvergabe"). Vergaberechtlich unbedenklich ist allerdings, dass der Reedereivertrag aus dem Jahr 1986 stammt und nicht seinerseits im Rahmen einer förmlichen Vergabe abgeschlossen wurde. Da zu diesem Zeitpunkt das europäische Vergaberecht noch nicht galt, musste der Vertrag nicht europaweit ausgeschrieben werden. Der Vertrag war unbefristet abgeschlossen. Es bestand deshalb keine Verpflichtung, den Vertrag 1999 mit Einführung des europäischen Vergaberechts zu kündigen. Jedoch sperrt der Reedereivertrag inhaltlich nicht die Anwendbarkeit der Vergabevorschriften auf die vorliegende Beschaffung des Echolote. Grundsätzlich kann ein öffentlicher Auftraggeber Gesamtleistungen ausschreiben (z.B. bei dem Bau einer Autobahn, eines Schiffes). Durch die Verlagerung von "Unterbeschaffungen" bzw. Nachunternehmerleistungen auf den Auftragnehmer der Gesamtleistung kann er weitere Ausschreibungen einzelner Gewerke vermeiden (zur Beschaffung eines Echolots im Rahmen des Neubaus eines Forschungsschiffes: OLG Rostock, Beschluss v. 5. Februar 2003, 17 Verg 14/02; vgl. auch OLG Celle, Beschluss v. 5. September 2002, 13 Verg 9/02). In der hier zu beurteilenden Sachverhaltskonstellation liegt allerdings nicht die Beschaffung von Teilleistungen im Rahmen einer Gesamtleistung vor. Der zugrundeliegende Reedereivertrag ermächtigt die Ag zwar zur Beschaffung von Proviant, Betriebs- und Hilfsstoffen (§ 4 Ziffer 5.3 und 5.4). Eine Ergänzung der Ausrüstung des Schiffes ist aber gem. § 4 Ziffer 5.2 nur in Abstimmung mit dem Auftraggeber des Bereederungsvertrages vorzunehmen. Insoweit ist die Ag nicht eigenständig zur Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen ermächtigt, sondern auf eine gesonderte Vergabeentscheidung der Universität H angewiesen. Bestätigt wird dies dadurch, dass die Universität im Reedervertrag ab einem Auftragswert von 50.000 DM eine Vergabe im Wettbewerb durch Einhaltung der Vorgaben der VOL vorschreibt und gleichzeitig ein Zustimmungserfordernis vor Auftragserteilung begründet (s. Anlage 1 lit. I. B des Reedereivertrages). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Reedereivertrag Ersatz- oder Neubeschaffungen von Ausrüstungsgegenständen "sperrt" und der öffentliche Auftraggeber diese nicht mehr in einem förmlichen Verfahren nach den Vergabevorschriften des 4. Teils des GWB auszuschreiben hätte. Anders hingegen sieht es bei der Beschaffung von Proviant oder Betriebs- und Hilfsstoffen aus. Hier deckt der Reedereivertrag die laufende Beschaffung durch den Reeder ab. Diese Beschaffungen sind Bestandteil der typischen Tätigkeit eines Reeders beim Betrieb eines Schiffes. Die Fächerecholote waren im vorliegenden Fall deshalb öffentlich auszuschreiben. Die Kammer merkt in diesem Zusammenhang an, dass selbst bei einer ausdrücklichen vertraglichen Verlagerung der Beschaffung von wissenschaftlicher Ausrüstung auf den Reeder Zweifel bestehen, ob dies die Ausschreibungspflicht der öffentlichen Hand entfallen ließe. Solange die Leitung des Forschungsbetriebs bei einem öffentlichen Auftraggeber verbleibt, dürfte die pauschale Ermächtigung zur Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen zu Forschungszwecken, die nicht im Zusammenhang mit dem laufenden – vom Reeder zu gewährleistenden – Schiffsbetrieb stehen, vergaberechtlich zu weitgehend sein. Eine generelle Verlagerung der Einkaufstätigkeit der Universität H auf den Reeder würde zu einer Umgehung des Vergaberechts durch die öffentliche Hand führen.

B. Der Feststellungsantrag ist statthaft und im Übrigen zulässig.

1. Nachdem sich das Vergabeverfahren nach seiner Einleitung am 10. Juni 2005 durch die Erteilung des Zuschlags vor Zustellung des Antrags erledigt hat, ist der Antrag auf Feststellung einer Rechtsverletzung gemäß § 114 Abs. 2 S. 2 GWB statthaft. Da eine solche Feststellung wegen der Bindungswirkung nach § 124 Abs. 1 GWB der Vorbereitung eines möglichen Schadensersatzprozesses dient, hat die Antragstellerin grundsätzlich ein Feststellungsinteresse. Sie hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass sie zur weiteren "Schadensbegrenzung" insbesondere ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens im Hinblick auf zukünftige Vergabeentscheidungen anderer Auftraggeber habe.

2. Die ASt war im Hinblick auf den zunächst eingereichten Nachprüfungsantrag gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie hat geltend gemacht, durch einen Vergaberechtsverstoß in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt zu sein. Durch die Abgabe eines Angebots war das Interesse der ASt am Auftrag hinreichend dokumentiert, so dass ihr durch die Nichtberücksichtigung ihres Angebots auch ein wirtschaftlicher Schaden drohte.

3. Die ASt hat die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße auch rechtzeitig gemäß § 107 Abs. 3 GWB, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, gerügt. Die Rüge gem. § 107 Abs. 2 GWB ist formlos möglich. Sie ist deshalb auch mündlich oder fernmündlich zulässig (Wiese in Kulartz/ Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 107 Rn. 92). Die ASt hatte der Ag bereits telefonisch am 30. Mai 2005 mitgeteilt, dass die mit Schreiben vom 27. Mai mitgeteilte Zuschlagsentscheidung nicht nachvollziehbar sei. Eine inhaltlich aufbereitete Rüge war der ASt allerdings erst mit Erhalt der Bewertung, die zuvor bereits an einen dritten Bewerber verschickt worden war, am 7. Juni 2005 möglich. In der Besprechung am 10. Juni 2005 habe sie sich – so ihr Vortrag in der mündlichen Verhandlung – von der Ag die Vergabeentscheidung im Hinblick auf die Vergabe der Wertungspunkte (1 – 10 Punkte bzw. 0 – 10 Punkte), die ungeschwärzte Veröffentlichung der Bewertung und die Berücksichtigung der Preise erläutern lassen und mitgeteilt, dass sie die Anrufung der Vergabekammer erwäge. Die Ag räumt ein, dass die ASt die Anrufung der Vergabekammer erwogen habe, bestreitet aber den Inhalt der Rügen. Es erscheint der Kammer allerdings lebensfremd, dass die ASt im Gespräch die Anrufung der Vergabekammer erwähnt habe, ohne dass über Inhalte eines solchen Vorgehens gesprochen worden sein soll. Die Kammer ist von der Richtigkeit des Vortrags der ASt überzeugt. Jene hat damit die Beseitigung der aufgezeigten Vergaberechtsfehler geltend gemacht und ist somit ihrer Rügeverpflichtung nachgekommen.

4. Die Vergabekammer des Bundes ist nach dem Verweis des Feststellungsverfahrens durch die Vergabekammer Bremen zur Entscheidung zuständig. Es kann dabei letztlich dahin stehen, ob dieser Auftrag dem Bund (wegen der Finanzierung der Echolote aus Bundesmitteln) oder dem Bundesland L zuzurechnen ist; denn die Kammer sieht sich durch den Verweisungsbeschluss der Vergabekammer Bremen zur Entscheidung über dieses Nachprüfungsverfahren berufen.

C. Der Feststellungsantrag ist begründet. Die ASt ist bei der Durchführung der Wertung durch die Ag in ihren Bieterrechten verletzt worden.

1. Die durchgehende Verwendung einer Punkteskala von 0 – 10 Punkten ist angesichts der von der Ag veröffentlichten Bewertungsskala von 1 – 10 Punkten für "Kann"-Kriterien nicht plausibel. Die Ag hatte in den Verdingungsunterlagen die wissenschaftlichen Kriterien in "Muss"- und "Kann"-Kriterien gegliedert. Ferner war vorgegeben, dass "Kann"- Kriterien in einer Punkteskala von 1 bis 10 bewertet würden. Nicht vorhandene "Muss"- Kriterien sollten zum Ausschluss führen. In der den Bietern mitgeteilten Wertungsmatrix finden sich mehrere "Muss"-Kriterien, die mit "Kann"-Kriterien kombiniert sind. Der Matrix kann jedoch nicht in der notwendigen Klarheit entnommen werden, dass für den Fall, dass ein Bieter, der lediglich ein "Muss"-Kriterium erfüllt, für die Nicht-Erfüllung des weitergehenden "Kann"-Kriteriums keine Punkte, also 0 Punkte, erhält. Die "Kann"-Kriterien bewerten zwar teilweise eine Übererfüllung, d.h. eine Leistung, die über die reine "Muss"- Leistung hinausgeht (Ziffern 1.4, 1.5). Eine Bewertung mit 0 Punkten wäre in diesen Fällen denkbar. Nicht schlüssig ist hingegen eine Vergabe von 0 Punkten, wenn dem "Kann"- Kriterium keine Übererfüllung entnommen werden kann (siehe Ziffern 1.10, 1.13, 1.14, 1.15, 1.17, 1.20, 1.23, 2.2, 2.4, 2.7). Letztendlich kann die Differenzierung im Einzelnen aber dahinstehen, da sich die Ag durch die Veröffentlichung der Bewertungsskala von 1 – 10 Punkten selbst gebunden und dabei die Bewertung mit 0 Punkten im Einzelfall nicht vorgesehen hat.

2. Die Vergabe der Wertungspunkte ist in einer Reihe von Ziffern der Matrix als auch in dem zugrunde gelegten Angebotspreis der ASt nicht nachvollziehbar. Grundsätzlich ist die Ermessensentscheidung des Auftraggebers bei der Bewertung von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar. Sie kommt – von Rechtsverstößen abgesehen – nur in den Fällen einer Ermessensunterschreitung, -überschreitung oder eines Ermessensfehlgebrauchs in Betracht (OLG Düsseldorf, 12. Oktober 2005, Verg 37/05). Es bestehen vorliegend Anhaltpunkte für eine Überschreitung des der Ag zustehenden Entscheidungsermessens. Die Vergabe von 0 Wertungspunkten in den Ziffern 1.4 und 1.5 ist nicht nachvollziehbar, weil die ASt hier gemäß ihren Angaben in den Technischen Datenblättern ihres Angebots, eine Erfüllung über das "Muss"-Kriterium hinaus gewährleistet. Die Ag hätte dies gemäß ihrer Vorgabe in den Verdingungsunterlagen mit mindestens 1 Punkt bewerten müssen. Bei den Ziffern 1.10, 1.14, 1.15, 1.17, 1.23, 2.2, 2.4, 2.7 ist eine Bewertung mit 0 Punkten nicht nachvollziehbar, weil dem "Kann"-Kriterium keine Übererfüllung im Hinblick auf die Mindestanforderung ("Muss"-Kriterium) entnommen werden kann (s. unter C.1.). Nicht plausibel ist ferner die z.T. sehr unterschiedliche Bewertung derselben Funktionalität beim Tiefsee- und beim Mittelwasserlot. So hat die Ag beispielsweise in Ziffer 1.6 (zusätzliche Softbeams) einmal 10 Punkte, einmal 5 Punkte vergeben. Sie hat die Abweichung mit den unterschiedlichen Qualitäten der jeweils für sich zu bewertenden Vergleichsprodukte der Wettbewerber begründet. Eine derart starke Abweichung ist für die Vergabekammer aber ohne weitere Nachweise oder Begründung seitens der Vergabestelle nicht nachvollziehbar. Dies gilt ebenfalls für die Wertung der Ziffer 1.10 (Beamsteuerung umschaltbar). Hier erhielt die ASt einmal 9 Punkte, einmal 0 Punkte. Die Bewertung mit "nicht erfüllt" des Tiefseelots ist schon aus dem vorgenannten Grund mit mindestens 1 Punkt vorzunehmen. Die Vergabe von 9 Punkten beim Mittelwasserlot bedeutet aber eine fast vollständige Leistungserfüllung. Der Verweis auf die Qualität der übrigen Angebote kann den eklatanten Unterschied in der Bewertung derselben Funktion nicht zufriedenstellend erklären. Ähnliches gilt für Ziffer 1.13 (Side-Scan-Funktion). Hier wurde das Tiefseelot mit 1 Punkt, das Mittelwasserlot hingegen mit 8 Punkten bewertet. In Ziffer 1.14 (Backscatter-Funktion) wurde das Tiefseelot unzulässigerweise mit 0 Punkten, das Mittelwasserlot mit 10 Punkten bewertet. Die großen Unterschiede in der Bewertung sind für die Vergabekammer nicht nachvollziehbar, so dass sie Anhaltpunkte einer Überschreitung des der Ag zustehenden Entscheidungsermessens sieht. Die unzulässige Bewertung mit 0 Punkten führt zu einer Verzerrung des Wertungsergebnisses, da aufgrund der Multiplikation mit einem Gewichtungsfaktor die entsprechenden Wertungspunkte vollständig ausfallen.

Ferner hat die Ag die Ziffer 2. (Software) bei allen Bietern nicht bewertet, so dass ein mit 35 % angesetzter Teilbereich gar nicht berücksichtigt wurde. Dies kann ebenfalls zu Verzerrungen in der Endwertung führen, da der mit 65 % zu berücksichtigende Wert mit 100 % in das Verhältnis zum Preis gesetzt wurde. Zumindest hat die Ag aber ihr Ermessen entgegen der bekannt gemachten Wertungskriterien in fehlerhafter Weise überhaupt nicht ausgeübt, obwohl Ziffer 2. nicht nur "Muss"-Kriterien, sondern auch aufgesetzte und reine "Kann"-Kriterien enthielt.

Zudem ist der von der Ag zugrunde gelegte Angebotspreis der ASt aufgrund der eingereichten Unterlagen nicht nachvollziehbar. Die Ag hat vorgetragen, dass sie bei allen Bietern gleichermaßen eine von ihr als sinnvoll unterstellte Konfiguration der Echolote zugrunde gelegt hat. Die Rechenmethode ist jedoch der Vergabeakte nicht zu entnehmen. Eine Kontrollrechnung der Vergabekammer hat zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Festlegung des zu wertenden Angebotspreises von ASt und der Bieterin K GmbH geführt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Ag der Wertung einen ca. 80.000 Euro höheren Preis als in den Angebotsunterlagen enthalten zugrunde gelegt hat. Damit verzerrt sich aber die Punktewertung um 5 Punkte zu Lasten der ASt.

3. Es ist nicht auszuschließen, dass sich bei einer Neubewertung durch die Ag unter Zugrundelegung des korrekt ermittelten Preises die Punktebewertung zugunsten der ASt verschoben und sich hierdurch ihre Chance auf den Erhalt des Zuschlags verbessert hätte, obwohl bei der Neuwertung auch andere Bieter bei einzelnen Kriterien eine andere Punktzahl als 0 bekommen müssten. Die Neuwertung wäre allerdings grundsätzlich wieder dem Beurteilungsspielraum der Vergabestelle unterlegen. Aufgrund des rechtswirksam erteilten Zuschlags an einen Dritten bleibt der Kammer nur noch die Feststellung, dass die ASt durch die vorliegende Wertung ihres Angebots in ihren Rechten gem. § 97 Abs. 7 GWB verletzt worden ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 GWB.

Die Ag hat als Unterliegende die Kosten des Verfahrens gem. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB zu tragen. Die Ag hat ferner gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten der ASt zu tragen.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die ASt war wegen der im Nachprüfungsverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen notwendig.

IV.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Oberlandesgericht Düsseldorf – Vergabesenat -, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.

Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.